Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 17.03.2003, Az.: L 8 B 5/03 AL
Festsetzung des Streitwertes; Gerichtskostenfreiheit in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit; Begriff des Leistungsempfängers in§ 183 Sozialgerichtsgesetz (SGG)
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 17.03.2003
- Aktenzeichen
- L 8 B 5/03 AL
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2003, 13606
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2003:0317.L8B5.03AL.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Lüneburg - 20.01.2003 - AZ: S 18 AL 118/02
Rechtsgrundlagen
- § 25 Abs. 3 Satz 1 GKG
- § 25 Abs. 3 Satz 3 GKG
- § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG
- § 183 SGG
Tenor:
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Lüneburg vom 20. Januar 2003 aufgehoben.
Es wird zur Klarstellung festgestellt, dass das vom Kläger vor dem Sozialgericht Lüneburg betriebene Klageverfahren S 18 AL 118/02 gerichtskostenfrei ist.
Gründe
Die Beschwerde des Klägers gegen den Streitwertbeschluss des Sozialgerichts (SG) Lüneburg vom 20. Januar 2003 ist gemäß § 25 Abs. 3 Satz 1 Gerichtskostengesetz (GKG) zulässig. Sie ist weiterhin rechtzeitig in der Frist des § 25 Abs. 3 Satz 3 GKG eingelegt worden.
Die Vorschrift des § 25 GKG ist anwendbar, weil das SG einen Streitwertbeschluss in Anwendung der Vorschrift des § 197a Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erlassen hat. Zwar ist diese Vorschrift auf die vorliegende Fallgestaltung nicht anwendbar, wie unten noch dargelegt wird. Da das SG bei seiner Beschlussfassung von dieser Vorschrift ausgegangen ist, muss dementsprechend die Zulässigkeit der Beschwerde geprüft werden.
Nach § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG werden Kosten und damit auch die Gerichtskosten, die hier Ausgangspunkt der Streitwertfestsetzung durch das SG waren, nach den Vorschriften des GKG erhoben. Dies bedeutet, dass für die Kostenberechnung eine Streitwertfestsetzung zu ergehen hat, wie dies § 25 Abs. 2 Satz 1 GKG regelt (vgl. dazu Meyer-Ladewig, Kommentar zum SGG, 7. Auflage 2002, § 197a Rdnr 5; Knittel in Hennig, Kommentar zum SGG, Loseblattsammlung, § 197a Rdnr 48). Danach setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweit erledigt hat, § 25 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 GKG. Gegen die Streitwertfestsetzung findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 50,00 EUR übersteigt, § 25 Abs. 3 Satz 1 1. Halbsatz GKG. Dieser Betrag ist bei einer Streitwertfestsetzung von 50.796,00 DM - wie im Beschluss festgesetzt - ohne weiteres erreicht.
Die Beschwerde ist gemäß § 25 Abs. 3 Satz 3 GKG nur zulässig, wenn sie innerhalb der in Abs. 2 Satz 3 bestimmten Frist eingelegt wird; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Danach ist die Beschwerde innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweit erledigt hat, § 25 Abs. 2 Satz 3 GKG.
Diese Regelungen gehen den Bestimmungen des SGG (hier § 173) als speziellere Vorschrift vor (vgl. Knittel, a.a.O., Rdnr 50).
Das dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 18. September 2002 zugestellte Urteil wurde nach Ablauf der einmonatigen Rechtsmittelfrist am 18. Oktober 2002 rechtskräftig. Da die Beschwerde am 27. Januar 2003 eingelegt wurde, ist die Sechs-Monats-Frist eingehalten. Im Übrigen wäre damit auch die Monatsfrist des § 173 Satz 1 SGG eingehalten worden, auf die unzutreffend in der Rechtsmittelbelehrung des SG hingewiesen worden ist. Denn der Beschluss wurde am 23. Januar 2003 zugestellt.
Die Beschwerde ist begründet.
Der Kläger ist durch den angefochtenen Beschluss rechtswidrig beschwert, weil in dem von ihm betriebenen Klageverfahren Gerichtskostenfreiheit gemäß § 183 SGG herrscht. Gerichtskosten nach § 197a SGG können daher nicht verlangt werden. Mithin durfte der Streitwertbeschluss nicht ergehen. Zur Klarstellung sind diese Folgen im Tenor des Beschlusses ausgesprochen worden.
Gegenstand des Klageverfahrens war das Begehren des Klägers auf Zahlung eines Eingliederungszuschusses für ältere Arbeitnehmer gemäß §§ 217, 218 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III). Dieses Begehren blieb erfolglos (Bescheid vom 14. Februar 2002, Widerspruchsbescheid vom 20. März 2002, rechtskräftiges Urteil des SG Lüneburg vom 28. August 2002). Als Empfänger bzw. Antragsteller eines Eingliederungszuschusses war der Kläger als Arbeitgeber Leistungsempfänger i.S. des SGB III. Dies ergibt sich aus § 3 Abs. 2 Nr. 2 SGB III, wonach Arbeitgeber u.a. als Leistungen Zuschüsse zu den Arbeitsentgelten bei Eingliederung von leistungsgeminderten Arbeitnehmern sowie bei Neugründungen erhalten. Die Eigenschaft als Leistungsempfänger wird weiterhin dokumentiert durch die Überschrift zum Fünften Kapitel des SGB III, in welchem die Vorschriften der §§ 217 ff SGB III enthalten sind. Die Überschrift zum Fünften Kapitel lautet "Leistungen an Arbeitgeber". Mithin ist ein Arbeitgeber Leistungsempfänger im Hinblick auf den hier zu Grunde liegenden Eingliederungszuschuss.
In § 183 SGG wird geregelt, dass Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit u.a. für Leistungsempfänger kostenfrei sind, soweit sie in dieser jeweiligen Eigenschaft als Kläger oder Beklagte beteiligt sind, wobei gemäß § 183 Satz 3 SGG den eben genannten Personen gleichstehe, wer im Falle des Obsiegens zu diesen Personen gehören würde, also bei Obsiegen Leistungsempfänger wäre. Der Senat geht davon aus, dass der Begriff "Leistungsempfänger" des § 183 SGG inhaltlich korrespondiert mit den jeweiligen Begriffen der einzelnen Sozialgesetzbücher. Wenn daher im SGB III ein Arbeitgeber für bestimmte Leistungen als Leistungsempfänger bezeichnet wird, so gilt dies auch für die Vorschrift des § 183 SGG.
Mithin ist der Kläger Leistungsempfänger i.S. des § 183 SGG. Daraus folgt die Gerichtskostenfreiheit seines Klageverfahrens vor dem SG. Eine Streitwertfestsetzung durfte daher nicht erfolgen. Gerichtskosten gemäß § 197a Abs. 1 SGG können nicht verlangt werden, da der Kläger zu den in § 183 SGG genannten Personen als Leistungsempfänger gehört. Der Prozessbevollmächtigte als Rechtsanwalt muss gegenüber seinem Mandanten - dem Kläger - gemäß § 116 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung (BRAGO) abrechnen. Danach erhält der Rechtsanwalt in Verfahren vor Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen das Gerichtskostengesetz - wie hier - nicht anzuwenden ist, eine Gebühr von 50,00 EUR bis 660,00 EUR, wobei im Regelfall dem Rechtsanwalt die Mittelgebühr zusteht, mithin ein Betrag von 355,00 EUR.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 25 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 5 Abs. 2 Satz 3 GKG; § 177 SGG).