Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 12.03.2003, Az.: L 10 LW 6/02
Rentensteigernde Berücksichtigung der gemäß § 27 Altershilfe für Landwirte (GAL) entrichteten Beiträge bei der Berechnung der der Versicherten gewährten Rente im Wege der Zusplittung; Verstoß der rückwirkend in Kraft gesetzten Änderung des § 92 Abs. 1 Gesetz ü.d. Alterssicherung d. Landwirte (ALG) gegen Verfassungsrecht; Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 12.03.2003
- Aktenzeichen
- L 10 LW 6/02
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 13473
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2003:0312.L10LW6.02.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Stade - 08.01.2002 - AZ: S 10 LW 17/01
Rechtsgrundlagen
- § 27 GAL
- § 92 Abs. 1 ALG
- § 14 GAL
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stade vom 8. Januar 2002 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten im Rahmen von § 92 Abs. 1 Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) um die Zusplittung von Beiträgen, die gemäß § 27 Gesetz über eine Altershilfe für Landwirte (GAL) entrichtet worden sind.
Der Kläger ist Witwer der am 15. Oktober 2000 verstorbenen I. (im Folgenden Versicherte genannt), die von der Beklagten auf Grund des Bescheides vom 23. November 1998 seit 1. Dezember 1998 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit erhalten hat. Die Versicherte legte gegen diesen Bescheid Widerspruch ein und machte geltend, dass bei der Berechnung der Höhe ihrer Rente auch die vom Kläger in der Zeit von Juli 1974 bis November 1994 gemäß § 27 GAL als Weiterversicherter entrichteten Beiträge gemäß § 92 Abs. 1 ALG berücksichtigt werden müssten. Nach dem Tod der Versicherten führte der Kläger das Vorverfahren als Rechtsnachfolger weiter. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 29. Juni 2001 zurück und führte zur Begründung aus, dass der Gesetzgeber durch die rückwirkend zum 23. Dezember 1995 erfolgte Änderung des § 92 Abs. 1 ALG klargestellt habe, dass eine Zusplittung von nach § 27 ALG entrichteten Beiträgen des Ehegatten nicht in Betracht komme.
Im nachfolgenden Klageverfahren hat das SG die Klage mit Urteil vom 8. Januar 2002 abgewiesen und sich in den Entscheidungsgründen der Rechtsauffassung der Beklagten angeschlossen.
Der Kläger hat gegen das ihm am 21. Januar 2002 zugestellte Urteil am 14. Februar 2002 Berufung eingelegt. Er vertritt weiter die Auffassung, dass bei der Berechnung der Rente der Versicherten die von ihm gemäß § 27 GAL in der Zeit von Juli 1974 bis November 1994 entrichteten Beiträge im Wege der Zusplittung im Sinne von § 92 Abs. 1 ALG rentensteigernd berücksichtigt werden müssten. Die vom Gesetzgeber mit Rückwirkung zum 23. Dezember 1995 vorgenommene Änderung des § 92 Abs. 1 ALG verstoße gegen das Grundgesetz (GG). Insbesondere liege ein Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot, die Eigentumsgarantie und den Gleichheitsgrundsatz vor.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des SG Stade vom 8. Januar 2002 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 23. November 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Juni 2001 zu ändern,
die Beklagte zu verurteilen, die seiner verstorbenen Ehefrau in der Zeit vom 1. Dezember 1998 bis 31. Oktober 2000 gewährte Rente wegen Erwerbsunfähigkeit unter zusätzlicher Berücksichtigung der von ihm in der Zeit von Juli 1974 bis November 1994 gemäß § 27 GAL entrichteten Beiträge neu festzustellen und entsprechend höhere Rente an ihn nachzuzahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Stade vom 8. Januar 2002 zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zugestimmt.
Dem Senat haben außer den Prozessakten die Verwaltungsakten der Beklagten vorgelegen. Sie sind Gegenstand der Beratung gewesen. Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und insgesamt zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht rechtswidrig. Der Kläger kann auch nach Auffassung des erkennenden Senats nicht verlangen, dass die von ihm gemäß § 27 GAL entrichteten Beiträge gemäß § 92 Abs. 1 ALG bei der Berechnung der der Versicherten gewährten Rente im Wege der Zusplittung rentensteigernd berücksichtigt werden.
Der Gesetzgeber hat durch die Änderung des § 92 Abs. 1 Satz 1 ALG in Art. 6 Nr. 8 Altersvermögensergänzungsgesetz (AVmEG) vom 21. März 2001 (BGBl. I S. 403 ff) nunmehr ausdrücklich geregelt, dass nur die nach § 14 GAL entrichteten Beiträge, d. h. für den hier vorliegenden Fall: nur die Pflichtbeiträge des landwirtschaftlichen Unternehmers, im Rahmen des § 92 Abs. 1 ALG dem Ehegatten zugesplittet werden. Das schließt eine Berücksichtigung von gemäß § 27 GAL im Wege der Weiterversicherung entrichteten Beiträgen eindeutig aus. Da der Gesetzgeber die Neufassung des § 92 Abs. 1 Satz 1 ALG rückwirkend zum 23. Dezember 1995 in Kraft gesetzt hat (vgl. Art. 12 Abs. 2 AVmEG), ist der vorangegangenen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), wonach § 92 Abs. 1 ALG in der seit dem 23. Dezember 1995 geltenden Fassung des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Reform der agrarsozialen Sicherung (ASRG-ÄndG) vom 15. Dezember 1995 (BGBl.. I S. 1814 ff) eine Zusplittung auch der nach § 27 GAL entrichteten Beiträge nicht mit der gebotenen Deutlichkeit ausschließe (vgl. z.B. Urteil vom 17. August 2000 - B 10 LW 12/99 R - abgedruckt in SozR 3-5868 § 92 Nr. 1), die gesetzliche Grundlage entzogen. Die auf den Rentenantrag vom 30. Juni 1998 mit dem angefochtenen Bescheid vom 23. November 1998 ab 1. Dezember 1998 bewilligte Rente der Versicherten steht deshalb in Einklang mit der auf Grund des AVmEG seit 23. Dezember 1995 geltenden Fassung des § 92 Abs. 1 ALG.
Die vom Gesetzgeber rückwirkend zum 23. Dezember 1995 in Kraft gesetzte Änderung des § 92 Abs. 1 ALG verstößt aus Sicht des erkennenden Senats nicht gegen Verfassungsrecht. Das BSG hat in einem Urteil vom 16. Oktober 2002 (B 10 LW 10/02 R) die angeordnete Rückwirkung für nicht verfassungswidrig erachtet, sondern als zulässige authentische Interpretation eines zuvor zweifelhaften Norminhalts angesehen. Dieser Auffassung schließt sich der Senat an und sieht gleichfalls keinen Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot. Darüber hinaus ist aber auch kein Verstoß gegen sonstige Normen des GG zu erkennen. Insbesondere hält sich die heute geltende Fassung des § 92 Abs. 1 ALG hinsichtlich des Ausschlusses einer Zusplittung von nach § 27 GAL entrichteten Beiträgen im Rahmen des dem Gesetzgeber auf dem Gebiet des Sozialversicherungsrechts eingeräumten weiten Ermessensspielraums. Ein Verstoß gegen die Gleichheitsgrundsätze in Art. 3 Abs. 1 und 2 GG oder ein unzulässiger Eingriff in das Eigentumsgrundrecht des Art. 14 GG ist nicht ersichtlich. Eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG war deshalb nicht geboten.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.