Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 15.12.2020, Az.: 8 LA 80/20

Approbationsentzug; Approbationswiderruf; Arzneimittelverordnung; ärztliche Dokumentation; Behandlungsdokumentation; Bewährung; Bewährungsdauer; Bewährungsfrist; Bewährungsphase; Bewährungszeit; Bewährungszeit; Dokumentation; Dokumentation, ärztliche; Einstellung des Verfahrens; Entzug der Approbation; Ermittlungsverfahren, staatsanwaltliches; Fluninoc; Geldstrafe; Medikamentenverordnung; Patientendokumentation; Reifungszeiten; Rezept; Strafbefehl; Verordnung, ärztliche; Verschreibung; Widerruf der Approbation; Wiedererteilung der Approbation; Würdigkeit; Würdigkeit; Zeitfaktor

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
15.12.2020
Aktenzeichen
8 LA 80/20
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2020, 71899
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 23.06.2020 - AZ: 7 A 461/19

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Im Rahmen des Approbationswiderrufs (§§ 5 Abs. 2 Satz 1, 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Alt. 1 BÄO) ist die Wiedererlangung der Würdigkeit während des Verfahrens aufgrund einer Gesamtbetrachtung zu beurteilen, bei der die seit den maßgeblichen Verfehlungen verstrichene Zeit nicht nur schematisch berücksichtigt werden darf.

Tenor:

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Oldenburg - 7. Kammer - vom 23. Juni 2020 wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes für das Zulassungsverfahren wird auf 30.000 EUR festgesetzt.

Gründe

Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das im Tenor genannte Urteil des Verwaltungsgerichts zuzulassen, mit dem seine Klage gegen den Widerruf der ärztlichen Approbation durch Bescheid der Beklagten vom 7. Januar 2019 abgewiesen worden ist, hat im Ergebnis keinen Erfolg.

Die geltend gemachten Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nrn. 1, 3 - 5 VwGO sind nicht gegeben. Die – vom Verwaltungsgericht geteilte – Würdigung des Widerrufsbescheides des Beklagten vom 7. Januar 2019, es seien gravierende Verfehlungen in der Berufsausübung des Klägers als Arzt festzustellen, die geeignet seien, das Vertrauen der Öffentlichkeit in den Berufsstand zu erschüttern, ist nicht zu beanstanden. Mit seinen gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts gerichteten Einwänden dringt der Kläger nicht durch, weil auch unter deren Berücksichtigung hinreichende Gründe für den Entzug der Approbation (I.) zu dem für die rechtliche Bewertung maßgeblichen Zeitpunkt (II.) vorliegen.

I. Zum Widerruf der Approbation

1. Die vom Kläger geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO können im Ergebnis ebenso wenig wie ergebnisrelevante Verfahrensmängel im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO, auf denen die Entscheidung beruhen kann, bejaht werden. Das Verwaltungsgericht hat insoweit zutreffende rechtliche Maßstäbe zugrunde gelegt.

a. Eine Approbation ist zu widerrufen, wenn sich ein Arzt eines Verhaltens schuldig gemacht hat, aus dem sich seine Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs ergibt (§ 5 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BÄO). Unwürdigkeit besteht, wenn der Arzt ein Verhalten gezeigt hat, dass mit dem Berufsbild und den allgemeinen Vorstellungen von der Persönlichkeit eines Arztes schlechthin nicht zu vereinbaren ist, und er daher nicht mehr das Ansehen und Vertrauen genießt, das für die Ausübung des Berufes unabdingbar ist (BVerwG, Beschl. v. 31.7.2019 – 3 B 7/18 –, juris Rn. 9; Senat, Urt. v. 11.5.2015 – 8 LC 123/14 –, juris Rn. 25). Anlass für den Approbationswiderruf kann mit Blick auf den grundgesetzlich gewährleisteten Schutz der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und das Verhältnismäßigkeitsgebot nur ein schwerwiegendes Fehlverhalten sein, das geeignet ist, das Vertrauen der Öffentlichkeit in den ärztlichen Berufsstand nachhaltig zu erschüttern. Dieses für das Arzt-Patienten-Verhältnis konstitutive und für die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung unerlässliche Vertrauen in die Integrität der Ärzteschaft würde durch eine fortdauernde Berufstätigkeit von Berufsträgern beeinträchtigt, die sich durch ihr Verhalten eines solchen Vertrauens unwürdig erwiesen haben (vgl. BVerwG, Beschl. v. 31.7.2019 – 3 B 7/18 –, juris Rn. 9; Senat, Urt. v. 11.5.2015 – 8 LC 123/14 –, juris Rn. 25). Nicht erforderlich ist, dass die gravierende Verfehlung auch strafbewehrt oder gar im konkreten Fall strafrechtlich geahndet worden ist (Senat, Urt. v. 11.5.2015 – 8 LC 123/14 –, juris Rn. 27 m.w.N).

b. Zwar sind einzelne Einwände des Prozessbevollmächtigten des Klägers gegenüber den Urteilsausführungen des Verwaltungsgerichts berechtigt. So ist eine Verurteilung des Klägers durch den Strafbefehl vom … „nur“ wegen Untreue erfolgt, Körperverletzungsdelikte, andere Straftaten gegen die körperliche Integrität seiner Patienten oder Verstöße gegen Arzneimittelrecht waren von der Staatsanwaltschaft nicht angeklagt worden. Aus der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft B-Stadt vom 13. März 2015 (…) ergibt sich, dass die Strafverfolgung teilweise nach §§ 154a Abs. 1, 154 Abs. 1 StPO beschränkt wurde, ohne dass erkennbar ist, welche Straftatbestände insoweit in Frage gestanden haben. Zutreffend ist der Hinweis des Prozessbevollmächtigten des Klägers, dass der Strafbefehl zu der Verordnung des Mittels „DHC Mundipharma“ (Wirkstoff: Dihydrocodein), einem Medikament aus der Gruppe der Opioide, und der vom Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang angenommenen Verletzung der Aufklärungspflicht den Patienten gegenüber keine Feststellungen enthält. Auch der Gutachter hatte in diesem Zusammenhang nicht eine Verletzung der Aufklärungspflicht, sondern (lediglich) eine Verletzung von Dokumentationspflichten festgestellt. Es darf zudem nicht übersehen werden, dass die Einstufung des Medikaments Fluninoc als Betäubungsmittel und die sich daraus ergebenden besonderen Verordnungsanforderungen (u.a. Verordnung auf speziellem Rezeptformular nach § 8 Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung - BtMVV) erst am 1. November 2011 in Kraft traten und daher den mit dem Strafbefehl vom … abgeurteilten Tatkomplex nicht betreffen. Zwar fanden seit dem 1. Februar 1998 die Vorschriften über das Verschreiben von Betäubungsmitteln Anwendung, wenn die Verordnung für eine betäubungsmittelabhängige Person erfolgte (Anlage III zum BtMG, geändert durch Art. 1 der 10. BtMÄndV v. 20.1.1998, BGBl. I, S. 74), ein entsprechender strafrechtlicher Vorwurf war indes nicht Inhalt des Strafbefehls. Soweit in den ärztlichen Dokumentationen des Klägers ein Drogenabusus (ICD10 Code F19.1) für Patienten dokumentiert ist, kann diese Diagnose einer Betäubungsmittelabhängigkeit (“Drogensucht“, ICD10 Code F19.2) nicht ohne weiteres gleichgestellt werden. Erst im zweiten Strafverfahren wegen der von Januar 2013 bis Februar 2015 begangenen Taten (Strafverfahren …) findet sich der Vorwurf eines Vergehens gegen das Arzneimittelgesetz (Einstellungsbeschluss des Amtsgerichts B-Stadt v. …, Az.: …). Auch auf die Statuierung von Verhaltensmaximen ohne normative Grundlage unter Berufung auf „Erwartungen der Öffentlichkeit“ (etwa, dass der Arzt Verordnungswünschen des Patienten „kritisch entgegentritt“ oder die Verschreibung „streng geprüft“ werde) kann ein Approbationsentzug nicht gestützt werden.

c. Dennoch können ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO im Ergebnis nicht bejaht werden. Sie sind gegeben, wenn der Rechtsmittelführer einen tragenden Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellt (BVerfG, Beschl. v. 20.12.2010 - 1 BvR 2011/10 -, juris Rn. 17; v. 10.12.2009 - 2 BvR 758/07 -, juris Rn. 96). Die Richtigkeitszweifel müssen sich dabei auch auf das Ergebnis der Entscheidung beziehen; es muss also mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein, dass die Berufung zu einer Änderung der angefochtenen Entscheidung führen wird (BVerwG, Beschl. v. 10.3.2004 - 7 AV 4.03 -, juris Rn. 9f.). Ebenso wenig sind ergebnisrelevante Verfahrensmängel im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO, auf denen die Entscheidung beruhen kann, gegeben, weil dem Kläger rechtliches Gehör zu einzelnen Fragen verwehrt worden und eine im Rahmen der Amtsermittlungspflicht erforderliche Beweiserhebung unterblieben wäre. Denn auf die vom Kläger insoweit geltend gemachten Gesichtspunkte kommt es nicht entscheidungserheblich an, da die gegen seine ärztliche Berufsausübung zu erhebenden – nicht in Zweifel stehenden - Vorwürfe gravierend sind und für sich allein genommen bereits den Widerruf der Approbation rechtfertigen, ohne dass es für diese Bewertung einer weiteren Sachaufklärung bedürfte.

In tatsächlicher Hinsicht können zur Feststellung der Unwürdigkeit die in den Strafverfahren gewonnen Erkenntnisse und Beweismittel berücksichtigt werden. Es ist höchstrichterlich geklärt, dass sowohl im Fall des Abschlusses eines Strafverfahrens durch Strafbefehl (BVerwG, Beschl. v. 18.8.2011 - 3 B 6.11 -, juris Rn. 10; u. v. 6.3.2003 - 3 B 10.03 -, juris Rn. 2; Senat, Beschl. v. 3.2.2015 – 8 LA 2/14 –, juris Rn. 14 m.w.N.) wie auch bei der Verfahrenseinstellung nach §§ 153, 153a StPO (BVerfG, Beschl. v. 16.1.1991 – 1 BvR 1326/90 –, juris Rn. 19ff.; BVerwG, Urt. v. 26.9.2002 - 3 C 37.01 -, juris Rn. 37ff.; Beschl. v. 28.4.1998 - 3 B 174.97 -, juris Rn. 4) eine eigenständige Überprüfung der in einem staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren oder strafgerichtlichen Verfahren gewonnenen Erkenntnisse und Beweismittel im Hinblick auf das Vorliegen der Voraussetzungen des Approbationswiderrufs erfolgen kann. Zwar darf allein aus der Verfahrenseinstellung auf dieser Rechtsgrundlage, die nur mit Zustimmung des Angeschuldigten möglich ist, nicht auf die Verwirklichung des objektiven Tatbestandes der angeklagten Straftaten geschlossen werden. Die Ermittlungsergebnisse der Strafverfolgungsorgane dürfen von anderen Behörden und Gerichten in berufsrechtlichen Verfahren aber selbst ausgewertet, einer eigenständigen, nachvollziehbaren Bewertung unterzogen und auf dieser Grundlage eine berufsbezogene Zuverlässigkeitsprognose getroffen werden (Senat, Beschl. v. 17.2.2016 – 8 ME 213/15 –, juris Rn. 23). Insoweit ist festzuhalten:

- Der Kläger ist durch den rechtskräftigen Strafbefehl des Amtsgerichts B-Stadt vom … (Az.: …) wegen Untreue (§ 266 StGB) zulasten der AOK Niedersachsen in 101 Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 90 Tagessätzen je 100 € verurteilt. Dem Tatvorwurf zugrunde lagen medizinisch nicht indizierte Verordnungen des Medikaments Fluninoc (Wirkstoff Flunitrazepam) an verschiedene, teils drogenabhängige Patienten im Zeitraum Januar 2009 bis März 2011, wobei der Kläger in Kauf genommen habe, dass bei den Patienten entweder eine Abhängigkeit bestand oder aber diese die Tabletten an Dritte weitergaben. Dabei seien auch die geltenden Höchstverschreibungsmengen überschritten worden. Der entschuldigenden Einlassung des Klägers, die Patienten hätten ihm gegenüber erklärt, die zuvor ausgestellten Rezepte seien verloren gegangen oder unbrauchbar geworden, er habe mithin nicht von einer Mehrfachverordnung ausgehen müssen, brauchte das Verwaltungsgericht angesichts dieser Feststellungen nicht nachzugehen.

- In dem im Auftrag der Staatsanwaltschaft B-Stadt im Strafverfahren eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten des Facharztes für Allgemeinmedizin, Dr. med. D., vom September 2014 werden dem Kläger nicht allein ein „… völlig unkritisches Verordnungsverhalten“, sondern auch Verstöße gegen ärztliche Verordnungsvorschriften („Arzneimittel-Richtlinie“) und die ärztliche Berufsordnung vorgeworfen. Der Gutachter beanstandet darüber hinaus eine „… absolut unzureichende Dokumentation“ in den Patientenakten, so dass etwa die – ärztlicherseits gebotene – Aufklärung der Patienten über die potentielle Abhängigkeitsproblematik bei den verordneten Medikamenten nicht nachvollzogen werden konnte. Auch dies kann in dem berufsrechtlichen Verfahren zugrunde gelegt werden; im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Feststellung mangelnder Nachvollziehbarkeit nicht gleichbedeutend mit dem Vorwurf (tatsächlich) unterbliebener Aufklärung ist, deren fehlenden Nachweis in den Urteilsgründen des Verwaltungsgerichts der Prozessbevollmächtigte des Klägers rügt.

- Im April 2016 wurde der Kläger – vor Rechtskraft des o. a. Strafbefehls – erneut wegen der Verordnung von verschreibungspflichtigen Medikamenten in 32 Fällen angeklagt (Strafverfahren …). Auch in diesem Verfahren wurde er beschuldigt, in der Zeit von Januar 2013 bis Februar 2015 Medikamente verordnet zu haben, die medizinisch kontraindiziert oder jedenfalls medizinisch nicht indiziert waren. Das Verfahren endete nach der Hauptverhandlung im März 2018, der der Kläger ferngeblieben war, mit einer Einstellung nach § 153a Abs. 2 StPO unter Auflage einer Zahlung von 1.500 € wegen Vergehens gegen das Arzneimittelgesetz durch Beschluss des Amtsgerichts B-Stadt vom 8. März 2018 (Az.: …). Dieser Tatvorwurf hat – entgegen der Auffassung des Klägers - nicht deshalb außer Betracht zu bleiben, weil es nicht zu einer Verurteilung gekommen ist, sondern ist – wie angeführt - einer eigenständigen Würdigung durch die Approbationsbehörde zugänglich.

Die genannten Vorwürfe allein sind ausreichend, den Widerruf der Approbation zu tragen, da sie geeignet sind, das Vertrauen der Öffentlichkeit in den ärztlichen Berufsstand zu erschüttern (s. zu diesem Maßstab BVerwG, Beschl. v. 18.8.2011 - 3 B 6.11 -, juris Rn. 8 m.w.N.; Senat, Beschl. v. 7.2.2014 – 8 LA 84/13 –, juris 37). Sie betreffen den Kernbereich der ärztlichen Tätigkeit, die den Ärzten vorbehaltene Verordnung verschreibungspflichtige Medikamente sowie die vorgeschriebene Dokumentation der Behandlung. Betroffen waren eine Reihe von Patienten. Mit über 100 Verordnungen wurde eine erhebliche Anzahl von Arzneimittelverschreibungen des Klägers beanstandet, die sich über einen mehrjährigen Zeitraum erstreckten; die Behandlungsdokumentation wies nach den Feststellungen des Gutachters bei allen betroffenen Patienten Unregelmäßigkeiten auf. Es geht daher nicht lediglich um versehentliche Einzelfälle.

Zwar sind Strafe bzw. Auflage (Strafbefehl und Einstellungsbeschluss) selbst nach ihrem Maß bzw. ihrer Höhe gering, weil lediglich der Straftatbestand der Untreue (§ 266 StGB) mit einem begrenzten Schaden zu Lasten der Krankenkassen angeklagt war. Der zugrunde liegende Tatvorwurf der medizinisch nicht indizierten oder gar kontraindizierten Verschreibung von Medikamenten ist indes gravierend. Sie schädigt nicht nur das Vermögen der zu Erstattungsleistungen verpflichteten Krankenkassen, sondern stellt vor allem auch eine Gefährdung des Wohls der Patienten dar, worauf im Rahmen des berufsrechtlichen Verfahrens zum Approbationswiderruf, anders als bei den strafrechtlichen Körperverletzungsdelikten, die tatbestandsmäßig den Eintritt des Verletzungserfolges verlangen und nicht Gegenstand des strafrechtlichen Vorwurfs gegen den Kläger waren, abgestellt werden kann. Die von dem sachverständigen Gutachter als „unkritisches Verschreibungsverhalten“ beanstandete regelwidrige Verordnungspraxis des Klägers ist trotz der mangelhaften Dokumentation in den Patientenakten im Falle von Frau E. aufgrund ihres – auch dem Kläger bekannten – Drogenabusus (ICD10 Diagnose F19.1G) als kontraindiziert und gefährdend nachzuweisen. Nach den Feststellungen des Strafbefehls hat der Kläger das Medikament Fluninoc auch den Patienten F. sowie E. und G. in einer Regelmäßigkeit und Dosierung verordnet, die medizinisch nicht indiziert war, worüber er sich bewusst gewesen sei. Eine Abhängigkeit der Patienten habe er ebenso billigend in Kauf genommen wie die unkontrollierte Weitergabe des Medikaments an Dritte. Was den zweiten Tatkomplex angeht, der Gegenstand des mit dem Beschluss des Amtsgerichts B-Stadt vom 8. März 2018 nach § 153a StPO eingestellten Strafverfahrens war, liegen Verstöße gegen das Arzneimittelgesetz vor, das in besonderer Weise dem Schutz der Bevölkerung vor dem Inverkehrbringen von Medikamenten dient.

Als gravierend sind auch die dem Kläger vorgeworfenen Mängel seiner Patientendokumentation einzustufen. Die Ärzte sind durch § 630f BGB und § 295 SGB V sowie § 10 der Berufsordnung der Ärzte Niedersachsen sowie als Vertragsärzte der gesetzlichen Krankenkassen – wie der Kläger – auch nach § 57 Bundesmantelvertrag Ärzte – BMV-Ä - verpflichtet, in der Patientenakte sämtliche aus fachlicher Sicht für die derzeitige und künftige Behandlung wesentlichen Maßnahmen und deren Ergebnisse aufzuzeichnen, insbesondere die Anamnese, Diagnosen, Untersuchungen, Untersuchungsergebnisse, Befunde, Therapien und ihre Wirkungen, Eingriffe und ihre Wirkungen, Einwilligungen und Aufklärungen sowie auch Arztbriefe von vor- und mitbehandelnden Ärzten. Die ärztliche Dokumentation dient der Therapiesicherung und der Rechenschaftslegung. Sie hat die Aufgabe, das Behandlungsgeschehen aufzuzeichnen und dadurch eine sachgerechte therapeutische Behandlung zu gewährleisten sowie Ärzte, die einen Patienten weiterbehandeln, zu informieren. Die erforderlichen Aufzeichnungen dienen nicht nur der ärztlichen Gedächtnisstütze, sondern auch dem Interesse der Patienten, die grundsätzlich ein Recht auf Einsicht in die sie betreffende Patientenakte haben. Darüber hinaus ist die Dokumentation für die vertragsärztliche Tätigkeit von Bedeutung, um eine eventuelle Wirtschaftlichkeits- oder Plausibilitätsprüfung zu ermöglichen. Die Behandlungsdokumentation ist mithin für die Weiterbehandlung durch andere Ärzte, die Nachvollziehbarkeit der Behandlung und Aufklärung von Behandlungsfehlern sowie eine externe Kontrolle von erheblicher Bedeutung und stellt daher keine bedeutungslose Nebenpflicht der ärztlichen Tätigkeit dar, auch wenn die insoweit festgestellten Unregelmäßigkeiten nicht das gleiche Gewicht haben wie strafrechtliche Vorwürfe, insbesondere solche gegen die körperliche Integrität von Patienten.

II. Zur Wiedererlangung der Berufswürdigkeit

Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass das Vertrauen der Öffentlichkeit in die ärztliche Berufsausübung des Klägers vor Januar 2019 – als dem maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Widerrufsverfügung des Beklagten (BVerwG, Beschl. v. 31.7.2019 – 3 B 7/18 –, juris Rn. 9 m.w.N.; Senat, Beschl. v. 23.9.2015 – 8 LA 126/15 –, juris Rn. 10 u. v. 15.9.2015 – 8 LA 109/15 –, juris Rn. 12) – bereits wiederhergestellt gewesen wäre und der Entzug der Approbation zu diesem Zeitpunkt nicht (mehr) hätte erfolgen dürfen. Diese Bewertung gilt unter Berücksichtigung der hiergegen vom Prozessbevollmächtigten des Klägers erhobenen Einwände. Die insoweit geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils bestehen im Ergebnis nicht (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO); auch die weiteren geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) und der Divergenz (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) sind nicht gegeben.

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist es zwar möglich, dass ein Arzt die durch eine gravierende Verfehlung eingebüßte Berufsunwürdigkeit während des laufenden behördlichen Verfahrens über den Widerruf der Approbation wiedererlangt (Senat, Beschl. v. 23.9.2015 – 8 LA 126/15 –, juris Rn. 10 m.w.N.; v. 15.9.2015 – 8 LA 109/15 –, juris Rn. 13; v. 17.2.2015 - 8 LA 26/14 -, juris Rn. 62; v. 23.7.2014 - 8 LA 142/13 -, juris Rn. 38 f.). Die Wiedererlangung der Würdigkeit setzt voraus, dass sich an der zum Widerruf führenden Sachlage nachweislich etwas zum Guten geändert hat, also der Arzt das für die Ausübung seines Berufes erforderliche Ansehen und Vertrauen zurückerlangt hat (BVerwG, Beschl. v. 15.11.2012 - 3 B 36.12 -, juris Rn. 7; v. 23.7.1996 - 3 PKH 4.96 -, juris Rn. 3). Durch den Approbationswiderruf wegen Unwürdigkeit soll nicht das bisherige Verhalten des Arztes durch eine zeitliche Verhinderung der Berufsausübung sanktioniert, sondern das Ansehen der Ärzteschaft in den Augen der Öffentlichkeit geschützt werden, dies freilich nicht als Selbstzweck, sondern um das für jede Heilbehandlung unabdingbare Vertrauen der Patienten in die Integrität der Personen aufrecht zu erhalten, denen mit der Approbation die staatliche Erlaubnis zur selbständigen Ausübung der Heilkunde verliehen ist, und in deren Behandlung sich die Patienten begeben (Senat, Beschl. v. 23.9.2015 – 8 LA 126/15 –, juris Rn. 15; v. 29.7.2015 – 8 ME 33/15 -, juris Rn. 25 u. v. 3.2.2015 - 8 LA 2/14 -, juris Rn. 29). Die Würdigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs besteht daher erst dann wieder, wenn der Arzt das erforderliche Ansehen und Vertrauen zurückerlangt hat, mithin nach einer Gesamtwürdigung aller Umstände nicht mehr zu besorgen ist, dass dessen selbstständige Berufstätigkeit das Vertrauen der Öffentlichkeit in den Berufsstand nachhaltig erschüttern könnte (BVerwG, Beschl. v. 15.11.2012 – 3 B 36/12 –, juris Rn. 7). Dies erfordert regelmäßig einen längeren Bewährungsprozess, der nach der Rechtsprechung des Senats mit mindestens 5 Jahren bei gravierenden Verfehlungen außerhalb des beruflichen Wirkungskreises und mindestens 8 Jahren bei gravierenden Verfehlungen im beruflichen Wirkungskreis anzusetzen ist (Senat, Beschl. v. 23.9.2015 – 8 LA 126/15 –, juris Rn. 11 u. v. 29.7.2015 – 8 ME 33/15 -, juris Rn. 21ff.). Maßgeblich für den Beginn der Bewährungsfrist ist der Zeitpunkt, in dem die zur Annahme der Berufsunwürdigkeit führenden gravierenden Verfehlungen durch den Betreffenden eingestellt worden sind, gleich ob dies auf einem freiwilligen Willensentschluss des Betreffenden oder auf einer Aufdeckung und Ahndung der Verfehlungen durch Dritte, insbesondere Strafverfolgungs- oder Approbationsbehörden beruht (Senat, Beschl. v. 23.9.2015 – 8 LA 126/15 –, juris Rn. 13f.; v. 15.9.2015 – 8 LA 109/15 –, juris Rn. 13, 15 u. v. 29.7.2015 – 8 ME 33/15 -, juris Rn. 22).

Ausgehend hiervon bestehen keine ernstlichen Zweifel im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, dass der Kläger – entgegen der Auffassung seines Prozessbevollmächtigten – bei Erlass des Widerrufsbescheides vom 7. Januar 2019 die Würdigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufes noch nicht wiedererlangt hatte.

Zunächst ist auf den - allerdings nicht isoliert, sondern im Rahmen der erforderlichen Gesamtwürdigung zu berücksichtigenden - „Zeitfaktor“ hinzuweisen: Seit den mit Strafbefehl vom 26. Januar 2016 geahndeten Taten waren, worauf das Verwaltungsgericht zutreffend hingewiesen hat, 8 Jahre noch nicht verstrichen; die letzte Tat, die Gegenstand des zweiten Strafverfahrens gewesen ist, begangen im Februar 2015, liegt noch nicht 6 Jahre zurück. Auch die Tilgungsfrist von 5 Jahren (§ 56 Abs. 1 Nr. 1a BZRG) seit dem Strafbefehl vom … ist nicht abgelaufen, so dass der Kläger noch als vorbestraft gilt. Angesichts dessen ist die vom Kläger in der Zulassungsbegründung hervorgehobene Frage, ob Zeiten, die während eines strafrechtlichen und/oder berufsrechtlichen Verfahrens verstrichen sind, nur teilweise auf die Dauer der Bewährungsphase angerechnet werden können (vgl. Senat, Beschl. v. 23.9.2015 – 8 LA 126/15 –, juris Rn. 15; v. 15.9.2015 – 8 LA 109/15 –, juris Rn. 17 u. v. 29.7.2015 – 8 ME 33/15 -, juris Rn. 25; Anmerkung: Das vom Prozessbevollmächtigten des Klägers als abweichend angeführte Urteil v. 28.6.2016, Az. 7 A 287/14 –, juris (Rn. 45) ist ein solches des VG Schleswig, nicht des OVG Schleswig-Holstein), für das vorliegende Verfahren ohne Bedeutung. Bei den in der Rechtsprechung des Senats aufgestellten Regeln, deren aus seiner Sicht zu pauschale Anwendung durch das Verwaltungsgericht der Kläger kritisiert, handelt es sich um Orientierungshilfen für den Regelfall, denen ein starrer Schematismus nicht entnommen werden darf. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist geklärt, dass es in jedem Einzelfall einer Gesamtwürdigung unter Berücksichtigung aller Umstände bedarf und der Zeitablauf allein nicht ausschlaggebend für die Frage ist, ob die Würdigkeit zurückerlangt ist (BVerfG, Beschl. v. 8.9.2017 – 1 BvR 1657/17 –, juris Rn. 15; BVerwG, Beschl. v. 16.7.1996 - 3 B 44.96 -, juris Rn. 4; Senat, Beschl. v. 15.9.2015 – 8 LA 109/15 –, juris Rn. 17).

Dem Prozessbevollmächtigten des Klägers ist in diesem Zusammenhang zuzugeben, dass die von ihm angeführten Ausführungen des Bundessozialgerichts in seinem Urteil vom 17. Dezember 2012, in dem es sich kritisch zum Gedanken des „Wohlverhaltens“ äußert und das Fehlen handhabbare Kriterien zu dessen Anwendung bemängelt (BSG, Urt. v. 17. 10. 2012 – B 6 KA 49/11 R –, juris Rn. 42ff.), bedenkenswert sind. Allerdings ist dies nur bedingt einer Unschärfe der Kriterien geschuldet als vielmehr in der Tatsache begründet, dass die gebotene Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles einer pauschalen und generalisierenden Regelsetzung entgegensteht. Die Rechtsprechung des Senats berücksichtigt dies, indem sie verlangt, neben der Dauer der Bewährung alle Gesichtspunkte des Einzelfalles in die Betrachtung einzubeziehen (s. bereits die Grundsatzentscheidung des Senats v. 29.7.2015 – 8 ME 33/15 –, juris Rn. 21), so dass eine allein formelartige mathematische Berechnung von „Reifungszeiten“ zu kurz greift. Erforderlich ist vielmehr eine Gesamtwürdigung insbesondere der Art, Schwere und Zahl der Verfehlungen, die zur Annahme der Unwürdigkeit geführt haben, und die das Verhalten des Betreffenden nach der Aufgabe oder Aufdeckung der Verfehlungen, etwa seine Mitwirkung an der Aufklärung der gegen ihn erhobenen Vorwürfe, seine Einsicht in das begangene Unrecht und seine Bemühungen um eine Wiedergutmachung entstandener Schäden sowie das Ausbleiben erneuter, mit Blick auf die Würdigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs relevanter Verfehlungen mit einbezieht (vgl. BVerwG, Beschl. v. 15.11.2012 – 3 B 36/12 –, juris Rn. 7 u. v. 16.7.1996 - 3 B 44.96 -, juris Rn. 4; Senat, Beschl. v. 15.9.2015 – 8 LA 109/15 –, juris Rn. 17; u. v. 29.7.2015 – 8 ME 33/15 -, juris Rn. 21).

Auch die danach vorzunehmende Gesamtwürdigung begründet indes keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Soweit der Kläger geltend macht, das Verwaltungsgericht habe insbesondere nicht berücksichtigt, dass er sein Verordnungsverhalten nach März 2011 aufgegeben habe, noch bevor ihm Ende September 2011 das Ermittlungsverfahren zur Kenntnis gelangt sei, muss er sich zunächst entgegenhalten lassen, dass es sich hierbei nicht um einen Gesichtspunkt handelt, der als besondere Bewährung berücksichtigt werden könnte. Das Unterlassen der Verordnung medizinisch nicht indizierter Medikamente ist, zumal wenn sie das Wohl der Patienten gefährden können, selbstverständliche ärztliche Pflicht. Im Übrigen ist daran zu erinnern, dass ihm auch in dem (zweiten) Strafverfahren (Az.: …) vorgeworfen wurde, in der Folgezeit Anfang 2013 bis Anfang 2015 Patienten Medikamente verordnet zu haben, die medizinisch kontraindiziert oder jedenfalls medizinisch nicht indiziert waren. Was den Vortrag angeht, es sei zu berücksichtigen, dass er bei Aufklärung mitgeholfen, der Staatsanwaltschaft Auskunft gegeben und den Praxiscomputer übergeben habe, ist darauf hinzuweisen, dass Kläger ohnehin damit rechnen musste, dass der Praxiscomputer und seine ärztlichen Unterlagen beschlagnahmt werden würden. Die behauptete Mitwirkungsbereitschaft muss zudem im Hinblick darauf, dass der Kläger der mündlichen Verhandlung vor dem Strafgericht in beiden Verfahren ferngeblieben ist und in der Hauptverhandlung daher keinerlei Angaben gemacht hat, die der weiteren Aufklärung hätten dienen können, relativiert werden. Die vom Kläger hervorgehobene geringe Höhe der im Strafbefehl verhängten Strafe von 90 Tagessätzen, was sich im unteren Bereich des Strafrahmens verhält, dürfte dem Umstand geschuldet sein, dass allein eine Untreue (§ 266 StGB) angeklagt und der Gesamtschaden mit knapp 900 € gering war. Dies erschöpft die gegen die ärztliche Berufsausübung des Klägers zu erhebenden Vorwürfe indes nicht, da auch die eingetretene konkrete Gefährdung des Patientenwohls, die Verstöße gegen ärztlich Standards in der Verordnungspraxis und die mangelhafte Patientendokumentation – entgegen der Auffassung des Klägers – nicht außer Betracht bleiben können. Soweit der Kläger anführt, er habe „… mit Ausnahme des zweiten … Strafverfahrens“ seine Praxis „seitdem“ beanstandungsfrei geführt, ist auf den Tatvorwurf dieses zweiten Verfahrens zu verweisen, in dem er angeklagt war, im Zeitraum von Januar 2013 bis Februar 2015 Patienten Medikamente verordnet zu haben, die medizinisch kontraindiziert oder jedenfalls medizinisch nicht indiziert waren. Entgegen der von ihm vertretenen Auffassung müssen diese Vorgänge – wie unter I. 3. dargelegt – nicht allein deshalb außer Betracht bleiben, weil das Verfahren mit einer Einstellung nach § 153a Abs. 2 StPO unter Auflage endete, sondern sind einer eigenständigen Bewertung durch die Approbationsbehörden zugänglich. Wenn der Kläger zu seiner Entlastung vorträgt, alle Patienten, denen er die betreffenden Medikamente verordnet habe, seien Angehörige einer Großfamilie, die „… durch List und Tücke Verordnungen erschlichen (hätten)“, muss er sich, insbesondere im Hinblick auf die Vielzahl der ausgestellten Verordnungen, nicht allein Naivität entgegenhalten lassen, sondern auch, dass die gebotene sorgfältige Anamnese, zu der die Abklärung vorangegangener Behandlungen bei anderen Ärzten gehört, eine derartige Täuschung hätte aufdecken sollen, zumal jedenfalls im Laufe der Zeit gravierende Verdachtsmomente, wie die – vom Kläger selbst angeführten – Behauptungen angeblichen Rezeptverlustes, hinzutraten. Im Übrigen bleibt der Vorwurf, keine ordnungsgemäße Behandlungsdokumentation geführt zu haben, hiervon unberührt. Soweit der Kläger darauf hinweist, dass er selbst keinerlei Vorteile aus den Verordnungen gezogen habe, ist dies nach den in den Strafverfahren getroffenen Feststellungen zutreffend. Der Umstand, keine (weiteren) Vorteile erlangt zu haben, ist allerdings in der Prüfung der Vorwürfe bereits (mit-) berücksichtigt, weil er in der geringen Höhe der Strafe des Klägers seinen Niederschlag gefunden hat. Ohnehin kann das Fehlen von Gesichtspunkten, die ein besonderes Gewicht der gegen die ärztliche Berufsausübung erhobenen Vorwürfe begründen würden, nicht notwendig bereits als Bewährungsfaktor im Rahmen der Wiedererlangung der Würdigkeit veranschlagt werden.

Somit ist auch nach einer Gesamtwürdigung der Vorwürfe gegen den Kläger nicht davon auszugehen, dass er bereits vor Januar 2019 die Würdigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufes zurückerlangt hat. Die in den durchgeführten Strafverfahren getroffenen Feststellungen hinsichtlich der Verletzung seiner ärztlichen Berufspflichten tragen – wie dargelegt – den Widerruf der Approbation. Zwar mögen die erhobenen Vorwürfe geringer wiegen als der Kläger es den Ausführungen des verwaltungsgerichtlichen Urteils entnimmt. Entscheidend ist aber allein, ob die berechtigtermaßen gegen seine (weitere) Berufsausübung erhobenen Vorwürfe ausreichend waren, um im rechtlich maßgeblichen Zeitpunkt, d. h. bei Erlass des Bescheides vom 7. Januar 2019, den Widerruf der Approbation zu rechtfertigen (st. Rspr. vgl. nur BVerwG, Beschl. v. 31.7.2019 – 3 B 7/18 –, juris Rn. 9 m.w.N.; Senat, Beschl. v. 23.9.2015 – 8 LA 126/15 –, juris Rn. 10 u. v. 15.9.2015 – 8 LA 109/15 –, juris Rn. 12). Über die Dauer der vom Kläger vor einer Wiedererteilung der Approbation oder Gestattung der erneuten ärztlichen Berufsausübung abzuwartende Bewährungsfrist ist – wie nachfolgend ausgeführt - im vorliegenden Verfahren nicht zu entscheiden.

2. Die Berufung ist auch nicht im Hinblick auf Fragen der Dauer der Bewährungszeit wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen.

Eine solche grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine höchstrichterlich noch nicht beantwortete Rechtsfrage oder eine obergerichtlich bislang ungeklärte Tatsachenfrage von allgemeiner Bedeutung aufwirft, die sich im Rechtsmittelverfahren stellen würde und im Interesse der Einheit der Rechtsprechung oder der Weiterentwicklung des Rechts einer fallübergreifenden Klärung durch das Berufungsgericht bedarf (Senat, Beschl. v. 17.5.2016 – 8 LA 40/16 –, juris Rn. 32 u. v. 23.9.2015 – 8 LA 126/15 –, juris 23). Um die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO darzulegen, hat der Zulassungsantragsteller die für fallübergreifend gehaltene Frage zu formulieren sowie näher zu begründen, weshalb sie eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung hat und ein allgemeines Interesse an ihrer Klärung besteht. Darzustellen ist weiter, dass sie entscheidungserheblich ist und ihre Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten steht (Senat, Beschl. v. 17.5.2016 – 8 LA 40/16 –, juris Rn. 32 u. V. 15.8.2014 - 8 LA 172/13 -, juris Rn. 15; Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 17.2.2010 - 5 LA 342/08 -, juris Rn. 12).

Die vom Kläger in der Zulassungsbegründung aufgeworfenen – als grundsätzlich bezeichneten – Fragen „… ob im Rahmen der für die Beurteilung der Wiedererlangung der Approbation erforderlichen Gesamtschau die Dauer der Periode des Wohlverhaltens im Regelfall mit 8 Jahren zu bemessen ist und nur ausnahmsweise verkürzt werden kann und ob in jedem Einzelfall ein zeitlicher Abschlag für die Dauer behördlicher oder gerichtlicher Verfahren vorzunehmen ist“, stellen sich im vorliegenden Verfahren nicht. Streitgegenstand des Verfahrens ist der Widerruf der Approbation, nicht ihre Wiedererteilung, so dass im Hinblick auf Letztere grundsätzliche Fragen nicht entscheidungserheblich werden können und sich einer Klärung im Berufungsverfahren daher entziehen. Die vom Prozessbevollmächtigten des Klägers formulierten Fragen zur Dauer der Bewährung im Hinblick auf die Anrechnung von Zeiten während laufender straf- und berufsrechtlicher Verfahren würden sich nur dann in entscheidungserheblicher Weise stellen, wenn von einer Wiedererlangung der beruflichen Würdigkeit bereits vor Januar 2019 als dem für die rechtliche Würdigung des Approbationswiderrufs maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerrufsbescheides auszugehen wäre. Diese Voraussetzung ist hier indes nicht erfüllt, da – wie oben unter II. ausgeführt – der Entzug der Approbation zu diesem Zeitpunkt gerechtfertigt war.

Die Frage der Wiedererteilung der Approbation oder der Erteilung einer Erlaubnis zur Ausübung des Berufs nach § 8 BÄO ist hiervon zu trennen (BVerwG, Beschl. v. 16.2.2016 - 3 B 68/14 -, juris Rn. 9). Die Beurteilung, ob das für die erneute Ausübung der ärztlichen Tätigkeit unabdingbare Vertrauen in die persönliche Integrität des Klägers in den Augen der Öffentlichkeit zwischenzeitlich zurückerlangt oder hinreichend wahrscheinlich ist, dass die Voraussetzungen nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 BÄO jedenfalls nach Ablauf der Zweijahresfrist des § 8 Abs. 1 BÄO erfüllt sein werden (vgl. Senat, Beschluss vom 29. Juli 2015 – 8 ME 33/15 –, juris Rn. 17), hat unter Berücksichtigung des gesamten Nachtatverhaltens zu erfolgen und auch die Zeiträume nach dem Erlass des Widerrufsbescheides am 7. Januar 2019 in die Betrachtung einzubeziehen (BVerwG, Beschl. v. 16.2.2016 - 3 B 68/14 -, juris Rn. 9 u. v. 15.11.2012 – 3 B 36/12 –, juris Rn. 6f.), was im vorliegenden Verfahren ausgeschlossen ist. Der Widerruf der Approbation bildet eine Zäsur, durch die eine Berücksichtigung nachträglich eingetretener Umstände einem Verfahren auf Wiedererteilung der Approbation bzw. Gestattung der erneuten Ausübung des ärztlichen Berufes zugewiesen wird (BVerwG, Beschl. v. 27.10.2010 – 3 B 61/10 –, juris Rn. 8). Der Kläger muss sich daher darauf verweisen lassen, die entsprechenden berufsrechtlichen Anträge zu stellen und in diesen Verfahren seinen Standpunkt geltend zu machen, bevor er – gegebenenfalls – eine gerichtliche Klärung anstreben kann.

3. Soweit der Prozessbevollmächtigte des Klägers im Urteil des Verwaltungsgerichts eine Divergenz zu der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. November 2012 (Az. 3 B 36.12, juris) sieht, weil es – im Gegensatz zur Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts – für die Frage der Wiedererteilung der Approbation nicht eine „… Gesamtbetrachtung …“, sondern den „… zeitlichen Abstand … in den Vordergrund (rücke)“, und darin den Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO verwirklicht sieht, ist dieser Auffassung nicht zu folgen.

Nach der genannten Vorschrift ist die Berufung zuzulassen, wenn das verwaltungsgerichtliche Urteil von einem in der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts aufgestellten, dieselbe Rechtsfrage betreffenden und die Entscheidung tragenden Rechtssatz abweicht (BVerwG, Beschl. v. 13.4.2012 – 8 B 86/11 –, juris Rn. 12; Senat, Beschl. v. 21.5.2013 – 8 LA 54/13 –, juris Rn. 16). Die nach Auffassung des Rechtsmittelführers divergierenden Rechtssätze müssen einander gegenübergestellt werden (BVerwG, Beschl. v. 13.4.2012 – 8 B 86/11 –, juris Rn. 12 m.w.N.; Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 1.10.2008 - 5 LA 64/06 -, juris Rn. 16). Das bloße Aufzeigen einer vermeintlich fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen, die das Divergenzgericht in seiner Rechtsprechung aufgestellt hat, genügt den Darlegungsanforderungen einer Divergenzrüge nicht, weil die bloße unrichtige oder unterbliebene Anwendung eines obergerichtlich oder höchstrichterlich aufgestellten Rechtssatzes den Zulassungsgrund nicht erfüllt (BVerwG, Beschl. v. 13.4.2012 – 8 B 86/11 –, juris Rn. 12; Beschl. v. 18.9.2006 - 10 B 55.06 -; juris Rn. 7; Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 1.7.2019 – 13 LA 11/19 –, juris Rn. 45; Senat, Beschl. v. 21.5.2013 – 8 LA 54/13 –, juris Rn. 16).

Das vom Prozessbevollmächtigten des Klägers angeführte Verfahren des Bundesverwaltungsgerichts (Beschl. v. 15.11.2012 - 3 B 36.12 -, juris) betraf die von der Klägerin dort begehrte Feststellung, dass die Zurückstellung der Wiedererteilung ihrer Approbation als Ärztin rechtswidrig gewesen sei. Die Wiedererteilung der Approbation ist indes, wie unter II 2. bereits ausgeführt, von dem hier allein zu beurteilenden Widerruf der Approbation zu trennen (BVerwG, Beschl. v. 16.2.2016 - 3 B 68/14 -, juris Rn. 9), schon weil es um andere Beurteilungszeiträume geht. Das Bundesverwaltungsgericht betont in seiner Entscheidung vom 15. November 2012 zudem, dass die Frage, ob die Voraussetzungen für die Wiedererteilung der Approbation vorliegen, allein die tatrichterliche Überzeugung im Einzelfall betrifft und dies auch für den Gesichtspunkt des Zeitablaufs gilt, dem je nach Lage des Falles ein mehr oder weniger großes Gewicht zukomme, ebenso wie den Umständen im Übrigen, deren Bedeutung angesichts der Vielgestaltigkeit der Sachverhalte nicht verallgemeinernd geklärt werden könne (BVerwG, Beschl. v. 15.11.2012 - 3 B 36.12-, juris Rn. 8f.). Dass das Verwaltungsgericht sich von diesen Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts hat absetzen wollen, ist seinen Entscheidungsgründen nicht zu entnehmen; dazu hätte es im Übrigen auch keinerlei Anlass gehabt, weil der Gegenstand der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ein anderer war.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1 GKG und Nr. 16.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NordÖR 2014, 11).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).