Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 01.10.2008, Az.: 5 LA 64/06
Anforderungen an eine durch einen Zweitbeurteiler geänderten Plausibilisierung einer dienstlichen Beurteilung; Anforderung an die Darlegung ernstlicher Zweifel der Richtigkeit eines Urteils beim Berufungszulassungsverfahren
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 01.10.2008
- Aktenzeichen
- 5 LA 64/06
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2008, 23309
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2008:1001.5LA64.06.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Braunschweig - 21.02.2006 - AZ: 7 A 233/04
Rechtsgrundlagen
- § 45 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG
- § 124 Abs. 2 VwGO
- § 124a VwGO
Amtlicher Leitsatz
Orientierungssatz:
Zu den Anforderungen an die Plausibilisierung einer Beurteilung, die durch den Zweitbeurteiler geändert wurde
Gründe
Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte unter Aufhebung der dienstlichen Beurteilung des Klägers vom 27. November 2003 / 5. Januar 2004 (Bl. 4 ff. der Gerichtsakte - GA-) und des Widerspruchsbescheides ihrer Rechtsvorgängerin (Bl. 12 f. GA) vom 22. April 2004 verurteilt, den Kläger für den Beurteilungszeitraum vom 1. November 2000 bis zum 1. September 2003 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu beurteilen.
Gegen das Urteil der Vorinstanz wendet sich die Beklagte mit einem Antrag auf Zulassung der Berufung, den sie auf die Zulassungsgründe des Bestehens ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) und der Divergenz (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) stützt.
II.
Der Zulassungsantrag bleibt ohne Erfolg, weil die Zulassungsgründe, auf die sich die Beklagte beruft, bereits nicht hinreichend gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO dargelegt sind und sich darüber hinaus erkennen lässt, dass sie - zumindest teilweise - nicht vorlägen, selbst wenn ihre Darlegung gelungen wäre (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).
Ernstliche Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen, sind zu bejahen, wenn auf Grund der Begründung des Zulassungsantrags und der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts gewichtige gegen die Richtigkeit der Entscheidung sprechende Gründe zutage treten, aus denen sich ergibt, dass ein Erfolg der erstrebten Berufung mindestens ebenso wahrscheinlich ist wie ein Misserfolg. Das ist der Fall, wenn ein tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (BVerfG, Beschl. v. 23. 6. 2000 - 1 BvR 830/00 -, DVBl. 2000, 1458 [1459]). Die Richtigkeitszweifel müssen sich allerdings auch auf das Ergebnis der Entscheidung beziehen; es muss also mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein, dass die Berufung zu einer Änderung der angefochtenen Entscheidung führen wird (Nds. OVG, Beschl. v. 27. 3. 1997 - 12 M 1731/97-, NVwZ 1997, 1225 [1228]; Beschl. v. 23. 8. 2007 - 5 LA 123/06 -; BVerwG, Beschl. v. 10. 3. 2004 - BVerwG 7 AV 4.03 -, DVBl. 2004, 838 [839]). Um ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils darzulegen, muss sich der Zulassungsantragsteller substanziell mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen (Happ, in: Eyermann, VwGO, Kommentar, 12. Aufl. 2006, § 124a Rn. 63). Welche Anforderungen an Umfang und Dichte seiner Darlegung zu stellen sind, hängt deshalb auch von der Intensität ab, mit der die Entscheidung des Verwaltungsgerichts begründet worden ist (vgl. Happ, a. a. O., § 124a Rn. 64, m. w. N.). Ist das angegriffene Urteil auf mehrere selbständig tragende Begründungen gestützt, müssen hinsichtlich aller dieser Begründungen Zulassungsgründe hinreichend dargelegt werden, es sei denn, dass diese Begründungen von verschiedener Rechtskraftwirkung sind (Bader, in: Bader u. a., VwGO, 4. Aufl. 2007, § 124a Rn. 81, m. w. N.). Im Falle eines auf mehrere selbständig tragende Begründungen von verschiedener Rechtskraftwirkung gestützten Urteils ist die Berufung nämlich schon dann zuzulassen, wenn nur hinsichtlich einer in ihrer Rechtskraftwirkung weiter reichenden Begründung ein Zulassungsgrund besteht (Nds. OVG, Beschl. v. 20. 9. 2007 - 5 LA 105/06 -; BVerwG, Beschl. v. 11. 4. 2003 - BVerwG 7 B 141/02 -, NJW 2003, 2255 f. [2256] zum Revisionszulassungsrecht). Dies gilt auch, falls ein Bescheidungsurteil angefochten wird, bei dem sich der Umfang der (potentiellen) materiellen Rechtskraft und damit der Bindungswirkung der Entscheidung - notwendigerweise - nur aus den Entscheidungsgründen ergibt, die die nach dem Urteilstenor zu beachtende Rechtsauffassung des Gerichts im Einzelnen darlegen (BVerwG, Urt. v. 27. 1. 1995 - BVerwG 8 C 8.93 -, NJW 1996, 737 f. [738]; und speziell in Bezug auf die [entsprechende] Anwendung in Beurteilungsstreitigkeiten: Nds. OVG, Beschl. v. 6. 6. 2008 - 5 LA 270/05 -, veröffentlicht in der Rechtsprechungsdatenbank der nds. Verwaltungsgerichtsbarkeit; Bay. VGH, Beschl. v. 30. 5. 2006 - 15 ZB 05.1303 -, [...], Langtext Rn. 4). Werden mit dem Zulassungsantrag neue Tatsachen vorgetragen, genügt es nicht, diese lediglich zu behaupten. Vielmehr muss der Zulassungsantragsteller seinen neuen Tatsachenvortrag substantiieren und glaubhaft machen, um so dem Berufungsgericht die summarische Beurteilung der Erfolgsaussicht des noch zuzulassenden Rechtsmittels anhand des oben genannten Wahrscheinlichkeitsmaßstabs zu ermöglichen. Je nach Fallkonstellation kann er z. B. gehalten sein, Schriftverkehr vorzulegen oder auch eine eidesstattliche Versicherung abzugeben (Nds. OVG , Beschl. v. 12. 2. 2008 - 5 LA 326/04 -, veröffentlicht in der Rechtsprechungsdatenbank der nds. Verwaltungsgerichtsbarkeit; Seibert, in: Sodan/Ziekow [Hrsg.], VwGO, 2. Aufl. 2006, Rn. 91 zu § 124). Allein die bloße Möglichkeit, dass sich - nach weiterer Sachverhaltsaufklärung oder gar Beweiserhebung - eine (entscheidungserheblich) veränderte Sachlage ergeben kann, ist für die Zulassung nicht hinreichend (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 9. 2.1998 - 12 M 5642/98 -, Nds. VBl. 1998, 162 [166]).
Gemessen an diesem Maßstab hat die Beklagte ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils nicht hinreichend dargelegt.
Soweit sie vorbringt, falsch sei die "Darstellung" des Verwaltungsgerichts, "dass die Herabsetzung um eine Wertungsstufe nicht nach außen erkennbar gewesen sein soll", fehlt es bereits an der gebotenen Auseinandersetzung mit der angefochtenen Entscheidung. Denn das Verwaltungsgericht vermisst ausweislich seiner Ausführungen im siebten Satz des zweiten Absatzes auf der Seite 7 des erstinstanzlichen Urteilsabdrucks (UA) nicht die äußerliche Erkennbarkeit der Herabsetzung des Gesamturteils, sondern die äußerliche Erkennbarkeit der Entwicklung des herabgesetzten Gesamturteils aus der Bewertung und Gewichtung der einzelnen Leistungs- und Befähigungsmerkmale.
Eine unzureichende Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Urteil lässt auch die Rüge erkennen, das Verwaltungsgericht meine, dass "der Zweitbeurteiler sofort im Original" des Beurteilungsvordrucks "alle Einzelbewertungen des Erstbeurteilers einzeln habe kritisieren müssen und seine Abweichungen auch einzeln darzulegen habe". Die einschlägige Beurteilungsrichtlinie für den Polizeivollzugsdienst - BRLPol-1999 - (Nds. MBl. 2000, 127) schreibe nicht vor, dass jede Änderung der Einzelbewertungen im Originalvordruck zu erfolgen habe. Eine derartige Auslegung könne in Nr. 13.2.2 BRLPol-1999 nicht "hineininterpretiert" werden.
Zum einen gesteht nämlich das Verwaltungsgericht dem Zweitbeurteiler im neunten Satz des zweiten Absatzes auf der Seite 7 des erstinstanzlichen Urteilsabdrucks (UA) zu, dass er auch in einer dem Beurteilungsvordruck beigefügten Anlage zum Ausdruck bringen könne, welche Bewertungen der im Beurteilungsvordruck aufgeführten insgesamt 11 Leistungs- und Befähigungsmerkmale er statt derjenigen des Erstbeurteilers für zutreffend erachte. Zum anderen leitet die Vorinstanz das - allerdings von ihr zu Recht der Nr. 5.3.1 BRPol-1999 entnommene - Erfordernis, diese dann maßgeblichen Bewertungen bereits zum Bestandteil der bekannt zu gebenden Beurteilung zu machen (siehe auch Nrn. 13.1.1 und 13.2.7 BRLPol-1999), nicht allein aus der Beurteilungsrichtlinie (namentlich nicht aus einer Überinterpretation der Nr. 13.2.2 BRLPol-1999) her, sondern zudem aus einer Differenzierung zwischen den für eine Beurteilung nach der Beurteilungsrichtlinie besonders vorgesehenen Werturteilen einerseits und deren Erläuterung und Konkretisierung andererseits (vgl. insoweit Seite 8, letzter Absatz, UA). Auf diese Argumentation geht die Beklagte inhaltlich nicht genügend ein.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils sind auch insoweit nicht zureichend dargelegt, als die Beklagte pauschal geltend macht, das Verwaltungsgericht hätte auf der Grundlage des § 45 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 VwVfG [i. V. m. § 1 Abs. 1 NVwVfG] die von ihm festgestellten Mängel des Verfahrens als durch jenen Vermerk des Zweitbeurteilers (Bl. 28 GA) geheilt ansehen müssen, der erst in das Klageverfahren eingeführt worden ist und das Datum des 5. Januar 2004 trägt.
Da eine Beurteilung kein Verwaltungsakt ist, könnten die §§ 1 Abs. 1 NVwVfG, 45 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 VwVfG eine unmittelbare Anwendung ohnehin allein auf den Widerspruchsbescheid der Rechtsvorgängerin der Beklagten finden. Auch dies käme allerdings nur für den Fall in Betracht, dass diejenigen Gründe, die für den Erlass des Verwaltungsaktes tatsächlich maßgebend waren und die lediglich in dessen zunächst gegebener Begründung nicht oder nicht ausreichend wiedergegeben worden waren, nachträglich bekannt gegeben werden, nicht aber für ein "Nachschieben von Gründen" in dem Sinne, dass die von der Behörde tatsächlich angestellten Erwägungen im Nachhinein korrigiert und durch neue oder andere Erwägungen ergänzt oder ausgewechselt werden (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 14. 1. 2008 - 5 ME 317/07 -, NVwZ-RR 2008, 552 [553], m. w. N.). Es ist aber im Zulassungsverfahren nicht genügend dargelegt, geschweige denn - als dann wohl neues Vorbringen - glaubhaft gemacht worden, dass der Rechtsvorgängerin der Beklagten schon zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides vom 22. April 2004 der Vermerk vom 5. Januar 2004 bekannt gewesen wäre, obwohl er sich damals nicht bei den Verwaltungsvorgängen befand (vgl. Seite 1, letzter Absatz, des erstinstanzlichen Schriftsatzes der Beklagten vom 24. 8. 2004 - Bl. 26 GA), und dass darüber hinaus der Inhalt des Vermerks zu den Gründen gehört hätte, die die Behörde bereits ehedem bestimmten, den Widerspruch des Klägers zurückzuweisen.
Soweit die Beklagte sinngemäß vorträgt, § 45 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 VwVfG müsse schon auf den Inhalt der dem Widerspruchsbescheid vorausgegangenen Beurteilung des Klägers entsprechende Anwendung finden, setzt sie sich wiederum nicht genügend mit der Argumentation des Verwaltungsgerichts auseinander, das eine Unterscheidung zwischen den für eine Beurteilung nach der Beurteilungsrichtlinie besonders vorgesehenen Werturteilen einerseits und deren Erläuterung und Konkretisierung andererseits trifft. Stehen nämlich - wie das Verwaltungsgericht erkennbar annimmt - infolge ihrer potentiell eigenständigen Bedeutung die Bewertungen der einzelnen Leistungs- und Befähigungsmerkmale zu dem Gesamturteil einer dienstlichen Beurteilung nicht in einem Verhältnis, das demjenigen zwischen der Begründung eines Verwaltungsaktes und der durch diesen getroffenen regelnden Entscheidung (im Sinne des § 35 Satz 1 VwVfG) entspricht, so scheidet schon deshalb die entsprechende Anwendung des § 45 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 VwVfG aus. Als Gegenbild zu dem von der Beklagten angenommenen Verhältnis zwischen dem Gesamturteil einerseits und den Bewertungen der einzelnen Leistungs- und Befähigungsmerkmale andererseits mag sich etwa auf das Verhältnis zwischen dem Urteilsausspruch über eine Hauptklage einerseits und über eine daneben erhobene Zwischenfeststellungsklage (vgl. §§ 173 Satz 1 VwGO, 256 Abs. 2 ZPO) andererseits hinweisen lassen. Dass der eine Ausspruch mithilfe des anderen zu begründen ist, bedeutet auch dort nicht, dass Letzterer nur Begründung wäre.
Auf das Vorbringen der Beklagten im sechsten bis letzten Absatz auf der Seite 3 und im ersten bis sechsten Absatz auf der Seite 4 der Antragsschrift vom 13. März 2006 ist unter dem Blickwinkel des Zulassungsgrundes des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht weiter einzugehen. Die Beklagte hat dieses Vorbringen nämlich nicht mit der gebotenen Deutlichkeit (auch) dem Zulassungsgrund der "ernstlichen Zweifel" zugeordnet. Macht ein Zulassungsantragsteller mehrere Zulassungsgründe geltend, müssen alle Gründe jeweils selbständig dargelegt werden (Bader, in: Bader u. a., VwGO, 4. Aufl. 2007, § 124a Rn. 81). Es ist nicht die Aufgabe des Oberverwaltungsgerichts, sich aus einem "Darlegungs-Gemenge" dasjenige herauszusuchen, was sich möglicherweise (auch) einem weiteren der verschiedenen in Betracht kommenden Zulassungsgründe zuordnen ließe (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 18. 9. 2008 - 5 LA 290/08 - und Happ, in: Eyermann, VwGO, 12. Aufl. 2006, § 124a Rn. 58, m. w. N.). Darüber hinaus verweist die Beklagte im Rahmen der soeben bezeichneten Absätze ihrer Antragsschrift in unstatthafter Weise auf Unterlagen aus einem anderen Rechtsstreit und trägt unschlüssig vor, weil es einer erneuten Befassung mit der Gewichtung der Einzelmerkmale seitens des Zweitbeurteilers auch dann bedürfte, wenn es nur "nahe gelegen" hätte, aber nach dem Inhalt der Beurteilung nicht feststeht, dass der Zweitbeurteiler die von dem Erstbeurteiler stammende Gewichtung der Merkmale unverändert übernehmen wollte. Im Übrigen begegnet es keinen rechtlichen Bedenken, dass die Vorinstanz vor dem Hintergrund einer von ihr festgestellten Verwaltungspraxis der Beklagten (im Rahmen von Beurteilungen eine Gewichtung einzelner Leistungs- und Befähigungsmerkmale vorzunehmen) einen sachlich rechtfertigenden Grund für erforderlich gehalten hat, wenn von Gewichtungen im Einzelfall ausnahmsweise gänzlich abgesehen werden soll. Die Beklagte verkennt, dass sich aus einer ständigen Verwaltungspraxis auch über den Wortlaut der anzuwendenden Beurteilungsrichtlinie hinaus eine dahingehende Bindung zu ergeben vermag, dass von der bisherigen Übung nicht im Einzelfall willkürlich abgewichen werden darf. Sollte es nur in wenigen Fällen zu Beurteilungen ohne Gewichtung gekommen sein, wäre damit die von der Vorinstanz angenommene allgemeine Verwaltungspraxis nicht in Frage gestellt.
Soweit die Beklagte im dritten Absatz auf der Seite 5 ihrer Antragsschrift vom 13. März 2006 rügt, das Urteil begegne ernstlichen Richtigkeitszweifeln, weil das Verwaltungsgericht durch seine "Auslegung der Ziff. 5.3.2 Satz 2 der BRPol-1999 mit Gewichtungszwang hinsichtlich der Einzelmerkmal-Bewertungen" in den Beurteilungsspielraum der "Beurteilungsvorgesetzten" eingreife, lassen diese Ausführungen erneut eine hinreichende Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Urteil vermissen. Denn das Verwaltungsgericht stützt seine angegriffene Rechtsauffassung nicht auf eine Auslegung der Nr. 5.3.2 Satz 2 BRPol-1999, sondern auf eine Selbstbindung der Beklagten durch deren eigene Verwaltungspraxis. Im Übrigen geht die Vorinstanz erkennbar nicht von einem "Gewichtungszwang", sondern lediglich von einem "Rechtfertigungszwang" im Falle einer Nichtgewichtung aus. Da dieses Postulat nur ein willkürliches Vorgehen der beurteilenden Vorgesetzten ausschließen soll, ist ein Eingriff in deren Beurteilungsspielraum nicht zu erkennen; denn wer sachliche Gründe für ein von der Verwaltungspraxis abweichendes Vorgehen hat, wird in seiner Entscheidungsfreiheit nicht dadurch beeinträchtigt, dass er - in den betroffenen Einzelfällen - angehalten ist, diese Gründe namhaft zu machen.
Grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO hat eine Rechtssache, wenn sie eine grundsätzliche, fallübergreifende Rechts- oder Tatsachenfrage aufwirft, die im allgemeinen Interesse der Klärung bedarf. Das ist nur dann zu bejahen, wenn die Klärung der Frage durch die im erstrebten Berufungsverfahren zu erwartende Entscheidung zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder für eine bedeutsame Fortentwicklung des Rechts geboten erscheint (Nds. OVG, Beschl. v. 29. 2. 2008 - 5 LA 167/04 -, veröffentlicht in der Rechtsprechungsdatenbank der Nds. Verwaltungsgerichtsbarkeit). Daher ist die grundsätzliche Bedeutung einer zu ausgelaufenem Recht aufgeworfenen Rechtsfrage in der Regel zu verneinen; anderes gilt nur, wenn die Beantwortung der Frage für einen nicht überschaubaren Personenkreis auf nicht absehbare Zeit auch künftig noch Bedeutung hat (Bader, in: Bader u. a., VwGO, 4. Aufl. 2007, § 124 Rn. 44, m. w. N.). An der Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage fehlt es, wenn sie sich unschwer aus dem Gesetz oder auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung beantworten lässt (Hess. VGH, Beschl. v. 22. 10. 2002 - 8 UZ 179/01 -, NVwZ 2003, 1525 [1526], m. w. N.). Um die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO darzulegen, hat der Zulassungsantragsteller die für fallübergreifend gehaltene Frage zu formulieren (Nds. OVG, Beschl. v. 29. 2. 2008 - 5 LA 167/04 -, a. a. O; Happ, in: Eyermann, VwGO, 12. Aufl. 2006, § 124a Rn. 72) sowie näher zu begründen, weshalb sie eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung hat und ein allgemeines Interesse an ihrer Klärung besteht. Darzustellen ist weiter, dass sie entscheidungserheblich ist und ihre Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten steht (Nds. OVG, Beschl. v. 29. 2. 2008 - 5 LA 167/04 -, a. a. O., m. w. N.).
Unter Berücksichtigung dieser Anforderungen hat die Beklagte die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht ausreichend dargelegt. Die von ihr aufgeworfene Frage "ob ein Zweitbeurteiler seine abweichenden Einzelbewertungen auch noch in einem laufenden Prozess nachschieben darf", deren grundsätzliche Bedeutung die Beklagte "sogar über den Anwendungsbereich des § 30 PolNLV und der BRLPol-1999" als gegeben ansieht, ist, gerade wenn die Frage auch auf Fälle jenseits des Anwendungsbereichs des § 30 PolNLVO (a. F) und der BRLPol-1999 bezogen werden soll, in dieser Allgemeinheit nicht entscheidungserheblich. Soweit die Beklagte im vorletzten Absatz auf der Seite 4 ihrer Antragsschrift vom 13. März 2006 eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache behauptet, fehlt es bereits an einer klaren Ausformulierung der vermeintlichen Grundsatzfrage.
Der Zulassungsgrund einer Abweichung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO ist nur anzunehmen, wenn das Verwaltungsgericht ausdrücklich oder doch hinreichend erkennbar einen fallübergreifenden Rechts- oder Tatsachensatz gebildet hat, der objektiv von der Rechtsprechung eines Divergenzgerichts abweicht. Weicht das Verwaltungsgericht nicht bewusst und ausdrücklich von einer divergenzfähigen Entscheidung ab, so ist eine Divergenz nur dann zu bejahen, wenn die Entscheidungsgründe ohne weitere Sachaufklärung unmittelbar und hinreichend deutlich einen abweichenden Rechts- oder Tatsachensatz erkennen lassen. Ein nicht ausdrücklich formulierter divergenzfähiger Rechtssatz des Verwaltungsgerichts muss sich daher als abstrakte Grundlage der Entscheidung eindeutig und frei von vernünftigen Zweifeln aus der Entscheidung selbst ergeben (BVerwG, Beschl. v. 7. 3. 1975 - BVerwG VI CB 47.74 -, Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 130; Nds.OVG, Beschl. v. 11. 1. 2006 - 5 LA 17/04 -). Eine Divergenz liegt nicht vor, wenn das Verwaltungsgericht gegen den Rechts- oder Tatsachensatz eines Divergenzgerichts nur dadurch verstoßen hat, dass es ihn im Einzelfall unzutreffend anwandte (vgl. BVerwG, Beschl. v. 10. 7. 1995 - BVerwG 9 B 18.95 -, NVwZ-RR 1997, 191; Nds. OVG, Beschl. v. 27. 1. 2006 - 5 LA 196/03 -). Dementsprechend erfordert die Darlegung einer Divergenz vor allem, dass in dem Zulassungsantrag die beiden einander widerstreitenden abstrakten Rechts- oder Tatsachensätze des Divergenzgerichts einerseits und des Verwaltungsgerichts andererseits zitiert oder - sofern sie im Urteil nicht bereits ausdrücklich genannt sind - herausgearbeitet und bezeichnet werden (Meyer-Ladewig/Rudisile, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand: Sep. 2007, § 124a Rn. 107; vgl. auch Marx, AsylVfG, 6. Aufl. 2005, RdNrn. § 78 Rnrn.181 ff.). Letzteres macht es grundsätzlich notwendig, dass sie der Zulassungsantragsteller selbst abstrakt ausformuliert (Nds. OVG, Beschl. v. 27. 1. 2006 - 5 LA 196/03 - und Beschl. v. 24. 6. 2008 - 5 LA 32/05 -, dieser veröffentlicht in der Rechtsprechungsdatenbank der nds. Verwaltungsgerichtsbarkeit). Es ist nämlich nicht Aufgabe des Berufungsgerichts, im Zulassungsverfahren einen unbestimmt gefassten Vortrag des Rechtsbehelfsführers weitergehend daraufhin zu überprüfen, ob sich aus ihm etwa bestimmte, üblicherweise in Widerspruch zu einer divergenzgerichtlichen Entscheidung stehende abstrakte Rechts- oder Tatsachensätze ergeben könnten (Hess. VGH, Beschl. v. 14. 1. 1998 - 13 UZ 4132/97.A -, NVwZ 1998, 303 [OVG Rheinland-Pfalz 15.09.1997 - 6 A 12008/97] [304]).
Soweit die Beklagte sich auf den Zulassungsgrund der Divergenz beruft (vgl. den zweiten und dritten Absatz auf der Seite 3, sowie den letzten Absatz auf der Seite 4, den ersten und zweiten Absatz auf der Seite 5 der Antragsschrift vom 13. März 2006) fehlt es schon an dem Zitat oder der eigenen Ausformulierung des vermeintlich abweichenden abstrakten Rechtssatzes des Verwaltungsgerichts.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).