Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 20.05.2010, Az.: 5 Sa 1494/09 E
Eingruppierung einer Erzieherin; Tätigkeit als Lehrerin oder pädagogische Mitarbeiterin
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 20.05.2010
- Aktenzeichen
- 5 Sa 1494/09 E
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2010, 17794
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:2010:0520.5SA1494.09E.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- ArbG Göttingen - 06.12.2006 - AZ: 4 Ca 316/06
Rechtsgrundlagen
- § 133 BGB
- § 151 BGB
- § 611 Abs. 1 BGB
- § 22 BAT
- § 23 BAT
- Anlage 1a Vorbem 5 BAT
- Anlage 1a Teil II Abschn G VergGr VIb Fallgr 5 BAT
- § 1 TVG
Redaktioneller Leitsatz
Werden von einer Erzieherin lediglich Betreuungsstunden durchgeführt, die in erster Linie dazu dienen, die Schüler sinnvoll zu beschäftigen, sind die von ihr angebotenen Spiele nicht darauf angelegt, den Kindern im Rahmen eines didaktischen Konzeptes ein bestimmtes theoretisches Wissen zu vermitteln und sodann die praktische Anwendung dessen gezielt zu üben und werden keine Lernziele verfolgt und findet auch keine Kontrolle statt, ob bestimmte Inhalte von den Schülern beherrscht werden,übt die Erzieherin keine Tätigkeit als Lehrerein im tarifrechtlichen Sinne aus.
In dem Rechtsstreit
Klägerin und Berufungsbeklagte,
gegen
Beklagter und Berufungskläger,
hat die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen auf die mündliche Verhandlung vom 20. Mai 2010 durch
den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Kubicki,
den ehrenamtlichen Richter Herrn Weber,
den ehrenamtlichen Richter Herrn Stein
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung des beklagten Landes gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Göttingen vom 06.12.2006 - 4 Ca 316/06 E - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass Folgendes festgestellt wird:
Das beklagte Land ist verpflichtet, die Klägerin seit dem 01.08.2005 nach der Vergütungsgruppe V c BAT und ab dem 01.11.2006 nach Entgeltgruppe 8 TVL zu vergüten und die bis zum 31.05.2006 aufgelaufenen rückständigen Bruttodifferenzbeträge ab dem 16.06.2006 und die später fällig gewordenen Bruttodifferenzbeträge ab jeweiligem Fälligkeitszeitpunkt mit Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat das beklagte Land zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung der Klägerin.
Die Klägerin ist staatlich geprüfte Erzieherin. Vom 1.8.2002 bis zum 31.7.2004 war sie gemäß Arbeitsvertrag vom 27.5.2002 (Bl. 7ff d.A.) bei dem beklagten Land befristet als nicht voll beschäftigte Betreuungskraft an der G.-Schule in F-Stadt zur Erteilung von Betreuungsstunden in den Klassen 1 und 2 für die an der Schule eingerichteten Betreuungsgruppen beschäftigt. Seit dem 1.8.2004 ist Grundlage der Beschäftigung der Arbeitsvertrag vom 29.6.2004 (Bl. 9ff d.A.). In § 1 des Vertrags heißt es u.a.:
"Frau E. wird als nicht vollbeschäftigte pädagogische Mitarbeiterin zur regelmäßigen stundenweisen Erteilung von schulspezifischen unterrichtsergänzenden Angeboten mit regelmäßig 5 Stunden wöchentlich eingestellt."
Die Beschäftigung pädagogischer Mitarbeiter im Rahmen der verlässlichen Grundschule dient der Gewährleistung eines täglich mindestens 5 Zeitstunden umfassenden Betreuungsangebots im Grundschulbereich. In einem Erlass des MK vom 18.5.2004 zur Beschäftigung von pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Grundschule (Bl. 29 ff d. A.) ist hierzu unter Nr. 4 unter anderem geregelt:
" Als pädagogische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können für die Tätigkeit an Grundschulen je nach ihrer Qualifikation Sozialpädagoginnen und -pädagogen sowie Erzieherinnen und Erzieher eingestellt werden. Ausgebildete Lehrkräfte können diese Aufgaben ebenfalls übernehmen... Darüber hinaus dürfen auch weitere Personen mit einer anderen pädagogischen Ausbildung oder umfänglichen Erfahrungen in der Arbeit mit Kindern oder Jugendlichen eingesetzt werden...
4.2 Vergütung
Die Tätigkeiten der pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind als Aufgaben von Sozialpädagoginnen und -pädagogen sowie von Erzieherinnen und Erziehern anzusehen..."
Die Klägerin war nach § 4 des Arbeitsvertrags in Vergütungsgruppe VI b Teil II G der Anlage 1a zum BAT eingruppiert.
Die im einzelnen von ihr wahrgenommenen Aufgaben haben sich während der Dauer des Arbeitsverhältnisses nicht wesentlich geändert. Die zuletzt wahrgenommenen Aufgaben hat sie bereits ab dem 01.08.2002 ausgeführt. Die einzige Änderung besteht darin, dass sich die Größe der zu betreuenden Gruppen verändert hat.
Die Klägerin hat sich in ihrem jeweiligen Aufgabengebiet beginnend ab dem 01.08.2002 bewährt.
Sie wird jeden Tag in der Zeit von 11.45 Uhr bis 13.00 Uhr zur Betreuung der Schüler in Gruppen nach der letzten Unterrichtsstunde eingesetzt. Im Rahmen dessen macht sie den Kindern zusammen mit ihrer Kollegin, der Zeugin A., verschiedene Betreuungsangebote, die sie und ihre Kollegen sich selbst überlegt haben. Dies sind Kreativangebote zur Schulung der Grob- und Feinmotorik, Angebote im Zusammenhang mit der Natur, Angebote zum Training der Fingerfertigkeit und zum Sozialverhalten, sowie musische Angebote. Die Klägerin nimmt ebenso wie ihre Kollegin, die Zeugin A., gelegentlich an gemeinsamen Gesprächen mit Lehrern und Konferenzen der Lehrkräfte teil. Die G.-Schule, in der die Klägerin tätig ist, besteht aus zwei räumlich voneinander getrennten Bereichen, die 4 Kilometer voneinander entfernt liegen. Die Klägerin ist zusammen mit der Zeugin A. im Bereich der A.-H.-Straße tätig, wohingegen die Schulleiterin, die Zeugin Koch, in dem anderen Bereich der G.-Schule tätig ist und nur gelegentlich das in der A.-H.-Straße liegende Schulgebäude aufsucht.
Mit Schreiben vom 12.12.2005 machte sie rückwirkend ab dem 01.08.2005 einen Vergütungsanspruch nach Vergütungsgruppe V c aufgrund eines Bewährungsaufstiegs geltend. Das beklagte Land lehnte dies ab.
Die Klägerin hat mit ihrer Klage den geltend gemachten Anspruch auf Höhergruppierung wegen Bewährungsaufstiegs weiter verfolgt und hierzu die Auffassung vertreten, der Arbeitsvertrag enthalte keine konstitutive Festlegung der Vergütungsgruppe, vielmehr sei sie unmittelbar im Wege der Tarifautomatik eingruppiert in Vergütungsgruppe VI b Teil II GAnlage 1a zum BAT. Deshalb stehe ihr nach dreijähriger unbeanstandeter Tätigkeit ein Anspruch nach der Vergütungsgruppe V c Fallgruppe 7 zu. Dem stehe auch nicht die Vorbemerkung Nr. 5 zu allen Vergütungsgruppen entgegen. Sie sei keine Lehrkraft, da sie keinen eigenverantwortlichen Unterricht erteile, sondern nur zur Betreuung und Beaufsichtigung der Kinder eingesetzt werde.
Die Klägerin hat beantragt,
festzustellen, dass das beklagte Land verpflichtet ist, sie seit dem 01.08.2005 nach Vergütungsgruppe V c BAT zu vergüten und die rückständigen Bruttodifferenzbeträge ab dem 16.06.2006 mit Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen.
Das beklagte Land hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es hat die Meinung vertreten, die Anlage 1a zum BAT finde bereits wegen Vorbemerkung Nr. 5 zu allen Vergütungsgruppen keine Anwendung, da die Klägerin als Lehrkraft anzusehen sei. Zudem sei das Berufsbild des pädagogischen Mitarbeiters nicht im BAT geregelt und die Eingruppierung sei allein aufgrund einer einzelvertraglichen Regelung zur Schließung der Tariflücke erfolgt. Deshalb käme ein Bewährungsaufstieg nach BAT nicht in Betracht. Die Klägerin sei auch nicht als Erzieherin eingestellt und entsprechend eingesetzt worden, sondern als pädagogische Mitarbeiterin. Es bestehe für solche Mitarbeiter lediglich die Möglichkeit, eine entsprechende Qualifikation vorzuweisen. Gemeinsam sei den Tätigkeiten der Erzieherin und der pädagogischen Mitarbeiterin nur der primäre Umgang mit Kindern.
Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 06.12.2006 vollumfänglich stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, es sei von einer Tarifautomatik auszugehen. Auch sei die Klägerin keine Lehrkraft, da nach dem Niedersächsischen Schulgesetz, dem Erlass des MK vom 18.05.2004 und auch nach dem Arbeitsvertrag der Parteien nur eine unterrichtsergänzende Tätigkeit der Klägerin und keine eigenverantwortliche Erteilung von Unterricht vorgesehen sei. Im Wege der Lückenfüllung sei ihre Tätigkeit wie die einer Erzieherin zu beurteilen. Mangels entgegenstehenden Vorbringens des beklagten Landes sei davon auszugehen, sie habe die dreijährige Bewährungszeit nach Vergütungsgruppe V c Fallgruppe 7 erfüllt.
Gegen das am 12.12.2006 zugestellte Urteil hat das beklagte Land mit einem am 10.01.2007 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese innerhalb der auf Antrag bis zum 13.03.2007 verlängerten Berufungsbegründungsfrist begründet.
Es hat mit der Berufung weiterhin die Ansicht vertreten, die Parteien hätten im Arbeitsvertrag eine konkrete Vergütungsvereinbarung mit konstitutivem Charakter getroffen und damit eine Tarifautomatik ausgeschlossen. Ferner sei die Anlage 1 a zum BAT nicht auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbar, da es sich bei der Tätigkeit einer pädagogischen Mitarbeiterin um eine die Lehrkraft unterstützende, unterrichtsergänzende und deshalb lehrende Tätigkeit im weiteren Sinne handele. Eine Differenzierung nach betreuender und lehrender Tätigkeit könne im Grundschulbereich nicht vorgenommen werden, da das Lernen spielend erfolge und pädagogische Mitarbeiter Kenntnisse und Fähigkeiten vermittelten, die üblicherweise auch z.B. von Sport-, Werk- und Kunstlehrern vermittelt würden.
Die erkennende Kammer hat mit Urteil vom 05.02.2008 (unter dem damaligen Aktenzeichen 5 Sa 41/07 E) das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.
Auf die Revision des beklagten Landes hat das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 01.07.2009 das Berufungsurteil aufgehoben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgerichts zurückverwiesen. Entgegen der Auslegung des Berufungsgerichts sei im Arbeitsvertrag der Parteien die sog. Tarifautomatik vereinbart, so dass ein Bewährungsaufstieg der Klägerin entsprechend der Vergütungsgruppe V c Fallgruppe 7 bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen grundsätzlich in Betracht komme.
Nach Zurückverweisung des Rechtsstreites durch das Bundesarbeitsgericht an das Landesarbeitsgericht hat das beklagte Land die Auffassung vertreten, die Tätigkeit der Klägerin sei keine Betreuungstätigkeit, sondern eine pädagogische Tätigkeit, die als Tätigkeit von Lehrkräften zu beurteilen sei. Hierzu behauptet es, die Klägerin wirke, wie auch die übrigen pädagogischen Mitarbeiterinnen, unterstützend bei der Behebung von Defiziten mit. Sie arbeite eng mit den Lehrkräften zusammen, diese wiesen die pädagogischen Mitarbeiter auf die Defizite hin, was die Klägerin zum Anlass nehme, bei der Betreuung gezielt auch Gruppen von Kindern zu bilden, die ein solches zuvor benanntes Defizit aufwiesen, in dieser Gruppe würde sie diese Defizite gezielt beheben. Eine solche Tätigkeit mache mehr als 50 % ihrer Arbeitszeit tatsächlich aus. Im Übrigen führe sie auch Lernprogramme am Computer mit den Schülern durch und habe ihnen dabei die Funktion und den Umgang mit dem Computer beizubringen.
Das beklagte Land beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Göttingen vom 06.12.2006 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass Folgendes festgestellt wird:
Das beklagte Land ist verpflichtet, die Klägerin seit dem 01.08.2005 nach der Vergütungsgruppe 5 c BAT und ab dem 01.11.2006 nach Entgeltgruppe 8 TVL zu vergüten und die bis zum 31.05.2006 aufgelaufenen rückständigen Bruttodifferenzbeträge ab dem 16.06.20006 und die später fällig gewordenen Bruttodifferenzbeträge ab jeweiligem Fälligkeitszeitpunkt mit Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil und vertieft ihre Auffassung, sie sei nicht als Lehrkraft anzusehen, da sie nicht eigenverantwortlich Unterrichtsstoff vermittele, sondern nur dafür zu sorgen habe, dass die Schüler nicht unterbeschäftigt blieben. Sie tritt den tatsächlichen Behauptungen des beklagten Landes entgegen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird insbesondere auf ihre Schriftsätze vom 14.12.2009, 15.02., 09.03.2010 sowie auf das Sitzungsprotokoll vom 20.05.2010 verwiesen.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch die Vernehmung der Zeuginnen A. und Koch. Wegen der Einzelheiten der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 20.05.2010 verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Unter Zugrundelegung der rechtlichen Beurteilung der Revisionsentscheidung nach § 563 Abs. 2 ZPO, wonach von einer Tarifautomatik auszugehen ist, ist die Klage in der zuletzt beantragten Fassung zulässig und begründet. Das Arbeitsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Denn die Klägerin hat seit dem 01.08.2005 Anspruch auf Vergütung nach Vergütungsgruppe V c BAT und folglich seit dem 01.11.2006 Anspruch auf Entgelt nach Entgeltgruppe 8 TVL.
I. Die Tätigkeit der Klägerin ist generell von der Vergütungsordnung des BAT erfasst. Die Klägerin ist nicht als Lehrkraft anzusehen mit der Folge, dass nach Vorbemerkung Nr. 5 zu allen Vergütungsgruppen diese Vergütungsordnung keine Anwendung findet.
1. Lehrkräfte sind Personen, bei denen die Vermittlung von Kenntnissen und Fertigkeiten der Tätigkeit das Gepräge gibt. (Protokollnotiz Nr. 1 der Anlage SR 2 I zum BAT). Dabei sind "Kenntnisse" als theoretisches Wissen und "Fertigkeiten" als praktische Handhabung zu verstehen. Die Vermittlung von Kenntnissen und Fertigkeiten gibt einer Tätigkeit das Gepräge, wenn sie für die Tätigkeit maßgebend ist und die unmittelbare Unterrichtstätigkeit mehr als die Hälfte der Gesamtarbeitszeit des Angestellten einnimmt. Ein Unterricht in diesem Sinne setzt einen eigenverantwortlichen Unterricht und nicht nur unterrichtsbegleitende Unterstützung voraus (BAG, Urteil vom 27.01.1999, Az.: 4 AZR 88/98 - AP Nr. 262 zu §§ 22, 23 BAT 1975).
2. Dem entspricht die Tätigkeit der Klägerin, die das Landesarbeitsgericht im Rahmen einer ergänzend durchgeführten Beweisaufnahme festgestellt hat, nicht.
a) Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme, insbesondere der Vernehmung der Zeuginnen K. und A. führte die Klägerin weder Lernprogramme am Computer mit den Schülern durch, noch wird sieüberwiegend eingesetzt, um einzelnen Schülern Unterstützung bei der Behebung von Defiziten zu geben. Dies entspricht den Bekundungen der Zeugin A., welche die Arbeitsaufgaben der Klägerin detailreich beschrieben hat. Ihrer Bekundung ist zu folgen. Ihre Aussage schildert die Tätigkeit der Klägerin, frei und lebendig, ohne auswendig gelernt und vorher zurechtgelegt zu wirken. Die Aussage ist detailreich und enthält zahlreiche sogenannte Realitätskennzeichen. Auf Nachfrage hat die Zeugin sicher und zügig ihre Aussage, die auch zuvor bereits detailreich war, ergänzt. Die Zeugin kann als direkte und unmittelbare Kollegin, die gewissermaßen "Schulter an Schulter" mit ihr zusammen arbeitet, deren Tätigkeit genauestens schildern. Sie ist täglich mit Aufgaben beschäftigt, die denen der Klägerin entsprechen.
Vom persönlichen Verhalten her wirkte die Zeugin absolut integer und redlich. Ihrer Aussage ist uneingeschränkt zu folgen.
Dem stehen nicht die teils abweichenden Bekundungen der Zeugin K. entgegen. Denn diese Zeugin musste auf Nachfrage einräumen, das Arbeitsgebiet der Klägerin nicht aufgrund eigener Wahrnehmung genau zu kennen. Denn diese Zeugin hielt sich räumlich in dem anderen Gebäudekomplex der G.-Schule auf und suchte den konkreten Arbeitsort der Klägerin (die A.-H.-Straße) lediglich gelegentlich auf, um für die Dauer von meist nur 10 Minuten die Arbeit zu überprüfen. ImÜbrigen musste die Zeugin einräumen, dass es seitens der Schule nur sehr wenige Vorgaben gegenüber den pädagogischen Mitarbeiterinnen gibt, deren Tätigkeit also im Wesentlichen von ihren eigenen Vorstellungen geprägt waren.
Schlussendlich konnte die Zeugin K. zu dem zeitlichen Umfang der von ihr bekundeten Tätigkeit der Unterstützung bei der Behebung von Defiziten überhaupt keine Angaben machen.
b) Ferner spricht gegen die Annahme, die Klägerin sei eine Lehrkraft, die Differenzierung zwischen Lehrkräften und pädagogischen Mitarbeitern im niedersächsischen Schulgesetz gemäß §§ 50, 51 und 53. Nur bezüglich der Lehrkräfte wird angeordnet, dass diese in eigener pädagogischer Verantwortung erziehen und unterrichten (§ 51 Abs. 1 NSchG). Dies deutet daraufhin, dass der Gesetzgeber prinzipiell nicht davon ausgeht, dass pädagogische Mitarbeiter Unterricht verteilen. Die Klägerin wird auch tatsächlich nicht zur Erteilung von Vertretungsunterricht eingesetzt, sondern deckt nur die Betreuungsstunde im Anschluss an den regulären Schulunterricht ab.
c) Ergänzend ist Folgendes anzumerken:
Die von der Klägerin durchgeführten Betreuungsstunden dienen in erster Linie dazu, die Schüler sinnvoll zu beschäftigen. Die von ihr angebotenen Spiele sind nicht darauf angelegt, den Kindern im Rahmen eines didaktischen Konzeptes ein bestimmtes theoretisches Wissen zu vermitteln und sodann die praktische Anwendung dessen gezielt zu üben. Es werden keine Lernziele verfolgt und es findet auch keine Kontrolle statt, ob bestimmte Inhalte von den Schülern beherrscht werden. Dass die Klägerin die Schüler bei der Wahrnehmung verschiedener Beschäftigungsangebote zunächst anleiten und ihnen beispielsweise ein Lied, welches gesungen werden soll, erst beibringen muss und dass durch verschiedene Angebote auch die Grob- und Feinmotorik geschult und die geistige Entwicklung gefördert wird, ändert nichts an der Beurteilung. Zum einen lässt es sich nicht vermeiden, dass Kinder im Grundschulalter bei jeder sinnvollen Beschäftigung irgendetwas dazulernen. Zum anderen liegt der Schwerpunkt der Tätigkeit der Klägerin gerade nicht darin, gezielt Kenntnisse im Sinne von theoretischem Wissen zu vermitteln, sondern die Schüler bei einem sinnvoll betriebenen Spiel soweit anzuleiten und zu beaufsichtigen, dass sie sich ohne Gefahren mit den Angeboten beschäftigen könne. Dies ist auch der Unterschied zu etwaigen gleichartigen Unterrichtsinhalten im Rahmen der Grundschule.
II. Die Klägerin erfüllte ab dem 01.08.2005 die Tätigkeitsmerkmale der von ihr begehrten Vergütungsgruppe V c (Fallgruppe 7 der Anlage 1 a zum BAT.)
1. In Vergütungsgruppe V c sind nach der Fallgruppe 7 einzugruppieren:
"Erzieherinnen mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit sowie sonstiger Angestellter, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrung entsprechende Tätigkeiten ausüben, nach 3jähriger Bewährung in Vergütungsgruppe VI b, Fallgruppe 5".
2. Die vom Berufungsgericht zu bewertende Tätigkeit der Klägerin stellt sich als ein einheitlicher großer Arbeitsvorgang dar.
a) Der Anspruch setzt nach § 22 II BAT voraus, dass die gesamte und nicht nur vorübergehend von der Klägerin auszuübende Tätigkeit den Tätigkeitsmerkmalen der von ihr begehrten Vergütungsgruppe entspricht. Nach § 22 II Unterabs. 2 BAT hängt dies wiederum davon ab, ob zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale dieser Vergütungsgruppe erfüllen.
Nach der Protokollnotiz Nr. 1 zu Abs. 2 sind Arbeitsvorgänge Arbeitsleistungen (einschließlich der Zusammenhangsarbeiten), die, bezogen auf den Aufgabenkreis des Angestellten, zu einem bei natürlicher Betrachtung abgrenzbaren Arbeitsergebnis führen. Das BAG hat den Begriff des Arbeitsvorgangs verstanden als eine unter Hinzurechnung der Zusammenhangstätigkeiten bei Berücksichtigung einer sinnvollen, vernünftigen Verwaltungsübung nach tatsächlichen Gesichtspunkten abgrenzbare und rechtlich selbständig zu bewertende Arbeitseinheit der zu einem bestimmten Arbeitsergebnis führenden Tätigkeit eines Angestellten (BAG, Urteil vom 05.03.1997, 4 AZR 482/95, juris).
Hierbei kommt diese Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts regelmäßig zu der Bewertung eines einheitlichen Arbeitsvorganges, soweit es die Tätigkeit von Sozialpädagogen oder Erziehern anbelangt (beispielsweise BAG, Urteil vom 08.02.1995, Az.: 4 AZR 958/93 - AP Nr. 192 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Mehrere Arbeitsvorgänge kommen in Betracht, wenn die Tätigkeit darin besteht, verschiedene Personenkreise getrennt zu betreuen (BAG, Urteil vom 23.08.1995, Az.: 4 AZR 341/94 - AP Nr. 20 zu §§ 22, 23 BAT Sozialarbeiter).
b) In Anwendung dieser Rechtsgrundsätze stellt sich die gesamte Tätigkeit der Klägerin als einheitlicher Arbeitsvorgang dar. Denn ihre Aufgabe ist die Betreuung der Schüler jeweils eine Stunde lang nach dem Ende des Unterrichts. Im Rahmen dieser Aufgabe führt sie keine einzelnen, für sich abgrenzbaren Arbeitsergebnisse jeweils bezogen auf einzelne Kinder herbei, da sich ihre Tätigkeit sich auf die Betreuung der Gruppe bezieht. Auch muss sie mit den Kindern keine bestimmten abgrenzbaren Lernziele erreichen. Die Betreuung der Gruppe stellt vielmehr einen einheitlichen Vorgang dar, der bei natürlicher Betrachtungsweise nicht näher in Einzelarbeitsergebnisse aufgespalten werden kann. Die Teilnahme an Lehrerkonferenzen und Besprechungen sowie die Vorbereitung der Beschäftigungsangebote dienen ebenfalls der Gewährleistung einer sachgerechten Betreuung der Kinder, sind diesem Gesamtziel untergeordnet und führen nicht zu einem für sich betrachtet abgrenzbaren Arbeitsergebnis.
III. Der Arbeitsvorgang der Betreuung der Schüler im Rahmen der verlässlichen Grundschule entspricht den Tätigkeitsmerkmalen der von der Klägerin ab dem 01.08.2005 beanspruchten Vergütungsgruppe.
1. Die Tätigkeitsmerkmale der Anlage 1 a) Teil II G sind analog auf die Tätigkeiten der Klägerin anzuwenden.
a) Ihre Tätigkeit wird von den Tätigkeitsmerkmalen dieser Vergütungsgruppe nicht unmittelbar erfasst. Denn der Begriff des Erziehers, wie er von den Tarifvertragsparteien in der Vergütungsordnung gebraucht wird, ist im berufskundlichen Sinne zu verstehen und erfasst daher nur erzieherische Tätigkeiten im außerschulischen Bereich (BAG, Urteil vom 27.01.1999, aaO.; LAG Niedersachsen, Urteil vom 25.06.2008, Az.: 15 SA 526/07 E - juris). Die Klägerin ist jedoch im schulischen Bereich tätig, sodass die unmittelbare Anwendung der Tätigkeitsmerkmale für Angestellte im Erziehungsdienst auf die Klägerin ausgeschlossen ist.
b) Eine spezielle Vergütungsgruppe für pädagogische Mitarbeiter gibt es nicht. Es handelt sich hierbei jedoch um eine bewusste Regelungslücke, die durch analoge Anwendung der Vergütungsordnung zu schließen ist (LAG Niedersachsen, Urteil vom 25.06.2008, aaO.). Die Tätigkeit der Klägerin ähnelt derjenigen eines Erziehers, z. B. in einem Hort oder in einem Kindergarten, da sie ebenfalls Kinder beaufsichtigt, betreut und beim Spiel anleitet. Einziger Unterschied besteht darin, dass die Klägerin diese Tätigkeit im Schulbetrieb ausübt. Dementsprechend scheint auch das beklagte Land ausweislich der Nummer 4.2 des Erlasses des MK vom 18.05.2004 von einer grundsätzlichen Vergleichbarkeit der Tätigkeit von pädagogischen Mitarbeitern und Angestellten im Erziehungsdienst auszugehen. Es ist sachgerecht, die Tätigkeitsmerkmale für Angestellte im Erziehungsdienst wegen der Artverwandtheit und Vergleichbarkeit der Tätigkeiten zur tarifgerechten Eingruppierung der Klägerin heranzuziehen (vergleiche BAG, Urteil vom 27.01.1999, aaO.).
2. Abgesehen von der Problematik des innerschulischen Einsatzes erfüllt die Klägerin die Tätigkeitsmerkmale der Vergütungsgruppe V c. Die persönlichen Voraussetzungen dieser Vergütungsgruppe liegen vor, sie ist staatlich geprüfte Erzieherin. Sie übt auch eine der Qualifikation einer Erzieherin entsprechende Tätigkeit aus. Erzieher ist jemand, der in der außerschulischen Kinder- und Jugendarbeit, insbesondere in Kinderkrippen, Kindergärten Vorklassenhorten und dergleichen Kinder sozialpädagogisch und fürsorgerisch bewahrend zu betreuen hat (BAG, Urteil vom 18.05.1983, Az.: 4 AZR 539/80 - AP Nr. 74 zu §§ 22, 23 BAT 1975).
Dem entspricht die Tätigkeit der Klägerin, wobei die Ausübung ihrer Tätigkeit im schulischen Bereich, aufgrund der bereits vorgenommenen Analogie unschädlich ist. Der unstreitige Sachvortrag der Parteien und vor allem das Ergebnis der Beweisaufnahme zeigen, dass die Tätigkeit der Klägerin dieser Begriffsbestimmung entspricht. Die Klägerin wird in einer Grundschule genauso tätig wie eine Erzieherin in einem Kindergarten. Diese wie jene betreuen die Kinder fürsorgerisch bewahrend, leiten sie zu Spiel und sinnvollen Beschäftigungen an und nehmen typischerweise die Aufgaben einer Erzieherin wahr. Diese Wertung entspricht auch der eigenen Verkehrsanschauung des beklagten Landes wie sie in Nummer 4.2 des Erlasses des MK vom 18.05.2004 seinen Niederschlag gefunden hat.
IV. Die Voraussetzungen für den Bewährungsaufstieg waren zum 01.08.2005 gegeben. Zu diesem Zeitpunkt hat die Klägerin erfolgreich die 3jährige Bewährungszeit absolviert, sie hat sich in einem einheitlichen und im rechtserheblichen Sinne gleich gebliebenen Tätigkeitsbereich bewährt, wie die ergänzenden Feststellungen zu Protokoll der Berufungsverhandlung vom 20.05.2010 ergeben haben.
V. Nach der Ablösung des BAT durch den TV-L zum 01.11.2006 bestimmt sich gemäß § 11 Abs. 1 TV-Ü/TV-L die Eingruppierung der Klägerin weiter nach §§ 22, 23 BAT, wobei ihre Eingruppierung in die Vergütungsgruppe V c BAT gemäß der Anlage 2 zum TV-Ü/TV-L der Entgeltgruppe 8 TVL zugeordnet ist. Dies rechtfertigt die Zuerkennung des erstmals im Termin zur Kammerverhandlung gestellten und vom ursprünglichen Klagebegehren abweichenden Antrag.
VI. Die Kostenentscheidung resultiert aus §§ 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG in Verbindung mit § 91 Abs. 1 ZPO. Das beklagte Land hat als in allen Instanzen unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Gründe, erneut die Revision zum Bundesarbeitsgericht gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG zuzulassen, sind nicht gegeben.
Weber
Stein