Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 04.03.2013, Az.: 5 LA 209/12

Rechtmäßigkeit einer Gewährung der erhöhten Stellenzulage für verantwortliche Luftfahrzeugführer mit der Berechtigung eines Kommandanten auf Flugzeugen nur Soldaten der Luftwaffe; Zulässigkeit des Ausschlusses von Soldaten anderer Teilstreitkräfte von einer Stellenzulage

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
04.03.2013
Aktenzeichen
5 LA 209/12
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2013, 32753
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2013:0304.5LA209.12.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Stade - 07.06.2012 AZ: 3 A 706/10

Amtlicher Leitsatz

Es verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, dass die erhöhte Stellenzulage für verantwortliche Luftfahrzeugführer mit der Berechtigung eines Kommandanten auf Flugzeugen nach Nr. 6 Abs. 1 Satz 2 der Anlage I BBesO A und B nur Soldaten der Luftwaffe, nicht aber Soldaten der anderen Teilstreitkräfte gewährt wird.

Gründe

1

I.

Der Kläger begehrt die Gewährung einer erhöhten Stellenzulage als verantwortlicher Luftfahrzeugführer.

2

Der Kläger steht im Rang eines Kapitänleutnants der Marine und gehört als Luftfahrzeugführer der Fliegenden Gruppe des Marinefliegergeschwaders 3 "C." an. Seinen Antrag auf Gewährung einer erhöhten Stellenzulage als verantwortlicher Luftfahrzeugführer mit der Berechtigung eines Kommandanten auf Flugzeugen lehnte die Beklagte unter dem 11. Januar 2010 mit der Begründung ab, dass die erhöhte Zulage nur Soldaten des Organisationsbereichs der Luftwaffe gezahlt werde. Die gegen diese Entscheidung erhobene und im Wesentlichen auf eine unzulässige Ungleichbehandlung der Soldaten der Luftwaffe und der übrigen Teilstreitkräfte gestützte Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Mit seinem Zulassungsantrag verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

3

II.

Der Zulassungsantrag bleibt ohne Erfolg, weil die Zulassungsgründe, auf die sich der Kläger beruft, teilweise bereits nicht hinreichend gemäß § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO dargelegt sind und im Übrigen nicht vorliegen (§ 124 a Abs. 5 Satz 2 VwGO).

4

Die Voraussetzungen des geltend gemachten Zulassungsgrundes der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) sind nicht erfüllt.

5

Ernstliche Zweifel sind erst dann zu bejahen, wenn bei der Überprüfung im Zulassungsverfahren, also aufgrund der Begründung des Zulassungsantrages und der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts, gewichtige, gegen die Richtigkeit der Entscheidung sprechende Gründe zu Tage treten, aus denen sich ergibt, dass ein Erfolg der erstrebten Berufung mindestens ebenso wahrscheinlich ist wie ein Misserfolg. Das ist der Fall, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird. Die Richtigkeitszweifel müssen sich auch auf das Ergebnis der Entscheidung beziehen; es muss also mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein, dass die Berufung zur Änderung der angefochtenen Entscheidung führt. Um ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils darzulegen, muss sich der Zulassungsantragsteller substantiiert mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen. Welche Anforderungen an Umfang und Dichte seiner Darlegung zu stellen sind, hängt deshalb auch von der Intensität ab, mit der die Entscheidung des Verwaltungsgerichts begründet worden ist. Ist das angegriffene Urteil auf mehrere selbständig tragende Begründungen gestützt, müssen hinsichtlich aller dieser Begründungen Zulassungsgründe hinreichend dargelegt werden (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 25.4.2008 - 5 LA 154/07 -).

6

Gemessen daran ist es dem Kläger nicht gelungen, das angegriffene Urteil des Verwaltungsgerichts Stade ernstlich in Zweifel zu ziehen. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht und mit überzeugender Begründung, auf die der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO Bezug nimmt, zu dem Ergebnis gelangt, dass dem Kläger weder ein Anspruch auf Zahlung der begehrten Stellenzulage nach Nr. 6 Abs. 1 Satz 2 der Anlage I BBesO A und B zusteht, noch das Verfahren auszusetzen und gemäß Art. 100 Abs. 1 GG eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen ist. Die Einwände des Klägers überzeugen den Senat nicht.

7

Ohne Erfolg wiederholt der Kläger seine Rechtsauffassung, es verstoße gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, dass der Gesetzgeber die Stellenzulage auf Soldaten der Luftwaffe beschränkt habe. Die damit verbundene Schlechterstellung der Angehörigen der Marine und des Heeres trotz gleicher Ausbildung und Funktion ist - wie bereits das Verwaltungsgericht ausgeführt hat - gerechtfertigt, weil die Luftwaffe in den Jahren 2007 und 2008 die Abwanderung einer nennenswerten Zahl von Luftfahrzeugführern zu verzeichnen hatte und der Gesetzgeber dieser Abwanderung, die weder beim Heer noch bei der Marine in gleicher Weise gegeben war, mit der erhöhten Zulage entgegen wirken wollte. Dass dieses Anliegen auch unter Berücksichtigung des im Bereich der Besoldung grundsätzlich bestehenden weiten Spielraums des Gesetzgebers, politische Ermessenserwägungen zur Geltung zu bringen, evident sachwidrig sein könnte (vgl. zu diesem Maßstab BVerfG, Beschluss vom 19.6.2012 - 2 BvR 1397/09 -, [...] Rn. 61), zeigt der Kläger auch mit seinem Zulassungsantrag nicht auf.

8

Soweit der Kläger einwendet, auch im Bereich der Marine gebe es Abwanderungstendenzen, ist sein eigener Vortrag schon im Ansatz ungeeignet, die Ausführungen des Verwaltungsgerichts in Frage zu stellen. Der Gesetzgeber hat die Situation in den Jahren 2007 und 2008 zum Anlass für die beanstandete gesetzliche Regelung genommen. Der Kläger bezieht sich demgegenüber ausschließlich auf Abgänge im Bereich der Marine in den Jahren 2009 und danach, die der Gesetzgeber naturgemäß weder in den Blick nehmen konnte noch musste. Hinzu kommt, dass nach Darstellung des Klägers seit dem Jahr 2009 im Bereich der Marine lediglich drei Abgänge von Luftfahrzeugführern zu verzeichnen waren. Selbst wenn man unterstellt, dass in allen drei Fällen finanzielle Erwägungen ausschlaggebend waren, lässt diese absolut betrachtet geringe Zahl die Erwägungen des Gesetzgebers im Nachhinein nicht als evident sachwidrig erscheinen. Im Gegenteil stützt die geringe Anzahl die gesetzgeberische Annahme, dass die unterschiedlichen Gegebenheiten der verschiedenen Teilstreitkräfte eine Differenzierung erlauben. Dass der Gesetzgeber mit seiner Regelung möglicherweise nicht die gerechteste, zweckmäßigste und vernünftigste Lösung gewählt hat, reicht demgegenüber nicht aus, um eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG zu bewirken (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19.6.2012, a. a. O.).

9

Ohne Erfolg bleibt der weitere Einwand, das Verwaltungsgericht habe seiner Entscheidung eine unrichtige Tatsachengrundlage zugrunde gelegt, indem es davon ausgegangen sei, dass die Soldaten der Luftwaffe, die als Transportflugzeugführer in verantwortungsvoller und deshalb herausgehobener Funktion verwendet werden, eine besondere Bedeutung für die Sicherstellung der Durchhaltefähigkeit und Einsatzflexibilität des militärischen Lufttransports hätten. Das Verwaltungsgericht hat sich die vorgenannten Ausführungen, die es einer Bundestagsdrucksache (BT-Drs. 10850, S. 235) entnommen hat, keineswegs zu eigen gemacht, sondern auf dieser Grundlage lediglich festgestellt, dass der Gesetzgeber die Zulage bewusst auf den Bereich der Luftwaffe beschränkt habe. Diese - auch nach dem Gesetzeswortlaut und der Systematik der Nr. 6 Abs. 1 der Anlage I BBesO A und B zwingende - Feststellung vermag der Kläger mit seinem Einwand, die Luftfahrzeugführer der übrigen Teilstreitkräfte hätten eine ähnliche Bedeutung, nicht in Frage zu stellen. Auch wenn sein Einwand in der Sache zutreffen mag, ändert dies offensichtlich nichts daran, dass der Wille des Gesetzgebers allein auf eine Begünstigung der Luftfahrzeugführer der Luftwaffe gerichtet war.

10

Der Senat vermag auch nicht zu erkennen, in welcher Weise es die Position des Klägers stützen könnte, dass die in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck kommende besondere Bedeutung der Transportflieger im Gesetzestext selbst keinen Niederschlag gefunden hat. Das Verwaltungsgericht hat seine Begründung in keiner Weise auf ein besonderes Einsatzspektrum eines Transportfliegers gestützt, sondern es im Gegenteil ausdrücklich offen gelassen, ob Unterschiede hinsichtlich der Verantwortung und hinsichtlich der Anforderungen an die fachlichen Kenntnisse und Fähigkeiten eine Differenzierung zwischen den verschiedenen Teilstreitkräften rechtfertigen (so OVG NRW, Urteil vom 30.5.2011 - 1 A 2825/09 -, [...] Rn. 103).

11

Die Berufung ist auch nicht wegen besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zuzulassen.

12

Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten weist eine Rechtssache dann auf, wenn sie voraussichtlich in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht größere, das heißt überdurchschnittliche, das normale Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten verursacht. Die besonderen Schwierigkeiten müssen sich auf Fragen beziehen, die für den konkreten Fall und das konkrete Verfahren entscheidungserheblich sind, nicht ohne weiteres aus dem Gesetz zu lösen sind und durch die Rechtsprechung noch nicht geklärt worden sind (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 18. Aufl. 2012, § 124 Rn. 9). Gemessen daran zeigt der Kläger besondere Schwierigkeiten nicht in einer § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechenden Weise auf. Sein pauschaler Verweis auf - nach den obigen Ausführungen nicht vorliegende - ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils lässt keine besonderen Schwierigkeiten erkennen.

13

Die Berufung ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen.

14

Grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO hat eine Rechtssache dann, wenn sie eine grundsätzliche, fallübergreifende Rechts- oder Tatsachenfrage aufwirft, die im allgemeinen Interesse der Klärung bedarf. Das ist nur dann zu bejahen, wenn die Klärung der Frage durch die im erstrebten Berufungsverfahren zu erwartende Entscheidung zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder für eine bedeutsame Fortentwicklung des Rechts geboten erscheint (Nds. OVG, Beschluss vom 1.10.2008 - 5 LA 64/06 -, [...] Rn. 14). Daran fehlt es bei der von dem Kläger aufgeworfenen Frage, ob die gesetzliche Differenzierung zwischen verantwortlichen Luftfahrzeugführern der Luftwaffe einerseits und verantwortlichen Luftfahrzeugführern der Marine andererseits mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist. Die Frage ist unter Heranziehung der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nach den obigen Ausführungen zweifelsfrei dahingehend zu beantworten, dass eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung nicht vorliegt. Der Durchführung eines Berufungsverfahrens bedarf es insofern nicht.

15

Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO).