Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 14.06.2010, Az.: 8 Sa 451/09

Geltung des Tarifvertrags für denöffentlichen Dienst (TVöD) bei arbeitsvertraglicher Bezugnahmeklausel auf den Bundesangestelltentarifvertrag (BAT)

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
14.06.2010
Aktenzeichen
8 Sa 451/09
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2010, 28864
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:2010:0614.8SA451.09.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
BAG - 17.11.2011 - AZ: 5 AZR 409/10

Fundstellen

  • AUR 2011, 36
  • AuR 2011, 36

Redaktioneller Leitsatz

1. Wird in einem Arbeitsvertrag auf die Vorschriften des Bundesangestelltentarifvertrages (BAT) und die diesen ergänzenden,ändernden oder ersetzenden Tarifverträge Bezug genommen, erfasst das auch die Geltung des TVöD. Ein Fall des Tarifwechsels liegt nicht vor.

2. Selbst bei der Annahme, dass eine individualvertragliche Sondervereinbarung über die Vergütung und Eingruppierung getroffen wurde, ergibt sich zumindest die Anwendung der ansonsten geltenden Vorschriften des TVöD. Es wäre lediglich die Vergütungsvereinbarung durch den Verweis auf den TVöD ausgenommen.

In dem Rechtsstreit

Klägerin und Berufungsbeklagte,

gegen

Beklagte und Berufungsklägerin,

hat die 8. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen auf die mündliche Verhandlung vom 14. Juni 2010 durch

die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht Stöcke-Muhlack,

den ehrenamtlichen Richter Herrn Velten,

den ehrenamtlichen Richter Herrn Abel

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stade vom 3. März 2009 - 2 Ca 498/08 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Zahlung von Tariflohnerhöhungen ab dem 1. Januar 2008 im Zusammenhang mit der Anwendbarkeit der zum 1. Oktober 2005 für den öffentlichen Dienst abgeschlossenen Tarifverträge (TVöD).

2

Die Klägerin ist bei der Beklagten auf der Grundlage des Arbeitsvertrages vom 4. März 2003, auf dessen genauen Inhalt Bezug genommen wird (Bl. 8, 9 der Akte), als Altenpflegerin mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden in einem Alten- und Pflegeheim beschäftigt. Der Arbeitsvertrag lautet, soweit vorliegend von Belang, auszugsweise:

3

§ 2

4

Das Arbeitsverhältnis richtet sich in Anlehnung nach den Vorschriften des Bundesangestelltentarifvertrages (BAT) vom 23.02.1961 und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen. Außerdem finden die für den Bereich der Firma jeweils geltenden Tarifverträge Anwendung, soweit in diesem Anstellungsvertrag in den§§ 3 und 4 nichts anderes geregelt ist.

5

§ 3

6

Die tarifliche Weihnachtszuwendung wird der Höhe nach auf 50 % der Bruttovergütung gem. § 4 dieses Anstellungsvertrages begrenzt.

7

Beihilfen und Unterstützungen gem. § 40 BAT werden nicht gewährt.

8

Die Angestellte erhält im Krankheitsfall eine Entgeltfortzahlung von sechs Wochen. Ein hierüber hinausgehender Krankengeldzuschuss wird nicht gewährt.

9

Arbeitsbefreiung gem. § 52 Abs. 1 - 4 BAT und § 616 BGB wird abbedungen. Die Urlaubsvergütung wird nach den gesetzlichen Bestimmungen gezahlt. Die Regelung des § 47 Abs. 2 BAT findet keine Anwendung.

10

Der Ausschluss der ordentlichen Kündbarkeit gem. § 53 BAT entfällt. Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses richtet sich vielmehr nur nach den gesetzlichen Bestimmungen.

11

Die Dauer des Erholungsurlaubes beträgt 26 Arbeitstage pro Kalenderjahr bei einer Fünftage-Woche. Ein Zusatzurlaub gem. § 49 BAT wird nicht gewährt.

12

§ 4

13

Die Angestellte wird in die Vergütungsgruppe BAT KR IV Stufe 1 eingruppiert. Nach einer Bewährungszeit von zwei Jahren erfolgt eine Eingruppierung nach Stufe 2. Eine Weitergruppierung ist nur bis zur 5 Stufe nach Maßgabe der Bestimmungen des BAT möglich.

14

Die Gewährung eines Ortszuschlages nach § 29 BAT erfolgt nur nach Maßgabe der Stufe 1, unabhängig von Familienstand und Unterhaltsverpflichtungen.

15

Für Angestellte im Pflegedienst wird eine Geriatriezulage nach Anlage 1 b zum BAT, Protokollerklärung Nr. 1, nicht gewährt.

16

Die Mitarbeiterin wird bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) nach Maßgabe der Satzung zusätzlich versichert. Sie ist verpflichtet, den auf sie entfallenden Beitrag zu zahlen.

17

Daneben haben die Parteien diverse Zusatz-Arbeitsverträge abgeschlossen, auf deren Inhalt verwiesen wird (Bl. 123 bis 125 d. Akte).

18

Die Beklagte ist nicht Mitglied eines Arbeitgeberverbandes. In der Vergangenheit zahlte sie der Klägerin mit den Beschränkungen aus§ 4 des Arbeitsvertrages stets die Vergütung nach der Vergütungsgruppe BAT KR IV in der jeweils gültigen Fassung. Auchüber den 1. Oktober 2005 hinaus gab sie bis einschließlich zum Jahre 2007 die jeweiligen Tariflohnerhöhungen für den Bereich des Bundes an die Klägerin weiter, ohne ausdrücklich auf den Tarifvertrag Bezug zu nehmen.

19

Die Klauseln im Arbeitsvertrag verwendet die Beklagte im Übrigen in zahlreichen weiteren Arbeitsverträgen, so dass die dem vorliegenden Rechtsstreit zugrundeliegende Frage von mehreren anderen bei der Beklagten beschäftigten Arbeitnehmern verfolgt wird.

20

Mit Schreiben vom 10. Juli 2008 (siehe Blatt 36 d. Akte) verlangte die Klägerin von der Beklagten die Zahlung der streitigen Entgelte. Die Beklagte lehnte die Zahlung ab.

21

Mit der am 21. November 2008 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage verfolgt die Klägerin die Zahlung der geltend gemachten Tariflohnerhöhungen weiter. Soweit sie mit der Klage zunächst gemäß § 18 TVöD-VKA auch ein Leistungsentgelt für das Jahr 2007 gefordert hat, hat sie diesen Antrag in der mündlichen Verhandlung vom 3. März 2009 zurückgenommen.

22

Sie hat darauf verwiesen, dass nach ihrer Auffassung der im Arbeitsvertrag in Bezug genommene BAT durch den TVöD ersetzt worden sei. Die Tariflohnerhöhungen seien daher an sie weiter zu geben.

23

Die Klägerin hat beantragt,

24

die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.488,30 Euro brutto nebst 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank liegenden Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

25

Die Beklagte hat beantragt,

26

die Klage abzuweisen.

27

Ihrer Auffassung nach sei auf das Arbeitsverhältnis derTVöD nicht anwendbar, sondern immer noch das Tarifwerk des BAT. Die Bezugnahmeklausel ergebe nichts anderes.

28

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 3. März 2009 der Klage stattgegeben. Die Auslegung des Arbeitsvertrages ergebe eine Bezugnahme nicht nur des BAT, sondern auch des TVöD. Der TVöD habe den BAT ersetzt. Auf die weiteren Ausführungen des arbeitsgerichtlichen Urteils wird auf dieses Bezug genommen (Bl. 68 bis 72 d. A.).

29

Gegen dieses der Beklagten am 17. März 2003 zugestellte Urteil wendet sich die Beklagte mit der am 25. März 2009 eingegangenen Berufung, die sie innerhalb der verlängerten Frist am 16. Juni 2009 begründet hat.

30

Die Beklagte verbleibt bei ihrer bereits in erster Instanz vorgetragenen Auffassung nach Maßgabe ihrer Berufungsbegründung vom 16. Juni 2009 und des ergänzenden Schriftsatzes vom 14. Juni 2010, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird (Bl. 94 bis 96 d. A.; Bl. 118 bis 122 d. A). Aus den zwischen den Parteien vereinbarten arbeitsvertraglichen Regelungen könne die Anwendung des Tarifwerkes für die Beschäftigten der öffentlichen Verwaltung des Bundes in der für die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände seit dem 1. Oktober 2005 geltenden Fassung nicht abgeleitet werden. Es liege keine vollständige Bezugnahme auf den Tarifvertrag vor. Mit den §§ 3 und 4 des Arbeitsvertrages seien eigenständige und das tarifliche Niveau abändernde Regelungen getroffen worden. Mit Zusatzvereinbarungen zum Arbeitsvertrag seien weitere abändernde Vereinbarungen auch zur Vergütung getroffen worden. Die Vertragsparteien hätten damit hinsichtlich der Vergütung ein eigenständiges Regelwerk aufgestellt. Die in § 2 des Ausgangsarbeitsvertrages enthaltene Verweisungsklausel erfasse die tariflichen Vergütungsregelungen daher nicht.

31

Die Beklagte beantragt,

32

in Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Stade vom 3. März 2009 - 2 Ca 498/08 - die Klage abzuweisen.

33

Die Klägerin beantragt,

34

die Berufung zurückzuweisen.

35

Sie verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderung vom 1. Juli 2009, auf deren Inhalt Bezug genommen wird (Bl. 99 bis 102 d. A.).

36

Zu den Ausführungen der Parteien zur Sach- und Rechtslage wird auf die von ihnen eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe

37

I. Die Berufung ist statthaft, sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit insgesamt zulässig (§§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 und 2 ArbGG; §§ 519, 520 Abs. 1 und 3 ZPO iVm § 66 Abs. 1 und 2 ArbGG).

38

II. Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Die streitigen Ansprüche ergeben sich zwar nicht aus einer unmittelbaren Geltung des Tarifvertrages. Die Beklagte ist nicht tarifgebunden (§§ 3, 4 TVG). Die Klägerin kann aber die tarifliche Entgelterhöhung für die Monate Januar bis Oktober 2008 in Höhe von jeweils 148,83 Euro brutto verlangen. Der Anspruch ergibt sich aus §§ 2, 4 des Arbeitsvertrages iVm der ab 1. Januar 2008 vereinbarten Tariflohnerhöhung zum TVöD vom 31. Januar 2008. Die Anwendung des TVöD iVm dem TVÜ-VKA erfolgt kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme auch zur Höhe der Vergütung auf der Grundlage der im Arbeitsvertrag vereinbarten Vergütungsgruppe mit den dort vorgesehenen Beschränkungen.

39

1. Die Anwendung folgt nicht aus § 3 Abs. 1 TVG, weil die Beklagte nicht tarifgebunden ist. Sie folgt aber aus der Verweisungsklausel in§ 2 des Arbeitsvertrages vom 4. März 2003 mit den in § 4 vorgesehenen Beschränkungen. Die Verweisungsklausel des Arbeitsvertrages erstreckt sich auf die Nachfolgetarifverträge des BAT einschließlich der Bestimmungen zu Tariflohnerhöhungen. Die in § 4 des Arbeitsvertrages vereinbarten Änderungen stellen lediglich eine Kappung hinsichtlich der Höhe der Vergütung dar. Sie tangieren die Tariflohnerhöhungen nicht. Insbesondere enthält der Arbeitsvertrag keine eigenständige Regelung zur Vergütung, die die tariflichen Entgelterhöhungen ausschließen.

40

2. Das ergibt die Auslegung des Arbeitsvertrages, zumindest der Rückgriff auf die Unklarheitenregelung des § 305 c Abs. 2 BGB (vgl. dazu BAG vom 9. November 2005 - 5 AZR 128/05 - BAGE 116, 185 = AP Nr. 4 zu § 305 c BGB Rn. 16, vom 24. September 2008 - 6 AZR 76/07 - NZA 2009, 154 = ZDR 2009, 90).

41

a. Gemäß § 157 BGB sind Verträge so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern. Dabei ist nach § 133 BGB der wirkliche Wille des Erklärenden zu erforschen und nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften. Bei der Auslegung sind alle tatsächlichen Begleitumstände der Erklärung zu berücksichtigen, die für die Frage von Bedeutung sein können, welchen Willen der Erklärende bei seiner Erklärung gehabt hat und wie die Erklärung von ihrem Empfänger zu verstehen war (BAG vom 20. September 2006 - 10 AZR 715/05 - AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 44). Anhaltspunkte für das wirklich Gewollte können sich insbesondere aus der Entstehungsgeschichte, dem Zweck des Vertrages und der bei Vertragsschluss vorliegenden Interessenlagen sowie den weiteren Ausführungen der Parteien im Zusammenhang mit der Erklärung ergeben (BAG vom 31. Juli 2002 - 10 AZR 513/01 - BAGE 102, 103 = AP HGB § 74 Nr. 74 = EzA HGB § 74 Nr. 63). Die tatsächliche Handhabung des Arbeitsverhältnisses ermöglicht ebenfalls Rückschlüsse auf dessen Inhalt (Hessisches LAG vom 30. Mai 2008 - 3 Sa 1208/07 - nv). Eine ergänzende Auslegung ist auch bei allgemeinen Geschäftsbedingungen möglich (LAG Hamm vom 5. März 2009 - 17 Sa 193/08; Palandt/Heinrichs, BGB 68. Aufl., § 305 c BGB Rz. 17,§ 306 BGB Rz. 6).

42

b. Bei Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich, dass der Arbeitsvertrag nicht statisch auf den BAT verweist, sondern auch die neuen Tarifverträge erfasst. Die Anwendung der Grundsätze ergibt, dass die von den Tarifvertragsparteien vereinbarten Tariflohnerhöhungen unter Berücksichtigung der Begrenzungen in §§ 3, 4 des Arbeitsvertrages oder der Sonderregelungen in den Zusatz-Arbeitsverträgen weiterzugeben sind.

43

aa. Es handelt sich bei der Verweisung in § 2 Abs.1 Satz 1 des Arbeitsvertrages auf den BAT um eine sogenannte kleine dynamische Bezugnahmeklausel. Nach ihr wird im Betrieb der nicht tarifgebundenen Beklagten Arbeitsentgelt "in Anlehnung nach den Vorschriften des Bundesangestelltentarifvertrages (BAT) vom 23.02.1961 und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen" gewährt. Die Klausel ist zeitlich dynamisch und nennt einen bestimmten Tarifvertrag. Die in § 2 Abs.1 Satz 2 des Arbeitsvertrages enthaltene große dynamische Klausel kann hierbei vernachlässigt werden. Sie wird durch den mit der Klage geltend gemachten Anspruch nicht berührt.

44

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind Bezugnahmen in Arbeitsverträgen auf anderweitige normative Regelungen in der Regel dynamisch zu verstehen und zwar auch dann, wenn nur ein Teil des Tarifvertrages in Bezug genommen wurde (vgl. für viele BAG vom 13. November 2002 - 4 AZR 351/01 - BAGE 103, 338 = AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 24 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 23). So wurde das Arbeitsverhältnis der Parteien auch gelebt; die Klägerin erhielt stets die durch Änderungen des BAT vorgesehenen Entgelterhöhungen.

45

bb. Die Klausel verhält sich auch eindeutig dazu, wie sich die Ablösung des BAT durch die neuen Tarifverträge auswirkt. Eindeutig ist die Regelung, weil sie nicht nur auf die jeweils geltende Fassung, sondern auch auf die ersetzenden Bestimmungen Bezug nimmt (vgl. LAG Schleswig-Holstein vom 5. Juni 2008 - 3 Sa 94/08 - EzA-SD 2008, Nr. 22, 11; LAG Hamm vom 5. März 2009 - 17 Sa 1093/08). Die Anwendung des TVöD einschließlich der vereinbarten tariflichen Entgelterhöhung entspricht der Interessenlage der Parteien, wie sie im Arbeitsvertrag und der bisherigen Handhabung des Arbeitsverhältnisses ihren Niederschlag gefunden hat.

46

Die Parteien wollten nach ihrem § 2 des Arbeitsvertrages mangels arbeitsvertraglicher Regelungen die Bestimmungen des BAT und die ihn ersetzenden, ändernden und ergänzenden Tarifverträge angewendet wissen. Hierzu gehört die Weitergabe der von den Tarifvertragsparteien vereinbarten Tariflohnerhöhungen. Aus dem Inhalt der Ziffern des Arbeitsvertrages und aus der entsprechenden bisherigen Praxis der Beklagten, trotz der Beschränkungen zur Höhe der Vergütung auch Tariferhöhungen weiter zu geben, folgt, dass eine statische Verweisung auf den Tarifvertrag zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht gewollt war. Dieses wäre aber die unweigerliche Konsequenz aus der von der Beklagten reklamierten weiteren Anwendbarkeit des BAT auf die vereinbarte Vergütung. Die in der Bezugnahmeklausel angelegte Dynamik ginge verloren, bezöge man die Verweisung gerade im Bereich der Vergütung nicht auf den sich nicht mehr verändernden BAT. Das Arbeitsentgelt erführe keine Veränderung mehr.

47

Dies entspräche nicht dem Willen der Parteien, die eine dynamische Tarifverweisung im § 2 des Arbeitsvertrages vereinbart haben (vgl. LAG Niedersachsen vom 27. März 2009 - 10 Sa 1536/08 - nv; vom 24. August 2009 - 9 Sa 2001/08 - nv; vom 27. April 2009 - 8 Sa 1834/08 - nv; BAG vom 19. Mai 2010 - 4 AZR 796/08 - zur Veröffentlichung vorgesehen, Pressemitteilung Nr. 38/10).

48

cc. Auch die Abweichungen vom BAT, wie sie in §§ 3 und 4 des Arbeitsvertrages und in den Zusatzvereinbarungen getroffen worden sind, rechtfertigen keine andere Auslegung. Zum einen ergäbe sich selbst bei der Annahme, dass eine individualvertragliche Sondervereinbarung über die Vergütung und Eingruppierung getroffen wurde, zumindest die Anwendung der ansonsten geltenden Vorschriften des TVöD. Es sind nämlich lediglich Teile der Vergütung, auch die Wochenstundenzahl, zusätzliche Urlaubstage oder das Weihnachtsgeld ausgenommen, nicht aber die von den Tarifvertragsparteien vereinbarte Tariflohnerhöhung. Der Sachvortrag der Parteien rechtfertigt eine andere Schlussfolgerung nicht. Die Beklagte hat nicht dargelegt, dass der Klägerin eine übertarifliche oder vom BAT abweichende Vergütung gezahlt wurde. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die der Klägerin gezahlte Vergütung nicht der tatsächlich vorzunehmenden Eingruppierung entspräche. Die Begrenzungen im Bereich der Grundvergütung oder anderer Ansprüche, wie beispielhaft oben aufgezeigt, sind nicht dermaßen ungewöhnlich, dass sie die Schlussfolgerung zuließen, es sei ein nunmehr statisches Gehalt vereinbart. Dieser Annahme steht unter anderem auch die tatsächliche Handhabung der Beklagten in der Vergangenheit entgegen. Mit ihr ist weder die Schlussfolgerung gerechtfertigt, dass abweichend von den tarifvertraglichen Vorschriften keine Tariflohnerhöhung vereinbart ist, noch ist der Schluss zu ziehen, aus den Zusatzvereinbarungen folge, es sei ausschließlich der BAT in Bezug genommen. Auch sonstige Umstände, die die statische Vereinbarung des BAT rechtfertigen und die Weitergabe einer von den Tarifvertragsparteien vereinbarten Lohnerhöhung ausschließen, liegen nicht vor.

49

dd. Dem gefundenen Auslegungsergebnis steht auch nicht entgegen, dass es sich bei der Vereinbarung des TVöD um eine weitreichende Reform der tariflichen Normen und Umstrukturierungen gehandelt hat. Es liegt eine Tarifsukzession und kein Tarifwechsel vor. Ein Tarifwechsel kann nur angenommen werden, wenn z. B. Änderungen der Tarifvertragsparteien, ein Wechsel der Verbandszugehörigkeit, eine Änderung des Betriebszwecks, ein Betriebsübergang oder der Abschluss eines Firmentarifvertrages stattgefunden ha (Müller/Welkoborsky, NZA 2006, S. 1383 bis 1384). Es muss sich also insgesamt um Veränderungen handeln, die sich beim Arbeitgeber vollzogen haben (so bei einer durch Verbandswechsel geänderten Tarifbindung des Arbeitgebers (vgl. BAG vom 22. Oktober 2008 - 4 AZR 784/07 - AP Nr. 66 zu § 1 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag = NZA 2009, 151 [BAG 22.10.2008 - 4 AZR 784/07]).

50

Das ist vorliegend nicht gegeben. Der Wechsel der Tarifnorm im TVöD in Folge des BAT ist durch Vereinbarungen derselben Tarifvertragsparteien zu Stande gekommen. Das zeigt auch der Abschluss derÜberleitungstarifverträge, die überwiegend der Sicherung von Besitzständen sowie der Einstufung in die zutreffenden Entgeltgruppen dienen. Die Tarifzuständigkeit ist jedoch in räumlicher und fachlicher Hinsicht gleich geblieben. Es handelt sich um eine grundlegende Tarifreform. Nichtsdestotrotz handelt es sich um eine bloße Änderung in einem in sich geschlossenen Tarifsystem des öffentlichen Dienstes bei neuer Namensgebung (vgl. auch Wertebach NZA 2005 S. 1224 ff.; Fieberg NZA 2005, 1226 ff.; LAG Niedersachsen vom 27. April 2009 - 8 Sa 1834/08 - aaO.; vom 27. März 2009 - 10 Sa 1536/08 - aaO.).

51

3. Aber auch unterstellt, es wäre eine Auslegung im Sinne der von der Beklagten vertretenen Auslegung ebenfalls denkbar, ergäbe sich nichts anderes. Die Klägerin könnte sich auf die Unklarheitenregelung des § 305 c Abs. 2 BGB berufen.

52

a. Es handelt sich bei den Vereinbarungen im Arbeitsvertrag um Allgemeine Geschäftsbedingungen iSd. § 305 Abs. 1 BGB. Das ist zwischen den Parteien unstreitig. Die Beklagte verwendet die Klauseln im Arbeitsvertrag in zahlreichen weiteren Arbeitsverträgen.

53

b. Nach § 305c Abs. 2 BGB gehen Zweifel bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen zu Lasten des Verwenders. Diese Regelung gibt einen allgemeinen Rechtsgrundsatz wieder, der schon vor In-Kraft-Treten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes auch im Arbeitsrecht Geltung. Die Unklarheitenregel beruht auf dem Gedanken, dass es Sache des Verwenders ist, sich klar und unmissverständlich auszudrücken (vgl. dazu BAG vom 9. November 2005 - 5 AZR 128/05 - BAGE 116, 185 = AP Nr. 4 zu § 305 c BGB Rn. 16, vom 24. September 2008 - 6 AZR 76/07 - NZA 2009, 154 = ZDR 2009, 90).

54

Danach kann sich die Beklagte nicht darauf berufen, die von ihr verwendeten Formularverträge verwiesen hinsichtlich der tariflichen Entgelterhöhung nicht auf den den BAT ersetzenden TVöD, es sei davon auszugehen, die Vergütung richte sich statisch nach dem vor Tarifänderung geltenden Gehalt ohne jede Weitergabe einer tariflich ausgehandelten Entgelterhöhung. Dieses Auslegungsergebnis wäre nur eine Möglichkeit von mehreren in Betracht kommenden.

55

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

56

IV. Wegen grundsätzlicher Bedeutung einer Rechtsfrage, die entscheidungserheblich war, war die Revision zuzulassen.

Stöcke-Muhlack
Velten
Abel