Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 19.02.2010, Az.: 6 Sa 251/09

Regelungegehalt des § 3 TV Beschäftigungssicherung Deutsche Textilindustrie

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
19.02.2010
Aktenzeichen
6 Sa 251/09
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2010, 28858
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:2010:0219.6SA251.09.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
BAG - 21.09.2011 - AZ: 5 AZR 265/10

Redaktioneller Leitsatz

Der Einmalbetrag gemäß § 3 TV Beschäftigungssicherung Deutsche Textilindustrie vom 11.03.2008 (= Tarifvertrag zur Förderung der Beschäftigten und Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Textil- und Bekleidungsindustrie) beinhaltet eine pauschale Lohnerhöhung, die dem Kläger nach den allgemeinen Grundsätzen für Vergütungszahlungen aufgrund seiner Erkrankung, ohne Entgeltfortzahlungsanspruch während der Monate April und Mai 2008 nicht zusteht.

In dem Rechtsstreit

Kläger und Berufungskläger,

gegen

Beklagte und Berufungsbeklagte,

hat die 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen auf die mündliche Verhandlung vom 19. Februar 2010 durch

die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht Klausmeyer,

den ehrenamtlichen Richter Herrn Krause,

den ehrenamtlichen Richter Herrn Klausing

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Nienburg vom 08.01.2009 - 1 Ca 329/08 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um den Anspruch des Klägers auf eine tarifliche Einmalzahlung.

2

Der am 22.08.1945 geborene, verheiratete Kläger ist seit dem 01.11.1990 bei der Beklagten als Maschinenbediener tätig.

3

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden die Tarifverträge der Textil- und Bekleidungsindustrie Anwendung.

4

Am 12.12.2007 kündigte die Gewerkschaft die Lohn- und Gehaltszahlungsverträge sowie die Vergütungssätze für gewerbliche, kaufmännische und technische Auszubildende der Textilindustrie in den Ländern Niedersachsen und Bremen zum 29.02.2008 (vgl. Bl. 40 und 41 d. A.). Ergebnis der sich anschließenden Tarifverhandlung waren u. a. die tabellenwirksame Erhöhung der Löhne, Gehälter und Ausbildungsvergütungen um 3,6 % ab 01.06.2008 sowie der zum 01.03.2008 in Kraft getretene Tarifvertrag zur Förderung der Beschäftigten und Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Textil- und Bekleidungsindustrie mit Datum vom 11. März 2008. Dessen § 3 enthält u. a. nachstehende Regelungen:

5

"1. Die Beschäftigten erhalten einen Einmalbetrag in Höhe von 200,-- €. Auszubildende erhalten den Einmalbetrag in Höhe von 100,-- €.

6

Beginnt oder endet das Arbeits- bzw. Ausbildungsverhältnis in der Zeit vom 1. April 2008 bis 31. Mai 2008, ..., so besteht der Anspruch ab bzw. bis zum Anfang bzw. Ende dieses Zeitraums zeitanteilig.

7

Dieser Bruttobetrag wird mit der Vergütung des Monats April 2008, ..., bei späterem Eintritt mit der Vergütung für den Monat Mai, ..., ausgezahlt. ...

8

2. Teilzeitbeschäftigte haben einen Anspruch im Verhältnis ihrer vertraglichen Arbeitszeit zur tariflichen Arbeitszeit.

9

3. Der Einmalbetrag wird bei der Bemessung sonstiger Leistungen nicht berücksichtigt.

10

4. Arbeitgeber und Betriebsrat können aus wirtschaftlichen Gründen durch freiwillige Betriebsvereinbarungen die Kürzung oder den Wegfall des Einmalbetrages vereinbaren. Hiervon ausgenommen ist der Einmalbetrag für Auszubildende. Voraussetzung ist, dass für die Zeit für Absenkung oder des Wegfalls eine Beschäftigungszusage gegeben werden muss ..."

11

Wegen der weiteren Einzelheiten des Tarifvertrages wird auf Bl. 5 - 7 d. A. Bezug genommen.

12

Seit dem 18.03.2008 bezog der Kläger Krankengeld.

13

Mit außergerichtlichem Geltendmachungsschreiben vom 16.06.2008 verlangte er von der Beklagten erfolglos die Auszahlung des Einmalbetrages in Höhe von 200,-- €. Dies wurde von der Beklagten mit Hinweis darauf, dass der Kläger Krankengeld beziehe, abgelehnt.

14

Dieses Begehren verfolgt der Kläger mit der am 18.07.2008 beim Arbeitsgericht Nienburg eingegangenen Klage weiter.

15

Er hat in erster Instanz die Auffassung vertreten, der von ihm begehrte Einmalbetrag stelle eine tarifliche Sondervergütung dar, die unabhängig davon zu gewähren sei, ob der Arbeitgeber im Zeitpunkt der Fälligkeit Arbeitsentgelt schulde. Das ergebe sich aus der Auslegung der tariflichen Regelungen und sei vom Landesarbeitsgericht Saarland mit rechtskräftigem Urteil vom 06.03.2007 so bestätigt worden. Dieses Urteil sei den Tarifvertragsparteien bei dem Abschluss des Tarifvertrages am 11.03.2008 bekannt gewesen und nicht zum Anlass für eine entsprechende Klarstellung im Sinne der Beklagten genommen worden.

16

Der Kläger hat beantragt,

17

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 200,-- € brutto nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit Klagzustellung zu zahlen.

18

Die Beklagte hat beantragt,

19

die Klage abzuweisen.

20

Sie hat die Ansicht vertreten, dass es sich bei der tariflichen Einmalzahlung um eine pauschalierte Lohnerhöhung handele. Diese habe die Qualität von Arbeitsentgelt und müsse daher im Falle des Krankengeldbezuges mangels Anspruch auf Arbeitsentgelt nicht zur Auszahlung gelangen. Das ergebe sich u. a. daraus, dass die tarifabschließende Gewerkschaft bei den Tarifverhandlungen eine Entgelterhöhung und nicht eine Sonderzahlung gefordert habe. Aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Situation der Branche sei dann eine pauschalierte Entgelterhöhung in Festbeträgen ausgewiesen worden und die lineare Erhöhung der Löhne und Gehälter erst ab 01.06.2008 vereinbart worden. Ein solches Vorgehen sei bei den Tarifverhandlungen mittlerweile üblich, wie sich aus den Vorgängertarifverträgen zur Förderung der Beschäftigung und Wettbewerbsfähigkeit mit Datum vom 12.10.2004 und 12.05.2006 (Bl. 33, 34 und Bl. 38, 39 der Akte) ergebe.

21

Mit am 08.01.2009 verkündetem Urteil hat das Arbeitsgericht Nienburg die Klage unter Zulassung der Berufung abgewiesen. Es hat seine Entscheidung im Wesentlichen damit begründet, dass es sich bei der Einmalzahlung um Arbeitsentgelt und keine Sonderleistung handele. Da der Kläger im maßgeblichen Zeitraum keinen Anspruch auf Arbeitsentgelt gehabt habe, müsse gleiches auch für die Einmalzahlung gelten.

22

Gegen dieses ihm am 29.01.2009 zugestellte Urteil hat der Kläger mit am 25.02.2009 beim Landesarbeitsgericht Niedersachsen eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach Fristverlängerung unter dem 29.04.2009 begründet.

23

Er vertritt die Auffassung, der von den Tarifvertragsparteien verwandte Begriff des Einmalbetrages spreche nicht dafür, dass diese Einmalleistung einen Teil des Arbeitsentgeltes für die Monate April und Mai 2008 darstellen solle. Vielmehr ergebe sich aus der Auslegung des Tarifvertrages, dass diese als eine von der konkreten Gegenleistung unabhängige Sonderzahlung anzusehen sei. Das folge zunächst daraus, dass die Einmalzahlung an alle Arbeitnehmer, völlig unabhängig von der Höhe ihres Entgelts in gleicher Höhe ausgezahlt werde. In § 3 Nr. 3 des Tarifvertrages sei zudem geregelt, dass der Einmalbetrag bei der Bemessung sonstiger Leistungen nicht zu berücksichtigen sei. Hieraus folge, dass die Tarifvertragsparteien den Einmalbetrag bei der Bemessung anderer Leistungen gerade nicht wie eine Lohnzahlung behandelt wissen wollten. Es sei der Gewerkschaft bei den Verhandlungen über den Tarifvertrag zur Förderung der Beschäftigung und Wettbewerbsfähigkeit vom 11.03.2008 auch nicht um die Vermeidung der Anrechenbarkeit von Entgelterhöhungen mit übertariflichen Leistungen gegangen. Außerdem sei die streitgegenständliche Einmalzahlung nicht etwa im Entgeltrahmentarifvertrag, sondern in einem eigenständigen Tarifwerk enthalten. Sollten mit Einmalzahlungen Arbeitsentgelterhöhungen pauschalisiert werden, würden diese üblicherweise in Entgeltrahmentarifverträgen geregelt. Nach der tariflichen Regelung sei eine Kürzung der Einmalzahlung nur im Wege einer - hier nicht vorliegenden - Betriebsvereinbarung möglich. Dass der Einmalbetrag bestimmten Zeiträumen nicht zugeordnet werden könne, und damit auch nicht dem Zeitraum April und Mai 2008, ergebe sich aus dem vereinbarten Fälligkeitszeitpunkt mit der Vergütung des Monats April 2008. Zu diesem Zeitpunkt sei jedoch noch unklar gewesen, ob der Kläger im Mai seine Arbeitsleistung wieder habe erbringen können. Da sich aus dem Tarifvertrag selbst nicht ergebe, dass unter bestimmten Voraussetzungen der Anspruch auf Einmalzahlung nicht bestehe, sei davon auszugehen, dass die streitgegenständliche Einmalzahlung nicht den rechtlichen Charakter der anderweitig geregelten Entgeltzahlungen und Entgelterhöhungen teile.

24

Der Kläger beantragt,

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das Urteil des Arbeitsgerichts Nienburg vom 08.01.2009 - 1 Ca 329/08 - abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 200,-- € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.08.2008 zu zahlen.

26

Die Beklagte beantragt,

27

die Berufung zurückzuweisen.

28

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil als zutreffend. Es habe dem Willen und Verständnis der Tarifvertragsparteien entsprochen, für den Monat März 2008 einen sog. "Nullmonat" zu vereinbaren und die Einmalzahlung von 200,-- € als pauschale Entgelterhöhung für die Monate April und Mai 2008 zu bewerten. Daran habe sich ab dem 01.06.2008 die lineare Lohnerhöhung von 3,6 % angeschlossen. In sämtlichen Tarifinformationen der IG Metall an die Belegschaften und die Presse seien die 200,-- € auch zweifelsfrei als Pauschalbetrag für April und Mai 2008 deklariert worden.

29

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, soweit diese Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren und auf die in der mündlichen Verhandlung abgegebenen wechselseitigen Erklärungen.

Entscheidungsgründe

30

I. Die Berufung des Klägers ist aufgrund der erstinstanzlich Zulassung statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

31

II. In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg.

32

Das Arbeitsgericht Nienburg hat zutreffend festgestellt, dass der Kläger keinen Anspruch auf den geltend gemachten Einmalbetrag für das Jahr 2008 in Höhe von 200,-- € brutto hat. Eine Anspruchsgrundlage hierfür ist nicht gegeben. Der Einmalbetrag nach § 3 des Tarifvertrages zur Förderung der Beschäftigung und Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Textil- und Bekleidungsindustrie vom 11.03.2008 (TV-Beschäftigungssicherung 2008) stellt eine pauschale Lohnerhöhung dar, die dem Kläger nach den allgemeinen Grundsätzen für Vergütungszahlungen aufgrund seiner dauerhaften Erkrankung und des Bezuges von Krankengeldes in den Monaten April und Mai 2008 nicht zusteht.

33

1. Unter einer Tariflohnerhöhung ist die Erhöhung des regelmäßigen Entgeltbetrages zu verstehen. Diese ist nicht nur in einer tabellenwirksamen Erhöhung des Tariflohnes zu sehen. Vielmehr kann auch in einer Einmalzahlung eine Tariferhöhung liegen (vgl. BAG, 01.03.2006 - 5 AZR 540/05 - AP Nr. 40 zu § 4 TVG Übertariflicher Lohn und Tariflohnerhöhung). Dem gegenüber sind Sonderzahlungen alle Leistungen, die der Arbeitgeber aus einem bestimmten Anlass oder zu bestimmten Terminen zusätzlich zum laufenden Arbeitsentgelt erbringt. Insoweit steht es dem Arbeitgeber grundsätzlich frei, im Einzelnen zu bestimmen, welche Zeiten ohne tatsächliche Arbeitsleistung sich anspruchsmindernd oder anspruchsausschließend auf die Sonderzahlungen auswirken sollen, soweit dem gesetzlichen Regelungen nicht entgegenstehen (vgl. BAG, 21.01.2009 - 10 AZR 216/08 - AP Nr. 283 zu § 611 BGB Gratifikation). Ob eine tarifliche Einmalzahlung als pauschale Lohnerhöhung oder als eine von der konkreten Gegenleistung unabhängige Sonderzahlung anzusehen ist, muss durch Auslegung des Tarifvertrages ermittelt werden (BAG, 16.04.2002 - 1 AZR 363/01 - AP Nr. 38 zu § 4 TVG Übertariflicher Lohn und Tariflohnerhöhung).

34

2. Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages folgt dabei nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regelungen. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei einem nicht eindeutigen Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, aber nur soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so der Sinn- und Zweck der Tarifnorm ermittelt werden kann. Sind danach zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu finden, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages, gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Zudem ist die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (ständige Rechtsprechung z. B. BAG, 21.01.2009 - 10 AZR 216/08 - aaO.).

35

3. Bei der gebotenen Anwendung dieser Auslegungsmaßstäbe hat das Arbeitsgericht Nienburg zutreffend eine pauschale Lohnerhöhung für den Zeitraum von April bis Mai 2008 angenommen.

36

a. Entgegen der Ansicht des Klägers und im Einklang mit derjenigen des Arbeitsgerichtes ist zunächst davon auszugehen, dass der Begriff "Einmalbetrag" vom Wortlaut her nicht zweifelsfrei ist. Damit kann sowohl eine pauschalierte Lohnerhöhung als auch eine davon zu unterscheidende Sonderzahlung gekennzeichnet werden.

37

b. Nach seinem Zusammenhang, Sinn und Zweck sowie der Systematik beinhaltet § 3 TV-Beschäftigungssicherung 2008 jedoch eindeutig eine pauschalierte Lohnerhöhung für die Monate April und Mai 2008.

38

Für das Verständnis des Einmalbetrags als pauschalierte Lohnerhöhung spricht zunächst der ausdrückliche Bezug auf die Monate April und Mai 2008 in § 3 Nr. 1 S. 2 des TV-Beschäftigungssicherung 2008. Danach wird der Einmalbetrag anteilig gezahlt, wenn das Arbeits- bzw. Ausbildungsverhältnis in der Zeit vom 1. April 2008 bis 31. Mai 2008 beginnt oder endet. Demgegenüber regelt § 3 Nr. 1 S. 3 nur die Fälligkeit des Einmalbetrages. Der Bezug zu der in den Monaten April und Mai 2008 geleisteten Arbeit kommt auch in § 3 Nr. 2 TV-Beschäftigungssicherung 2008 zum Ausdruck, der den Teilzeitbeschäftigten einen ihrer Arbeitszeit entsprechenden Teil des Einmalbetrages gewährt. Dem Charakter des Einmalbetrages als pauschalierte Lohnerhöhung steht auch nicht entgegen, dass er allen Arbeitnehmern ungeachtet der jeweiligen Vergütungsgruppe in gleicher Höhe gezahlt wird. Zwar ergibt sich hieraus je nach Eingruppierung für die Arbeitnehmer ggf. ein prozentual unterschiedlicher Ausgleich für die Nullmonate. Dies ist rechtlich jedoch unbedenklich. Es gibt keinen Grundsatz, dass eine Lohnerhöhung stets gleichmäßig zu erfolgen hat. Dies kann sowohl aus Vereinfachungsgründen wie auch aus sozialen Erwägungen heraus erfolgen, mit dem Motiv untere Lohngruppen vergleichsweise besser zu stellen als die oberen (BAG, 04.07.2007 - 4 AZR 549/06 - NZA - RR 2008, 149 - 151). Entgegen der Einschätzung der Klägerseite widerspricht dem Verständnis der Einmalzahlung als pauschalierte Tariferhöhung auch nicht § 3 Nr. 3 TV-Beschäftigungssicherung 2008. Danach wird der Einmalbetrag bei der Bemessung sonstiger Leistungen nicht berücksichtigt. Schon der Umstand, dass der Einmalbetrag ausdrücklich ausgenommen worden ist, lässt eher darauf schließen, dass er als Lohnerhöhung zu verstehen ist, sonst hätte es der Herausnahme bei der Bemessung sonstiger Leistungen nicht bedurft. Im Übrigen ist es Ausdruck der Tarifautonomie, dass die Tarifvertragsparteien die vergütungsrechtlichen Folgen bestimmter Entgeltleistungen in der ihnen angemessen erscheinenden Weise festlegen und begrenzen. Die Bestimmung, den Einmalbetrag bei den sonstigen Leistungen nicht zu berücksichtigen, dient zum einen der Vereinfachung. Dieser mit der Pauschalierung regelmäßig verfolgte Zweck würde durch eine ansonsten unter Umständen erforderliche zeitliche Aufschlüsselung des Einmalbetrages teilweise wieder aufgehoben. Zum anderen begrenzt die Regelung die Folgen der Lohnnivellierung, die mit der Zahlung eines für alle Lohngruppen gleichen Einmalbetrages verbunden sind. Beide Zwecke sind mit dem Charakter als Tariferhöhung vereinbar (BAG, 16.04.2002 - 1 AZR 363/01 - AP Nr. 38 zu § 4 TVG Übertariflicher Lohn und Lohnerhöhung). In Bezug auf die Systematik der tariflichen Regelung ist dem Kläger zuzugeben, dass der Einmalbetrag nicht im Entgelttarifvertrag geregelt worden ist. Dem ist jedoch entgegen zu halten, dass die Einmalzahlung auch nicht in den Tarifvertrag über Sonderzahlungen vom 23. August 1990 in der Fassung vom 8. Juli 1995 zwischen dem Verband der Nordwestdeutschen Textilindustrie und der Gewerkschaft Textil und Bekleidung aufgenommen worden ist. Vielmehr erfolgt die Regelung in einem Tarifvertrag zur Beschäftigungssicherung. Dessen Ziel ist es nach § 2 Nr. 1, am Standort Deutschland bestehende Arbeitsverhältnisse zu sichern und neue Arbeitplätze zu schaffen; dies verlange nach § 2 Nr. 1 S. 2 TV-Beschäftigungssicherung 2008 den Erhalt und die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit, der Innovationsfähigkeit und der Investitionsbedingungen. Mit diesem Ziel wäre die Vereinbarung einer gegenleistungsunabhängigen Sonderzahlung nicht ohne weiteres zu vereinbaren. Vielmehr ist davon auszugehen, dass Intention dieses Tarifvertrages u. a. ist, im Interesse des Erhalts von Arbeitsplätzen die finanzielle Basis der Mitgliedsunternehmen zu stärken. Hierfür spricht auch die Regelung in § 3 Nr. 4 des TV-Beschäftigungssicherung 2008, wonach auf betrieblicher Ebene Kürzungen und der Wegfall des Einmalbetrages nur vereinbart werden können, wenn im Gegenzug für die Zeit der Absenkung oder des Wegfalls eine Beschäftigungszusage gegeben wird. Der Zweck der tariflichen Regelung ergibt sich letztendlich entscheidend aus der zeitlichen Betrachtung. Die Entgelttarifverträge waren von Seiten der Gewerkschaft zum 29.02.2008 gekündigt. Der neue Entgelttarifvertrag ist zum 01.06.2008 ihn Kraft getreten. Den dazwischen liegenden Zeitraum, d. h. denjenigen vom 01.03.2008 bis 31.05.2008, regelt der Tarifvertrag über die Beschäftigungssicherung vom 11.03.2008. Die Tarifvertragsparteien haben so zeitlich eine insgesamt lückenlose Regelung beabsichtigt und gewährleistet. Dem Einmalbetrag kommt damit eine Überbrückungsfunktion im Hinblick auf den zum 29.02.2008 gekündigten Gehaltstarifvertrag und der erst zum 01.06.2008 in Kraft getretenen tabellenwirksamen Erhöhung des Tarifgehaltes zu (vgl. BAG, 25.06.2002 - 3 AZR 167/00 - AP Nr. 36 zu § 4 TVG Übertariflicher Lohn und Tariflohnerhöhung). Auch in der Vergangenheit haben die Tarifvertragsparteien Zeiträume zwischen der Kündigung des alten und des Inkrafttreten eines neuen Entgelttarifvertrages mit Tarifverträgen zur Förderung der Beschäftigung und Wettbewerbsfähigkeit, in denen Einmalbeträge vereinbart worden sind, geschlossen; dabei handelt es sich um die von der Beklagtenseite vorgelegten Tarifverträge zur Förderung der Beschäftigung und Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Textil- und Bekleidungsindustrie vom 12.10.2004 und 12.05.2006. Soweit der Kläger darauf hinweist, es sei nicht Wille der Gewerkschaftsvertreter im Rahmen der Tarifverhandlung gewesen, den Einmalbetrag als pauschalierte Lohnerhöhung zu vereinbaren, ist dem entgegen zu halten, dass dieser Wille im Tarifvertrag selbst nicht zum Ausdruck gekommen ist (BAG, 24.11.1988 - 6 AZR 243/87 - AP Nr. 127 zu § 611 BGB Gratifikation) und deshalb außer Betracht zu bleiben hat.

39

4. Insgesamt ist davon auszugehen, dass sowohl nach dem Sinn und Zweck als auch nach der Systematik der tariflichen Regelung, dem Einmalbetrag der Charakter einer pauschalierten Lohnerhöhung für den Zeitraum vom 01.04. - 31.05.2008 zukommt. Da der Kläger in diesem Zeitraum keine Arbeitsleistung erbracht und keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung, sondern vielmehr Krankengeld bezogen hat, steht ihm dieser Vergütungsbestandteil nicht zu. Die Klage ist mithin unbegründet und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichtes Nienburg vom 08.01.2009 war zurückzuweisen.

40

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 ArbGG.

Klausmeyer
Krause
Klausing