Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 30.04.2013, Az.: 1 TaBV 142/12

Zuständigkeit der Einigungsstelle zur Mitbestimmung des Betriebsrats bei künftigen und bereits erfolgten Sonderzahlungen

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
30.04.2013
Aktenzeichen
1 TaBV 142/12
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2013, 35876
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:2013:0430.1TABV142.12.0A

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Hannover - 13.11.2012 - AZ: 4 BV 11/12

Fundstellen

  • ArbRB 2013, 209-210
  • AuR 2013, 273
  • EzA-SD 11/2013, 16

Amtlicher Leitsatz

1) Es besteht keine offensichtliche Unzuständigkeit einer Einigungsstelle, wenn der Betriebsrat für in der Vergangenheit erbrachte Sonderzahlungen sein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 BetrVG beansprucht. Ebenso kann der Betriebsrat sein Mitbestimmungsrecht bei der Gestaltung zukünftiger Sonderzahlungen einfordern, selbst wenn diese von der Arbeitgeberin derzeit noch nicht beabsichtigt sind, soweit die abstrakte Ausformung der Einmalzahlungen unter die Bedingung ihrer tatsächlichen Leistung seitens der Arbeitgeberin gestellt wird.

2) Ein Mitbestimmungsrecht kann in seinem Bestand und Umfang nicht davon abhängig sein, dass sich die Arbeitgeberin betriebsverfassungskonform verhält. Die nachträgliche Änderung der Verteilungsgrundsätze kann zu einer Nachschusspflicht der Arbeitgeberin führen, auch wenn die Festlegung des Dotierungsrahmens ihr allein vorbehalten bleibt.

Tenor:

Auf die Beschwerde des Betriebsrats und Beteiligten zu 1) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Hannover vom 13. November 2012 - 4 BV 11/12 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Es wird eine Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand "Übertarifliche Einmalzahlungen, insbesondere Sonderzahlungen und Tantiemen an Redakteure in den Jahren 2008 bis 2012, sowie für die Jahre ab 2013, unter der Voraussetzung, dass Zahlungen der Arbeitgeberin und Beteiligten zu 2) erfolgen" unter dem Vorsitz des Vorsitzenden Richters am Landesarbeitsgericht a. D. Dr. Plathe mit je zwei Beisitzern von beiden Seiten bestellt.

Gründe

I. Die Beteiligten streiten im zweiten Rechtszug noch darüber, ob zu dem im Übrigen unanfechtbaren Beschluss des Arbeitsgerichts Hannover vom 13. November 2012, unter dem Vorsitz des ehemaligen Vorsitzenden Richters am Landesarbeitsgericht Niedersachsen A. eine Einigungsstelle mit je zwei Besitzern zur "Behandlung von Sonderzahlungen/Tantiemen der Arbeitgeberin an die Redakteure im Jahre 2012 unter Berücksichtigung von Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats gemäß § 87 Abs. 1 Ziffer 10 BetrVG" einzurichten, der Regelungsgegenstand noch zu erweitern ist.

Hintergrund des Verfahrens ist, dass der Betriebsrat bei Einsicht in die für die Redakteure der Beteiligten zu 2) bestehenden Lohn- und Gehaltslisten am 18. Mai 2012 feststellte, dass die Arbeitgeberin und Beteiligte zu 2) an einzelne Redakteure Tantiemen und/oder Sonderzahlungen in den Zeiträumen 2007 bis 2011 geleistet hatte.

Sonderzahlungen wurden in den Jahren 2007 bis 2011 an insgesamt 13 Redakteurinnen und Redakteure erbracht. Im Einzelnen:

2007

2008

2009

2010

2011

Red. 1

2.000,00

2.000,00

Red. 2

2.000,00

2.000,00

Red. 3

1.000,00

Red. 4

1.000,00

Red. 5

1.000,00

Red. 6

1.000,00

Red. 7

2.500,00

Red. 8

2.500,00

Red. 9

3.000,00

Red. 10

1.000,00

Red. 11

250,00

Red. 12

500,00

Red. 13

500,00

Tantiemen wurden in den Jahren 2008 bis 2012 an insgesamt 7 Redakteurinnen und Redakteure gezahlt und zwar im Einzelnen:

2008

2009

2010

2011

2012

Red. 1

4.000,00

4.000,00

3.000,00

3.000,00

1.500,00

Red. 2

2.000,00

2.500,00

2.500,00

3.000,00

Red. 3

1.500,00

1.500,00

1.500,00

Red. 4

3.000,00

3.000,00

3.500,00

3.500,00

3.500,00

Red. 5

3.500,00

4.500,00

4.000,00

4.000,00

4.000,00

Red. 6

1.500,00

1.500,00

2.500,00

2.500,00

2.500,00

Red. 7

4.000,00

In diesen Tantieme/Sonderzahlungen der Arbeitgeberin und Beteiligten 2) erkannte der Betriebsrat kollektive Tatbestände, die seine Mitbestimmungsrechte nach § 87 Abs. 1 Ziffer 10 BetrVG betreffen würden.

Der Betriebsrat hat b e a n t r a g t,

zum Vorsitzenden der Einigungsstelle mit dem Gegenstand übertarifliche Einmalzahlung, insbesondere Sonderzahlungen und Tantiemen an Redakteure in den Jahren 2008 bis 2012 sowie für die Folgejahre unter der Voraussetzung, dass Zahlungen erfolgen, den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Herrn Tobias Walkling, zu bestellen, sowie festzustellen, dass von beiden Seiten je zwei Beisitzer in die Einigungsstelle zu entsenden sind.

Die Arbeitgeberin hat b e a n t r a g t,

den Antrag des Betriebsrates zurückzuweisen.

Das Arbeitsgericht Hannover hat in dem oben mitgeteilten Umfang eine Einigungsstelle nach Antrag des Betriebsrats und Beteiligten zu 1) eingesetzt, den darüber hinausgehenden Antrag indessen zurückgewiesen. Die Zurückweisung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen damit begründet, dass - mit Ausnahme der für 2012 geplanten Zahlungen der Arbeitgeberin - Sonderleistungen und Tantiemen für die Vergangenheit und für die Zukunft in der eingerichteten Einigungsstelle nicht verhandelt werden könnten, da insoweit die Einigungsstelle offensichtlich unzuständig sei. Ein bereits abgeschlossener Vorgang wie die erfolgten Zahlungen in den Jahren bis 2011 könne nicht mehr vor die Einigungsstelle gebracht werden, da ansonsten über das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Ziffer 10 BetrVG dem Betriebsrat die Möglichkeit eingeräumt würde, nachträglich auf die Höhe der allein von der Arbeitgeberin zur Verfügung gestellten finanziellen Mittel Einfluss zu nehmen. Der sogenannte Geldfaktor sei aber nicht Gegenstand des Mitbestimmungsrechts. Der Missachtung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats in Vergangenheit und Zukunft könne durch ein nach § 23 Abs. 3 BetrVG einzuleitendes Verfahren begegnet werden. Weiterhin sei die Einigungsstelle offensichtlich unzuständig, sofern der Betriebsrat und Beteiligte zu 1) Mitbestimmungsrechte nach § 87 Abs. 1 Ziffer 10 BetrVG für die Jahre 2013 und folgende geltend mache, da zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht absehbar sei, ob die Arbeitgeberin für diese Zeit derartige Zahlungen beabsichtige. Zu den Einzelheiten der Entscheidungsbegründung und des Vorbringens der Beteiligten im ersten Rechtszug wird auf Blatt 28 bis 33 der Gerichtsakte Bezug genommen.

Gegen den ihm am 28. November 2012 zugestellten Beschluss des Arbeitsgerichts Hannover vom 13. November 2012 (Blatt 35 der Gerichtsakte) hat der Betriebsrat am 06. Dezember 2012 Beschwerde zum Landesarbeitsgericht eingelegt und diese zugleich begründet (Blatt 37 der Gerichtsakte).

Er trägt vor, dass aus den Beschlussgründen nicht ersichtlich sei, warum das Arbeitsgericht den Gegenstand "übertarifliche Einmalzahlungen" nicht der Verhandlung vor der Einigungsstelle zugewiesen habe. Es handele sich, was seine Mitbestimmungsrechte in den Jahren 2008 bis 2011 angehe, auch nicht um einen abgeschlossenen und hinsichtlich des tatsächlichen Verlaufs nicht mehr abänderbaren Vorgang, aus dem sich eine offensichtliche Unzuständigkeit der Einigungsstelle ergebe. Die vom Arbeitsgericht hierzu angezogene Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Köln vom 14.03.2011 - 5 TaBV 101/10 - sei von der Fallkonstellation eine völlig andere als die hier zu entscheidende. Die Zielsetzung der betrieblichen Lohngerechtigkeit könne noch im Nachhinein erreicht werden, wie in der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 14.06.1994 - 1 ABR 63/93 - ausgeführt werde. Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats für die Zukunft ab 2013 fielen ebenfalls in die Regelungskompetenz der Einigungsstelle, da der Antrag unter der Bedingung stehe, dass überhaupt Zahlungen in diesen Jahren erbracht würden.

Der Betriebsrat und Beteiligte zu 1) b e a n t r a g t :

Unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Beschlusses zum Vorsitzenden der Einigungsstelle mit dem Gegenstand übertarifliche Einmalzahlung, insbesondere Sonderzahlungen und Tantiemen an Redakteure in den Jahren 2008 bis 2011 sowie für die Jahre ab 2013 unter der Voraussetzung, dass Zahlungen erfolgen, den ehemaligen Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Niedersachsen A. zu bestellen sowie festzustellen, dass von beiden Seiten je zwei Beisitzer in die Einigungsstelle zu entsenden sind.

Die Arbeitgeberin und Beteiligte zu 2) b e a n t r a g t ,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie tritt den Beschlussgründen des Arbeitsgerichts bei. Die in den Jahren 2007 bis 2011 gewährten Sonderzahlungen hätten keiner Mitbestimmungspflicht des Betriebsrats und Beteiligten zu 1) unterlegen, da es sich dabei nicht um einen kollektiven Tatbestand gehandelt habe. Den übertariflich und freiwillig gewährten Sonderzahlungen hätten jeweils individuelle Sachverhalte zu Grunde gelegen. Sie beruhten nicht auf einer generellen Regelung der Arbeitgeberin. Tantiemen an die AT-Angestellten könnten nach § 2 Abs. 6 des Gehaltstarifvertrages für Redakteurinnen und Redakteure an Tageszeitungen frei vereinbart werden. Die individuelle Gehaltshöhe der einzelnen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unterlägen nicht der Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Eine mitbestimmte Entscheidung über die Zahlungen könne nicht nachträglich mit Wirkung für die vergangenen Jahre 2007 bis 2011 getroffen oder gar durch Nachzahlungen vollzogen werden. Dem stehe bereits der Rechtsgedanke der Rechtssicherheit entgegen. Der Betriebsrat und Beteiligte zu 1) hätte bereits früher in die Lohn- und Gehaltslisten Einblick nehmen können, um dann auf Grund der gewonnenen Erkenntnisse ein mögliches Zustimmungs- oder auch Initiativrecht auszuüben. Davon habe er aber keinen Gebrauch gemacht. Ein wegen einer vermeintlichen Verletzung der Mitbestimmungsrechte dem Betriebsrat etwaig zustehender Unterlassungsanspruch könne aber ebenso wenig wie das Mitbestimmungsrecht selbst dazu führen, die Höhe der für die erfolgten Zahlungen aufgewandten Mittel im Nachhinein zu erhöhen. Der Arbeitgeber entscheide allein, in welchem Umfang er finanzielle Mittel einsetzen wolle. Schließlich seien übertarifliche Sonderzahlungen für den Zeitraum von 2013 seitens der Arbeitgeberin nicht vorgesehen. Von daher gehe das Arbeitsgericht zu Recht von einer offensichtlichen Unzuständigkeit der Einigungsstelle für den Zeitraum ab 2013 aus.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze vom 06. Dezember 2012 und 08. Januar 2013 sowie die Anhörungsniederschrift vom 30. April 2013 verwiesen.

II. Die zulässige Beschwerde des Betriebsrats und Beteiligten zu 1) ist begründet. Der Beschluss des Arbeitsgerichts Hannover vom 13. November 2012 war deshalb teilweise abzuändern und der Regelungsgegenstand für die eingesetzte Einigungsstelle antragsgemäß zu erweitern.

1) Das Arbeitsgericht hat zutreffend beschrieben, wann eine Einigungsstelle offensichtlich unzuständig ist. Danach ist eine offensichtliche Unzuständigkeit der Einigungsstelle dann anzunehmen, wenn bei fachkundiger Beurteilung durch das Gericht sofort erkennbar ist, dass ein Mitbestimmungsrecht in der fraglichen Angelegenheit unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt in Frage kommen kann. Für den hiesigen Regelungsgegenstand kommt - wie das Arbeitsgericht im Ansatz richtig gesehen hat - nur ein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG in Betracht, das im Sinne einer Lohngerechtigkeit bei der Gestaltung und Verteilung auch für freiwillige Leistungen des Arbeitgebers zu beachten ist. Dem Arbeitsgericht ist ferner beizutreten, soweit es darauf hinweist, dass der Arbeitgeber den sogenannten Dotierungsrahmen bestimmt, das heißt die Summe aller Leistungen, die er zur Verfügung stellen will (vgl. dazu BAG ständige Rechtsprechung z. B. 14. Juni 1994, 1 ABR 63/93 = AP Nr. 69 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung = EzA § 87 BetrVG 1972 Betriebliche Lohngestaltung Nr. 45; Richardi/Thüsing BetrVG 13. Auflage, 2012, § 87 Rn. 768 f., 771; Fitting BetrVG 26. Auflage, 2012, § 87 BetrVG Rn. 443 ff.; erkennendes Gericht, Beschluss vom 28. Februar 2008 - 1 TaBV 151/07 zitiert nach [...] Rn. 14 f.). Folgerichtig hat deshalb das Arbeitsgericht Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats für die geplanten Zahlungen im Jahr 2012 sowohl hinsichtlich der Sonderleistungen als auch der Tantiemen bejaht und insoweit die Einigungsstelle eingerichtet.

Soweit des Arbeitsgericht dabei den Antrag, "übertarifliche Einmalzahlungen" zum Regelungsgegenstand der Einigungsstelle zu machen, übergangen hat und sich dabei auf die konkret beschriebenen Sonderzahlungen und Tantiemen an Redakteure beschränkt hat, dürfte es sich um ein Versehen handeln, da selbstverständlich alle übertariflichen Sonderzahlungen dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG unterliegen, unabhängig davon in welcher Gestaltungsform sie erbracht werden. Steht dem Betriebsrat insoweit ein Zustimmungs- oder Initiativrecht bei Einführung von übertariflichen Sonderleistungen zu, kann sich die Einigungsstelle innerhalb des weiter gesetzten Rahmens als den der Sonderzahlungen und Tantiemen an Redakteure bewegen. Dies gilt auch für die AT-Angestellten im Bereich der Redakteure, da der arbeitgeberseitig hierzu erwähnte Gehaltstarifvertrag für Redakteurinnen und Redakteure an Tageszeitungen vom 01. August 2010 in § 2 Abs. 6 nur bestimmt, dass deren Gehälter (einschließlich der Sonderzahlungen) angemessen über den Gehaltssätzen der Ziffer V b bzw. V bb dieses Tarifvertrages liegen müssen und frei zu vereinbaren sind. Damit wird keine abschließende tarifvertragliche Regelung getroffen, die ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG sperrt, denn insoweit bleibt ein Regelungsspielraum zur abstrakten Gestaltung eröffnet.

2) Gemessen am Maßstab der offensichtlichen Unzuständigkeit der Einigungsstelle kann das Beschwerdegericht dem Arbeitsgericht in seinen Beschlussgründen nicht folgen, soweit dieses wegen der abgeschlossenen Sachverhalte für den Zeitraum 2008 bis 2011 eine mögliche Behandlung in der Einigungsstelle verneint hat. Das Arbeitsgericht hat in diesem Zusammenhang selbst die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 14. Juni 1994 - 1 ABR 63/93 - (aaO.) angesprochen und sich gegen die dort vertretene Rechtsauffassung, ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG könne bei Zuwendungen auch noch nachträglich mit Wirkung für die Vergangenheit getroffen werden (BAG aaO. Rn. 18 f.), gewandt.

Bei Vorliegen einer höchstrichterlichen Entscheidung, die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats auch für die Vergangenheit zugesteht, kann deshalb für diese zeitliche Regelungsspanne (2008 - 2011) keine offensichtliche Unzuständigkeit der Einigungsstelle angenommen werden. Dies gilt ebenso im umgekehrten Fall, wenn bei einer Rechtsfrage eine gefestigte und abschließende höchstrichterliche Rechtsprechung, der zufolge dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht nicht zusteht, die begehrte Einigungsstelle offensichtlich unzuständig ist (vgl. zuletzt LAG Nds. 19. Dezember 2012, 1 TaBV 112/12; LAG Niedersachsen 12.01.2010, 1 TaBV 73/09 Rn. 23 = LAGE § 98 ArbGG 1979 Nr. 58 jeweils m. w. N.; ebenso ErfK-Koch 13. Auflage ArbGG, 2013, § 98 Rn. 3; GMPM-G/Matthes/Schlewing ArbGG 7. Auflage, 2009, § 98 Rn. 8; Schwab/Weth-Walker ArbGG, 3. Auflage, 2011, § 98 Rn. 37; GK-ArbGG-Schleusener (Stand 2011), ArbGG § 98 Rn. 28; Düwell/Lipke-Lipke, ArbGG, 3. Auflage,2013, § 98 Rn. 17a).

Eine beachtliche Kritik hiergegen ist in jüngerer Zeit nicht erhoben worden. Die Entscheidung des LAG Köln vom 14. März 2011 - 5 TaBV 101/10 - steht dem nicht entgegen. Die Beschwerde hat hierzu völlig richtig darauf hingewiesen, dass die Zuweisung einzelner Arbeitnehmer zur tatsächlichen Teilnahme an einem zurückliegenden abgeschlossenen Grundkurs unter Verletzung tariflicher Vorgaben nicht mit dem hier zu entscheidenden Sachverhalt vergleichbar ist. Eine Entsendung zu einer in der Vergangenheit liegenden Bildungsmaßnahme ist anders als eine zu ändernde Geldzahlung im Nachhinein nicht korrigierbar.

Die nachträgliche Verteilung von Sonderzahlungen in den Jahren 2008 bis 2011 kann, muss aber nicht zu Erhöhung des Dotierungsrahmens der Arbeitgeberin führen. Käme es zu einer Nachschusspflicht der Arbeitgeberin, so führte dies nicht zu einer Durchbrechung des Grundsatzes, dass der Betriebsrat bei der Festlegung des Dotierungsrahmens nicht mitzubestimmen hat. "Ein Mitbestimmungsrecht kann in seinem Bestand und Umfang nicht davon abhängig sein, dass sich der Arbeitgeber betriebsverfassungskonform verhält. Vielmehr hat sich das Verhalten des Arbeitgebers nach den Vorgaben des Betriebsverfassungsgesetzes und damit auch nach den aus der Beachtung der Mitbestimmungsrechte folgenden Pflichten zu richten" (so Bundesarbeitsgericht vom 14. Juni 1994 aaO. Rn. 19). Eine fehlende Verständigung mit dem Betriebsrat genügt insoweit; es bedarf keines vorsätzlichen groben Verstoßes gegen dessen Mitbestimmungsrechte i. S. d. § 23 Abs. 3 BetrVG.

Schließlich ist noch offen, ob es sich hier um einen allein der Mitbestimmungspflicht des Betriebsrats unterliegenden kollektiven Sachverhalt oder um individuelle Sonderzahlungsvereinbarungen ohne kollektiven Bezug gehandelt hat. Die Anzahl der betroffenen Arbeitnehmer ist zwar nicht allein maßgeblich, kann aber ein Indiz dafür sein, ob ein kollektiver Tatbestand bestanden hat oder nicht. Sollten Leistungsgesichtspunkte bei den Sonderleistungen und Tantiemezahlungen eine Rolle gespielt haben, so dürfte dies typischerweise für einen kollektiven Bezug sprechen. Diese Umstände wird die Einigungsstelle näher zu ergründen haben.

3) Mitbestimmungsrechte kann der Betriebsrat und Beteiligte zu 1) auch geltend machen, wenn noch offen ist, ob die Arbeitgeberseite übertarifliche Einmalzahlungen auszukehren gedenkt. Im Anhörungstermin hat der Betriebsratsvorsitzende unwidersprochen dazu ausgeführt, dass bereits vor der Unternehmensumstrukturierung im Jahre 2007 das Thema "Einmalzahlungen und Mitbestimmungsrechte" zwischen den Beteiligten streitig war. Der Hinweis der Arbeitgeberin und Beteiligten zu 2) auf die zu wahrende Rechtssicherheit für die Vergangenheit geht deshalb fehl. Die Abläufe in den Jahren 2007 bis 2012 zeigen auf, dass es zu Einmalzahlungen an 13 bzw. 7 Redakteurinnen und Redakteuren bei insgesamt ca. 50 Redakteurinnen und Redakteuren gekommen ist. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass sich die Frage der Verteilungsgerechtigkeit von Einmalzahlungen auch in Zukunft stellt. Deshalb ist eine Gestaltung für den Fall, dass die Arbeitgeberin Zahlungen erbringt anhand abstrakt vorgegebener Kriterien auch dann möglich, wenn die Arbeitgeberin gegenwärtig keinerlei Einmalzahlungen beabsichtigt.

4) Der Beschluss des Arbeitsgerichts hinsichtlich des Regelungsgegenstandes war deshalb wie geschehen teilweise zu ergänzen.

5) Eine Kostenentscheidung ist gemäß § 2 Abs. 5 GKG nicht zu erheben. Diese Entscheidung ist unanfechtbar.