Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 13.02.2013, Az.: 5 LA 60/12

Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz durch geringere Hinterbliebenenversorgung bei Entpflichtung eines Hochschullehrers im Vergleich mit einem nach Erreichen der Altersgrenze in den Ruhestand getretenen Hochschullehrer

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
13.02.2013
Aktenzeichen
5 LA 60/12
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2013, 32209
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2013:0213.5LA60.12.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Hannover - 02.02.2012 - AZ: 2 A 1637/10

Amtlicher Leitsatz

Es verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, dass die Versorgung der Hinterbliebenen eines entpflichteten Hochschullehrers grundsätzlich niedriger ausfällt als die Versorgung der Hinterbliebenen eines Hochschullehrers, der nach dem Erreichen der Altersgrenze nach den allgemeinen Vorschriften in den Ruhestand getreten ist.

Gründe

1

I.

Die Klägerinnen begehren eine höhere Hinterbliebenenversorgung.

2

Bei den Klägerinnen handelt es sich um die Ehefrau sowie die Tochter eines im Jahr ..... verstorbenen entpflichteten Universitätsprofessors. Die Beklagte berechnete ihre Hinterbliebenenversorgung auf der Grundlage eines Ruhegehaltssatzes von 75 Prozent der Emeritenbezüge zuzüglich einer Kolleggeldpauschale nach dem vor dem 1. Januar 1977 geltenden Landesrecht. Diese Berechnung greifen die Klägerinnen mit ihrer vor dem Verwaltungsgericht erfolglos gebliebenen Klage an.

3

II.

Der Zulassungsantrag bleibt ohne Erfolg.

4

Die Berufung ist nicht wegen besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zuzulassen.

5

Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten weist eine Rechtssache dann auf, wenn sie voraussichtlich in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht größere, das heißt überdurchschnittliche, das normale Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten verursacht. Die besonderen Schwierigkeiten müssen sich auf Fragen beziehen, die für den konkreten Fall und das konkrete Verfahren entscheidungserheblich sind, nicht ohne weiteres aus dem Gesetz zu lösen sind und durch die Rechtsprechung noch nicht geklärt worden sind (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 18. Aufl. 2012, § 124 Rn. 9).

6

Gemessen daran weist die Rechtssache keine besonderen Schwierigkeiten auf. Die Auffassung der Klägerinnen, die Bestimmungen über die Versorgung der Hinterbliebenen eines entpflichteten Hochschullehrers seien mit Art. 3 Abs. 1 GG nicht vereinbar, überzeugt nicht.

7

Die Versorgung der Klägerinnen richtet sich seit dem 1. Dezember 2011 nach § 88 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 96 Abs. 2 Nr. 3 NBeamtVG, die - ohne inhaltliche Änderung - an die Stelle des § 91 Abs. 2 Nr. 3 BeamtVG getreten sind. Für die Versorgung der Hinterbliebenen eines entpflichteten Hochschullehrers gilt danach das Niedersächsische Beamtenversorgungsgesetz mit der Maßgabe, dass sich die Bemessung des den Hinterbliebenenbezügen zugrunde zu legenden Ruhegehalts nach dem vor dem 1. Januar 1977 geltenden Landesrecht bestimmt. Gemäß § 207 Satz 1 und 3 NBG (in der Fassung vom 18.3.1974, Nds. GVBl. S. 148, im Folgenden: a. F.) ist das Ruhegehalt aus den zuletzt bezogenen Emeritenbezügen und der ruhegehaltfähigen Dienstzeit bis zum Zeitpunkt der Entpflichtung zu berechnen. Den Emeritenbezügen ist der Mindestbetrag der Kolleggeldpauschale oder die Lehrzulage hinzuzurechnen.

8

Die Emeritenbezüge, bei denen es sich nicht um ein Ruhegehalt, sondern um Dienstbezüge handelt (vgl. § 2 NBeamtVG), bestimmen sich nach der auslaufenden Besoldungsordnung H. Sie liegen auch unter Hinzurechnung der Kolleggeldpauschale in der Regel deutlich niedriger als die Bezüge nach der vergleichbaren Besoldungsgruppe der ebenfalls auslaufenden Besoldungsordnung C. Das führt im Ergebnis dazu, dass die Versorgung der Hinterbliebenen eines entpflichteten Hochschullehrers grundsätzlich niedriger ausfällt als diejenige der Hinterbliebenen eines Professors, der mit dem Erreichen der Altersgrenze in den Ruhestand getreten ist (vgl. Dorff, in: Flämig, Handbuch des Wissenschaftsrechts, 1982, Bd. 1, S. 493). So liegt es auch bei den Klägerinnen. Im Fall der Klägerin zu 1) würde ihre Versorgung nach den Berechnungen der Beklagten vom 13. April 2010 um 268,47 EUR höher ausfallen, wenn ihr verstorbener Ehemann nicht entpflichtet, sondern pensioniert worden wäre.

9

Entgegen der Auffassung der Klägerinnen liegt darin allerdings keine gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstoßende Ungleichbehandlung.

10

Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Es ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen, die von gelockerten auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können. Differenzierungen bedürfen stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind (vgl. zusammenfassend BVerfG, Beschluss vom 21.6.2011 - 1 BvR 2035/07 -, BVerfGE 129, 49 <67 f.>).

11

Bei dem Erlass besoldungsrechtlicher Vorschriften hat der Gesetzgeber einen weiten Spielraum politischen Ermessens, innerhalb dessen er das Besoldungsrecht den tatsächlichen Notwendigkeiten und der fortschreitenden Entwicklung anpassen und verschiedenartige Gesichtspunkte berücksichtigen darf. Dem Bundesverfassungsgericht ist die Überprüfung verwehrt, ob der Gesetzgeber die gerechteste, zweckmäßigste und vernünftigste Lösung gewählt hat. Es kann, sofern nicht von der Verfassung selbst getroffene Wertungen entgegenstehen, nur die Überschreitung äußerster Grenzen beanstanden, jenseits derer sich gesetzliche Vorschriften bei der Abgrenzung von Lebenssachverhalten als evident sachwidrig erweisen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 4.4.2001 - 2 BvL 7/98 -, BVerfGE 103, 310 <319 f.>; Beschluss vom 12.2.2003 - 2 BvL 3/00 -, BVerfGE 110, 218 <244 f.>).

12

Legt man diesen Maßstab zugrunde, verstößt die geringere Versorgung der Hinterbliebenen eines entpflichteten Hochschullehrers offensichtlich nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.

13

Da der Ehemann bzw. Vater der Klägerinnen am 30. September 1978 bereits als Professor tätig war, stand ihm gemäß § 153 Abs. 1 Satz 1 NHG (in der Fassung des Gesetzes vom 1.12.1978, Nds. GVBl. S. 801, im Folgenden: a. F.) i. V. m. Art. II Abs. 9 des Dritten Gesetz zur Änderung des Niedersächsischen Hochschulgesetzes (vom 10.4.1989, Nds. GVBl S. 85) das Recht zu, zwischen der Entpflichtung gemäß § 205 Abs. 1 Satz 1 NBG a. F. und dem Eintritt in den Ruhestand nach den allgemeinen Vorschriften zu wählen (vgl. zu diesem Wahlrecht Nds. OVG, Urteil vom 24.9.2002 - 5 LC 70/02 -, [...] Rn. 24 ff.). Sowohl die Entpflichtung als auch der Eintritt in den Ruhestand waren jeweils mit Vor- und Nachteilen verbunden. Die Entpflichtung führte dazu, dass der dann emeritierte Hochschullehrer zwar von seinen amtlichen Verpflichtungen entbunden war, seine allgemeine beamtenrechtliche Stellung - im Unterschied zu einem in den Ruhestand getretenen Hochschullehrer - aber behielt (§ 206 Abs. 1 Satz 1 NBG a. F.). Zugleich erhielt der emeritierte Hochschullehrer Emeritenbezüge, die der bis dahin - bei fiktiver Betrachtung - erreichten Besoldung nach der Besoldungsgruppe H entsprachen und die in aller Regel höher ausfielen als ein nach den allgemeinen Regeln berechnetes Ruhegehalt. Dem stand eine im Vergleich zumeist geringere Hinterbliebenenversorgung gemäß § 207 NBG a. F. gegenüber. Der verstorbene Ehemann bzw. Vater der Klägerinnen hat sich angesichts dieser Rechtslage bewusst entschieden, von der Möglichkeit der Entpflichtung mit den damit verbundenen Vor- und Nachteilen Gebrauch zu machen. Diese Entscheidung rechtfertigt die unterschiedlichen Folgen auch mit Wirkung für die Hinterbliebenen, deren Rechte sich aus der Rechtsstellung des Verstorbenen ableiten (ebenso zutreffend VG Berlin, Urteil vom 5.3.2004 - 5 A 67.00 -, [...] Rn. 14 f.). Das gilt auch dann, wenn ihm die Folgen seiner Entscheidung im Einzelnen - etwa im Hinblick auf die Höhe der Hinterbliebenenversorgung - nicht bekannt gewesen sein sollten. Denn es wäre ihm ohne unzumutbaren Aufwand möglich gewesen, sich entsprechend zu informieren.

14

Soweit die Klägerinnen demgegenüber einwenden, die Schlechterstellung der Hinterbliebenen eines entpflichteten Hochschullehrers sei vom Gesetzgeber ausweislich der Überschrift "Besitzstandswahrung" des § 153 NHG a. F. nicht beabsichtigt gewesen, überzeugt das nicht. § 153 NHG a. F. führt in Verbindung mit den oben genannten Vorschriften des Niedersächsischen Beamtengesetzes dazu, dass die Rechtsfolgen der nach Wahl erfolgenden Entpflichtung genau diejenigen sind, die mit der Entpflichtung stets verbunden waren. Der Besitzstand wird mithin gewahrt. Nicht beabsichtigt war von Seiten des Gesetzgebers indes eine Kombination der Vorzüge der Entpflichtung und des Eintritts in den Ruhestand, wie sie die Klägerinnen offenbar anstreben. Für eine derartige Meistbegünstigung bestand im Rahmen der Übergangsregelung weder in rechtlicher noch in politischer Hinsicht ein Anlass.

15

Die Berufung ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen.

16

Grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO hat eine Rechtssache dann, wenn sie eine grundsätzliche, fallübergreifende Rechts- oder Tatsachenfrage aufwirft, die im allgemeinen Interesse der Klärung bedarf. Das ist nur dann zu bejahen, wenn die Klärung der Frage durch die im erstrebten Berufungsverfahren zu erwartende Entscheidung zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder für eine bedeutsame Fortentwicklung des Rechts geboten erscheint (Nds. OVG, Beschluss vom 1.10.2008 - 5 LA 64/06 -, [...] Rn. 14). Daran fehlt es bei der von den Klägerinnen aufgeworfenen Frage nach der Verfassungsmäßigkeit der Hinterbliebenenversorgung eines emeritierten Hochschullehrers. Diese Frage ist nach den obigen Ausführungen auch ohne die Durchführung eines Berufungsverfahrens dahingehend zu beantworten, dass verfassungsrechtliche Bedenken nicht bestehen.

17

Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO).