Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 04.03.2003, Az.: L 6 U 168/02

Zahlung von Verletztenrente wegen der Folgen einer Lärmschwerhörigkeit

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
04.03.2003
Aktenzeichen
L 6 U 168/02
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 10081
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2003:0304.L6U168.02.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Aurich - AZ: S 3 U 32/01

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Aurich vom 21. März 2002 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Zahlung von Verletztenrente wegen der Folgen einer Lärmschwerhörigkeit.

2

Der 1940 geborene Kläger war als Maler im Unternehmen C., seit 1969 gehörschädigendem Lärm ausgesetzt (Ermittlungsbericht des Technischen Aufsichtsdienstes der Beklagten vom 6. Januar 2000). Seit August 2000 bezieht er die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Der Arzt für Arbeitsmedizin Dr. D. wertete die von der Beklagten beigezogenen Tonaudiogramme aus und gelangte zu dem Ergebnis, dass eine Lärmschwerhörigkeit vorliege. Nach dem Tonaudiogramm vom Mai 2000 bestehe ein prozentualer Hörverlust von rechts 15 und links 20 %. Die knapp geringgradige Schwerhörigkeit mindere die Erwerbsfähigkeit des Klägers um 10 vom Hundert (v.H. - Stellungnahmen vom 14. April und 15. Mai 2000). Daraufhin erkannte die Beklagte mit Bescheid vom 22. Juni 2000 die Berufskrankheit Nr. 2301 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung an. Die Zahlung von Verletztenrente lehnte sie ab, weil die Erwerbsfähigkeit nicht in rentenberechtigendem Grade gemindert sei. Der Widerspruch wurde zurückgewiesen, nachdem Prof. Dr. E. im hals-nasen-ohrenärztlichen Gutachten vom 27. November 2000 die Beurteilung des Dr. D. bestätigt hatte (Widerspruchsbescheid vom 14. Februar 2001).

3

Dagegen hat der Kläger noch im selben Monat vor dem Sozialgericht (SG) Aurich Klage erhoben. Auf seinen Antrag ist Prof. Dr. F. gehört worden, der im Gutachten vom 28. Dezember 2001 die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) "auf etwa 15 %" geschätzt hat; eine rentenberechtigende MdE um 20 v.H. werde "eindeutig nicht erreicht". Das SG hat die Klage nach Anhörung der Beteiligten durch Gerichtsbescheid vom 21. März 2002 abgewiesen.

4

Dagegen wendet sich der Kläger mit der am 9. April 2002 eingelegten Berufung. Er hebt hervor, dass die Ergebnisse der von dem Sachverständigen Prof. Dr. F. durchgeführten tonaudiometrischen Untersuchung eine mittelgradige Schwerhörigkeit belegten, die die Zahlung von Verletztenrente rechtfertige. Der Kläger beantragt sinngemäß,

  1. 1.

    den Gerichtsbescheid des SG Aurich vom 21. März 2002 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 22. Juni 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Februar 2001 zu ändern,

  2. 2.

    die Beklagte zu verurteilen, ihm Verletztenrente in Höhe von mindestens 20 v.H. der Vollrente zu zahlen.

5

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des SG Aurich vom 21. März 2002 zurückzuweisen.

6

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

7

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung allein durch den Berichterstatter und ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

8

Dem Senat haben neben den Prozessakten die Verwaltungsakten der Beklagten vorgelegen. Sie sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen. Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

9

Die statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und damit zulässig. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Die zulässige Klage ist nicht begründet. Denn die Entscheidung der Beklagten ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung von Verletztenrente (§ 56 Sozialgesetzbuch VII). Denn seine Erwerbsfähigkeit ist infolge der Lärmschwerhörigkeit nicht in einem die Zahlung von Verletztenrente rechtfertigenden Grad, um mindestens 20 v.H. gemindert. Dieses hat das SG im Einzelnen zutreffend begründet. Darauf nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug (§ 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Lediglich im Hinblick auf das Vorbringen im Berufungsverfahren ist zusammenfassend hervorzuheben:

10

Grundlage der Bewertung der MdE ist das - auch von dem Sachverständigen herangezogene - "Königsteiner Merkblatt" (BSG SozR 3-2200 § 581 Nr. 8, S. 41). Entscheidend sind danach - auch darauf hat der Sachverständige hingewiesen - die Ergebnisse der sprachaudiometrischen Untersuchung (Ziff. 4.2 der 4. überarbeiteten Aufl. Jan. 1996), die - ausweislich der vorliegenden Gutachten - eine rentenberechtigende MdE um mindestens 20 v.H. nicht ergeben. Im Übrigen ergibt sich für den Kläger auch bei Heranziehung des in den Tonaudiogrammen ausgewiesenen Hörverlusts kein für ihn günstigeres Ergebnis. Das SG hat zutreffend darauf hingewiesen, dass das zeitnah zur Berufsaufgabe im Mai 2000 gefertigte Tonaudiogramm lediglich einen Hörverlust von rechts 15 und links 20 % ergab, der einer "knapp geringgradigen Schwerhörigkeit" entspricht, die die Zahlung von Verletztenrente nicht rechtfertigt (vgl. auch die Stellungnahme des Dr. D. vom 15. Mai 2000). Diese Werte sind entscheidend. Denn nach dem im "Königsteiner Merkblatt" wieder gegebenen medizinisch-wissenschaftlichen Kenntnisstand ist maßgebend das Hörvermögen bei Beendigung der Lärmexposition. Eine nach Aufgabe der gehörschädigenden Tätigkeit eingetretene Verschlechterung - auch darauf hat bereits das SG zutreffend hingewiesen - stellt einen rechtlich un-erheblichen, sog. Nachschaden dar (a.a.O., Ziff. 4.3.4 Ende). Schon deshalb ist der Anregung des Klägers nicht nachzugehen, ein "Ergänzungsgutachten" einzuholen, weil sich die Schwerhörigkeit "verstärkt" habe. Darauf hat bereits Prof. Dr. E. am Schluss des hals-nasen-ohrenärztlichen Gutachtens vom 27. November 2000 aufmerksam gemacht.

11

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

12

Ein gesetzlicher Grund zur Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegt nicht vor.