Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 13.02.2020, Az.: 13 LA 491/18
Antrag auf Zulassung der Berufung; besondere Schwierigkeiten, verneint; Divergenz, verneint; Einbürgerung; Einbürgerungszusicherung; ernstliche Zweifel, verneint; Lebensunterhaltssicherung; Sachverhalts- und Beweiswürdigung; sozialrechtliche Obliegenheitsverletzung; Vertretenmüssen; Zurechnungszusammenhang
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 13.02.2020
- Aktenzeichen
- 13 LA 491/18
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2020, 71622
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 02.10.2018 - AZ: 10 A 10405/17
Rechtsgrundlagen
- § 10 SGB 2
- § 8 SGB 2
- § 47 SGB 5
- § 43 Abs 2 SGB 6
- § 10 RuStAG
- § 10 Abs 1 S 1 Nr 3 RuStAG
- § 124 Abs 2 Nr 1 VwGO
- § 124a Abs 4 S 4 VwGO
- § 124 Abs 2 Nr 2 VwGO
- § 124 Abs 2 Nr 4 VwGO
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Die Grundsätze für ein Vertretenmüssen der Inanspruchnahme von Leistungen nach dem SGB XII im Sinne des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Alt. 2 StAG gelten in gleicher Weise für das Vertretenmüssen der Inanspruchnahme von Leistungen nach dem SGB II.
Tenor:
I. Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover - Einzelrichter der 10. Kammer - vom 2. Oktober 2018 wird abgelehnt.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens.
Der Streitwert des Berufungszulassungsverfahrens wird auf 10.000 EUR festgesetzt.
II. Der Klägerin wird für das Berufungszulassungsverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwältin C. aus A-Stadt beigeordnet.
Außergerichtliche Kosten des Prozesskostenhilfeverfahrens werden nicht erstattet.
Gründe
I. Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover - Einzelrichter der 10. Kammer - vom 2. Oktober 2018, mit dem sie unter Aufhebung ihres Bescheides vom 27. September 2017 verpflichtet worden ist, der Klägerin eine Einbürgerungszusicherung zu erteilen, bleibt ohne Erfolg.
Die von der Beklagten geltend gemachten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (1.), der besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO (2.) und der Divergenz nach § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO (3.) sind zum Teil schon nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Weise dargelegt und liegen im Übrigen nicht vor.
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung im Sinne
des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind zu bejahen, wenn der Rechtsmittelführer einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 8.12.2009
- 2 BvR 758/07 -, BVerfGE 125, 104, 140 [BVerfG 08.12.2009 - 2 BvR 758/07] - juris Rn. 96). Die Richtigkeitszweifel müssen sich dabei auch auf das Ergebnis der Entscheidung beziehen; es muss also mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein, dass die Berufung zu einer Änderung der angefochtenen Entscheidung führen wird (vgl. BVerwG, Beschl. v. 10.3.2004
- BVerwG 7 AV 4.03 -, NVwZ-RR 2004, 542, 543 - juris Rn. 9). Eine den Anforderungen
des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügende Darlegung dieses Zulassungsgrundes erfordert, dass im Einzelnen unter konkreter Auseinandersetzung mit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung ausgeführt wird, dass und warum Zweifel an der Richtigkeit der Auffassung des erkennenden Verwaltungsgerichts bestehen sollen. Hierzu bedarf es regelmäßig qualifizierter, ins Einzelne gehender, fallbezogener und aus sich heraus verständlicher Ausführungen, die sich mit der angefochtenen Entscheidung auf der Grundlage einer eigenständigen Sichtung und Durchdringung des Prozessstoffes auseinandersetzen (vgl. Senatsbeschl. v. 31.8.2017 - 13 LA 188/15 -, juris Rn. 8; Stuhlfauth, in: Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth u.a., VwGO, 7. Aufl. 2018, § 124a Rn. 80 jeweils m.w.N.).
Die Beklagte wendet gegen die Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung ein, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht festgestellt, dass die Klägerin die Einbürgerungsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG erfülle, da sie die Inanspruchnahme von Leistungen nach dem SGB II nicht zu vertreten habe.
Die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass die Klägerin aufgrund ihrer längerfristigen Arbeitsunfähigkeit gegenwärtig vollständig von ihrer Erwerbsobliegenheit befreit sei, treffe nicht zu. Sie - die Beklagte - habe eine solche Befreiung von der Erwerbsobliegenheit entgegen der Darstellung in der erstinstanzlichen Entscheidung stets verneint. Die von der Klägerin vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ließen nur den Schluss zu, dass diese krankheitsbedingt vorübergehend ihrer Tätigkeit bei der D. GmbH nicht nachgehen könne. Eine vollständige Befreiung von der Erwerbsobliegenheit sei mit den Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen und auch mit den ärztlichen Attesten der Gemeinschaftspraxis für Orthopädie und Unfallchirurgie vom 13. April 2017, vom 16. Februar 2018 und vom 20. August 2018 aber nicht nachgewiesen. Im Übrigen seien die neben der Arbeitsunfähigkeit fortbestehenden Ursachen des (ergänzenden) Bezugs von Sozialleistungen von der Klägerin zu vertreten.
Auch die Annahme des Verwaltungsgerichts, sowohl die Fähigkeit zur Sicherung des Lebensunterhalts als auch das Vertretenmüssen einer etwa mangelnden Sicherung des Lebensunterhalts seien nur bezogen auf die Sach- und Rechtslage im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung zu prüfen und einer Prognose zukünftiger Entwicklungen bedürfe es nicht, gehe fehl. Nach der bundes- und obergerichtlichen Rechtsprechung sei das Erfordernis einer eigenständigen Sicherung des Lebensunterhalts nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG zukunftsgerichtet zu beurteilen. Der Lebensunterhalt müsse nicht nur aktuell gesichert sein. Wenn dies zu bejahen sei, bedürfe es vielmehr zusätzlich einer positiven Prognose, dass der Lebensunterhalt auch zukünftig nachhaltig gesichert sei. Gleiches müsse für die Beantwortung der Frage des Vertretenmüssens einer mangelnden Sicherung des Lebensunterhalts gelten. Auch hier dürften nicht nur aktuelle Ursachen eines Sozialleistungsbezugs herangezogen werden. Vielmehr müssten auch zurückliegende und weiter fortwirkende Ursachen, die gegebenenfalls vorübergehend hinter aktuelle Ursachen zurückträten, berücksichtigt werden. Auch die bundes- und obergerichtliche Rechtsprechung berücksichtige Fernwirkungen eines in der Vergangenheit höchstens acht Jahre zurückliegenden Verhaltens, wenn dieses eine sozialrechtliche Pflichtverletzung darstelle und ein Zurechnungszusammenhang mit dem aktuellen Leistungsbezug fortbestehe. Die danach durchaus erforderliche Prognose dürfe entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts auch wertend sein und in den Blick nehmen, ob Ursachen für den Sozialleistungsbezug nur vorübergehend oder dauerhaft vom Einbürgerungsbewerber beseitigt worden seien. Dabei sei nicht ausgeschlossen, auch dann einen fortbestehenden Zurechnungszusammenhang zwischen zurückliegenden mangelnden Erwerbsbemühungen und einem Sozialleistungsbezug anzunehmen, wenn zwischenzeitlich die Erwerbsobliegenheit krankheitsbedingt entfallen sei. Das Erfordernis einer prognostischen Bewertung bestehe gerade auch bei der hier streitgegenständlichen Einbürgerungszusicherung, da die Dauer des Einbürgerungsverfahrens und damit auch der Zeitpunkt einer Einbürgerung nicht absehbar seien. Es sei eine Gesamtbetrachtung aller Umstände unter Einbeziehung der Erwerbsbiographie geboten.
Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts seien die in der bundesgerichtlichen Rechtsprechung für Fälle des Leistungsbezugs nach dem SGB XII entwickelten Grundsätze für ein Vertretenmüssen auch auf Fälle des Leistungsbezugs nach dem SGB II anzuwenden. Die bundes- und obergerichtliche Rechtsprechung differenziere zwischen diesen Fällen ebensowenig wie das erstinstanzlich entscheidende Verwaltungsgericht in anderen Einzelrichterentscheidungen. Eine solche Differenzierung sei auch nicht gerechtfertigt. Die Leistungen nach dem SGB II und SGB XII könnten ineinander übergehen, und die Berücksichtigung unterschiedlicher Betrachtungszeiträume wäre nicht plausibel.
Diese Einwände begründen die Zulassung der Berufung gebietende ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung nicht. Das Verwaltungsgericht hat im Ergebnis zutreffend festgestellt, dass die Klägerin die Einbürgerungsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG erfüllt (vgl. zum Maßstab der Ergebnisrichtigkeit: BVerwG, Beschl. v. 1.2.1990 - BVerwG 7 B 19.90 -, Buchholz 310 § 153 VwGO Nr. 22 - juris Rn. 5; Senatsbeschl. v. 5.9.2017 - 13 LA 129/17 -, juris Rn. 18 m.w.N.).
Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG setzt die Einbürgerung eines Ausländers voraus, dass er den Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ohne Inanspruchnahme von Leistungen nach dem SGB II oder dem SGB XII bestreiten kann (Alternative 1, im Folgenden: a.) oder deren Inanspruchnahme nicht zu vertreten hat (Alternative 2, im Folgenden: b.).
a. Die Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Alt. 1 StAG ist erfüllt, wenn dem Einbürgerungsbewerber aktuell und in einem überschaubaren Zeitraum in der Zukunft Mittel in einer Höhe zur Verfügung stehen, um den Mindestbedarf an Lebensunterhalt nach dem Maßstab des SGB II oder des SGB XII für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ohne Inanspruchnahme von Leistungen nach dem SGB II oder dem SGB XII zu decken (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.2.2009 - BVerwG 5 C 22.08 -, BVerwGE 133, 153, 163 - juris Rn. 27; Senatsurt. v. 23.6.2016 - 13 LB 144/15 -, juris Rn. 31).
Diese Voraussetzung erfüllt die Klägerin nicht. Weder war sie im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts noch ist sie jetzt in der Lage, ihren Lebensunterhalt vollständig ohne die Inanspruchnahme von Leistungen nach dem SGB II oder dem SGB XII zu decken. Fehlt es danach schon aktuell an einer Sicherung des Lebensunterhalts ohne Inanspruchnahme von Leistungen nach dem SGB II oder dem SGB XII, ist die zusätzliche Prognose (vgl. zu dieser im Einzelnen: Berlit, in: GK-StAR, StAG, § 10 Rn. 240 ff. (Stand: November 2015)), ob sie ihren Lebensunterhaltsbedarf auch in absehbarer Zukunft eigenständig decken können wird, ohne zumindest auf ergänzende Leistungen nach dem SGB II oder dem SGB XII angewiesen zu sein, oder ob eine gegenwärtige Lebensunterhaltssicherung voraussichtlich unbeständig sein wird, entbehrlich (vgl. Senatsurt. v. 23.6.2016, a.a.O., Rn. 31; v. 13.11.2013 - 13 LB 99/12 -, juris Rn. 33).
b. Die Inanspruchnahme von Leistungen nach dem SGB II oder dem SGB XII steht der Einbürgerung gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Alt. 2 StAG ausnahmsweise dann nicht entgegen, wenn der Einbürgerungsbewerber dies nicht zu vertreten hat.
Der Begriff des Vertretenmüssens in diesem Sinne ist wertneutral auszulegen und setzt kein pflichtwidriges, schuldhaftes Verhalten voraus. Er beschränkt sich mithin nicht auf vorsätzliches oder fahrlässiges Handeln im Sinne des § 276 Abs. 1 Satz 1 BGB. Erforderlich, aber auch ausreichend ist vielmehr, dass der Ausländer durch ein ihm zurechenbares Handeln oder Unterlassen adäquat-kausal die Ursache für den - fortdauernden - Leistungsbezug gesetzt hat (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.2.2009, a.a.O., S. 160 f. - juris, Rn. 23; Senatsurt. v. 23.6.2016, a.a.O., Rn. 33; Berlit, in: GK-StAR, a.a.O., § 10 Rn. 251 (Stand: November 2015); Hailbronner/Hecker, in: Hailbronner/Maaßen/Hecker/Kau, Staatsangehörigkeitsrecht, 6. Aufl. 2017, StAG, § 10 Rn. 39). Der von dem Begriff vorausgesetzte objektive Zurechnungszusammenhang zwischen zu verantwortendem Verhalten und Leistungsbezug ist aber in zweifacher Hinsicht begrenzt. Zum einen erfordert dieser Zusammenhang in quantitativer Hinsicht stets, dass das Verhalten des Verantwortlichen für die Verursachung oder Herbeiführung der Inanspruchnahme einbürgerungsschädlicher Sozialleistungen zumindest nicht nachrangig, sondern hierfür, wenn schon nicht allein ausschlaggebend, so doch maßgeblich bzw. prägend ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.2.2009, a.a.O., S. 161 - juris Rn. 23; Senatsurt. v. 23.6.2016, a.a.O., Rn. 33 f.). Zum anderen kommt diesem Begriff ein qualitativ-zeitliches Moment zu. Ausgehend von dem Anliegen des Gesetzgebers, Personen mit achtjährigem rechtmäßigem Inlandsaufenthalt grundsätzlich einen Anspruch auf Zugang zur deutschen Staatsangehörigkeit einzuräumen, hat der Einbürgerungsbewerber für ein ihm zurechenbares und für einen aktuellen schädlichen Sozialleistungsbezug mitursächliches Verhalten in der Vergangenheit (dessen Wirkungen unabänderlich geworden sind) nach Ablauf einer Frist von acht Jahren nicht mehr einzustehen (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.2.2009, a.a.O., S. 163 f. - juris Rn. 28; Senatsurt. v. 23.6.2016, a.a.O., Rn. 33).
Als wesentlich prägend ist es bei einem arbeitslosen Ausländer anzusehen, wenn er sich nicht oder nicht hinreichend um die Aufnahme einer Beschäftigung bemüht oder wenn er durch ihm zurechenbares Verhalten zu erkennen gibt, dass er nicht bereit ist, eine ihm zumutbare Beschäftigung unter den Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes - gegebenenfalls auch abweichend von seiner bisherigen Qualifikation und auch zu ungünstigeren Lohn- oder Arbeitsbedingungen - anzunehmen. Nicht zu vertreten mangels hinreichender tatsächlicher Prägung seines Verhaltens hat der Einbürgerungsbewerber einen Leistungsbezug wegen Verlusts des Arbeitsplatzes aufgrund gesundheitlicher, betriebsbedingter oder konjunktureller - nicht: verhaltensbezogener - Ursachen oder wenn er trotz hinreichend intensiver Stellensuche aus konjunkturellen Gründen oder wegen objektiv vermittlungshemmender Umstände - deren Eintritt er selbst nicht zurechenbar verursacht hat - keine Beschäftigung findet. Personen, die nach Alter, Gesundheitszustand oder sozialer Situation sozialrechtlich (§ 10 SGB II, § 11 SGB XII) nicht erwerbsverpflichtet sind, haben den Leistungsbezug normativ regelmäßig nicht zu vertreten (vgl. Senatsurt. v. 23.6.2016, a.a.O., Rn. 34).
Diese zunächst für das Vertretenmüssen der Inanspruchnahme von Leistungen nach dem SGB XII entwickelten Grundsätze gelten in gleicher Weise für das Vertretenmüssen der Inanspruchnahme von Leistungen nach dem SGB II (vgl. Senatsbeschl. v. 27.6.2017 - 13 PA 252/16 -, juris Rn. 10 ff.; Senatsurt. v. 23.6.2016, a.a.O., Rn. 33 ff.; v. 13.11.2013, a.a.O., Rn. 46 ff.; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 15.2.2018 - 19 E 129/17 -, juris Rn. 3 ff.; v. 21.7.2017 - 19 A 2368/15 -, juris Rn. 5 ff.; v. 8.3.2016 - 19 A 1670/13 -, juris Rn. 32 ff., insbesondere Rn. 43 f.; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 22.1.2014 - 1 S 923/13 -, juris Rn. 27 ff.; Beschl. v. 12.11.2014 - 1 S 184/14 -, juris Rn. 34 ff.). Ein Einbürgerungsbewerber hat mithin einen Bezug von Sozialleistungen nach dem SGB II insbesondere dann zu vertreten, wenn er in den vergangenen acht Jahren eine sozialrechtliche Obliegenheitspflicht dem Grunde nach verletzt hat und der Zurechnungszusammenhang dieser Pflichtverletzung mit dem aktuellen Leistungsbezug fortbesteht (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 28.2.2017 - 19 A 416/14 -, juris Rn. 34 (mangelnde allgemeine Eigenverantwortung, § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB II); OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 8.3.2016, a.a.O., Rn. 43 ff.; Senatsurt. v. 13.11.2013, a.a.O., juris Rn. 48 (mangelndes Bemühen um hinreichende Aus- und Fortbildung, § 2 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 SGB II); OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 15.2.2018, a.a.O., Rn. 5 ff.; Senatsurt. v. 23.6.2016, a.a.O., Rn. 34; VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 12.11.2014 - 1 S 184/14 -, juris Rn. 34; Senatsurt. v. 13.11.2013, a.a.O., Rn. 35 (mangelndes Bemühen um die Aufnahme einer Beschäftigung oder mangelnde Bereitschaft, eine zumutbare Beschäftigung unter den Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes - ggf. auch abweichend von der bisherigen Qualifikation und auch zu ungünstigeren Lohn- oder Arbeitsbedingungen - anzunehmen, § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB II); OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 21.7.2017, a.a.O., Rn. 8 ff. (Verweigerung des Abschlusses oder mangelnde Erfüllung einer Eingliederungsvereinbarung nach § 2 Abs. 1 Satz 2 SGB II); VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 22.1.2014, a.a.O., Rn. 29 ff. (mangelnde Aufgabe eines die Unterhaltssicherung hindernden Nikotinkonsums)).
Die Darlegungs- und Beweislast für das Nichtvertretenmüssen trägt angesichts der gesetzlichen Konstruktion von Regel und Ausnahme - und weil es sich typischerweise um Umstände handelt, die seiner persönlichen Sphäre entstammen - der Einbürgerungsbewerber (vgl. Senatsurt. v. 23.6.2016, a.a.O., Rn. 34; v. 13.11.2013, a.a.O. Rn. 35; Berlit, in: GK-StAR, a.a.O., § 10 Rn. 254 (Stand: November 2015) m.w.N.).
Gemessen an diesen Maßstäben hat die Klägerin die Unfähigkeit, ihren Lebensunterhalt vollständig ohne die Inanspruchnahme von Leistungen nach dem SGB II oder dem SGB XII zu decken, nicht zu vertreten. Dies gilt sowohl für das gegenwärtige Verhalten der Klägerin (1) als auch ihr zurückliegendes Verhalten in den letzten acht Jahren (2).
(1) Nach dem im Berufungszulassungsverfahren beigebrachten Bescheid der Deutsche Rentenversicherung Braunschweig-Hannover vom 12. September 2019 (Blatt 242 ff. der Gerichtsakte) erfüllt die Klägerin seit dem 10. Januar 2018 die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung. Seit dem 1. August 2018 wird ihr eine solche Rente gezahlt. Die Rente ist, weil es nach den medizinischen Untersuchungsbefunden nicht unwahrscheinlich ist, dass die volle Erwerbsminderung behoben werden kann, zunächst bis zum 31. Juli 2020 befristet. Nachvollziehbare Anhaltspunkte für eine nach Ablauf dieser Befristung eintretende oder festzustellende relevante Änderung der tatsächlichen Umstände, die der Rentengewährung zugrunde liegen, sind für den Senat indes derzeit nicht ersichtlich.
Die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung setzt nach § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI auch den Nachweis einer vollen Erwerbsminderung voraus, die gemäß § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI dann gegeben ist, wenn der Versicherte wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. An diese Regelung zur Erwerbsminderung im Rentenversicherungsrecht knüpft auch § 8 Abs. 1 SGB II an, wonach sozialrechtlich nur erwerbsfähig ist, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. § 41 Abs. 3 SGB XII nimmt ausdrücklich auf § 43 Abs. 2 SGB VI Bezug (vgl. zu Vorstehendem: Hackethal/Klein, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, § 8 Rn. 4 (Stand: 22.7.2019)).
Dies zugrunde gelegt, hatte die Klägerin die Unfähigkeit, ihren Lebensunterhalt vollständig ohne die Inanspruchnahme von Leistungen nach dem SGB II oder dem SGB XII zu decken, im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts und hat sie dies auch jetzt mangels einer sozialrechtlichen Erwerbsfähigkeit und einer daran anknüpfenden Erwerbsverpflichtung schon normativ nicht zu vertreten. Ob sich, anders als es die Beklagte meint, Gleiches im Ergebnis auch aus den von der Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen (Blatt 80 ff. und 133 ff. der Gerichtsakte) und Attesten der Gemeinschaftspraxis für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. E. und andere aus A-Stadt vom 13. April 2017 (Blatt 39 der Gerichtsakte), vom 16. Februar 2018 (Blatt 78 der Gerichtsakte) und vom 20. August 2018 (Blatt 113 der Gerichtsakte) ergibt, wonach bei der Klägerin ein therapieresistentes Schmerzsyndrom besteht und sie dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht mehr als drei Stunden täglich zur Verfügung steht, kann daher hier dahinstehen.
(2) Die Klägerin hat die trotz Gewährung der Rente wegen voller Erwerbsminderung bestehende Unfähigkeit, ihren Lebensunterhalt vollständig ohne die Inanspruchnahme von Leistungen nach dem SGB II oder dem SGB XII zu decken, auch nicht wegen eines hierfür ursächlichen zurückliegenden und weiter fortwirkenden Verhaltens in den vergangenen acht Jahren zu vertreten.
Das Verwaltungsgericht hat in der angefochtenen Entscheidung (Urt. v. 2.10.2018, Umdruck S. 9 ff.) zutreffend festgestellt, dass der Klägerin die Verletzung einer sozialrechtlichen Obliegenheitspflicht in den vergangenen acht Jahren nicht vorzuwerfen ist:
"Die Zeiten als Hausfrau ohne Beschäftigung vor dem 2. Oktober 2010, die die grundsätzliche Ursache für die schwierige Integration der Klägerin in das Erwerbsleben darstellen, liegen außerhalb des Betrachtungszeitraums von acht Jahren. Während des ganzen Betrachtungszeitraums war die Leistungsfähigkeit der Klägerin aus gesundheitlichen Gründen eingeschränkt und auf leichte bis mittelschwere Tätigkeiten ohne häufiges Heben und Tragen und Belastungen durch Zeitdruck, Nässe, Kälte, Zugluft, Temperaturschwankungen, inhalative Belastungen, Staub, Rauch, Gase oder Dämpfe beschränkt. Das Gericht geht davon aus, dass diese Einschränkungen nahezu alle Beschäftigungen, die ungelernten Arbeitskräften im Niedriglohnsektor offenstehen, faktisch ausschließen.
Im Zeitraum von Oktober 2010 bis Dezember 2014 war die Klägerin nur während mehrmonatiger Übergangsphasen ohne Beschäftigung; im Übrigen war sie durch Arbeitsgelegenheiten des JobCenters und eine selbstbeschaffte Aushilfstätigkeit eingebunden. Dafür, dass die Klägerin keine hinreichenden Bemühungen um eine Arbeitsstelle gezeigt hat, geben weder die Auskünfte des JobCenters noch die übrigen Umstände des Falles hinreichenden Anhalt. Im Gegenteil zeigen die selbstbeschaffte Aushilfstätigkeit 2011 und die schließlich im Dezember 2014 angetretene Tätigkeit als Servicekraft, dass die Klägerin sich während dieser Phase und auch während der Übergänge um Beschäftigung bemüht hat und mit ihren Bemühungen auch Erfolg hatte. Dabei geht das Gericht in Ermangelung entgegenstehender Anhalte davon aus, dass die Klägerin ihre Bewerbungsbemühungen nicht von vornherein auf Tätigkeiten beschränkt hat, die unterhalb ihres attestierten Leistungsvermögens liegen, sondern die von ihr angetretene Stelle vielmehr die einzige oder beste der ihr angebotenen Stellen war. Das zeigt schon der Umstand, dass die von ihr wahrgenommene Tätigkeit im Service eines Seniorenheims nach der arbeitsmedizinischen Stellungnahme über ihr tatsächliches Leistungsvermögen ging. Dass die Klägerin diese Stelle gleichwohl wahrgenommen hat, bis sie dauerhaft arbeitsunfähig wurde, erachtet das Gericht als deutlichen Beleg dafür, dass eine weniger belastende oder auch nur bei gleicher oder höherer Belastung entsprechend besser vergütete Tätigkeit für sie tatsächlich nicht erreichbar war.
Die Klägerin hat den Leistungsbezug angesichts dessen auch nicht unter dem Aspekt prägend beeinflusst, dass sie sich nicht kontinuierlich um weitere Stellen, insbesondere mit längeren Arbeitszeiten, beworben hätte. Insoweit hat ihr das JobCenter unter dem 15. April 2016 Bewerbungen in schwankender Anzahl, aber ausreichender Häufigkeit bestätigt und auch bestätigt, dass sich die Klägerin weiter um eine Vollzeitbeschäftigung bemühe. Insofern ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin bereits in Beschäftigung war und jedenfalls theoretisch stets die Möglichkeit im Raum stand, bei ihrem Arbeitgeber um eine Ausweitung der Beschäftigung zu bitten.
Vor diesem Hintergrund hat die Klägerin den Leistungsbezug auch vor dem Hintergrund nicht zu vertreten, dass sie angegeben hat, die vorhandene Anstellung nicht aufgeben zu wollen. Tatsächlich sieht das Gericht das unbefristete Beschäftigungsverhältnis der Klägerin an der Obergrenze dessen, was die Klägerin angesichts ihrer beruflichen Vorbildung und ihrer gesundheitlichen Einschränkungen tatsächlich an wirtschaftlicher Integration leisten kann. Diese Anstellung in Aussicht auf eine Vollzeitstelle aufzugeben, die möglicherweise nur befristet oder mittelfristig das Leistungsvermögen der Klägerin überschritten hätte, wäre angesichts der objektiven Vermittlungshemmnisse der Klägerin wirtschaftlich kaum vertretbar gewesen. Darin, dass die Klägerin bei einer Gesamtschau der Umstände weiter im Rahmen ihrer realistischen Möglichkeiten und darüber hinaus gearbeitet hat, vermag das Gericht keine prägende Ursache für den Leistungsbezug zu erkennen. Die Klägerin unterscheidet sich insoweit auch von einer Einbürgerungsbewerberin, die sich im Hinblick auf nur zukünftige, bessere Erwerbschancen anstelle einer Arbeitsaufnahme für eine berufliche Fortbildung entscheidet (vgl. hierzu Nds. OVG, Urteil vom 13.11.2013 – 13 LB 99/12 –, juris), weil sie sich gerade nicht gegen eine Arbeitsaufnahme entschieden hat, sondern dafür, eine Situation beizubehalten, die sie bei objektiver Betrachtung kaum verbessern kann."
Die gegen diese Sachverhalts- und Beweiswürdigung mit dem Zulassungsantrag erhobenen Einwände vermögen ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung nicht zu begründen. Ernstliche Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind zwar auch dann anzunehmen, wenn erhebliche Tatsachenfeststellungen des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten so in Frage gestellt werden, dass der Ausgang des Berufungsverfahrens als ungewiss erscheint (vgl. BVerfG, Beschl. v. 23.6.2000 - 1 BvR 830/00 -, NdsVBl. 2000, 244, 245 - juris Rn. 15). Bezieht sich, wie hier, das diesbezügliche Vorbringen aber auf die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Sachverhaltswürdigung, kommt eine Zulassung der Berufung nicht schon dann in Betracht, wenn der erkennende Senat die vom Verwaltungsgericht nach zutreffenden Maßstäben gewürdigte Sachlage nach einer eigenen etwaigen Beweisaufnahme möglicherweise anders beurteilen könnte als das Verwaltungsgericht selbst. Denn sonst wäre die Berufung gegen Urteile, die auf einer Sachverhalts- oder Beweiswürdigung beruhen, regelmäßig nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen, was mit Sinn und Zweck der Zulassungsbeschränkung nicht vereinbar wäre (vgl. Senatsbeschl. v. 31.8.2017, a.a.O., Rn. 34; Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 18.1.2017
- 8 LA 162/16 -, juris Rn. 27; Sächsisches OVG, Beschl. v. 8.1.2010 - 3 B 197/07 -, juris Rn. 2). Eine Sachverhalts- oder Beweiswürdigung kann deshalb nur mit Erfolg angegriffen werden bei einer Verletzung von gesetzlichen Beweisregeln, von Denkgesetzen oder allgemeinen Erfahrungssätzen, bei aktenwidrig angenommenem Sachverhalt oder wenn sie offensichtlich sachwidrig und damit willkürlich ist (vgl. Senatsbeschl. v. 2.5.2019 - 13 LA 131/19 -, juris Rn. 6; Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 17.5.2016
- 8 LA 40/16 -, juris Rn. 25; Bayerischer VGH, Beschl. v. 11.4.2017 - 10 ZB 16.2594 -, juris Rn. 5; Rudisile, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 124 Rn. 26g (Stand: Oktober 2015) jeweils m.w.N.).
Danach relevante Fehler der Sachverhalts- und Beweiswürdigung ergeben sich aus dem Zulassungsvorbringen nicht. Die Beklagte nimmt vielmehr nur eine eigene Würdigung vor. Im Einzelnen:
Der Einwand der Beklagten, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht festgestellt, dass die Klägerin sich bis zur Aufnahme der Teilzeitbeschäftigung bei der D. GmbH am 18. Dezember 2014 (vgl. Blatt 33 der Beiakte 1) hinreichend um ein Beschäftigungsverhältnis bemüht habe, greift nicht durch. Das Verwaltungsgericht hat seine Feststellung maßgeblich aufgrund der von der Beklagten eingeholten Auskunft des Jobcenters der Region Hannover vom 4. Mai 2016 (Blatt 45 der Beiakte 1) getroffen. Danach war die Klägerin ununterbrochen arbeitssuchend gemeldet, hat vom 19. Januar bis zum 27. März 2009 an einer Trainingsmaßnahme teilgenommen und vom 9. Juli 2012 bis zum 31. Januar 2013 (vgl. hierzu auch die Beurteilung der AWO Region Hannover v. 20.8.2013, Blatt 50 der Gerichtsakte) sowie vom 1. März 2013 bis zum 31. Juli 2014 Arbeitsgelegenheiten wahrgenommen. Vom Jobcenter wurden ihr verschiedene Vermittlungsvorschläge unterbreitet, die nicht zum Erfolg geführt haben. Die Klägerin hat eigeninitiativ aber vom 30. November bis zum 31. Dezember 2011 eine versicherungspflichtige Beschäftigung als Aushilfe und seit dem 18. Dezember 2014 eine versicherungspflichtige Beschäftigung als Servicekraft mit 20 Wochenstunden erlangt. Sanktionen wurden gegen sie nicht verhängt. Bemühungen um eine Arbeitsstelle wurden durch die Klägerin gegenüber dem Jobcenter mündlich und schriftlich nachgewiesen. Deren Anzahl schwankte, wurde vom Jobcenter aber als im Durchschnitt ausreichend angesehen. Nach dem dargestellten Maßstab trägt diese Auskunft die vom Verwaltungsgericht getroffene Feststellung. Wenn die Beklagte dem entgegenhält, sie sei zu einer eigenen Prüfung der sozialrechtlichen Obliegenheitsverletzungen berechtigt und die mangelnde Verhängung von Sanktionen durch die Arbeitsverwaltung entfalte keine sie bindende Tatbestands- oder Feststellungswirkung, verkennt sie, dass es letztlich allein auf die Überzeugung des Verwaltungsgerichts vom Vorliegen der Verletzung einer sozialrechtlichen Obliegenheitsverletzung ankommt. Zur Bildung dieser Überzeugung darf das Verwaltungsgericht auch auf Auskünfte der Behörden der Arbeitsverwaltung zurückgreifen. Zudem beschränkt sich die Auskunft des Jobcenters der Region Hannover vom 4. Mai 2016 eben nicht auf die Angabe, es habe gegen die Klägerin keine Sanktionen verhängt (vgl. zur Bedeutung einer solchen Auskunft: BVerwG, Urt. v. 19.2.2009, a.a.O., S. 159 f. - juris Rn. 20). Vielmehr hat das Jobcenter ausdrücklich bestätigt, dass die Klägerin ihm gegenüber eigene Bemühungen um eine Arbeitsstelle mündlich und schriftlich nachgewiesen hat und dass diese Bemühungen von ihm als im Durchschnitt ausreichend angesehen worden sind. Dass das Verwaltungsgericht aufgrund dieser Auskunft den dem Einbürgerungsbewerber obliegenden Nachweis, dass er Zeiten der Nichtbeschäftigung nicht zu vertreten hat, als geführt ansieht, ist nicht zu beanstanden, zumal an diesen Nachweis auch deswegen keine überspannten Anforderungen zu stellen sind, weil der Einbürgerungsbewerber bei einer nachträglichen einbürgerungsrechtlichen Neubewertung seiner zurückliegenden Bemühungen um Arbeit in Beweisnot geraten kann, da er keinen Anlass hatte, entsprechende Bemühungen systematisch zu erfassen und beweissicher zu dokumentieren (so ausdrücklich BVerwG, Urt. v. 19.2.2009, a.a.O., S. 160 - juris Rn. 20).
Auch der weitere Einwand der Beklagten, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht festgestellt, dass die Klägerin sich nach der Aufnahme der Teilzeitbeschäftigung bei der D. GmbH am 18. Dezember 2014 (vgl. zur Entfristung dieses Arbeitsvertrages: Blatt 65 der Beiakte 1) weiterhin hinreichend auch um eine Vollzeitbeschäftigung bemüht habe, greift nicht durch. Auch die dahingehende Feststellung wird von der Auskunft des Jobcenters der Region Hannover vom 4. Mai 2016 getragen, das bestätigt hat, dass die Klägerin auch nach Aufnahme der Teilzeitbeschäftigung im Dezember 2014 ihren Mitwirkungspflichten nachgekommen ist und Bemühungen um eine Vollzeitbeschäftigung laufen. Die Klägerin selbst hat dem Beklagten eigene Bewerbungen vom 6. Juni 2015 (Blatt 108 der Beiakte 1), vom 29. Juli 2017 (Blatt 109 der Beiakte 1), vom 6. August 2017 (Blatt 110 der Beiakte 1), vom 9. August 2017 (Blatt 111 der Beiakte 1), vom 10. August 2017 (Blatt 112 der Beiakte 1), vom 12. August 2017 (Blatt 113 der Beiakte 1), vom 18. August 2017 (Blatt 114 der Beiakte 1) und vom 19. August 2017 (Blatt 115 f. der Beiakte 1) vorgelegt. Die weitere Auskunft des Jobcenters der Region Hannover vom 3. April 2017 (Blatt 82 der Beiakte 1) stellt zudem heraus, dass die Vermittlung in eine Vollzeitstelle aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen erschwert ist. Diese beschreibt bereits die von der Bundesagentur für Arbeit unter dem 22. Juni 2007 (Blatt 59 der Beiakte 1) eingeholte sozialmedizinische Stellungnahme dahin, dass häufiges Heben und Tragen ohne mechanische Hilfsmittel, Zeitdruck, häufige einseitige oder kraftvolle Beanspruchung von Armen und Händen, arbeitsmedizinisch definierte Hitzearbeit, hohe körperliche Belastungen, Belastungen durch Nässe, Kälte Zugluft oder Temperaturschwankungen, inhalative Belastungen sowie Belastungen durch Staub, Rauch, Gase oder Dämpfe vollständig auszuschließen sind und auch sonst nur leichte bis mittelschwere Tätigkeiten ausgeübt werden können. Dass nachfolgend eine für die Beschäftigungsmöglichkeit relevante Besserung des gesundheitlichen Zustandes der Klägerin eingetreten sein könnte, wie es offenbar die Beklagte anzudeuten versucht, vermag der Senat ebenso wie das Verwaltungsgericht nicht ansatzweise festzustellen. Vielmehr diagnostizieren die Gemeinschaftspraxis für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. E. und andere aus A-Stadt, bei der die Klägerin seit 2012 in Behandlung ist, unter dem 6. Dezember 2016 (Blatt 79 der Gerichtsakte) unter anderem ein chronifiziertes Schmerz-, HWS- und LWS-Syndrom und die Rheumatologische Praxis Dr. F. und andere aus A-Stadt unter dem 8. Februar 2017 (Blatt 118 der Beiakte 1) unter anderem ein Fibromyalgie-Syndrom mit Übergang in ein generalisiertes Schmerzsyndrom, ein Asthma bronchiale sowie verschiedene Allergien. Die sich hieraus ergebenden gesundheitlichen Einschränkungen für eine Beschäftigung werden in den Attesten der Gemeinschaftspraxis für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. E. und andere aus A-Stadt vom 26. September 2014 (Blatt 58 der Beiakte 1) und vom 30. Juni 2016 (Blatt 57 der Beiakte 1) dahin beschrieben, dass die Klägerin bei der Arbeit nicht mehr als 5 kg heben, ihr Arbeitsplatz rückenschonend eingerichtet werden und längeres Stehen oder Sitzen vermieden werden sollte. Die weiteren Atteste vom 13. April 2017 (Blatt 39 der Gerichtsakte), vom 16. Februar 2018 (Blatt 78 der Gerichtsakte) und vom 20. August 2018 (Blatt 113 der Gerichtsakte) bestätigen, dass die Klägerin keine schweren Lasten heben oder tragen darf, und stellen fest, dass Arbeiten in Zwangshaltung sowie langes Sitzen oder Stehen in einem Umfang von zunächst noch fünf (Attest v. 13.4.2017), später nur noch vier (Attest v. 16.2.2018) und zuletzt nur noch drei (Attest v. 20.8.2018) Stunden am Tag möglich ist. Diese Umstände - die Auskunft des Jobcenters der Region Hannover, die von der Klägerin vorgelegten Bewerbungsschreiben und die fortwährende gesundheitliche Einschränkungen dokumentierenden ärztlichen Atteste - tragen die vom Verwaltungsgericht durch eigene Sachverhalts- und Beweiswürdigung getroffene Feststellung, dass die Klägerin sich nach der Aufnahme der Teilzeitbeschäftigung bei der D. GmbH am 18. Dezember 2014 weiterhin hinreichend auch um eine Vollzeitbeschäftigung bemüht hat, und dies obwohl die unbefristete Teilzeitbeschäftigung schon an der Obergrenze dessen lag, was die Klägerin angesichts ihrer beruflichen Vorbildung und ihrer gesundheitlichen Einschränkungen tatsächlich an wirtschaftlicher Integration zu leisten vermochte.
Der Einwand der Beklagten, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht angenommen, dass die Klägerin von Oktober 2010 bis Dezember 2014 nur während mehrmonatiger Übergangsphasen ohne Beschäftigung gewesen sei, da die von ihr vom 9. Juli 2012 bis zum 31. Januar 2013 und vom 1. März 2013 bis zum 31. Juli 2014 wahrgenommenen Arbeitsgelegenheiten gemäß § 16d Abs. 7 Satz 2 SGB II kein Arbeitsverhältnis begründeten, ist hier unerheblich. Denn er berührt die streitentscheidende Frage, ob der Klägerin die Verletzung einer sozialrechtlichen Obliegenheitspflicht vorzuwerfen ist, nicht.
Auch der schließlich erhobene Einwand, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht festgestellt, dass die gesundheitlichen Einschränkungen der Klägerin von vorneherein nahezu alle Beschäftigungen, die ungelernten Arbeitskräften im Niedriglohnsektor offenstehen, faktisch ausgeschlossen haben, vermag nicht zur Zulassung der Berufung zu führen. Denn diese Feststellung ist, nachdem die mangelnde Überzeugung vom Vorliegen der Verletzung einer sozialrechtlichen Obliegenheitspflicht im hier relevanten Zeitraum ernstlichen Richtigkeitszweifeln nicht ausgesetzt ist, nicht (mehr) entscheidungserheblich.
Hat die Klägerin danach in den vergangenen acht Jahren eine sozialrechtliche Obliegenheitspflicht dem Grunde nach nicht verletzt, stellt sich die Frage, ob ein Zurechnungszusammenhang einer solchen Pflichtverletzung mit dem aktuellen Leistungsbezug fortbesteht, nicht mehr. Es bedarf daher keiner Entscheidung, ob, wie es das Verwaltungsgericht meint (Urt. v. 2.10.2018, Umdruck S. 9), der Bezug von Krankengeld nach § 47 SGB V, der von vorneherein befristet ist (vgl. § 48 SGB V), einen zunächst gegebenen Zurechnungszusammenhang mit vergangenen sozialrechtlichen Obliegenheitsverletzungen dauerhaft aufzuheben vermag.
2. Die Berufung ist auch nicht wegen besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten zuzulassen. Solche Schwierigkeiten sind nur dann anzunehmen, wenn die Beantwortung einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage oder die Klärung einer entscheidungserheblichen Tatsache in qualitativer Hinsicht mit überdurchschnittlichen Schwierigkeiten verbunden ist. Daher erfordert die ordnungsgemäße Darlegung dieses Zulassungsgrundes eine konkrete Bezeichnung der Rechts- oder Tatsachenfragen, in Bezug auf die sich solche Schwierigkeiten stellen, und Erläuterungen dazu, worin diese besonderen Schwierigkeiten bestehen (vgl. Senatsbeschl. v. 31.8.2017, a.a.O., Rn. 50; Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019, § 124a Rn. 53).
Diesen Anforderungen trägt das Zulassungsvorbringen nicht hinreichend Rechnung. Die Beklagte meint, besondere Schwierigkeiten bereite die Beantwortung der Frage, ob die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Februar 2009 - BVerwG 5 C 22.08 - auf den vorliegenden Fall nur eingeschränkt anwendbar sei (Schriftsatz der Beklagten v. 11.12.2018, dort S. 5), und ergäben sich daraus, "dass für die Frage des Vertretenmüssens i. S. d. § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG der Sachverhalt auch hinsichtlich in der Vergangenheit liegender Zeiträume aufzuklären ist, was dadurch erschwert wird, dass die Klägerin jedenfalls vor Beantragung ihrer Einbürgerung keinen Anlass hatte, Nachweise zu sammeln oder aufzubewahren" (Schriftsatz der Beklagten v. 11.12.2018, dort S. 9). Besondere, also in qualitativer Hinsicht überdurchschnittliche Schwierigkeiten für ein erstinstanzlich entscheidendes Verwaltungsgericht sind hiermit nicht aufgezeigt.
3. Die Berufung ist auch nicht wegen einer Divergenz im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO zuzulassen.
Dieser Zulassungsgrund ist nur dann gegeben, wenn die erstinstanzliche Entscheidung von einer Entscheidung eines der in § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO genannten Gerichte abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Eine Abweichung ist dann gegeben, wenn das Verwaltungsgericht seinem Urteil einen abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt hat, der mit einem in einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts aufgestellten, dieselbe Rechtsfrage betreffenden und die Entscheidung tragenden Rechtssatz nicht übereinstimmt. Dabei muss ein prinzipieller Auffassungsunterschied deutlich werden, weil die bloße unrichtige oder unterbliebene Anwendung eines obergerichtlich oder höchstrichterlich aufgestellten Rechtssatzes den Zulassungsgrund der Divergenz nicht erfüllt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 18.9.2006 - BVerwG 10 B 55.06 -; juris Rn. 7; Beschl. v. 19.8.1997 - BVerwG 7 B 261.97 -, NJW 1997, 3328 - juris Rn. 7; Rudisile, in: Schoch/Schneider/Bier, a.a.O., § 124 Rn. 36 ff. (Stand: Oktober 2015) m.w.N.). Dementsprechend erfordert die Darlegung einer Abweichung vor allem, dass in dem Zulassungsantrag die beiden einander widerstreitenden abstrakten Rechts- oder Tatsachensätze des Divergenzgerichts einerseits und des Verwaltungsgerichts andererseits zitiert oder - sofern sie im Urteil nicht bereits ausdrücklich genannt sind - herausgearbeitet und bezeichnet werden (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 1.10.2008 - 5 LA 64/06 -, juris Rn. 16; Rudisile, in: Schoch/Schneider/Bier, a.a.O., § 124a Rn. 107 (Stand: Oktober 2015)).
Die Beklagte macht geltend, das Verwaltungsgericht sei in der angefochtenen Entscheidung
von den Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Februar 2009
- BVerwG 5 C 22.08 - und des Senats vom 13. November 2013 - 13 LB 99/12 - abgewichen, da es für eine Verneinung des Vertretenmüssens im Sinne des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG habe genügen lassen, dass die Klägerin im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung sozialrechtlich nicht erwerbsverpflichtet gewesen sei, und die sozialrechtlichen Fernwirkungen eines in der Vergangenheit liegenden Verhaltens für unbeachtlich gehalten habe. Mit diesem Vorbringen ist eine die Zulassung der Berufung gebietende Divergenz nicht hinreichend dargelegt. Denn die Beklagte hat nicht nachvollziehbar aufgezeigt, dass die erstinstanzliche Entscheidung auf der geltend gemachten Abweichung von den Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts und des Senats im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO a.E. beruht. Vielmehr ergibt sich aus der erstinstanzlichen Entscheidung Gegenteiliges. Nach eingehend begründeter Auffassung des Verwaltungsgerichts wäre "auch - die Entscheidung selbständig tragend - bei einer wertenden Prognose der künftigen beruflichen Integration der Klägerin unter Berücksichtigung vorwerfbarer Versäumnisse der letzten acht Jahre bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung … diese Prognose zur Überzeugung des Gerichts dahin zu treffen, dass die Klägerin den Leistungsbezug nicht zu vertreten hat" (Urt. v. 2.10.2018, Umdruck S. 9 ff.).
Mit der Ablehnung des Berufungszulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, 52 Abs. 1 GKG und Nr. 42.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NordÖR 2014, 11).
II. Der Klägerin ist auf ihren Antrag gemäß § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 119 Abs. 1 Satz 2 ZPO ohne Prüfung der Erfolgsaussichten Prozesskostenhilfe für das Berufungszulassungsverfahren zu bewilligen. Sie ist nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage, die Kosten der Prozessführung auch nur in Raten aufzubringen (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung §§ 114 Abs. 1 Satz 1, 115 ZPO).
Die Entscheidung über die Beiordnung beruht auf § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 121 Abs. 1 ZPO.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung § 118 Abs. 1 Satz 4 ZPO. Der Ansatz von Gerichtsgebühren für das Prozesskostenhilfeverfahren ist im Gerichtskostengesetz nicht vorgesehen.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).