Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 17.08.2021, Az.: 5 LA 130/20
beihilfefähig; Beihilfefähigkeit; Fahrtkosten
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 17.08.2021
- Aktenzeichen
- 5 LA 130/20
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2021, 70916
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 13.07.2020 - AZ: 8 A 333/18
Rechtsgrundlagen
- § 26 Abs 2 BhV ND 2011
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Die Regelung über die Beihilfefähigkeit von Fahrtkosten in § 26 NBhVO ist abschließend
Tenor:
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Lüneburg - 8. Kammer (Einzelrichterin) - vom 13. Juli 2020 wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Zulassungsverfahren auf 1.394,40 EUR festgesetzt
Gründe
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg, weil die von ihm geltend gemachten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) bereits nicht den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechend dargelegt worden sind.
1.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des vorinstanzlichen Urteils sind zu bejahen, wenn bei der Überprüfung im Zulassungsverfahren, also aufgrund der Begründung des Zulassungsantrags und der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts, gewichtige, gegen die Richtigkeit der Entscheidung sprechende Gründe zutage treten, aus denen sich ergibt, dass ein Erfolg der erstrebten Berufung mindestens ebenso wahrscheinlich ist wie ein Misserfolg. Das ist der Fall, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt werden. Die Richtigkeitszweifel müssen sich auch auf das Ergebnis der Entscheidung beziehen; es muss also mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein, dass die Berufung zur Änderung der angefochtenen Entscheidung führt. Um ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils darzulegen, muss sich der Zulassungsantragsteller substantiiert mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen. Welche Anforderungen an Umfang und Dichte seiner Darlegung zu stellen sind, hängt deshalb auch von der Intensität ab, mit der die Entscheidung des Verwaltungsgerichts begründet worden ist (Nds. OVG, Beschluss vom 7.4.2011 - 5 LA 28/10 -). Ist das angegriffene Urteil auf mehrere selbständig tragende Begründungen gestützt, müssen hinsichtlich aller dieser Begründungen Zulassungsgründe dargelegt werden (Nds. OVG, Beschluss vom 24.3.2011 - 5 LA 300/09 -, juris Rn. 6; Beschluss vom 30.8.2011 - 5 LA 214/10 -, juris Rn. 3).
Ausgehend von diesen Grundsätzen führt das Vorbringen des Klägers nicht zur Zulassung der Berufung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO
Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit dem sinngemäßen Antrag abgewiesen, die Beklagte unter Aufhebung näher bezeichneter Bescheide zu verpflichten, weitere Beihilfe für Fahrtkosten in Höhe von 1.992 EUR für ambulante Behandlungen im C. (D.) im Nachgang zu einer Lebertransplantation zu bewilligen. Hinsichtlich des angefochtenen Bescheides vom 7. September 2018 sei die Klage unzulässig. Im Übrigen sei die Klage zwar zulässig, aber unbegründet. Der Kläger habe keinen Anspruch auf weitere Beihilfe. Ein Anspruch des Klägers auf die Gewährung von Beihilfe für die von ihm geltend gemachten Fahrtkosten bestehe nicht. Ein solcher Anspruch ergebe sich nicht aus § 26 Abs. 2 NBhVO. Die Voraussetzungen der in Betracht kommenden Nummern 3, 6, 7 und 8 lägen nicht vor. Eine Beihilfefähigkeit nach Nr. 3 sei nicht gegeben, weil die Fahrtkosten im Zusammenhang mit einer ambulanten Behandlung, nicht aber mit einer nachstationären Behandlung angefallen seien. Eine Beihilfefähigkeit nach Nr. 6 der Vorschrift sei zu verneinen, weil es sich bei der Behandlung des Klägers nicht um eine ambulante onkologische Strahlentherapie, eine ambulante parenterale antineoplastische Arzneimitteltherapie oder eine ambulante parenterale onkologische Chemotherapie gehandelt habe. Gleiches gelte für Nr. 7 der Vorschrift, wonach Fahrten im Zusammenhang mit einer ambulanten Krankenhausbehandlung eines Beihilfeberechtigten oder berücksichtigungsfähigen Angehörigen beihilfefähig seien, die einen Schwerbehindertenausweis mit dem Merkzeichen „aG“, „H“ oder „Bl“ besäßen oder die mindestens dem Pflegegrad 3 im Sinne des § 15 SGB XI zugeordnet seien. Ebenfalls sei ein Fall der Nr. 8 der Vorschrift nicht gegeben. Nach dieser Regelung seien in besonderen Ausnahmefällen Fahrten im Zusammenhang mit einer ambulanten Krankenhausbehandlung beihilfefähig, wenn die Feststellungsstelle das Vorliegen eines besonderen Ausnahmefalles vorher anerkannt habe. Die Voraussetzungen seien nicht gegeben. So fehle es bereits an einer vorherigen Anerkennung eines besonderen Ausnahmefalles durch die Festsetzungsstelle. Zudem liege ein besonderer Ausnahmefall nicht vor. Auch im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung würden Fahrtkosten nur bei vorheriger Genehmigung in besonderen Ausnahmefällen gewährt. Ferner werde nach § 8 Abs. 2 Krankentransport-RL für eine Kostenerstattung u.a. eine „hohe Behandlungsfrequenz über einen längeren Zeitraum“ vorausgesetzt, die u.a. bei einer Dialysebehandlung, einer onkologischen Strahlentherapie oder einer onkologischen Chemotherapie im Regelfall bejaht werde. Ein vergleichbarer Ausnahmefall liege hier nicht vor, weil die Nachsorgeuntersuchungen des Klägers nach einer Lebertransplantation nicht den vorgenannten Behandlungen vergleichbar seien. Dass der Kläger vor jeder ambulanten Nachsorgeuntersuchung am D. bei seinem Hausarzt vor Ort eine Blutprobe habe nehmen lassen, begründe keine einer Dialysebehandlung vergleichbare Situation, so dass sich daraus ein Ausnahmefall im Sinne des § 26 Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 NBhVO nicht ergebe. Der Vortrag des Klägers, sein Fall komme einer Gehbehinderung im Sinne des § 26 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 a) NBhVO gleich, greife nicht durch. Eine Gehbehinderung sei ein dauerhafter, in der Regel unumkehrbarer Zustand, der nicht mit einer sich über einen absehbaren Zeitraum ersteckenden Nachkontrolle sowie Vermeidung einer Infektionsgefahr durch Meidung etwa öffentlicher Verkehrsmittel verglichen werden könne.
Hiergegen wendet der Kläger zur Begründung ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts ein, dieses habe übersehen, dass die Regelung des § 26 NBhVO nicht einem abschließenden Katalog gleich eine Beihilfefähigkeit normiere, sondern auch dem Sinn und Zweck entsprechend auszulegen sei, wenn ein gleichartiger Fall gegeben sei. Es sei aus seiner Sicht richtig, dass das Regelungskonzept des § 26 NBhVO der Rechtlage bei gesetzlich Krankenversicherten entspreche, bei deren Vergleich er auch nicht besser stehen wolle. Er sehe seinen Behandlungsverlauf daher gleichgelagert, wie die - nicht abschließenden - Regelungen der NBhVO.
Mit diesem Vorbringen legt der Kläger ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils nicht dar. Er setzt sich mit den Gründen des angefochtenen Urteils nicht substantiiert auseinander, insbesondere zur teilweisen Unzulässigkeit der Klage. Soweit er geltend macht, dass die Regelung der Beihilfefähigkeit von Fahrtkosten in § 26 NBhVO nicht abschließend sei, begründet er seine Ansicht nicht näher. Der Einwand greift auch in der Sache nicht durch, weil nach dem Wortlaut und der Regelungssystematik von einer abschließenden Regelung auszugehen ist (so auch Topka/Möhle, Kommentar Beihilferecht Niedersachsens und des Bundes - Stand: März 2021 - § 26 Anm. 1). Bereits der Wortlaut der Vorschrift spricht dafür, dass der Verordnungsgeber allein für bestimmte, abschließend aufgeführte Fälle eine Beihilfefähigkeit von Aufwendungen anerkennen will. Dementsprechend ist die Regelung in der genannten Vorschrift einschränkend abgefasst, wonach Aufwendungen für Fahrten „nur beihilfefähig sind“, wenn die Fahrt ärztlich verordnet ist und „einer der folgenden Fälle vorliegt“. Hätte der Verordnungsgeber eine nicht abschließende Regelung treffen wollen, hätte er diese offen formuliert, etwa durch die Verwendung des Wortes „insbesondere“. Ferner ist nach der Regelungssystematik nicht von einer offenen, sondern einer abschließenden Regelung auszugehen. Denn zum einen werden Ausnahme-/Sonderfälle über die Regelung in § 26 Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 NBhVO und Härtefalle im Hinblick auf die Fürsorgepflicht des Dienstherrn nach § 45 BeamtStG über § 4 Abs. 2 NBhVO erfasst.
Soweit der Kläger sinngemäß geltend macht, sein Fall sei gleichgelagert mit den in § 26 Abs. 2 Satz 1 NBhVO genannten Fällen, vermag dieser Einwand ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht zu begründen. Das Verwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung im Einzelnen dargelegt, aus welchen Gründen der Fall des Klägers nicht mit den in Betracht kommenden Fällen nach Nrn. 3, 6, 7 und 8 der vorgenannten Vorschrift vergleichbar sei. Auf diese Erwägungen des Verwaltungsgerichts geht das Zulassungsvorbringen aber nicht ein und legt insoweit ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung nicht dar; hinsichtlich der Nr. 8 setzt sich der Kläger zudem nicht mit der Erwägung des Verwaltungsgerichts auseinander, dass dem geltend gemachten Anspruch bereits entgegenstehe, dass die Festsetzungsstelle das Vorliegen eines Ausnahmefalls nicht vorher anerkannt habe. Insoweit trägt er selbst vor, dass er zwar einen solchen Antrag gestellt habe und die Beklagte hierüber nicht explizit entschieden habe. Soweit er geltend macht, dass die Beklagte auf entsprechende Quittungen die Kosten berücksichtigt und abgerechnet habe, kann nicht ohne Weiteres von einer vorherigen Anerkennung eines Ausnahmefalls durch die Festsetzungsstelle ausgegangen werden. Insoweit verweist das Verwaltungsgericht (Urteilsabdruck S. 13) darauf, dass es sich bei den Fahrten, für die die Beklagte eine Beihilfe gewährt habe, überwiegend um Fahrten im Zusammenhang mit einer stationären Krankenhausbehandlung gehandelt habe, die nach § 26 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 NBhVO beihilfefähig gewesen seien. Dem ist der Kläger nicht entgegengetreten.
Soweit der Kläger in seinem Zulassungsantrag früheres Vorbringen im Widerspruchsverfahren und im Verfahren erster Instanz wiederholt und sich insoweit nicht mit der Erwägungen des Verwaltungsgerichts auseinandersetzt, vermag er damit ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht aufzuzeigen.
2.
Die Berufung ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen.
Grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO hat eine Rechtssache dann, wenn sie eine grundsätzliche, fallübergreifende Rechts- oder Tatsachenfrage aufwirft, die im allgemeinen Interesse der Klärung bedarf. Das ist nur dann zu bejahen, wenn die Klärung der Frage durch die im erstrebten Berufungsverfahren zu erwartende Entscheidung zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder für eine bedeutsame Fortentwicklung des Rechts geboten erscheint (Nds. OVG, Beschluss vom 1.10.2008 - 5 LA 64/06 -, juris Rn. 14). An der Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage fehlt es, wenn sie sich unschwer aus dem Gesetz oder auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung beantworten lässt (Nds. OVG, Beschluss vom 1.10.2008, a. a. O., Rn. 14). Um die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO darzulegen, hat der Zulassungsantragsteller die für fallübergreifend gehaltene Frage zu formulieren (Nds. OVG, Beschluss vom 29.2.2008 - 5 LA 167/04 -, juris Rn. 12) sowie näher zu begründen, weshalb sie eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung hat und ein allgemeines Interesse an ihrer Klärung besteht. Darzustellen ist weiter, dass sie entscheidungserheblich ist und ihre Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten steht (Nds. OVG, Beschluss vom 29.2.2008, a. a. O.; Beschluss vom 3.11.2011 - 10 LA 72/10 -, juris Rn. 24).
Ausgehend von diesen Maßstäben kann die Berufung nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen werden, weil der Kläger es schon versäumt hat, eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage zu formulieren, deren Beantwortung er grundsätzliche Bedeutung zumisst.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung stützt sich §§ 40, 47 Abs. 1 und Abs. 3, 52 Abs. 1 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).