Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 05.03.2003, Az.: L 6 U 386/02

Anspruch auf Zahlung von Verletztenrente; Bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule aufgrund einer beruflichen Tätigkeit

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
05.03.2003
Aktenzeichen
L 6 U 386/02
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 10091
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2003:0305.L6U386.02.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Lüneburg - 22.07.2002 - AZ: S 2 U 137/00

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Lüneburg vom 22. Juli 2002 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der 1948 geborene Kläger begehrt die Zahlung von Verletztenrente. Streitig ist, ob eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule (LWS) wahrscheinlich wesentlich durch langjähriges Heben und Tragen schwerer Lasten sowie durch langjährige, vorwiegend vertikale Einwirkung von Ganzkörperschwingungen im Sitzen durch die bis 1995 ausgeübte Tätigkeit in der Landwirtschaft (mit)verursacht ist (Berufskrankheiten - BKen - Nrn. 2108 und 2110 der Anlage - Anl. - zur Berufskrankheitenverordnung - BKV). Die Beklagte lehnte den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 1. März 2000 ab, nachdem Dres. C. einen wesentlichen beruflichen Einfluss auf die Erkrankung nicht gesehen, sondern diese als schicksalhaft eingestuft hatten (chirurgisch-orthopädisches Gutachten vom 19. November 1999, orthopädisches Gutachten vom 30. Januar 2000). Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 23. Juni 2000).Auf die am 18. Juli 2000 erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) Lüneburg das Gutachten des Facharztes für Orthopädie D. vom 13. Dezember 2001 eingeholt. Nachdem der Sachverständige das Ergebnis der medizinischen Ermittlungen der Beklagten im Verwaltungsverfahren bestätigt hat, hat das SG nach Anhörung der Beteiligten die Klage durch Gerichtsbescheid vom 22. Juli 2002 abgewiesen.Gegen den ihm am 31. Juli 2002 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 2. September 2002 (Montag) Berufung eingelegt. Er hält an seiner Auffassung fest, infolge der seit der frühen Jugend verrichteten schweren körperlichen Arbeit in der Landwirtschaft unter BKen zu leiden und beantragt sinngemäß,1. den Gerichtsbescheid des SG Lüneburg vom 22. Juli 2002 und den Bescheid der Beklagten vom 1. März 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Juni 2000 aufzuheben,2. die BKen Nrn. 2108 und 2110 der Anl. zur BKV festzustellen,3. die Beklagte zu verurteilen, ihm Verletztenrente in Höhe von mindestens 20 vom Hundert der Vollrente zu zahlen.Die Beklagte beantragt,die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des SG Lüneburg vom 22. Juli 2002 zurückzuweisen.Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung allein durch den Berichterstatter und ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.Dem Senat haben neben den Prozessakten die Verwaltungsakten der Beklagten vorgelegen. Sie sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen. Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

2

Die statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und damit zulässig. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Das SG hat die - hinsichtlich des Feststellungsantrags gemäß § 55 Abs. 1 Ziff. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) - zulässige Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten ist rechtmäßig. Die BKen Nrn. 2108 und 2110 der Anl. zur BKV können nicht mit der im Recht der Gesetzlichen Unfallversicherung erforderlichen Wahrscheinlichkeit festgestellt werden. Deshalb hat der Kläger auch keinen Anspruch auf Zahlung von Verletztenrente (§ 56 Sozialgesetzbuch VII).Entgegen der Auffassung der Berufung genügt es für die Feststellung der BKen nicht, dass der Kläger unter einer bandscheibenbedingten Erkrankung leidet und in der Landwirtschaft körperlich schwer arbeiten musste. Denn es gibt keinen gesicherten Erfahrungssatz, dass eine bandscheibenbedingte Erkrankung wahrscheinlich wesentlich beruflich (mit)verursacht ist, sofern der Versicherte beruflich körperlich schwer arbeiten musste (Bundessozialgericht, Urteil vom 18. November 1997 - 2 RU 48/96 = SGb 1999, 39 mit Anm. von Ricke). Dieses gilt auch dann, wenn eine berufsfremde Ursache nicht wahrscheinlich gemacht werden kann (Urteil des erkennenden Senats vom 20. Juli 2000 - L 6 U 328/99 = Breithaupt 2000, 1031, 1033 f.), wovon die Berufung hier ausgeht. Der Grund für das Fehlen eines gesicherten Erfahrungssatzes liegt darin, dass bandscheibenbedingte Erkrankungen auf einem Bündel von Ursachen ("multifaktorielles Geschehen") beruhen (ausführlich dazu LSG Niedersachsen Breith. 2000, 818, 821). In diesem Zusammenhang ist von Bedeutung, dass neue Untersuchungen die genetisch determinierten Ursachen bandscheibenbedingter Erkrankungen hervorheben (Schröter, Trauma und Berufskrankheit 2002, 127). Deshalb muss ein wahrscheinlicher Ursachenzusammenhang mit medizinischen Argumenten zu begründen sein. Das ist hier jedoch nicht der Fall.Alle Ärzte, die mit dieser Fragestellung beauftragt wurden, haben einen wahrscheinlich wesentlichen beruflichen Zusammenhang der Erkrankung der LWS des Klägers verneint. Insbesondere der vom SG beauftragte Sachverständige D. hat seiner Wertung eine überzeugende Argumentation zu Grunde gelegt. Entscheidend ist danach, dass die bis zur Aufgabe der Berufstätigkeit im Jahr 1995 bestehenden Veränderungen der LWS eine wesentliche berufliche (Mit)Verursachung nicht wahrscheinlich machen und die sich später entwickelnden Veränderungen der LWS für eine von äußeren Einflüssen unabhängige, anlagebedingte Verursachung sprechen (S. 18 f. des orthopädischen Gutachtens vom 13. Dezember 2001). Davon geht auch Dr. E. aus. Darüber hinaus haben der Sachverständige und Dr. F. überzeugend eine beruflich unabhängige ausgeprägte prädiskotische Deformität (Defektheilung nach Morbus Scheuermann) und eine Spondylosis hyperostotica (Morbus Forestier) herausgearbeitet, die aber bei der Beurteilung des wahrscheinlichen Zusammenhangs der bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS mit der landwirtschaftlichen Tätigkeit nicht (mehr) von entscheidender Bedeutung sind. Denn entscheidend sind schon - wie ausgeführt - die Wirbelsäulenveränderungen, die sich bis zur Berufsaufgabe entwickelt hatten und die - nach der Beurteilung aller Ärzte - eine wesentlich berufliche (Mit)Verursachung der bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS nicht wahrscheinlich machen.Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.Ein gesetzlicher Grund zur Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegt nicht vor.