Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 14.03.2003, Az.: L 6/3 U 402/02

Dauer der unfallbedingten Behandlungsbedürftigkeit; Wahrscheinlichkeit des Zsammenhangs zwischen Unfall und Beschwerden

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
14.03.2003
Aktenzeichen
L 6/3 U 402/02
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 19969
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2003:0314.L6.3U402.02.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Lüneburg - 21.08.2002 - AZ: S 2 U 119/00

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Lüneburg vom 21. August 2002 wird zurück- gewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Dauer der unfallbedingten Arbeits- und Behandlungsbedürftigkeit der Klägerin.

2

Die 1966 geborene Klägerin erlitt auf dem Weg von ihrer Arbeit als angeschnallte Fahrerin eines PKW dadurch einen Unfall, dass ein anderer PKW auf ihr stehendes Fahrzeug auffuhr. Der Unfall wurde polizeilich nicht aufgenommen. Unmittelbar nach dem Unfall begab sich die Klägerin mit dem PKW in das Städtische Krankenhaus C ... Dort diagnostizierte der Durchgangsarzt eine Distorsion (Verstauchung, Zerrung) der Halswirbelsäule - HWS - (Durchgangsarztbericht des Prof. Dr. D. vom 22. März 1999). Nach dem Unfall befand sich die Klägerin wiederholt wegen anhaltender Beschwerden (migräneartige Kopfschmerzen, Schwindel, Einschränkung der Kopfbeweglichkeit) in ärztlicher Behandlung (vgl. die Berichte des Dr. E. vom 15. Juni 1999, des Prof. Dr. D. vom 22. Juni 1999, des Dr. F. vom 28. März 1999 und des Dr. G. vom 13. Juli 1999). Der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. G. teilte u.a. mit, die Klägerin habe sich bereits 1998 bei ihm wegen Kopfschmerzen und autonomer somatoformer Funktionsstörungen in Behandlung und Beobachtung befunden. Prof. Dr. D. vertrat gegenüber der Beklagten die Auffassung, es bestehe Arbeitsunfähigkeit, solange letztlich die Genese (Entstehung) der Beschwerden der Klägerin nicht geklärt sei (Bericht vom 26. Juli 1999).

3

Nachdem sich die Klägerin in der Zeit vom 9. August bis 1. September 1999 in stationärer Behandlung der Neurologischen Abteilung des Berufsgenossenschaftlichen Unfallkrankenhauses H. befunden hatte (vgl. den nervenärztlichen Entlassungsbericht des Dr. I. vom 9. September 1999), veranlasste die Beklagte das nach ambulanter Untersuchung erstattete Gutachten des Dr. J., Oberarzt der Abteilung für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie des Allgemeinen Krankenhauses K., vom 1. Februar 2000. Dieser führte zusammenfassend aus, der Unfall vom 20. März 1999 habe zu einer Zerrschädigung im Bereich der HWS, einer sog. HWS-Distorsion, geführt. Auf Grund dieses Schadens könnten unter Berücksichtigung gewisser Unwägbarkeiten merkbare Beschwerden für einen Zeitraum von vier Wochen angenommen werden. Die darüber hinaus bestehenden Beschwerden seien nicht mehr Unfallfolge, sondern zumindest weit überwiegend auf Ursachen zu beziehen, die schon in der vergangenen Zeit zu länger dauernder neurologisch-psychiatrischer Behandlung durch Dr. G. geführt hätten.

4

Gestützt auf dieses Gutachten lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 3. März 2000 einen Anspruch auf Rente ab und erkannte unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit bis zum 16. April 1999 an. Der Widerspruch der Klägerin blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 25. Mai 2000).

5

Dagegen hat die Klägerin am 26. Juni 2000 beim Sozialgericht - SG - Lüneburg Klage erhoben und sich zur Begründung auf Bescheinigungen des Arztes für Neurochirurgie Dr. L. vom 4. April 2000 und des Arztes für HNO-Heilkunde Dr. M. vom 3. Mai 2000 bezogen.

6

Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 21. August 2002 abgewiesen, weil ein Zusammenhang zwischen dem Unfall und den geltend gemachten nach dem 16. April 2000 bestehenden Beschwerden nicht wahrscheinlich sei. Dies ergebe sich aus den überzeugenden Ausführungen des Dr. I. und des Dr. J ... Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des Gerichtsbescheides Bezug genommen.

7

Gegen diesen ihr am 12. September 2002 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 20. September 2002 Berufung eingelegt. Sie bezieht sich weiterhin auf die von ihr vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen.

8

Die Klägerin beantragt,

  1. 1.

    den Gerichtsbescheid des SG Lüneburg vom 21. August 2002 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 3. März 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Mai 2000 zu ändern,

  2. 2.

    festzustellen, dass eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit mindestens bis zum 6. März 2000 bestanden hat.

9

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des SG Lüneburg vom 21. August 2002 zurückzuweisen.

10

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.

11

Die Beteiligten haben einer Entscheidung durch den Vorsitzenden und Berichterstatter ohne mündliche Verhandlung durch Urteil zugestimmt.

12

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

13

Die nach §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz - SGG - statthafte und fristgerecht (§ 151 SGG) eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet.

14

Eine Überprüfung des angefochtenen Gerichtsbescheides ergibt, dass das SG die Klage zu Recht abgewiesen und dies bereits ausführlich und in jeder Hinsicht zutreffend begründet hat. Deshalb wird, um Wiederholungen zu vermeiden, auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Gerichtsbescheides Bezug genommen (§ 153 Abs. 2 SGG).

15

Entscheidend ist danach, dass ein Zusammenhang der vielfältigen Beschwerden der Klägerin mit dem Unfall jedenfalls über den 16. April 1999 hinaus nicht wahrscheinlich ist. Denn der Unfall hat lediglich eine Zerrung der HWS, also keine bleibenden substanziellen Schäden hinterlassen, sondern nur eine naturgemäß nach einiger Zeit abklingende Gesundheitsstörung. Diese Beurteilung überzeugt auch deshalb, weil die Klägerin bereits vor dem Unfall unter gleichartigen Beschwerden gelitten hat.

16

Die von ihr vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen, auf die sie sich auch im Berufungsverfahren bezieht, sind bereits vom SG zutreffend gewürdigt worden. Der Hinweis des Dr. L., jedem Schmerztherapeuten sei bekannt, dass bei ca. 20 % der Patienten mit Zustand nach einem HWS-Schleudertrauma über ein Jahr lang Beschwerden auftreten könnten, ist nicht geeignet, im vorliegenden Fall einen ursächlichen Zusammenhang der Beschwerden der Klägerin wahrscheinlich zu machen. Denn diese allgemein gehaltene Bemerkung besagt nichts über den Kausalzusammenhang im konkreten Fall. Die Auffassung des Dr. L., die Beschwerden der Klägerin seien durch den Unfall verursacht worden, ist auch deshalb nicht stichhaltig, weil Dr. L. fälschlich von "offenbar fehlenden Beschwerden vor dem Trauma" ausgeht. Das Gleiche gilt im Ergebnis für die Beurteilung durch Dr. M., der Gleichgewichtsstörungen mit hoher Wahrscheinlichkeit auf den Unfall zurückführt und hinsichtlich des nachlassenden Hörvermögens der Klägerin eine weitere Abklärung für erforderlich hält. Auch dieser Beurteilung steht entgegen, dass zeitnah zum Unfall lediglich eine Zerrung der HWS feststellbar war, also eine - wie bereits erwähnt - naturgemäß nach geraumer Zeit abklingende Gesundheitsstörung. Insbesondere lässt sich auf Grund der dreiwöchigen stationären Behandlung (9. August bis 1. September 1999), der sich die Klägerin in der Neuro-logischen Abteilung des Berufsgenossenschaftlichen Unfallkrankenhauses H. unterzog, eine unfallbedingte neurologische Schädigung ausschließen. Danach waren die klinischen, neurootologischen und kernspintomographischen Befunde der HWS und des Schädels sämtlich regelrecht, sodass es an einem organ-neurologischen Krankheitsbild, das den Schwankschwindel und die Hinterkopfschmerzen der Klägerin erklären könnte, fehlt (vgl. den nervenärztlichen Entlassungsbericht des Dr. N. vom 9. September 1999).

17

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

18

Ein Grund für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegt nicht vor.