Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 20.03.2003, Az.: L 6 U 406/01

Höhe und Dauer einer vorläufigen Verletztenrente nach einem Arbeitsunfall; Fehlen medizinischer Anknüpfungsbefunde; Fehlen einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) im rentenberechtigenden Ausmaß

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
20.03.2003
Aktenzeichen
L 6 U 406/01
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 21107
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2003:0320.L6U406.01.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Hannover - 25.09.2001 - AZ: S 22 U 425/98

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hannover vom 25. September 2001 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Streitig sind Höhe und Dauer vorläufiger Verletztenrente.Der 1941 geborene Kläger erlitt am 27. Juli 1995 auf der Fahrt mit einem Trecker, die er für den landwirtschaftlichen Betrieb seines Sohnes unternahm, einen Verkehrsunfall, als ein LKW auffuhr (Unfallanzeige vom 11. August 1995). Bis zu einer Herzerkrankung, die zur Erwerbsunfähigkeit des Klägers geführt hat, hatte der Kläger den landwirtschaftlichen Betrieb selbstständig geführt. Bei dem Unfall zog er sich neben einer Rippenserienfraktur eine Jochbeinkontusion mit Zahnverletzungen zu (Durchgangsarztbericht vom 31. Juli 1995). Aus der stationären Heilbehandlung im Klinikum C., die komplikationslos verlief, wurde der Kläger am 18. August 1995 "weitgehend beschwerdefrei" entlassen (Krankenbericht vom 23. August 1995). Die ambulante Heilbehandlung endete am 7. September 1995. Der Kläger war ab 8. September 1995 wieder arbeitsfähig. Eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) verblieb nach Einschätzung der behandelnden Ärzte nicht (Mitteilung vom 7. September 1995).Im Juni 1996 stellte sich der Kläger wegen Schmerzen in der gesamten rechten Körperseite bei dem Leitenden Arzt der Chirurgischen Abteilung des Kreiskrankenhauses D. Dr. E. vor (Befundbericht vom 26. Juni 1996). Im Befundbericht vom 28. August 1996 berichtete dieser Arzt, dass sich unter intensiven physikalischen Maßnahmen die Beschwerden allmählich zurückbildeten. Es bestünden noch ein Taubheitsgefühl der rechten Wange und Kopfschmerzen, die jedoch an Intensität verlören. Atemabhängige Schmerzen des Thorax rechts machten eine weitere physikalische Therapie erforderlich, die noch ungefähr 3 bis 4 Wochen in Anspruch nehme. Eine MdE in rentenberechtigendem Ausmaß sei nicht gegeben. Auf seine Empfehlung im Befundbericht vom 12. November 1996 wurde der Kläger gutachtlich untersucht. Im neurologischen Zusatzgutachten vom 16. Januar 1998 konnten Prof. Dr. F. und Assistenzärztin Dr. G. bleibende Schäden auf ihrem Fachgebiet ausschließen. Im internistischen Zusatzgutachten vom 7. November 1997 führten Dres. H. aus, dass eine posttraumatische Pleuraschwarte nicht nachzuweisen sei. Es bestehe auch keine wesentliche Lungenventilationsstörung. Im Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgischen Gutachten vom 1. Dezember 1997 hielten Dres. I. Sensibilitätsstörungen der rechten Gesichtshälfte fest und setzten dafür die MdE mit 10 vom Hundert (vH) an. Auf chirurgischem Gebiet fand Dr. E. noch Schmerzen im Bereich des Thorax rechts. Die MdE schätzte er auf Dauer auf insgesamt 10 vH. Für den Zeitraum vor der gutachtlichen Untersuchung setzte er die MdE wie folgt fest: vom 19. August bis 7. September 1995 auf 100 vH, vom 9. September bis 31. Oktober 1995 auf 80 vH, vom 1. November bis 31. Dezember 1995 auf 40 vH, vom 1. Januar bis 15. Februar 1996 auf 30 v.H. und vom 16. Februar 1996 bis 14. Februar 1998 auf 20 vH. Diese Schätzung vermochte der die Beklagte beratende Arzt weder der Höhe noch der Zeit nach nachzuvollziehen. Er schlug vor, für den Zeitraum der stationären Behandlung (28. Juli bis 18. August 1995) Verletztenrente in Höhe der Vollrente zu zahlen. Für den Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit (bis 7. September 1995) könne die MdE mit 40 v.H. angenommen werden. Bis zum Ende des Jahres 1995 schlug er eine MdE um 20 v.H. vor. Danach liege die MdE bei 10 bzw. unter 10 vH. Diesem Vorschlag folgte die Beklagte im Rentenbescheid vom 10. Juni 1998 und wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 18. November 1998).Die am 18. Dezember 1998 vor dem Sozialgericht (SG) Hannover erhobene Klage ist nach Beiziehung medizinischer Unterlagen von privaten Versicherungen und nach Anhörung der Beteiligten durch Gerichtbescheid vom 25. September 2001 abgewiesen worden.Gegen den ihm am 12. Oktober 2001 zugestellten Gerichtsbescheid wendet sich der Kläger mit der am 12. November 2001 eingelegten Berufung, die er trotz mehrfacher Erinnerungen nicht begründet hat.Er beantragt sinngemäß,1. den Gerichtsbescheid des SG Hannover vom 25. September 2001 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 10. Juni 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. November 1998 zu ändern,2. die Beklagte zu verurteilen, ihm über die bereits gewährten Leistungen hinaus Verletztenrente wie folgt zu zahlen:vom 19. August bis 7. September 1995 in Höhe der Vollrente, vom 8. September bis 31. Oktober 1995 in Höhe von 80 vH, vom 1. November bis 31. Dezember 1995 in Höhe von 40 vH, vom 1. Januar bis 15. Februar 1996 in Höhe von 30 v.H. und vom 16. Februar 1996 bis 14. Februar 1998 in Höhe von 20 v.H. der Vollrente.Die Beklagte beantragt,die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des SG Hannover vom 25. September 2001 zurückzuweisen.Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt.Dem Senat haben neben den Prozessakten die Unfallakten der Beklagten vorgelegen. Sie sind Gegenstand der Beratung gewesen. Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

2

Die statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und damit zulässig. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Das SG hat die zulässige Klage zu Recht abgewiesen. Die Entscheidung der Beklagten ist rechtmäßig. Ein weiter gehender Anspruch auf Verletztenrente steht dem Kläger nach den im angefochtenen Gerichtsbescheid genannten maßgeblichen Vorschriften nicht zu. Denn es fehlen medizinische Anknüpfungsbefunde, um einen solchen Anspruch begründen zu können:Der Kläger wurde am 18. August 1995 aus der stationären Heilbehandlung "weitgehend beschwerdefrei" entlassen (Krankenbericht vom 23. August 1995). Ab 8. September 1995 war er wieder arbeitsfähig. Eine MdE verneinte der den Kläger behandelnde Arzt (Mitteilung vom 7. September 1995). Vor diesem Hintergrund ist die Rentenfestsetzung durch die Beklagte für den Kläger jedenfalls nicht ungünstig. Keinesfalls kann ein höherer und längerer Anspruch begründet werden. Die weiter gehende Schätzung des Dr. E. im Rentengutachten vom 26. März 1998 ist demgegenüber nicht nachzuvollziehen. Denn im Befundbericht vom 28. August 1996 hat Dr. E. selbst hervorgehoben, dass eine MdE in rentenberechtigendem Ausmaß "nicht gegeben" sei. Das bestätigen auch die vom SG beigezogenen medizinischen Gutachten: Es handelt sich dabei um das unfallchirurgische Gutachten vom 2. August 1996 und um das Mund-, Kiefer- und Gesichts-chirurgische Gutachten vom 31. Oktober 1996. Diese Gutachten sind von Ärzten des Klinikums C., in dem der Kläger nach dem Unfall behandelt wurde, erstattet worden. Aus diesen schlüssig begründeten Gutachten geht hervor, dass die Erwerbsfähigkeit infolge des Arbeitsunfalls vom 27. Juli 1995 jedenfalls ab dem Jahr 1996 nicht (mehr) messbar gemindert ist.Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).Ein gesetzlicher Grund zur Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegt nicht vor.