Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 23.11.2010, Az.: 11 Sa 980/10
Eingruppierung eines Messebauers; Darlegungen des Arbeitnehmers zum Tarifmerkmal "wiederkehrende Kooperation mit anderen"
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 23.11.2010
- Aktenzeichen
- 11 Sa 980/10
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2010, 33719
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:2010:1123.11SA980.10.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- ArbG Oldenburg - 16.04.2010 - AZ: 6 Ca 229/09
Rechtsgrundlage
- § 5 Nr. 5 ERA TV
Amtlicher Leitsatz
1. Das Merkmal "wiederkehrende Kooperation mit anderen" in § 5 Ziff. 5 ERA Metall nordwestl. Niedersachsen kann dann erfüllt sein, wenn eine Messebauer typischerweise beim Aufbau und Abbau eines Messestandes mit örtlichen Betriebshandwerkern, Spediteuren etc Kontakt aufnehmen muss. Auch die Abstimmung mit Mitarbeitern aus anderen Abteilungen des eigenen Betriebes kann darunter fallen. Die übliche Absprache mit unmittelbaren Arbeitskollegen oder Vorgesetzten erfüllt die Anforderung dagegen nicht.
2. Angesichts des Berufsbildes des Messebauers bedarf es aber eines erheblichen Heraushebung dieser Zusatzanforderung aus der Entgeltgruppe 6 (abgeschlossene fachspezifische Berufsausbildung).
Redaktioneller Leitsatz
1. Jeder tatsächliche Umstand bei der Erbringung einer Arbeitsleistung kann eingruppierungsrechtlich nur ein Mal Verwendung finden.
2. Wenn nach dem allgemeinen Berufsbild sowohl in der Phase des Entwerfens von Messeständen als auch von deren Aufbau bereits das Zusammenwirken mit anderen typischer Bestandteil der Arbeitsaufgabe ist und nach § 5 Nr. 5 ERA eine deutliche Heraushebung aus den Anforderungen der Hauptstufe verlangt wird, folgt daraus, dass der Arbeitnehmer zur Begründung des Vergütungsanspruchs nach einer Zusatzstufe die tatsächlichen Voraussetzungen der deutlichen Heraushebung im Einzelnen darzulegen hat.
In dem Rechtsstreit
Kläger und Berufungsbeklagter,
gegen
Beklagte und Berufungsklägerin,
hat die 11. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen auf die mündliche Verhandlung vom 23. November 2010 durch
den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Voigt,
den ehrenamtlichen Richter Herrn Gerking,
den ehrenamtlichen Richter Herrn Bartetzko
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 16.04.2010 - 6 Ca 229/09 - abgeändert.
Die Klage wird insgesamt abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten in der Berufung nur noch darum, ob der in Vergütungsgruppe EG 6 eingruppierte Kläger die Voraussetzungen einer Zusatzstufe nach § 5 des Entgeltrahmentarifvertrages der Metall- und Elektroindustrie nordwestliches Niedersachsen, Unterweser, Hamburg und Umgebung, Schleswig-Holstein und Mecklenburg Vorpommern erfüllt.
Wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht Oldenburg hat mit Urteil vom 16.04.2010 den Antrag des Klägers auf Eingruppierung in Vergütungsgruppe EG 7 rechtskräftig abgewiesen. Auf den zweiten Hilfsantrag des Klägers hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass der Kläger in Vergütungsgruppe EG 6 Zusatzstufe 1 einzugruppieren sei. Zur Begründung hat es insoweit ausgeführt, vom Kläger werde zumindest die Zusatzstufe "Kooperation" erfüllt. Nach § 5 Abs. 5 ERA seien die Voraussetzungen für eine Zusatzstufe erfüllt, wenn die übertragene Arbeit zusätzlich Anforderungen an die Flexibilität und/oder Verantwortung und/oder Kooperation der Beschäftigten in einem Maße stellt, das oberhalb des allgemeinen Anforderungsniveaus der Hauptstufe, aber unterhalb der nächsten Gruppe liegt. Diese Voraussetzung sei mit Blick auf die Tätigkeit des Klägers zwar nicht im Hinblick auf den Umstand zu bejahen, dass er in seinem Team Absprachen zu treffen habe, da dies keine besondere Anforderung für die Tätigkeiten im Messeteam darstelle. Unstreitig gehöre es jedoch zu den Tätigkeiten, sämtliche Absprachen jeweils vor Ort mit der Lagerverwaltung, Messeverwaltung, den Vertriebstechnikern und den Transportunternehmen vorzunehmen. Dies gehöre nicht zwingend zu den Aufgaben eines Messebauers, die in der Regel auf Anweisung eines Vorgesetzten lediglich Ausführungen vorzunehmen hätten.
Gegen dieses ihr am 02.06.2010 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 28.06.2010 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Begründungsfrist fristgerecht am 30.08.2010 begründet.
Die arbeitsgerichtlichen Feststellungen seien sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht unzutreffend. Soweit das Arbeitsgericht unstreitig annehme, dass es zu den Tätigkeiten des Klägers gehöre, sämtliche Absprachen jeweils vor Ort mit der Lagerverwaltung, der Messeverwaltung, den Vertriebstechnikern und den Transportunternehmen vorzunehmen, sei dies nicht durch den Sachvortrag der Parteien belegt. Dies sei vom Kläger weder in der Klageschrift noch in den beigefügten Stellenbeschreibungen erwähnt. Im Schriftsatz vom 14.12.2009 habe er ausgeführt, dass er den ihm vorgesetzten Mitarbeiter Herrn B. darum bitte, Einzelheiten zur jeweiligen Messe mitzuteilen. Damit räume er selbst ein, dass er derartige Abstimmungen nicht unmittelbar vor Ort mit externen Kräften durchführen müsse. Zutreffend habe das Arbeitsgericht erkannt, dass die Zusammenarbeit mit weiteren Mitarbeitern in dem Messeteam die Zuerkennung der Zusatzstufe Kooperation nicht rechtfertige. Der Vortrag des Klägers zur vermeintlichen Kooperation mit anderen Dienstleistern vor Ort sei infolge seiner Pauschalität nicht einlassungsfähig. Allgemein könne aber Folgendes gesagt werden: Die Notwendigkeit mit der Lagerverwaltung zu kooperieren sei nicht gegeben, da die Produkte der Beklagten aus dem Transportfahrzeug direkt aufgestellt oder vom naheliegenden Großhandel angeliefert würden. Der Kontakt mit der Messeverwaltung oder dem Messeveranstalter werde von dem Vorgesetzten Herrn B. abgewickelt. In rechtlicher Hinsicht gehe das Arbeitsgericht mit keiner Silbe darauf ein, dass § 5.5 ERA voraus, dass Arbeiten ausgeführt werden, deren Erledigung "wiederkehrend" die Abstimmung mit anderen notwendig mache.
Die Beklagte beantragt,
1. das Urteil des Arbeitsgericht vom 16.04.2010 wird abgeändert,
2. die Klage wird insgesamt abgewiesen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger verteidigt die angefochtene Entscheidung. Er erfülle das Merkmal der Kooperation. Hier sei insbesondere auf Seiten 4 bis 8 des Schriftsatzes vom 25.02.2010 zu verweisen. Hier habe er substantiiert und unter Beweisantritt die entsprechenden Arbeitsvorgänge nachvollziehbar vorgetragen. Es sei besonders darauf hinzuweisen, dass bereits im erstinstanzlichen Gerichtstermin Herr S. von der Beklagten bestätigt habe, der Kläger stehe mit den Vertriebsingenieuren in unmittelbarem Kontakt. Selbstverständlich erfolge seitens des Klägers die notwendige Abstimmung vor Ort mit der jeweiligen Messegesellschaft und den Vertriebsingenieuren und seinen Kollegen B. und E. regelmäßig. Wie das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt habe, gehöre zu den Tätigkeiten des Klägers, sämtliche Absprachen vor Ort jeweils mit der Lagerverwaltung, der Messeverwaltung, den Vertriebstechnikern und den Transportunternehmen vorzunehmen. Da dies nicht zwingend zu den Aufgaben eines Messebauers gehöre, seien die an den Kläger gestellten Anforderungen über die Hauptstufe hinaus die Zusatzstufe 1 begründend gegeben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie die Protokollerklärung der Parteien Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist zulässig gemäß § 519, 520 ZPO, §§ 64, 66 ArbGG.
Sie ist auch begründet. Entgegen der Annahme des Arbeitsgerichts erfüllt der Kläger nicht die Anforderungen der Zusatzstufe "Kooperation". Die Klage ist folglich insgesamt abzuweisen.
Zwar ist durchaus anzunehmen, dass der Kläger Arbeiten ausführt, in deren Verlauf er sich mit anderen Personen abzustimmen hat. Da der Personenkreis "Andere" in der Tarifvorschrift nicht näher beschrieben ist, können dies sowohl andere Beschäftigte des eigenen Betriebes als außenstehende Dritte sein. Insofern kann eine Abstimmung mit Vertriebsingenieuren der Beklagten die Anforderung durchaus erfüllen. Der bloße Umstand hingegen, dass mit den unmittelbaren Arbeitskollegen oder dem unmittelbaren Vorgesetzten ein Austausch stattfindet, ist Bestandteil annähernd jeglicher beruflicher Tätigkeit und kann daher allein die Anforderung "Abstimmung mit Anderen" nicht erfüllen. Nach der Darstellung des Klägers liegt der Schwerpunkt von Abstimmungsbedarf vor Ort in den jeweiligen Messestandorten, wo Betriebshandwerker, Messeleitung und ähnliche Stellen kontaktiert werden müssen, um auftretende Einzelfragen beim Aufbau des Messestandes zu klären. Dass derartige Kontakte tatsächlich stattfinden, hat die Beklagte auch nicht ernstlich entkräften können.
Auch das Merkmal "wiederkehrend" ist nach der Schilderung des Klägers in ausreichendem Maße erfüllt. Eine quantitative Anforderung ist in der Tarifvorschrift insoweit nicht gestellt. Nach der Wortbedeutung liegt "wiederkehrend" jedenfalls deutlich unterhalb der Beschreibung "regelmäßig". Dass bei jedem Auf- oder Abbau eines Messestandes dermaßene Kontakte mit dritten Personen anfallen, ist aus der Natur der Sache ausreichend nachvollziehbar.
Bedenken bestehen allerdings schon, ob die vom Kläger auszuführenden Arbeiten diese Abstimmung "notwendig macht". Denn grundsätzlich ist Planung und Organisation des Auf- und Abbaus der Messestände Sache des Vorgesetzten des Klägers, Herrn B.. Bei formell strikter Handhabung könnte sich der Kläger in zahlreichen der von ihm benannten Beispielsfälle an den Vorgesetzten mit der Bitte um Klärung wenden. Wenn der Kläger zur Vereinfachung oder Beschleunigung der Abläufe insoweit selbst aktiv wird, liegt dies sicherlich im Interesse der Beklagten, im strengen Sinne erforderlich zur Erbringung der Arbeitsleistung des Klägers ist dies jedoch nicht.
Schließlich scheitert die Zusatzstufe aber jedenfalls an der generellen Erheblichkeitsanforderung, wonach die zusätzlichen Anforderungen an die Kooperation in einem Maße gestellt werden müssen, das oberhalb des allgemeinen Anforderungsniveaus der Hauptstufe liegt. Das allgemeine Anforderungsniveau der Hauptstufe Entgeltgruppe 6 wird definiert durch die inhaltlichen Anforderungen einer abgeschlossenen fachspezifischen Berufsausbildung von drei Jahren. Dem steht gleich eine fachfremde Berufsausbildung und eine mehrjährige spezifische Berufserfahrung sowie zusätzliche spezielle Weiterbildung. Der Kläger ist gelernter Tischler, über eine besondere Weiterbildung ist nichts bekannt. Zwar dürfte als Vergleichsmaßstab der von der Beklagten erstinstanzlich herangezogenen Fachkraft für Veranstaltungstechnik zu hoch angesetzt sein. Nach den Informationen auf der Homepage der Bundesagentur für Arbeit umfasst dies etwa auch: Computer einrichten, Software zusammenstellen, zu laden und zu konfigurieren, Kamerastandpunkte festzulegen, bildtechnische Geräte aufzubauen, Tonein- und -ausspielungen entgegenzunehmen und bereitzustellen, Bild- und Tonmitschnitte anzufertigen, Spezialeffekte, insbesondere Feuer-, Rauch- oder Nebeleffekte auszuwählen und einzusetzen usw. Demgegenüber stellt der Messebauer zwar keinen eigenständigen Ausbildungsberuf dar, gleichwohl existiert ein festumrissenes Berufsbild. Nach der Definition auf der Homepage der Bundesagentur für Arbeit zum Stichwort Messebauer heißt es u. a.:
"Sie entwerfen und planen die Messestände und -komponenten selbst oder in Zusammenarbeit mit Fachleuten für Messebau und -design. ... Sie sorgen dafür, dass die fertigen Einzelkomponenten rechtzeitig an die Einsatzorte gelangen, dort zusammengebaut und ggf. nachgebessert werden oder erledigen diese Arbeiten selbst."
Die Entgeltgruppe 6 erfasst aber ihrerseits schon schwierige Facharbeiten. Daraus müsste sich die Anforderung an die Tätigkeit des Klägers deutlich herausheben. Dies ist nicht feststellbar.
Für die Abgrenzung zwischen den Anforderungen der Hauptstufe der Entgeltgruppe und den Zusatzstufen ergeben sich weitere Hinweise aus § 3 Ziff. 6 a ERA. Danach werden die besonderen Arbeitsanforderungen bei außerbetrieblichen Montagearbeiten im konkreten Fall bei der Eingruppierung oder Einstufung berücksichtigt. Im Weiteren heißt es dort:
"Sofern bestimmte Anforderungen für die Eingruppierung maßgeblich sind, können sie nicht zusätzlich eine Zusatzstufe begründen."
Es kann dahinstehen, ob der Messebau unter diesen Begriff der außerbetrieblichen Montagearbeiten fallen würde. Denn jedenfalls kommt in dieser Regelung ein allgemeiner Rechtsgrundsatz zum Ausdruck, den das Bundesarbeitsgericht etwa in ständiger Rechtssprechung auch zu den Heraushebungsmerkmalen der Eingruppierungsmerkmale des BAT zugrundelegt. Jeder tatsächliche Umstand bei der Erbringung einer Arbeitsleistung kann eingruppierungsrechtlich nur ein Mal Verwendung finden. Wenn aber nach dem allgemeinen Berufsbild sowohl in der Phase des Entwerfens von Messeständen als auch von deren Aufbau bereits das Zusammenwirken mit anderen typischer Bestandteil der Arbeitsaufgabe ist und nach § 5 Ziffer 5 ERA eine deutliche Heraushebung aus den Anforderungen der Hauptstufe verlangt wird, folgt daraus, dass der Sachvortrag des Klägers nicht geeignet ist, einen Vergütungsanspruch nach einer Zusatzstufe zu begründen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Der Sachverhalt ist nicht geeignet, auch für einen breiteren Kreis der tarifgebundenen Betriebe zur Klärung grundsätzlicher Rechtsfragen dieses Tarifvertrages beizutragen. Es bestand daher keinen Anlass die Revision zuzulassen (§ 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG).
Gerking
Bartetzko