Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 17.12.2012, Az.: 5 LA 186/11
Bestimmen des Vorliegens von Schichtarbeit nach § 20 Abs. 2 S. 1 EZulV ausgehend von der Organisationseinheit
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 17.12.2012
- Aktenzeichen
- 5 LA 186/11
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2012, 29663
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2012:1217.5LA186.11.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Oldenburg - 16.03.2011 - AZ: 6 A 890/09
Rechtsgrundlage
- § 20 Abs. 2 S. 1 EZulV
Fundstelle
- DÖD 2013, 75-76
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Mit der Bezugnahme auf einen Schichtplan gibt § 20 Abs. 2 Satz 1 EZulV zu erkennen, dass die Frage, ob Schichtarbeit vorliegt, ausgehend von der Organisationseinheit zu bestimmen ist, für die der Beamte bzw. Soldat tätig ist (wie BAG, Urteil vom 24.9.2008 - 10 AZR 770/07 -, [...] Rn. 23, zu§ 7 Abs. 1 TVöD).
- 2.
Organisationseinheit in diesem Sinne ist diejenige Organisationseinheit, der eine bestimmte Arbeitsaufgabe zugeordnet ist.
[Gründe]
Der Kläger, ein Major der Luftwaffe, begehrt die Zahlung einer Schichtzulage.
Der Kläger war bis Oktober 2009 Angehöriger der 1. Jagdstaffel beim Jagdgeschwader B.. Die 1. Jagdstaffel teilt sich mit der 2. Jagdstaffel die Aufgaben der Fliegenden Gruppe des Jagdgeschwaders. Auf der Ebene der Fliegenden Gruppe besteht ein Dienstplan, der regelt, dass beide Jagdstaffeln im wöchentlichen Wechsel Früh- bzw. Spätdienst leisten. Ein Dienstplan auf der Ebene der Staffeln setzt diese Vorgabe im Einzelnen um. Einen Antrag des Klägers auf Gewährung einer Schichtzulage gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 lit. c) EZulV lehnte die Beklagte ab, weil es sich bei dem Dienstbetrieb der fliegenden Staffeln nicht um einen Schichtbetrieb, sondern um einen verschobenen Dienstbeginn im wöchentlichen Wechsel handele.
Das Verwaltungsgericht hat der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Kläger im Schichtdienst arbeite. Die 1. Jagdstaffel sei nicht als selbstständige Organisationseinheit, sondern im Hinblick auf die arbeitsteilig wahrgenommene Aufgabe gemeinsam mit der 2. Jagdstaffel zu betrachten.
II.
Der Zulassungsantrag bleibt ohne Erfolg.
Die von der Beklagten dargelegten Zulassungsgründe, auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist, liegen nicht vor (§ 124 a Abs. 5 Satz 2 VwGO).
Die Voraussetzungen des geltend gemachten Zulassungsgrundes der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) sind nicht erfüllt.
Ernstliche Zweifel sind erst dann zu bejahen, wenn bei der Überprüfung im Zulassungsverfahren, also aufgrund der Begründung des Zulassungsantrages und der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts, gewichtige, gegen die Richtigkeit der Entscheidung sprechende Gründe zu Tage treten, aus denen sich ergibt, dass ein Erfolg der erstrebten Berufung mindestens ebenso wahrscheinlich ist wie ein Misserfolg. Das ist der Fall, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird. Die Richtigkeitszweifel müssen sich auch auf das Ergebnis der Entscheidung beziehen; es muss also mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein, dass die Berufung zur Änderung der angefochtenen Entscheidung führt. Um ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils darzulegen, muss sich der Zulassungsantragsteller substantiiert mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen. Welche Anforderungen an Umfang und Dichte seiner Darlegung zu stellen sind, hängt deshalb auch von der Intensität ab, mit der die Entscheidung des Verwaltungsgerichts begründet worden ist. Ist das angegriffene Urteil auf mehrere selbständig tragende Begründungen gestützt, müssen hinsichtlich aller dieser Begründungen Zulassungsgründe hinreichend dargelegt werden (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 25.4.2008 - 5 LA 154/07 -).
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit macht die Beklagte nur insoweit geltend, als das Verwaltungsgericht die beiden Jagdstaffeln der Fliegenden Gruppe des Jagdgeschwaders C. nicht als selbstständige Organisationseinheiten angesehen hat. Die Fliegende Gruppe sei gerade deshalb in zwei Staffeln aufgeteilt worden, weil beide selbstständige Organisationseinheiten seien. Andernfalls sei eine Aufteilung praktisch sinnlos. Mit diesen Ausführungen dringt die Beklagte nicht durch.
Gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 lit. c) EZulV erhalten Beamte und Soldaten, wenn sie ständig Schichtdienst zu leisten haben, eine Schichtzulage von 35,79 Euro monatlich, wenn der Schichtdienst innerhalb einer Zeitspanne von mindestens 13 Stunden geleistet wird. Schichtdienst ist nach der Begriffsdefinition der Vorschrift ein Dienst nach einem Schichtplan, der einen regelmäßigen Wechsel der täglichen Arbeitszeit in Zeitabschnitten von längstens einem Monat vorsieht.
Mit der Bezugnahme auf einen Schichtplan gibt § 20 Abs. 2 Satz 1 EZulV zu erkennen, dass die Frage, ob Schichtarbeit vorliegt, ausgehend von der Organisationseinheit zu bestimmen ist, für die der Beamte bzw. Soldat tätig ist (vgl. BAG, Urteil vom 24.9.2008 - 10 AZR 770/07 -, [...] Rn. 23, zu § 7 Abs. 1 TVöD). Organisationseinheit in diesem Sinne ist diejenige Organisationseinheit, der eine bestimmte Aufgabe zugeordnet ist. Bei dieser Aufgabe muss es sich um eine übereinstimmende Arbeitsaufgabe handeln, die von untereinander austauschbaren Personen oder Personengruppen erfüllt wird. Dabei muss der gesamte Arbeitsinhalt der sich gegenseitig ablösenden Personen übereinstimmen (vgl. BAG, Urteil vom 20.4.2005 -10 AZR 302/04, [...] Rn. 17-18).
Nicht maßgeblich ist vor diesem Hintergrund, welcher Organisationseinheit der Beamte oder Soldat unmittelbar untersteht. Letzteres folgt bereits daraus, dass Schichtarbeit nicht nur von einzelnen Beamten bzw. Soldaten sondern auch von Gruppen von Beamten bzw. Soldaten verrichtet werden kann. Ausgehend hiervon kann nicht die jeweilige Beamten- bzw. Soldatengruppe die maßgebliche Organisationseinheit darstellen. Entscheidend ist, dass eine bestimmte Aufgabe über einen erheblich längeren Zeitraum als die tägliche Arbeitszeit arbeitsteilig von mindestens zwei Beamten bzw. Soldaten in einem regelmäßigen Wechsel der täglichen Arbeitszeit in Zeitabschnitten von längstens einem Monat erbracht wird.
Dieses Verständnis des Begriffs der Schichtarbeit entspricht dem Sinn und Zweck der Regelung des § 20 Abs. 2 EZulV. Die Schichtzulage stellt einen Ausgleich für die mit der ständigen Umstellung des Arbeits- und Lebensrhythmus verbundenen gesundheitlichen und sozialen Auswirkungen dar (vgl. BVerwG, Urteil vom 21.3.1996 - BVerwG 2 C 24.95 -, [...] Rn. 27; Urteil vom11.12.1997 - BVerwG 2 C 36.96 -, [...] Rn. 31). Diese Auswirkungen hängen nicht von der personellen Zuordnung des Beamten bzw. Soldaten zu einer Organisationseinheit, sondern davon ab, ob eine bestimmte Aufgabe auf Dauer in arbeitsteiliger Form außerhalb der üblichen Arbeitszeiten zu leisten ist.
Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe erweist sich die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts als zutreffend. Das Verwaltungsgericht hat darauf abgestellt, dass die Aufgabe auf der Ebene der Fliegenden Gruppe anfällt und von beiden Staffeln arbeitsteilig übernommen wird. Dagegen ist nichts zu erinnern. Die Richtigkeit dieser Rechtsauffassung folgt auch aus dem erstinstanzlichen Vortrag der Beklagten selbst. Die zur Akte gereichte Stellungnahme des Kommandeurs der Fliegenden Gruppe beim Jagdgeschwader C. vom 5. Januar 2010 zeigt den Schichtplan der Gruppe, der die Aufgaben im wöchentlichen Wechsel zwischen Früh- und Spätdienst auf die beiden Staffeln verteilt. Auf diesen Schichtplan und nicht auf die Umsetzung des Plans in den einzelnen Staffeln kommt es an.
Die Berufung ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen.
Grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO hat eine Rechtssache dann, wenn sie eine grundsätzliche, fallübergreifende Rechts- oder Tatsachenfrage aufwirft, die im allgemeinen Interesse der Klärung bedarf. Das ist nur dann zu bejahen, wenn die Klärung der Frage durch die im erstrebten Berufungsverfahren zu erwartende Entscheidung zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder für eine bedeutsame Fortentwicklung des Rechts geboten erscheint (Nds. OVG, Beschluss vom 1.10.2008 - 5 LA 64/06 -, [...] Rn. 14). Die grundsätzliche Bedeutung kann sich im Einzelfall auch daraus ergeben, dass das Urteil des Verwaltungsgerichts von der Rechtsprechung eines anderen als des im Instanzenzug nachfolgenden, in § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO genannten Oberverwaltungsgerichts abweicht, soweit dies ein Bedürfnis nach einer obergerichtlichen Klärung auslöst (vgl. Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 124 Rn. 132). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.
Zunächst ist dem von der Beklagten zitierten Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (Beschluss vom 11.5.1998 - 3 ZB 98.127 -, [...]) hinsichtlich der Frage der zu betrachtenden Organisationseinheit kein abstrakter Rechtssatz zu entnehmen, von dem das Verwaltungsgericht abweichen könnte. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat zwar festgestellt, dass der Kläger des dortigen Verfahrens der 2. Jagdbomberstaffel angehörte, "die eine selbstständige Organisationseinheit ist, genauso wie die 1. Jagdbomberstaffel (vgl. Schriftsatz d. Beklagten v. 20.4.1998, B. 52 ff d. VGH-Akte)". Über diese Bezugnahme auf einen inhaltlich nicht wiedergegebenen Schriftsatz hinaus enthält der Beschluss jedoch weder eine Begründung, noch lässt er überhaupt erkennen, in welchem Sinne der Begriff der Organisationseinheit verstanden wird. Dem Beschluss ist auch nicht zu entnehmen, ob der Frage der Organisationseinheit im Ergebnis eine rechtliche Bedeutung zukommt. Den in dem Beschluss hervorgehobenen nachfolgenden Textpassagen ist vielmehr zu entnehmen, dass der Bayerische Verwaltungsgerichts hat das Tatbestandsmerkmal des regelmäßigen Wechsels als nicht erfüllt ansah.
Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs enthält darüber hinaus auch keine verallgemeinerungsfähigen Tatsachenfeststellungen. Es bleibt bereits offen, in welchem Sinne der Begriff der Organisationseinheit verstanden wird. Überdies macht sich der Verwaltungsgerichtshof lediglich den Vortrag der Beklagten des dortigen Verfahrens zu eigen; die Entscheidung geht damit in ihrer Bedeutung nicht über den entschiedenen Einzelfall hinaus.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).