Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 20.05.2010, Az.: 9 Sa 1914/08

auswärtiger Gerichtstermin; Schmerzensgeld; Wiederholung der Beweisaufnahme

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
20.05.2010
Aktenzeichen
9 Sa 1914/08
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2010, 47920
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG - 30.09.2008 - AZ: 3 Ca 1270/07

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Die Wiederholung der Beweisaufnahme ist nach § 529 I Nr. 1 ZPO die Ausnahme und nur bei Zweifeln an der Vollständigkeit oder Richtigkeit der getroffenen Feststellungen geboten.
2. Die Beweisaufnahme kann gemäß § 58 ArbGG auch an einem anderen Ort als der Zuständigkeit durchgeführt werden, wenn die Zeugin nur eingeschhränkt reisefähig ist.
3. Erleidet ein Arbeitnehmer im Rahmen einer zunächst verbalen Auseinandersetzung einen Faustschlag ins Gesicht und erkrankt er infolgedessen für 14 Monate an einer depressiven Anpassungsstörung kann ein Schmerzensgeld von 8.000,00 Euro für angemessen erachtet werden.

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Osnabrück vom 30.09.2008, 3 Ca 1270/07, teilweise abgeändert und wie folgt gefasst:

1. Die Klägerin wird verurteilt, an den Beklagten ein Schmerzensgeld in Höhe von 8.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.05.2007 zu zahlen.

2. Die Klägerin wird verurteilt, an den Beklagten 5.558,15 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz

auf 91,15 € seit 01.07.2007und auf jeweils 390,66 € seit 01.08.2007, 01.09.2007, 01.10.2007, 01.11.2007, 01.12.2007, 01.01.2008, 01.02.2008, 01.03.2008, 01.04.2008, 01.05.2008, 01.06.2008, 01.07.2008, 01.08.2008, 01.09.2008 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Kosten des Berufungsverfahrens haben die Klägerin zu 42,5 % und der Beklagte zu 57,5 % zu tragen. Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens haben die Klägerin zu 49 % und der Beklagte zu 51 % zu tragen.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten im Berufungsverfahren noch über die Widerklage des Beklagten auf Erstattung von Verdienstausfall und Schmerzensgeld durch die Klägerin aus einem im Einzelnen streitigen Vorfall vom 31. Mai 2007. Zum Zeitpunkt des streitigen Vorfalls waren sowohl die Klägerin als auch der Beklagte bei der Stadt C-Stadt im F.-Museum als Museumsaufseher beschäftigt. Die Klägerin ist immer noch bei der Stadt C-Stadt tätig und bezieht einen durchschnittlichen Monatsnettolohn im Jahre 2007 in Höhe von ca. 1.250,00 Euro. Der Beklagte bezieht mittlerweile Altersrente.

Am Vormittag des 31.05.2007 befand sich der Beklagte zum Zeitpunkt des streitigen Vorfalls im Aufenthaltsraum des Museums. Anwesend waren die weiteren Arbeitskollegen und Zeugen C. und Herr D.. Als die Klägerin den Aufenthaltsraum ebenfalls betrat, kam es zu einem im Einzelnen streitigen Wortgefecht zwischen der Klägerin und dem Beklagten. Dabei ging es um den Schlüsselbund der Klägerin, den sie im Eingangsbereich des Museums bei einer kurzen Abwesenheit hatte liegen lassen. Ob es im Rahmen oder im Anschluss an das Wortgefecht zwischen den Parteien zu einer Tätlichkeit kam, ist zwischen den Parteien streitig. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist noch die Behauptung des Beklagten, dass die Klägerin ihm mit der Faust auf die linke Wange geschlagen habe. Im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens machte die Klägerin Ansprüche gegen den Beklagten geltend, weil er sie mit den Händen am Hals gefasst, leicht gewürgt und in den Vorraum vor dem Aufenthaltsraum geschleudert habe. Hierzu hatte die Klägerin Durchgangsarztberichte vom 31.05.2007 und u. a. eine ärztliche Bescheinigung vom 04.06.2007 vorgelegt. Für die Einzelheiten diesbezüglich wird auf den Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils verwiesen. Die Abweisung der Klage ist rechtskräftig.

Der Beklagte legte zunächst ein Attest (Bl. 49 d. A.) mit Datum vom 01.06.2007 des ihn behandelnden Arztes Dr. med. A., mit folgenden Inhalt vor:

"Am Vortag Vormittags Faustschlag ins Gesicht bekommen.
Seitdem Schmerzen i. li. Gesichtshälfte, Nacken, Kopf.
Diagnosen:
(S.00.80G) Gesichtsprellung / (M 53.1 G) HWS Blockierung".

Des Weiteren reichte der Beklagte ein ärztliches Attest des behandelnden Arztes Dr. A. vom 23.11.2007 ein, ausweislich dessen der Kläger neben einer Halswirbelsäulen-Blockierung/Gesichtsprellung 1.6.07. auch unter 2. eine reaktive Depression 18.6.07. erlitten habe und eine psychotherapeutische Behandlung beantragt werde. Für die Einzelheiten des Attests wird auf Bl. 50 d. A. Bezug genommen. Schließlich liegt ein Attest von Dr. med. A. vom 19.09.2008 vor, das die Diagnose einer Gesichtsprellung über dem linken Jochbein vom 01.06.2008 sowie die eingetretene schwere depressive Anpassungsstörung bestätigt (Bl. 186 d. A.). Schließlich legte der Beklagte eine nervenärztliche Bescheinigung zur Vorlage bei der Krankenkasse vom 08.09.2007 durch den Dr. med. B., ausweislich derer der Beklagte seit September 2007 wegen einer depressiven Anpassungsstörung behandelt wird. Für die weiteren Einzelheiten der Bescheinigung wird auf Bl. 187 d. A. Bezug genommen.

Der Beklagte arbeitete am Vorfallstag des 31.05.2007 noch bis 14.00 Uhr und suchte am 01.06.2007 den behandelnden Arzt auf. Im Anschluss daran trat der Kläger einen längeren und bereits geplanten Kururlaub an, der aus im Einzelnen streitigen Gründen abgebrochen wurde. Der Kläger war vom 18.06.2007 bis 31.08.2008 durchgehend arbeitsunfähig erkrankt. Er bezog in der Zeit vom 24.06.2007 bis 31.08.2008 Krankengeld in Höhe von monatlich 1.636,36 Euro. Sein zuvor bezogener Nettoverdienst betrug 2.026,86 Euro monatlich.

Infolge des streitigen Vorfalls vom 31. Mai 2007 wurde sowohl das Arbeitsverhältnis der Klägerin als auch des Beklagten mit der Stadt C-Stadt außerordentlich gekündigt. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin wurde im Rahmen eines gerichtlich protokollierten Vergleichs in dem Kündigungsschutzverfahren beim Arbeitsgericht Osnabrück 3 Ca 937/07 fortgesetzt. Das Arbeitsverhältnis des Beklagten wurde auf Grund seines Obsiegens des Beklagten gegenüber dem Arbeitgeber im Berufungsverfahren fortgesetzt.

Die Klägerin hat - soweit für das Berufungsverfahren noch von Interesse - bestritten, den Beklagten geschlagen zu haben. Sie habe den Beklagten weder mit der flachen Hand noch mit der Faust geschlagen. Vielmehr sei der Beklagte aufgestanden, auf sie zu getreten und habe sie in den Vorraum vor dem Aufenthaltsraum gedrängt und die Klägerin dort am Hals gewürgt. Dass sie den Beklagten nicht geschlagen haben könne, ergebe sich auch daraus, dass dieser wesentlich größer und stärker als sie sei. Außerdem neige der Beklagte zu aggressiven Verhalten.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie 4.022,44 Euro nebst 5 % Zinsen p. a. über dem Basiszinssatz hinaus seit dem 1. November 2007 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen und

widerklagend,

1. die Klägerin zu verurteilen, an ihn ein angemessenes und das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.05.2007 zu zahlen,

2. festzustellen, dass die Klägerin auch für alle weiteren dem Beklagten entstehenden Schäden aus dem Vorfall vom 31.05.2007 im F.-Museum C-Stadt resultierenden Schäden einzustehen hat,

3. die Klägerin zu verurteilen, an ihn einen Schadensersatzbetrag als Nettolohndifferenz in Höhe von 5.560,39 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag in Höhe von 91,15 Euro seit dem 01.07.2007, aus einem Betrag in Höhe von 390,66 Euro seit dem 01.08.2007, aus einem Betrag in Höhe von 390,66 Euro seit dem 01.09.2007, aus einem Betrag in Höhe von 390,66 Euro seit dem 01.10.2007, aus einem Betrag in Höhe von 390,66 Euro seit dem 01.11.2007, aus einem Betrag in Höhe von 390,66 Euro seit dem 01.12.2007, aus einem Betrag in Höhe von 390,66 Euro seit dem 01.02.2008, aus einem Betrag in Höhe von 390,66 Euro seit dem 01.03.2008, aus einem Betrag in Höhe von 390,66 Euro seit dem 01.04.2008, aus einem Betrag in Höhe von 390,66 Euro seit dem 01.05.2008, aus einem Betrag in Höhe von 390,66 Euro seit dem 01.06.2008, aus einem Betrag in Höhe von 390,66 Euro seit dem 01.07.2008, aus einem Betrag in Höhe von 390,66 Euro seit dem 01.08.2008 sowie aus einem Betrag in Höhe von 390,66 Euro seit dem 01.09.2008 zu zahlen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

Der Beklagte hat vorgetragen, die Klägerin sei in den Aufenthaltsraum gestürzt und habe ihn unvermittelt angeschrien: "Was fällt dir ein, dir gehört nicht das ganze Museum. Du hast meine Sachen nicht anzufassen!". Er schildert hierzu im Einzelnen den Vorgang um den Schlüssel der Klägerin aus seiner Sicht. Hierzu wird auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils (Bl. 208 d. A.) Bezug genommen. Als er den Raum habe verlassen wollen, habe er von der Klägerin einen Faustschlag ins Gesicht erhalten. Auch hierzu wird für die weiteren Einzelheiten auf das erstinstanzliche Urteil verwiesen. Infolge des Faustschlages sei er permanent krank gewesen. Er habe eine schwere depressive Reaktion in dem zunächst angetretenen Kururlaub erlitten. Auf Grund des Verhaltens der Klägerin, der erlittenen Körperverletzung und der durch die Klägerin hervorgerufenen Anpassungsstörung sei ein Schmerzensgeld in Höhe von 50,00 Euro pro Tag als angemessen anzusehen, woraus sich ein angemessenes Schmerzensgeld in Höhe von 24.350,00 Euro ergebe. Des Weiteren sei die Nettodifferenz zwischen dem ausgezahlten Krankengeld und seinem Nettomonatsgehalt zu erstatten. Da aus dem ärztlichen Attest vom 23.11.2007 hervorgehe, dass ein psychischer Dauerschaden zu befürchten sei, sei auch die beantragte Feststellung über den Ersatz weiterer entstehender Schäden zu berücksichtigen.

Das Arbeitsgericht wies mit Urteil vom 30.09.2008 sowohl die Klage als auch die Widerklage ab. Hinsichtlich der Klage verwies das Arbeitsgericht darauf, dass die Klägerin beweisfällig für ihre Behauptung geblieben sei. Im Rahmen der Widerklage erhob das Arbeitsgericht Beweis gemäß Beweisbeschluss vom 30.09.2008 Beweis über die Behauptung des Beklagten, die Klägerin habe ihn mit der Faust auf die linke Wange geschlagen durch Vernehmung der Zeugen C. und D.. Das Arbeitsgericht sah es im Ergebnis nicht für erwiesen an, dass die Klägerin den Beklagten geschlagen habe. Zwar habe die Zeugin C. eine entsprechende Handbewegung der Klägerin zum Gesicht des Beklagten beobachtet und im Zusammenhang mit dem streitigen Vorfall zu dem Zeugen D. gesagt, "Frau G. hat Herrn E. geschlagen". Zudem hätten beide Zeugen übereinstimmend nach der Rückkehr des Herrn E. in den Aufenthaltsraum bekundet, dass dieser eine gerötete linke Wange habe. Dennoch blieben Zweifel an dem behaupteten Tathergang mit der Folge, dass das Arbeitsgericht die Verletzungshandlung nicht als erwiesen ansah. Für die Einzelheiten der Beweiswürdigung wird auf die Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts im Urteil vom 30.09.2008 S. 15 bis 18 verwiesen.

Das Urteil des Arbeitsgerichts wurde sowohl der Klägerin als auch dem Beklagten am 17.11.2008 zugestellt. Der Beklagte wendet sich gegen die Abweisung der Widerklage mit seiner am 16.12.2008 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Berufung. Die Berufungsbegründung ging am 02.03.2009 ein. Die Berufungsbegründungsfrist war auf Antrag des Beklagtenvertreters vom 12.01.2009 gemäß Beschluss vom 13.01.2009 bis 02.03.2009 verlängert worden.

Mit seiner Berufung wendet sich der Beklagte und Berufungskläger gegen die Beweiswürdigung des Arbeitsgerichts. Das Arbeitsgericht lege einen zu hohen Maßstab für das Erlangen einer Überzeugung über den streitigen Tathergang an. Eine absolute, über jeden denkbaren Zweifel erhabene Gewissheit sei nicht erforderlich. Nach den Bekundungen der Zeugen, die sich im Übrigen auch mit ihren Aussagen im Rahmen der polizeilichen Vernehmung deckten, sowie auf Grund der attestierten Verletzung des Klägers an der linken Wange sei gar keine andere Schlussfolgerung möglich gewesen, als dass die Klägerin den Beklagten mit der Faust auf die linke Wange geschlagen habe. Dies gelte besonders vor dem Hintergrund, dass der Zeuge D. die Äußerung des Beklagten gegenüber der Klägerin bekundet hat "Du schlägst mich nicht noch mal". Darüber hinaus hätte keine der Parteien im Rahmen ihres Parteivortrages behauptet, dass der Beklagte im Rahmen des nachfolgenden Gerangels im Vorraum bzw. Geräteraum des Aufenthaltsraumes eine Verletzung des Beklagten erlitten habe. Das sei eine unzulässige Schlussfolgerung des Gerichts, die sich auch nicht aus der Beweisaufnahme ergebe. Ergänzend verweist der Beklagte in seiner Berufungsbegründung auf die von ihm vorgetragene Kausalität der eingetretenen depressiven Anpassungsstörung zu der Verletzungshandlung durch die Klägerin.

Nachdem der Beklagte in der Berufungsbegründung vom 02.03.2009 zunächst seine widerklagenden Anträge 1 bis 3 wiederholt hat, stellt er in der mündlichen Verhandlung die folgenden Anträge:

1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Osnabrück vom 30.09.2008, 3 Ca 1270/07, wird teilweise und insoweit aufgehoben, als die Widerklage abgewiesen worden ist.

2. Auf die Widerklage des Beklagten wird die Klägerin verurteilt, an den Beklagten ein angemessenes und in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld nebst Zinsen in Höhe von 5 % Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.05.2007 zu zahlen und

3. die Klägerin wird verurteilt, an den Beklagten einen Schadensersatzbetrag als Nettolohndifferenz in Höhe von 5.560,39 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag in Höhe von 91,15 Euro seit dem 01.07.2007, aus einem Betrag in Höhe von 390,66 Euro seit dem 01.08.2007, aus einem Betrag in Höhe von 390,66 Euro seit dem 01.09.2007, aus einem Betrag in Höhe von 390,66 Euro seit dem 01.10.2007, aus einem Betrag in Höhe von 390,66 Euro seit dem 01.11.2007, aus einem Betrag in Höhe von 390,66 Euro seit dem 01.12.2007, aus einem Betrag in Höhe von 390,66 Euro seit dem 01.01.2008, aus einem Betrag in Höhe von 390,66 Euro seit dem 01.02.2008, aus einem Betrag in Höhe von 390,66 Euro seit dem 01.03.2008, aus einem Betrag in Höhe von 390,66 Euro seit dem 01.04.2008, aus einem Betrag in Höhe von 390,66 Euro seit dem 01.05.2008, aus einem Betrag in Höhe von 390,66 Euro seit dem 01.06.2008, aus einem Betrag in Höhe von 390,66 Euro seit dem 01.7.2008, aus einem Betrag in Höhe von 390,66 Euro seit dem 01.08.2008, aus einem Betrag in Höhe von 390,66 Euro seit dem 01.09.2008 zu zahlen.

Die Klägerin und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts und die vorgenommene Beweiswürdigung nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderung. Sie weist insbesondere darauf hin, dass die gerötete Stelle im Gesicht des Beklagten, die von den Zeugen bekundet wurde, auch ein Zeichen der Erregung sein könnte. Auch der Umstand, dass der Zeuge D. die behauptete Tätlichkeit selbst nicht gesehen habe, zeige, dass die Beweiswürdigung des Arbeitsgerichts zutreffend sei. Nach den Räumlichkeiten hätte der Zeuge D. einen Schlag sehen müssen, wenn dieser ausgeführt worden wäre. Für die weiteren Einzelheiten wird auf die Berufungserwiderung vom 07.03.2007 Bezug genommen.

Beide Parteien hatten wechselseitig Strafanzeige gegen die jeweils andere Person gestellt. Hierzu wird Bezug auf die Akten des Amtsgerichts C-Stadt Az. und Az. der Staatsanwaltschaft C-Stadt genommen. Beide Verfahren sind eingestellt worden. Die Akten lagen dem Berufungsgericht informatorisch vor.

Das Landesarbeitsgericht hat gemäß Beschluss vom 05.10.2009 erneut Beweis erhoben über die Behauptung des Beklagten, die Klägerin habe ihn mit der Faust in die linke Gesichtshälfte geschlagen durch Vernehmung der Zeugen C. und D.. Die Zeugin C. legte nach ihrer Ladung eine ärztliche Bescheinigung für das Gericht vom 11.02.2010 durch behandelnde Ärztin vor, ausweislich dessen sie unter Angstzuständen und u. a. Bluthochdruckrisiko leide (Bl. 293 d. A.). Eine Vernehmung in ruhiger Umgebung wurde empfohlen. Das Landesarbeitsgericht hat dementsprechend gemäß Beschluss vom 29. März 2010 eine auswärtige Beweisaufnahme gemäß § 58 ArbGG angeordnet. Für die Einzelheiten wird auf den Beschluss vom 29.03.2010 Bezug genommen (Bl. 406/407 d. A.). Die mündliche Verhandlung und Durchführung der Beweisaufnahme fand insgesamt in den Räumlichkeiten des Arbeitsgerichts Osnabrück statt. Für den Inhalt der Beweisaufnahme wird auf die Niederschrift vom 20.05.2010 Bezug genommen.

Das Gericht hat außerdem gemäß Beschluss vom 05.10.2009 ärztliche Auskünfte über die erlittene Anpassungsstörung des Beklagten eingeholt. Für den Inhalt wird auf die Bescheinigungen vom jeweils 20.10.2009 Bezug genommen (Bl. 361 -365 d.A.).

Entscheidungsgründe

I.

Die Berufung des Beklagten ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt worden und statthaft (§§ 64, 66 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO).

II.

Die Berufung ist auch teilweise begründet. Der Beklagte hat Anspruch auf Ersatz des Verdienstausfalles und Schmerzensgeld, wenn auch nicht in der geltend gemachten Höhe.

1. Der Kläger hat Anspruch auf Erstattung des Verdienstausfalles in rechnerisch richtiger Höhe von 5.558,15 Euro für die Zeit vom 24.06.2007 bis 31.08.2008 aus § 823 Abs. 1 BGB, § 823 Abs. 2 BGB iVm § 223 StGB, § 249 Abs. 1 BGB. Die Klägerin hat den Beklagten am 31.05.2007 mit der Faust an der linken Wange verletzt und ihm daher eine Körper- und Gesundheitsverletzung am zugefügt. Dabei steht zur freien Überzeugung des Gerichts fest, dass die durch ärztliche Bescheinigung nachgewiesene Gesichtsverletzung des Klägers und die nachfolgende depressive Reaktion durch eine Handlung der Klägerin verursacht wurden.

a) § 286 Abs. 1 ZPO verlangt die freie Überzeugung des Gerichts, dass eine Behauptung einer Partei wahr ist. Eine absolute, über jeden denkbaren Zweifel erhabene Gewissheit kann nicht verlangt werden (BGH vom 14.04.1999, IV ZR 181/98, NJW RR 1999, Seite 1184 Ziffer II 2 a). Die Beweiswürdigung darf nicht unvollständig noch widersprüchlich sein noch gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen (BGH vom 12.03.2004 – V ZR 257/03 – NJW 2004, S. 1876, Ziffer II 2 a aa d. Gr.)

aa) Die Beweisaufnahme war zu wiederholen. Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 1 ZPO ist das Berufungsgericht grundsätzlich an die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen gebunden. Diese Bindung entfällt nur, wenn konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit entscheidungserheblicher Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Festgestellt sind dabei solche Tatsachen, hinsichtlich derer das erstinstanzliche Gericht aufgrund einer freien Beweiswürdigung gemäß § 286 Abs. 1 ZPO die Entscheidung getroffen hat, dass sie wahr oder unwahr ist. Konkreter Anhaltspunkt in diesem Sinn ist jeder objektivierbare rechtliche oder tatsächliche Einwand gegen die erstinstanzlichen Feststellungen. Er kann sich aus gerichtsbekannten Tatsachen, aus dem Vortrag der Parteien oder aus dem angefochtenen Urteil selbst ergeben, aber auch aus Fehlern, die dem Eingangsgericht bei der Feststellung des Sachverhalts unterlaufen sind (BGH vom 08.06.2004 – VI ZR 230/03 – NJW 2004, S. 2828, Ziffer II 2 b bb (1) d. Gr.; BGH vom 09.03.2005 – VIII ZR 266/03 – NJW 2005, S. 1583, Ziffer II 1 u. 2 d. Gr.; BAG vom 23.11.2006 – 8 AZR 349/06, AP Nr. 1 zu § 613 a BGB Wiedereinstellung = EzA § 613 a BGB 2002 Nr. 61 = NZA 2007, S. 866 bis 869, Rn. 28 - 30).

Eine erneute Tatsachenfeststellung durch das Berufungsgericht ist nach der Formulierung des Gesetzes nur als Ausnahme („soweit nicht“) geboten. Dies entspricht der Absicht des Gesetzgebers (Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucksache 14/4722, Seite 100). Aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich aber auch, dass die zur Entlastung des Berufungsgerichts vorgesehene – grundsätzliche – Bindung an die erstinstanzliche Tatsachenfeststellung auf solche Tatsachen beschränkt sein soll, welche die erste Instanz bereits „vollständig“ und „überzeugend“ getroffen hat (BT-Drucksache 14/4722, Seite 61). Die Aufgabe der Berufungsinstanz als zweite – wenn auch eingeschränkte Tatsacheninstanz besteht auch nach der Reform des Zivilprozesses in der Gewinnung einer „fehlerfreien und überzeugenden“ und damit richtigen, das heißt der materiellen Gerechtigkeit entsprechenden Entscheidung des Einzelfalles (BGH vom 09.03.2005 VIII ZR 266/03, BGHZ 162, 313 Rn. 5). Dementsprechend sollen vernünftige Zweifel genügen, um das Berufungsgericht zu neuen Tatsachenfeststellungen zu verpflichten (BGH vom 09.03.2005 a. a. O. Rn. 6). Für Zweifel an der Vollständigkeit der getroffenen Feststellungen reicht es bereits aus, wenn das Erstgericht auf Grund fehlerhafter Beweiswürdigung von der Nichterweislichkeit einer entscheidungserheblichen Tatsachenbehauptung ausgeht, also nur ein tragendes Element die erstinstanzlichen Beweiswürdigungen seiner Aussagekraft geschmälert wird (BGH vom 12.03.2004, V ZR 257/03, NJW 2004, Seite 1876 Ziffer II 2 a aa (2) der Gründe). Erforderlich ist jedoch, dass die Zweifel rational nachvollziehbar sind. Auf bloßen Rechtsgefühl beruhende Zweifel genügen nicht (Gaier, NJW 2004, 2041/2044).

bb) Gemessen an diesen Grundsätzen war die Beweisaufnahme zu wiederholen. Die Beweiswürdigung gibt Anlass zu konkreten Zweifeln an der Richtigkeit der getroffenen Feststellungen, weil es überhöhte Anforderungen an die Überzeugung des Gerichts stellt und letztendlich nicht berücksichtigt, dass keine der Parteien behauptet haben, der Beklagte habe sich die Gesichtsverletzung, die im Übrigen auch nach Art und Lage zu einem behaupteten Faustschlag passt, durch eine Rangelei oder einen Sturz oder Anderes herbeigeführt.

b) Die Beweisaufnahme war gemäß § 58 Abs. 1 ArbGG, § 219 ZPO ausnahmsweise an einem anderen Ort als dem zuständigen Gericht durchzuführen. Die Zeugin C. war am Erscheinen in den Gerichtsräumen des Landesarbeitsgerichts im Sinne des § 375 Abs. 2 Nr. 2 ZPO verhindert, da sie auf Grund der ärztlichen Bescheinigung nur unter gesundheitlichen Risiken die Anreise und die Vernehmung in einer unbekannten Umgebung hätte auf sich nehmen können. Von einer Übertragung der Beweisaufnahme auf die Vorsitzende gemäß § 58 Abs. 1 Satz 2 ArbGG hat die Kammer abgesehen, weil auch der Zeuge D. zu vernehmen war und eine mögliche Gegenüberstellung beider Zeugen nicht ausgeschlossen werden konnte, so dass eine einheitliche Beweisaufnahme sinnvoll erschien. Im Übrigen konnte somit vor der Kammer über das Ergebnis der Beweisaufnahme verhandelt werden.

c) Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme und dem Inhalt der gesamten mündlichen Verhandlung, insbesondere der vorgelegten Bescheinigung vom 01.06.2007 des Dr. A. über die Gesichtsverletzung des Beklagten, stand zur Überzeugung der Kammer fest, dass die Klägerin den Beklagten mit der Faust auf die linke Gesichtshälfte geschlagen hat, und zwar im Türrahmen stehend zwischen dem Aufenthaltsraum und dem dazugehörenden Flur bzw. Vorraum.

aa) Das hat zunächst die Zeugin C. überzeugend bekundet. Die Zeugin C. hat bekundet, dass sie eine Armbewegung der Klägerin in Richtung des Gesichts des Beklagten gesehen hat. Sie hat gesehen, dass der Arm sich kurz vor dem Gesicht des Beklagten befand. Die eigentliche Berührung der Klägerin mit dem Beklagten hat die Zeugin nicht bekundet, weil sie dies - wie sie anhand der zur Akte gereichten Skizze (Bl. 197 d. A.) und des Lichtbildes von dem Türrahmen und der angrenzenden Räumlichkeiten (Bl. 198 d. A.) - überzeugend schilderte, nicht sehen konnte. Sie hat aber bei Nachstellung der Situation sicher sagen können, dass die Armbewegung auf das Gesicht zielte und nicht etwa an dem Beklagten vorbei oder in Richtung des Türrahmens oder in eine andere Richtung. Das war auch insbesondere deswegen überzeugend, weil die Zeugin eingeräumt hat, die Berührung zwischen Hand oder Faust mit dem Gesicht nicht gesehen zu haben. Insofern ist es auch nachvollziehbar, dass die Zeugin nicht bekunden kann, ob mit Faust oder Hand geschlagen wurde. So wie die Zeugin zunächst im Aufenthaltsraum saß und später stand, konnte sie diesen Vorgang im Türrahmen gut beobachten. Des Weiteren spricht für die Richtigkeit der Aussage der Zeugin, dass der Beklagte nach ihren Bekundungen nach dem nachfolgenden Gerangel im Vorraum, das die Zeugin nicht gesehen hat, mit einem kreidebleichen Gesicht und einer geröteten Stelle auf der linken Wange zurückkam. Er habe sinngemäß etwas geäußert wie, er sei "völlig fertig" und "die hat mich geschlagen" und sie habe geantwortet, "ja, mit der Hand" , woraufhin er gesagt habe "nein, mit der Faust". Der Inhalt dieses Dialoges wird auch von den Bekundungen des Zeugen D. bestätigt, der zwar die Armbewegung nicht gesehen hat, aber bei Rückkehr des Zeugen E. ebenfalls die gerötete Stelle auf der linken Wange sah und als kreisrunde Stelle über dem linken Jochbein bzw. um das linke Jochbein herum beschrieb. Dass der Zeuge D. den Schlag selbst nicht gesehen hat, steht der Richtigkeit der Aussage der Zeugin C. nicht entgegen. Der Zeuge D. hat ebenfalls anhand der Skizze (Bl. 195 d. A.) und des Lichtbildes zu Bl. 196 d. A. überzeugend dargestellt, dass er mit 180 Grad in die gegenüberliegende Richtung schaute und mit dem Stuhl zwar direkt neben dem Türrahmen saß, den Türrahmen aber nur hätte einsehen können, wenn er sich ganz herumgedreht und vorn übergebeugt hätte. Der Zeuge D. war ersichtlich um Genauigkeit und Richtigkeit seiner Aussage bemüht, auch wenn er bei dem von ihm beobachteten Geschehen immer wieder mehr gesehen haben wollte, als er tatsächlich gesehen hat, was er auf Nachfrage auch immer wieder eingeräumt hat. Der Zeuge D. hat mehrfach bestätigt, dass das letzte, was er von den streitenden Parteien im Aufenthaltsraum gesehen habe, die Wendung der Klägerin in Richtung des Türrahmens war. Er hat weder gesehen, wie die Klägerin durch den Türrahmen ging noch wie Herr E. ihr folgte noch ob sich im Türrahmen noch irgendetwas abspielte. Er hat auch mehrfach betont, dass seine Schlussfolgerung, die Klägerin sei über den Türrahmen gestolpert, darauf beruhe, dass die Klägerin ihm dies am Folgetag erzählt hat. Für ihn war diese Schilderung offensichtlich einleuchtend. Durch eigene Wahrnehmung konnte er diese jedoch nicht bestätigen. Es ist für die Kammer daher nachvollziehbar, dass der Zeuge D. zu dem Vorfall im Türrahmen überhaupt nichts sagen konnte, weil er diesen Bereich nicht eingesehen hat. Darüber hinaus war auch der Zeuge D. davon überzeugt, dass die Klägerin den Beklagten geschlagen habe. Der Schlag war von ihm nicht an einer anderen Stelle gesehen worden als von der Frau C. ausgeführt. Er hat den Vorraum und den Geräteraum, soweit möglich, durch die Tür blickend eingesehen, dort einen Schlag durch die Klägerin gegenüber dem Beklagten aber auch nicht gesehen. Der Zeuge D. hat aber bestätigt, dass der Beklagte die Klägerin am Jackenrevers hielt und sagte: "Du schlägst mich nicht noch einmal." Dabei hat der Zeuge D. mehrfach eingeräumt, wie auch die Zeugin C., dass er sich an den genauen Wortlaut nicht mehr erinnern könne. Das ist nach drei Jahren Zeitablauf auch nachvollziehbar. Nichts desto trotz haben beide Zeugen die maßgeblichen Inhalte der Äußerungen jeweils übereinstimmend bekundet. Soweit die Aussagen nicht übereinstimmen, ergänzen sie sich. Beide Aussagen ergeben zusammen genommen ein stimmiges Gesamtbild des Geschehens.

Letztlich ergibt sich auch kein Widerspruch der polizeilichen Aussage der Zeugin C. zu ihrer gerichtlichen. Sie hat bereits in der Beweisaufnahme beim Arbeitsgericht wie auch jetzt bekundet, einen Knall oder Schlag nicht gehört habe. Wie es zu der Formulierung "Knall" in der polizeilichen Verhandlung gekommen ist, ließ sich nicht mehr aufklären. Es spricht einiges dafür, dass die Zeugin hier den umgangssprachlichen Begriff für "jemanden schlagen" gewählt hat. Sie hat die polizeiliche Vernehmung selbst formuliert und geschrieben und nicht infolge einer Befragung durch einen Polizeibeamten.

bb) Gegen die Glaubwürdigkeit der Zeugin C. spricht auch nicht, dass sie sich offensichtlich mit der Ehefrau des Beklagten duzt. Es ist nachvollziehbar, dass beim längjährigen Arbeitsverhältnis Ehepartner am Arbeitsplatz persönlich bekannt sind, wie hier auf Grund von Besuchen der Ehefrau am Arbeitsplatz des Beklagten. Ab welchem Grad der Bekanntschaft sich Personen duzen, ist unterschiedlich. Ein Rückschluss auf eine fehlende Glaubwürdigkeit der Zeugin kann aus dem bloßen Duzen nicht vorgenommen werden. Anhaltspunkte für eine Begünstigung des Beklagten durch die Aussage der Zeugin C. ergeben sich ebenfalls nicht. Sie hat jeweils eingeräumt, was sie nicht gesehen oder gehört hat. Dabei ist sie stets geblieben, sowohl in der aktuellen Befragung als auch in der Beweisaufnahme beim Arbeitsgericht, soweit sich das aus dem Protokoll ergibt. An der Glaubwürdigkeit des Zeugen D. bestehen ebenfalls keine Zweifel. Er hatte offenkundig kein Interesse an dem Ausgang des Rechtsstreits. Er war als so genannter Ein-Euro-Jobber bei der Stadt im F.-Museum beschäftigt und hat offensichtlich keinen intensiveren Kontakt zu einer der Parteien. Beide Parteien waren ersichtlich um genaue und wahrheitsgemäße Aussagen bemüht. Daran ändert sich auch nichts dadurch, dass Verwischungen zwischen dem tatsächlich wahrgenommenen und vermuteten eingetreten sind. Die Zeugen haben das jeweils wieder eingeräumt, ohne dass eine Vertuschungsabsicht erkennbar war. Es ist nachvollziehbar, dass nach dem Ablauf von drei Jahren, wie auch bereits nach einem kürzeren Zeitraum, Verwischungen eintreten. Beide Zeugen waren nach ihren überzeugenden Bekundungen schockiert über den Vorfall und haben sicherlich das Erlebte reflektiert, auch wenn sie ausgesagt haben, nicht über den Vorfall geredet zu haben. Beide Aussagen waren detailreich und in den beschriebenen Örtlichkeiten und Standpunkten der Personen und dem Ablauf des Vorfalls übereinstimmend. Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte die Gesichtsverletzung sich anderweitig zugezogen haben könnte, etwa durch ein Stolpern in der Tür, haben sich auch im Rahmen der Beweisaufnahme nicht ergeben und sind auch angesichts der durch den Zeugen D. beschriebenen Verletzung nicht wahrscheinlich.

d) Entgegen der Auffassung der Klägerin haftet sie auch für die depressive Reaktion des Beklagten und die in dieser Folge eingetretene Arbeitsunfähigkeit und den dadurch erlittenen Verdienstausfall in der Zeit vom 18.06.2007 bis 31.08.2008. Wer schuldhaft die Körperverletzung oder Gesundheitsbeschädigung eines Anderen verursacht, haftet auch auf die daraus resultierenden Folgeschäden. Das gilt auch, wenn es sich um psychisch bedingte Folgewirkungen handelt. Die Zurechnung solcher Schäden scheitert nicht daran, dass eventuelle Vorschäden vorhanden sind. Insgesamt ergibt sich, dass ein Schädiger für seelisch bedingte Folgeschäden haftet, auch wenn sie auf einer psychischen Prädisposition oder auf einer sonstigen neurotischen Fehlverarbeitung beruhen. Grenzen sind dieser Haftung nur im Rahmen so genannter Bagatellfälle oder bei neurotischem Streben nach Versorgung und Sicherheit (so genannte Rentenneurose) gesetzt (ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, Urteil vom 30.04.1996, VI ZR 55/95, NJW 1996, Seite 2425 - 2428, Rn. 14 ff., BGH vom 11.11.1997, VI ZR 376/96, NJW 1998, Seite 810 - 813, Rn. 10 ff.). Auch darauf, dass die Verletzungsfolgen möglicherweise nur gering sind und die psychische Reaktion des Beklagten in einem groben Missverhältnis zum Anlass steht, kommt es grundsätzlich nicht an, solang nicht ein so genannter Bagatellfall vorliegt, an den strenge Anforderungen zu stellen sind (BGH vom 11.11.1997 a. a. O. Rn. 11). Ein solcher ganz geringfügiger Fall liegt hier nicht vor. Immerhin hat der Kläger eine Gesichtsverletzung und ein HWS-Syndrom erlitten. Die behandelnden Ärzte haben gemäß Bescheinigungen vom 20.10.2009 die eingetretene Anpassungsstörung auf Grund des Schlages bestätigt. Unter Anwendung von § 287 Abs. 2 ZPO ergibt sich eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für die Kausalität der depressiven Anpassungsreaktion zu dem Faustschlag.

e) Damit haftet die Klägerin für den eingetretenen Verdienstausfall, der durch Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeitszeiten und der Höhe des Krankengeldbezuges und des früheren Nettomonatslohnes des Beklagten nachgewiesen. In rechnerischer Höhe ergibt sich eine monatliche Differenz von 390,66 Euro für die Monate Juli 2007 bis August 2008 sowie für Juni 2007 anteilig 91,15 Euro. Die Gesamtsumme ergibt 5.558,15 Euro. Hinsichtlich des überschießenden Teils war die Klage abzuweisen.

2. Die Klägerin haftet dem Beklagten auf Schmerzensgeld in Höhe von 8.000,00 Euro aus dem Gesichtspunkt der unerlaubten Handlung gemäß § 253 Abs. 2, § 823 Abs. 1 BGB, § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 223 StGB i. V. m. § 253 Abs. 2 BGB. Das Vorliegen einer Verletzungshandlung durch Faustschlag und die daraus resultierenden Folgen sind bereits unter Ziffer 2 des Urteils festgestellt worden. Bei einer Körper- oder Gesundheitsverletzung sind nach § 253 Abs. 2 BGB auch immaterielle Schäden auszugleichen mit der Folge, dass die Klägerin wegen des nachgewiesenen Faustschlages ins Gesicht und der eingetretenen depressiven Reaktion mit der Folge einer Arbeitsunfähigkeit von ca. 14 Monaten ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen hat. Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes sind einerseits die Genugtuungs- und andererseits die Ausgleichsfunktion zu berücksichtigen. Das Schmerzensgeld soll den erlittenen immateriellen Schaden ausgleichen und dem Verletzten Genugtuung für das zugefügte Leid verschaffen. Bei der Festsetzung der Höhe des Schmerzensgeldes hat die Kammer einerseits berücksichtigt, dass es sich um Arbeitskollegen handelt und die Klägerin über ein nicht all zu hohes Nettomonatseinkommen verfügt. Zudem hat sich die Situation im Aufenthaltsraum zwischen der Klägerin und dem Beklagten offensichtlich hochgeschaukelt mit der Folge, dass es zu einer solchen Verletzungshandlung kommen konnte. Andererseits war erhöhend bei der Schmerzensgeldbemessung zu berücksichtigen, dass der Beklagte keinerlei Vorerkrankung hatte, wie sich aus den ärztlichen Bescheinigungen ergibt.

Weiter ist zu berücksichtigen, dass der Beklagte bislang nicht an depressiven Reaktionen litt. Außerdem zeigte sich die Klägerin bis zuletzt uneinsichtig. Die Klägerin hat auch nichts zu ihrer Entlastung vorgebracht, wonach sie sich etwa in einer Notwehr ähnlicher Situation befand. Vielmehr folgt aus den Bekundungen des Zeugen D., dass sie den Raum mit dem Gesicht nach außen gekehrt verlassen wollte und sich offensichtlich im Türrahmen umgedreht haben muss, um den Faustschlag gegenüber dem Beklagten auszuführen. Sie ist also nicht vom Beklagten herausgedrängt worden und wusste sich nicht anders zu helfen, sondern hat sich offensichtlich bewusst noch einmal umgedreht. Auch wenn das ganze Geschehen sehr schnell ging und offensichtlich im Affekt, war diese Bewegung wohl gesteuert. Außerdem war zu berücksichtigen, dass der Schlag mit der Faust ausgeführt wurde, was gegenüber einer Ohrfeige erschwerend ist. Die Kammer hat sich dabei orientiert, dass z. B. für einen grundlosen Faustschlag durch die Rechtsprechung Schmerzensgeld in Höhe von 3.500,00 Euro bei 2 Tagen stationärer Behandlung und 1 Monat Arbeitsunfähigkeit (LG Koblenz vom 13.08.2008, 6 T 99/08, zitiert nach Juris) festgesetzt wurden. In anderen Fällen wurden im Rahmen von erlittenen Verkehrsunfällen, erlittenen Verletzungen und depressiven Reaktionen nach Vorerkrankungen Schmerzensgelder im Rahmen von 5.000,00 bis 24.000,00 Euro festgesetzt (vgl. OLG Saarland vom 21.07.2009, Landgericht München vom 06.11.1997, OLG Schleswig vom 21.12.1994, Schleswig-Holstein vom 06.07.2006, 7 U 148 - 01 und auch BGH vom 30.04.1996, a. a. O.).

III.

Die Kostenentscheidung ergab sich aus dem anteiligen Obsiegen und Unterliegen der Parteien. Die unterschiedliche Kostenquote für das Berufungs- und erstinstanzliche Verfahren ergibt sich aus den unterschiedlichen Streitwerten.

Die Revision war nicht zuzulassen, da Revisionsgründe im Sinne des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht vorliegen. Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde gemäß nachfolgender Rechtsmittelbelehrung wird verwiesen.