Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 25.06.2010, Az.: 10 Sa 46/10
Außerordentliche Kündigung bei fehlender Vollmachtsvorlage; Unsubstantiierte Darlegungen des Arbeitgebers zur Kenntnis des Arbeitnehmers von der Bevollmächtigung
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 25.06.2010
- Aktenzeichen
- 10 Sa 46/10
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2010, 26714
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:2010:0625.10SA46.10.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- ArbG Lingen - 09.12.2009 - AZ: 2 Ca 506/09
Rechtsgrundlagen
- § 174 S. 1, 2 BGB
- § 242 BGB
- § 611 Abs. 1 BGB
- § 626 Abs. 1 BGB
- § 54 Abs. 1 HGB
Fundstellen
- NZA-RR 2011, 22-24
- schnellbrief 2010, 5
Amtlicher Leitsatz
1. Grundsätzlich kann auch schlüssiges Verhalten dazu führen, dass der Kündigungsempfänger die Bevollmächtigung des Erklärenden kennt; eine Zurückweisung ist dann gemäß § 174 Satz 2 BGB ausgeschlossen.
2. Die zufällige Kenntniserlangung durch Dritte genügt jedoch nicht; auch braucht der Kündigungsempfänger keine eigenen Nachforschungen zur Bevollmächtigung anzustellen.
3. Es kann nicht als allgemein üblich angesehen werden, an "Schwarzen Brettern" Vollmachtsurkunden und Ähnliches auszuhängen und die Arbeitnehmer ausschließlich auf diesem Wege über die Vertretung des Arbeitgebers zu informieren.
4. Die Handlungsvollmacht bringt nicht generell eine Stellung im Betrieb mit sich, mit der das Kündigungsrecht üblicherweise verbunden zu sein pflegt.
In dem Rechtsstreit
Beklagte und Berufungsklägerin,
gegen
Kläger und Berufungsbeklagter,
hat die 10. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen auf die mündliche Verhandlung vom 25. Juni 2010 durch
den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dreher,
den ehrenamtlichen Richter Herrn Michalke,
den ehrenamtlichen Richter Herrn Brünig
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lingen vom 9. Dezember 2009 - 2 Ca 506/09 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.
Der Kläger war seit Mai 2008 als Betriebsleiter bei der Beklagten beschäftigt. Mit Schreiben vom 26. Juni 2009 (Anlage K 2 zur Klageschrift - Bl. 9 d. A.), das er zu Händen der Herren Mü. und Me. richtete, kündigte er das Arbeitsverhältnis fristgerecht zum 31. Juli 2009. Mit Schreiben vom 3. Juli "209" (richtig: 2009; Anlage K 3 zur Klageschrift - Bl. 10 d. A.) kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos. Das Schreiben trägt die Unterschrift der Herrn H. und Mü. und darunter den Zusatz "für die Gesellschaft". Zu jenem Zeitpunkt besaß die Beklagte keinen Geschäftsführer. Das Kündigungsschreiben weist zwar in seiner Fußzeile Herrn Me. als solchen aus; dieser hatte jedoch sein Amt im Juni 2009 fristlos niedergelegt. Er betreibt seit einem zwischen den Parteien streitigen Zeitpunkt gemeinsam mit dem Kläger ein Konkurrenzunternehmen.
Mit Schreiben vom 10. Juli 2009 (Anlage K 4 zur Klageschrift - Bl. 11 d. A.) ließ der Kläger über seine Prozessbevollmächtigten die außerordentliche Kündigung nach§ 174 Satz 1 BGB zurückweisen.
Der Kläger hat vorgetragen, die Herren H. und Mü. seien im Kündigungszeitpunkt nicht bevollmächtigt gewesen, dem Kläger die außerordentliche Kündigung auszusprechen. Herr H. sei seinerzeit "einfacher" Arbeitnehmer der Beklagten gewesen, Herr Mü. ihr Gesellschafter und "Berater". Der Kläger hat das Vorliegen eines wichtigen Grundes und die Einhaltung der zweiwöchigen Ausschlussfrist für die außerordentliche Kündigung bestritten und die Auffassung vertreten, für eine wirksame Kündigung hätte ein Notgeschäftsführer bestellt werden können und müssen.
Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 3. Juli 2009 nicht aufgelöst ist.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, der Kläger habe die Kündigungsberechtigung Herrn Mü.s gekannt. Dieser habe ihn eingestellt und sei bei der Arbeit sein wichtigster Ansprechpartner gewesen. Der Kläger habe mit Herrn Me., dem ehemaligen Geschäftsführer der Beklagten, kollusiv zusammengewirkt und während des Arbeitsverhältnisses Kunden und Arbeitnehmer abgeworben. Herr Me. habe die Bestellung Herrn H.s als Geschäftsführers verzögert. Nach alledem handele der Kläger treuwidrig, wenn er sich auf eine fehlende Vollmacht berufe.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Es hat die Kündigung im Hinblick auf Vertretungsmängel für unwirksam gehalten. Es gebe keine Anhaltspunkte für eine Vertretungsbefugnis der beiden Unterzeichner der Kündigung. Jedenfalls sei der Kläger berechtigt gewesen, sie gemäß § 174 Satz 1 BGB zurückzuweisen, was unverzüglich geschehen sei. Die Zurückweisung sei auch nicht treuwidrig. Die Beklagte hätte es in der Hand gehabt, einen Notgeschäftsführer bestellen zu lassen.
Gegen das ihr am 14. Dezember 2009 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat die Beklagte am 13. Januar 2010 Berufung eingelegt und diese innerhalb der verlängerten Frist am 12. März 2010 begründet.
Die Berufung führt aus, der Kläger könne sich nicht auf eine fehlende Vertretungsmacht bei Ausspruch der fristlosen Kündigung berufen. Als leitender Angestellter und Geheimnisträger habe er mit dem damaligen Geschäftsführer Me. verabredet, die Beklagte führungslos zu machen. Zu diesem Zweck habe Herr Me. am 30. Juni 2009 fristlos sein Amt niedergelegt und zudem die unverzügliche Bestellung Herrn H.s als Nachfolger verhindert. Dieses Vorgehen sei schon im April 2009 verabredet worden. Bereits seit dem 1. Juli 2009 sei der Kläger leitender Angestellter bei dem nunmehr von Herrn Me. geführten Konkurrenzunternehmen und habe schon im Juni 2009 weitere Arbeitnehmer und Kunden abgeworben bzw. abzuwerben versucht. Herr H. habe bereits im April 2009 Handlungsvollmacht besessen, was durch Aushang am "Schwarzen Brett" bekannt gemacht worden sei. Auch könne der Kläger sich nicht auf eine fehlende Vollmacht Herrn Mü.s berufen, denn er habe seine Eigenkündigung vom 26. Juni 2009 an diesen adressiert. Die Bestellung eines Notgeschäftsführers hätte den Kredit der Beklagten gefährdet.
Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er bestreitet die Handlungsvollmacht Herrn H.s und behauptet, dessen Vollmacht habe sich nur auf den Einkauf bezogen. Bei Personalentscheidungen sei im Betrieb die Unterschrift durch den Geschäftsführer üblich gewesen. Er meint, die Regelung des§ 174 BGB gelte auch für Handlungsbevollmächtigte. Auch sei die Kündigung eines leitenden Angestellten kein für diesen üblicher Vorgang. Das Fehlen eines Geschäftsführers habe der Kläger nicht zu verantworten; er habe nicht mit Herrn Me. kollusiv zusammengewirkt. Auch habe er während des Arbeitsverhältnisses weder Wettbewerb betrieben noch gegen seine Verschwiegenheitspflicht verstoßen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe
Die Berufung hat keinen Erfolg.
I. Die gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist von dieser fristgemäß und formgerecht eingelegt und begründet worden (§ 66 ArbGG, §§ 519, 520 Abs. 1 und 3 ZPO) und damit insgesamt zulässig.
II. Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat im Ergebnis und in wesentlichen Teilen der Begründung zutreffend erkannt, dass die gegenüber dem Kläger ausgesprochene Kündigung mangels Vorlage einer Vollmacht der unterzeichneten Personen unwirksam ist.
1. Nach § 174 Satz 1 BGB ist ein einseitiges Rechtsgeschäft, das ein Bevollmächtigter einem anderen gegenüber vornimmt, unwirksam, wenn der Bevollmächtigte eine Vollmachtsurkunde nicht vorlegt und der andere das Rechtsgeschäft aus diesem Grund unverzüglich zurückweist. Diese Voraussetzungen sind erfüllt.
Die Kündigung ist eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung und fällt daher unter den Anwendungsbereich des§ 174 BGB. Eine Vollmachtsurkunde war der außerordentlichen Kündigung nicht beigefügt. Der Kläger hat sie aus diesem Grunde zurückgewiesen. Dies geschah auch unverzüglich. Zwischen dem Kündigungsdatum und dem Datum des Zurückweisungsschreibens liegt lediglich eine Woche. Anhaltspunkte, aufgrund derer die Zurückweisung dennoch nicht unverzüglich gewesen sein könnte, sind weder ersichtlich noch von einer der Parteien vorgebracht.
2. Die Zurückweisung war vorliegend auch nicht ausgeschlossen.
a) Eine Vertretungsmacht der Unterzeichneten auf gesetzlicher Grundlage, welche die Anwendbarkeit von § 174 BGB ausschlösse (BAG 20.9.2006 - 6 AZR 82/06 - BAGE 119, 311 = AP BGB § 174 Nr. 19 = EzA BGB 2002 § 174 Nr. 5; 10.2.2005 - 2 AZR 584/03 - AP BGB § 174 Nr. 18 = EzA BGB 2002 § 174 Nr. 3), besteht nicht, denn die Herren Mü. und H. waren im Kündigungszeitpunkt nicht gesetzliche Vertreter der Beklagten.
b) Die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Beklagte hat keine tatsächlichen Umstände vorgetragen, aus denen sich ergibt, dass sie den Kläger gemäß § 174 Satz 2 BGB von der Bevollmächtigung in Kenntnis gesetzt hätte.
aa) Dass der Kläger vor Kündigungsausspruch ausdrücklich auf die Kündigungsberechtigung der Unterzeichner hingewiesen worden wäre, behauptet sie selbst nicht.
bb) Sie hat den Kläger auch nicht auf andere Weise von der Kündigungsvollmacht in Kenntnis gesetzt. Zwar ist dies grundsätzlich auch durch schlüssiges Verhalten möglich, wobei aber die zufällige Kenntniserlangung auf anderem Wege nicht genügt (BAG 12.1.2006 - 2 AZR 179/05 - AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 54 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 68) und eine Nachforschungspflicht des Kündigungsempfängers nicht besteht (Sächsisches LAG 28.2.1997 - 7 Sa 816/96 - LAGE BGB § 174 Nr. 9 = EzBAT BAT § 54 Verdachtskündigung Nr. 5; KR/Friedrich, 9. Aufl.,§ 13 KSchG Rz. 345). Die Beklagte hat den Kläger nicht konkludent von einer Kündigungsvollmacht der Herren Mü. und H. in Kenntnis gesetzt.
(1) Soweit die Beklagte Herrn Mü. als ständigen Ansprechpartner bei der Arbeit darstellt, sagt dies nichts über seine Befugnis aus, das Arbeitsverhältnis zu kündigen. Selbst wenn man Herrn Mü. ungeachtet des Umstandes, dass er weder gesetzlicher Vertreter noch Arbeitnehmer der Beklagten war, als Vorgesetzten des Klägers ansehen wollte, so brächte dies nicht ohne Hinzutreten weiterer Umstände die Befugnis mit sich, das Arbeitsverhältnis zu kündigen. Dies gilt auch, wenn er den Kläger eingestellt hat, denn die Frage der Kündigungsbefugnis ist hiervon zu trennen.
(2) Auch in Bezug auf Herrn H. war der Kläger nicht von einer Kündigungsvollmacht in Kenntnis gesetzt worden. Bei der Behauptung, er sei im Kündigungszeitpunkt mit Handlungsvollmacht ausgestattet gewesen, was im Betrieb allgemein bekannt gewesen und auch durch Aushang am "Schwarzen Brett" bekanntgemacht worden sei, handelt es sich nicht um erhebliches Vorbringen.
(a) Der Hinweis auf einen Aushang an einem "Schwarzen Brett" genügt nicht. Es kann nicht als allgemein üblich angesehen werden, an "Schwarzen Brettern" Vollmachtsurkunden und Ähnliches auszuhängen und die Arbeitnehmer ausschließlich auf diesem Wege über die Vertretung des Arbeitgebers zu informieren (so auch LAG Köln 3.5.2002 - 4 Sa 1285/01 - MDR 2003, 95 [LAG Köln 03.05.2002 - 4 Sa 1285/01] = RzK I 2b Nr. 43). Es lässt sich auch nicht feststellen, dass es bei der Beklagten üblich gewesen wäre, dass alle Arbeitnehmer sich am Schwarzen Brett regelmäßig informierten. Erst recht hat die Beklagte nichts dazu vorgetragen, dass sie jemals den Arbeitnehmern mitgeteilt habe, sie müssten regelmäßig das Schwarze Brett in Augenschein nehmen, um für ihr Vertragsverhältnis relevante Mitteilungen zur Kenntnis zu nehmen.
Der Hinweis der Beklagten, die Handlungsvollmacht sei im Betrieb allgemein bekannt gewesen, ist aus mehreren Gründen gleichfalls unbehelflich. Abgesehen davon, dass es sich um eine unsubstantiierte, ins Blaue hinein aufgestellte und damit nicht einlassungsfähige Behauptung handelt, würde es, wie oben dargestellt, nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der sich das Berufungsgericht anschließt, nicht ausreichen, hätte der Kläger nicht von der Beklagten selbst, sondern auf anderem Wege von der Bevollmächtigung Kenntnis erlangt.
(b) Außerdem hätte Herr H. auch als Handlungsbevollmächtigter keine solche Stellung innegehabt, die zwingend mit einem Kündigungsrecht verbunden zu sein pflegt.
(aa) Zwar kann nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ein Inkenntnissetzen von einer Bevollmächtigung zum Ausspruch der Kündigung auch darin liegen, dass der Arbeitgeber bestimmte Mitarbeiter, z. B. durch Bestellung zum Prokuristen, Generalbevollmächtigten oder Leiter einer Personalabteilung, in eine Stellung beruft, mit der das Kündigungsrecht üblicherweise verbunden zu sein pflegt (BAG 12.1.2006 - 2 AZR 179/05 - aaO.; 30.5. 1972 - 2 AZR 289/71 - BAGE 24, 273 = AP BGB § 174 Nr. 1 = EzA BGB § 174 Nr. 1; 11.7.1991 - 2 AZR 107/91 - AP BGB § 174 Nr. 9 = EzA BGB § 174 Nr. 9; Wolff in Dornbusch/Wolff, KSchG, 2. Aufl., § 1 Rz. 17; Hümmerich/Schöne in Hümmerich/Boecken/Düwell, AnwaltKommentar Arbeitsrecht, 2. Aufl., § 611 BGB Rz. 985). Abzustellen ist dabei nicht auf die Bezeichnung des Handelnden, sondern darauf, ob sich seine Position nach den Umständen des Einzelfalles für einen objektiven Betrachter so darstellt, dass mit einer derartigen Stellung die Kündigungsbefugnis verbunden zu sein pflegt (BAG 22.1.1998 - 2 AZR 267/97 - AP BGB § 174 Nr. 11 = EzA BGB § 174 Nr. 13; 29.6.1989 - 2 AZR 482/88 - AP BGB § 174 Nr. 7 = EzA BGB § 174 Nr. 6; Fiebig in Fiebig/Gallner/Nägele, Kündigungsschutzrecht, 3. Aufl., Einl. Rz. 74 f.).
(bb) Davon könnte jedoch bei Herrn H. auch dann nicht ausgegangen werden, sollte er seinerzeit Handlungsvollmacht innegehabt haben. Die Ansicht der Beklagten, ein Handlungsbevollmächtigter sei stets in einer Stellung, die üblicherweise auch mit einer entsprechenden Vollmacht ausgestattet sei, vermag die Voraussetzungen des § 174 Satz 2 BGB nicht zu erfüllen. Gemäß § 54 Abs. 1 HGB ist - im Gegensatz beispielsweise zur Prokura - nicht von vornherein festgelegt, auf welche Geschäfte sich die Handlungsvollmacht erstreckt. In Betracht kommt der Betrieb eines gesamten Handelsgewerbes (Generalhandlungsvollmacht), die Vornahme nur bestimmter zu einem Handelsgewerbe gehörender Geschäfte oder auch die Vornahme nur Einzelner zu einem Handelsgewerbe gehörender Geschäfte (ErfK/Oetker, 10. Aufl. 2010, § 54 Rz. 1). Eine generelle Ausnahme und Ausweitung einer solchen Kompetenz auf Handlungsbevollmächtigte würde zu einer konturenlosen Verwässerung der Ausnahmevorschrift des § 174 Satz 2 BGB (vgl. BAG 12.1.2006 - 2 AZR 179/05 - aaO.) führen. Dieser Gesichtspunkt ist vorliegend in besonderem Maße zu berücksichtigen, weil der Kläger als Betriebsleiter beschäftigt war und sich aus dem Vorbringen der Beklagten nicht einmal herleiten lässt, dass Herr H. im Kündigungszeitpunkt hierarchisch auch nur auf der gleichen Stufe stand wie der Kläger.
c) Die Vorschrift des § 174 BGB ist auch nicht etwa deshalb unanwendbar, weil die Beklagte im Kündigungszeitpunkt keinen Geschäftsführer aufwies. Für Fälle wie den vorliegenden bietet die Rechtsordnung die Bestellung eines Notgeschäftsführers an. Machen die Gesellschafter der Beklagten hiervon keinen Gebrauch, so muss die Gesellschaft die daraus gegebenenfalls resultierende mangelnde Handlungsfähigkeit gegen sich gelten lassen.
d) Der Kläger hat auch nicht treuwidrig gehandelt, indem er die Kündigung nach § 174 Satz 1 BGB zurückwies.
aa) Zwar unterliegt auch die Zurückweisung grundsätzlich dem Vorbehalt von Treu und Glauben. Sie ist daher ausgeschlossen, wenn der Zurückweisende sich widersprüchlich verhält, etwa weil er zuvor mehrfach Erklärungen des Vollmachtgebers durch denselben Bevollmächtigten ohne Vorlage einer Vollmachtsurkunde anerkannt hat (OLG München 4.8.1995 - 21 U 5934/94 - NJW-RR 1997, 904 = ZMR 1997, 285; Staudinger/Schilken, BGB [2009], § 174 BGB Rz. 12; MünchKomm/Schramm, BGB, 4. Aufl., § 174 BGB Rz. 9, jeweils mwN).
bb) Die Beklagte hat jedoch keine Umstände aufgezeigt, aus denen erhellte, dass die Zurückweisung der Kündigung treuwidrig wäre.
(1) Dass der Kläger seine Eigenkündigung zu Händen der Herren Mü. und Me. adressierte, zeigt kein widersprüchliches Verhalten auf. Auch wenn der Kläger - berechtigt oder nicht - von einer Empfangsvollmacht Herrn Mü.s ausging, so bedeutet dies nicht, dass er dessen Vollmacht gekannt hätte, ihm seinerseits eine Kündigung auszusprechen. Es ist nicht einmal ersichtlich, ob die Eigenkündigung des Klägers Herrn Mü. nur als Empfangsboten oder als Empfangsbevollmächtigten ansprach.
(2) Soweit die Beklagte vorträgt, der Kläger habe die Beklagte in kollusivem Zusammenwirken mit ihrem früheren Geschäftsführer führungslos machen wollen, bleibt dieses Vorbringen ohne Substanz. Es lässt nicht erkennen, welchen konkreten Beitrag er zur fristlosen Amtsniederlegung des Geschäftsführers geleistet haben soll. Dass beide nunmehr für ein Konkurrenzunternehmen tätig sind und nach dem Vorbringen der Beklagten schon während ihrer Vertragsverhältnisse zur Beklagten Wettbewerb betrieben, genügt nicht für die Feststellung, dem Kläger sei es darauf angekommen, eine wirksame Kündigung der Beklagten zu verhindern, zumal er seinerseits das Arbeitsverhältnis bereits fristgerecht gekündigt hatte.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
IV. Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Michalke
Brünig