Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 13.10.2008, Az.: 4 ME 287/08
Bestehen einer Bindungswirkung einer Entscheidung der Schulbehörde über die Schulform bei der Gewährung von Eingliederungshilfe nach § 35a Sozialgesetzbuch Achtes Buch (SGB VIII)
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 13.10.2008
- Aktenzeichen
- 4 ME 287/08
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2008, 27799
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2008:1013.4ME287.08.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Hannover - 13.08.2008 - AZ: 3 B 3703/08
Rechtsgrundlagen
- § 35a SGB VIII
- § 68 NSchG
Fundstellen
- NVwZ 2009, 338-339 (Volltext mit amtl. LS)
- NVwZ-RR 2009, VI Heft 7 (amtl. Leitsatz)
- NVwZ-RR 2009, 338-339
Amtlicher Leitsatz
Orientierungssatz:
Zur Bindungswirkung der Entscheidung der Schulbehörde über die Schulform bei der Gewährung von Eingliederungshilfe nach § 35 a SGB VIII
Gründe
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts, mit dem dieses die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet hat, dem Antragsteller vorläufig Eingliederungshilfe nach 35 a SGB VIII durch Übernahme der Kosten für einen Schulbegleiter zu gewähren, hat keinen Erfolg.
Das Verwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass der Antragsteller einen Anspruch auf die von ihm begehrte Übernahme der Kosten für einen Schulbegleiter im Rahmen der Eingliederungshilfe nach 35 a SGB VIII hinreichend glaubhaft gemacht hat, weil er dieser Hilfe für den der Entscheidung der Schulbehörde entsprechenden Besuch der Haupt- und Realschule in D. bedarf. Dem kann die Antragsgegnerin nicht entgegen halten, dass der Antragsteller wegen seines sonderpädagogischen Förderbedarfs nach wie vor einer Förderschule zugewiesen sei und daher die Haupt- und Realschule nicht die geeignete Schule für ihn sei.
Nach § 68 Abs. 1 Satz 1 NSchG sind Schüler mit einem sonderpädagogischen Förderbedarf, der hier in dem Bescheid der Landesschulbehörde vom 12. Juni 2006 erstmals festgestellt worden ist, zum Besuch der für sie geeigneten Förderschule verpflichtet. Diese Verpflichtung besteht jedoch nach Satz 2 dieser Vorschrift nicht, wenn die notwendige Förderung in einer Schule einer anderen Schulform gewährleistet ist. Ob die Verpflichtung zum Besuch einer Förderschule besteht und welche Schule zu besuchen ist, entscheidet nach § 68 Abs. 2 Satz 1 NSchG die Schulbehörde. Diese Entscheidung der Schulbehörde hat der Jugendhilfeträger zu respektieren und hinzunehmen, und zwar auch dann, wenn die Schulbehörde die Auswahl unter mehreren nach dem Bedarf des Schülers in Betracht kommenden Schulen / Schulformen letztlich dessen Eltern überlassen hat (BVerwG, Urteil vom 26.10.2007 - 5 C 35.06 -, BVerwGE 130, 1, zu den entsprechenden Regelungen der Eingliederungshilfe im BSHG).
Hier hat die Landesschulbehörde in ihrem Bescheid vom 2. Juni 2008, der mit "Entscheidung über den weiteren Schulbesuch" überschrieben ist, festgestellt, dass bei dem Antragsteller ein Förderbedarf mit dem Schwerpunkt Sprache weiterhin besteht, die Eltern jedoch mit dem Besuch der zuständigen Förderschule nicht einverstanden sind, und auf dieser Grundlage sodann mit der an die Eltern gerichteten Aufforderung "Deshalb melden Sie ihren Sohn bitte zum 01.08.2008 in der Haupt- und Realschule E. in D. an" entschieden, dass der Antragsteller die von seinen Eltern gewählte Haupt- und Realschule besuchen soll. Demnach hat die Landesschulbehörde eine Entscheidung gemäß § 68 Abs. 2 Satz 1 NSchG getroffen, wonach bei dem Antragsteller zwar weiterhin ein sonderpädagogischer Förderbedarf besteht (§ 68 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 14 Abs. 1 Satz 1 NSchG), er jedoch nicht zum Besuch der Förderschule verpflichtet ist, weil die notwendige Förderung offenbar auch in einer anderen Schulform gewährleistet ist (§ 68 Abs. 1 Satz 2 NSchG), und er stattdessen die Haupt- und Realschule in D. besuchen soll. Bestätigt wird diese Auslegung durch das Schreiben der Landesschulbehörde vom 24. Juli 2008, in dem sie eine integrative Beschulung mit einer Schulbegleitung, die auch für den Besuch der Förderschule erforderlich wäre, für möglich hält. Diese Entscheidung der Schulbehörde hat die Antragsgegnerin mangels eigener Kompetenz und Zuständigkeit hinzunehmen und kann sie daher nicht mit eigenen Erwägungen über die geeignete Schulform in Frage stellen. Dies würde nach der zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Übrigen auch dann gelten, wenn der Bescheid der Landesschulbehörde vom 2. Juni 2008 dahingehend zu verstehen wäre, dass sie den Eltern letztlich die Entscheidung überlassen hätte, ob sie ihr Kind bei der Förderschule oder der - ebenfalls geeigneten - Haupt- und Realschule anmelden.