Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 11.03.2003, Az.: L 9 U 17/01

Posttraumatischer Kopfschmerz mit pseudoneurotischer Begleitsymptomatik und psychische Fehlhaltung (Konversionsneurose) als Folge eines Arbeitsunfalls; Verletztenrente aufgrund einer psychischen Störung als Unfallfolge; Materielle Beweislast des Versicherten für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
11.03.2003
Aktenzeichen
L 9 U 17/01
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 16032
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2003:0311.L9U17.01.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Lüneburg - AZ: S 2 U 9/99

Redaktioneller Leitsatz

Um einen Versicherungsfall feststellen und dem Versicherten darüber hinaus gegebenenfalls bestimmte Leistungen zusprechen zu können, muss das Gericht die anspruchsbegründenden Umstände und Ereignisse auf Grund seiner freien Überzeugungsbildung als mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zutreffend betrachten; es bedarf insoweit des Vollbeweises, bei dem der Versicherte die materielle Beweislast trägt.

Tenor:

Die Berufung wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten noch darüber, ob die Berufungsbeklagte einen posttraumatischen Kopfschmerz mit pseudoneurasthenischer Begleitsymptomatik und eine psychische Fehlhaltung (Konversionsneurose) der Berufungsklägerin als Folge eines Arbeitsunfalls zu entschädigen hat.Die im September 1938 geborene Berufungsklägerin wurde am 30. März 1992 gegen 21 Uhr 10 in einen Verkehrsunfall verwickelt. Zu diesem Zeitpunkt war sie bei der Fa. Kraft (29683 Fallingbostel) in einem ungekündigten Angestelltenverhältnis als Laborantin in der Lebensmittelkontrolle beschäftigt. Der Verkehrsunfall ereignete sich, während sich die Berufungsklägerin auf dem Heimweg von einem Termin des Meisterlehrgangs "städtische Hauswirtschaft" befand, der vom Deutschen Hausfrauenbund veranstaltet wurde und den sie auf eigene Kosten besuchte, um nach dem Ende ihres Erwerbslebens einen Teil ihrer Freizeit im Haushalt sinnvoll zu gestalten. Nachdem die Berufungsklägerin gegen 19 Uhr 15 den Veranstaltungsort in Celle - Altenhagen (Plz 29223) verlassen und den Heimweg nach Bomlitz (Plz 29699) angetreten hatte, pausierte sie zunächst in einer Gaststätte, um dort ein Abendessen einzunehmen. Nach etwa 75 Minuten setzte sie ihre Autofahrt fort. An einer Kreuzung in Winsen (Plz 29308) hielt die Berufungsklägerin an einem Stoppschild an, um den bevorrechtigten Querverkehr zu beobachten, als der Unfallgegner hinten rechts auf ihr stehendes Fahrzeug auffuhr. Nach dem polizeilichen Ermittlungsprotokoll des Polizeireviers Wietze streifte der Unfallgegner das Fahrzeug der Berufungsklägerin, als er versuchte, es seitlich zum Rechtsabbiegen zu passieren. An dem Fahrzeug der Berufungsklägerin entstand dabei ein Sachschaden von ca. 2.000,00 DM. Nach ihren späteren Angaben gegenüber den behandelnden Ärzten hatte die Berufungsklägerin neben Armschmerzen ein Gefühl der "Leere im Kopf", war aber nicht bewusstlos und konnte die Heimfahrt fortsetzen.

2

Am Tag nach dem Unfall verspürte die Berufungsklägerin zunehmend Nackenschmerzen, deretwegen sie sich in orthopädische Behandlung begab. Die verordnete Halskrause führte bei fortbestehender Arbeitsfähigkeit (Bericht der Dres. D. und E. vom 23. April 1997) zu einer Beschwerdelinderung, jedoch kam es im Mai und Juni 1992 beim Radfahren auf holpriger Strecke und beim Hüpfen auf einem Kindergeburtstag zu anhaltenden Rezidiven, von denen auch die Brustwirbelsäule betroffen war. Daneben traten seit dem Sommer 1992 auch Konzentrationsschwächen und Stimmungsschwankungen auf. Nachdem es der Berufungsklägerin im Oktober 1992 gelungen war, die Meisterprüfung als Hauswirtschafterin erfolgreich abzulegen, kam es im Verlauf des Jahres 1993 zu einer weiteren Verstärkung der Beschwerden, zu denen im Jahresverlauf auch Schwächeanfälle, Schwindelerscheinungen, Hörprobleme und Depressionen hinzutraten. Der nunmehr behandelnde Orthopäde Dr. F. stellte eine erhebliche muskuläre Dysbalance des gesamten Schultergürtels und der HWS fest und veranlasste differentialdiagnostische sowie therapeutische Maßnahmen auf radiologischem, HNO-ärztlichem, neurootologischem und neurologisch - psychiatrischem Fachgebiet. Ab September 1993 befand sich die Berufungsklägerin in einer Psychotherapie, ab November 1993 bestand Arbeitsunfähigkeit. Mit Bescheid vom 18. Oktober 1995 gewährte die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte der Berufungsklägerin mit Wirkung ab 21. September 1994 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit.

3

Die Berufungsbeklagte erhielt von dem Unfall erst im Januar 1996 durch die Anmeldung von Ersatzansprüchen der gesetzlichen Krankenversicherung Kenntnis, die ihrerseits von der Berufungsklägerin im November 1995 über die Umstände des Unfalls informiert worden war. Zur Begründung für die verspätete Unfallmeldung hatte die Berufungsklägerin mitgeteilt, sie habe angenommen, dass die Unterbrechung der Heimfahrt in einer Gaststätte zum Ausschluss von Ansprüchen gegen die gesetzliche Unfallversicherung geführt habe. Erst durch einen Beitrag in der ARD - Fernsehsendung "Ratgeber Recht" am 12. November 1995 habe sie erfahren, dass Fahrtunterbrechungen bis zu einer Dauer von zwei Stunden unschädlich seien.

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Nach Abschluss ihrer retrospektiven medizinischen Ermittlungen, in deren Verlauf sie zahlreiche Berichte der behandelnden Ärzte beizog, ließ die Berufungsbeklagte das neurotraumatologisch - chirurgische Gutachten des Dr. G., Klinik H., vom 14. November 1997 erstatten. Dr. G. stellte bei der Berufungsklägerin eine deutliche Seitenausbiegung der HWS bei verstärkter Kyphosierung der oberen bis mittleren BWS fest, fand jedoch kein morphologisches Korrelat für eine stattgehabte knöcherne Unfallverletzung. Weiterhin führte er in seinem Gutachten aus, die frühen radiologischen Befunde ergäben auch keinen Hinweis auf eine Weichteilverletzung, etwa der ligamenta alaria. Bei der Berufungsklägerin bestehe eine erhebliche psychische Überlagerung im Sinne einer konversionsneurotischen Entwicklung. Messbare Unfallfolgen seien im Übrigen nicht vorhanden.

5

Nach Beiziehung eines aktuellen Befundberichts des behandelnden HNO - Arztes Dr. I. vom 10. November 1997, in dem als Unfallfolgen über einen Tinnitus, eine Innenohrhörstörung sowie eine kombinierte zentral-periphere Gleichgewichtsstörung berichtet wurde, ließ die Berufungsbeklagte zunächst das HNO - ärztliche Fachgutachten des Prof. Dr. J. vom 16. April 1998 erstatten. Dieser stellte bei der Berufungsklägerin ein altersentsprechend geringfügig vermindertes Hörvermögen ohne aktuelle Tinnitus - Symptomatik fest, wies hinsichtlich seiner Gleichgewichtsuntersuchungen auf eine massive Aggravation der Berufungsklägerin bei seitengleicher elektronystagmographischer Ableitung und problemloser Bewältigung der ganztätigen Untersuchungssituation hin und führte abschließend aus, das geklagte Beschwerdebild sei traumatologisch, neurologisch und neurootologisch nicht erklärbar. Es werde daher eine psychiatrische Begutachtung empfohlen.

6

Nach Einholung einer neurologisch - psychiatrischen Stellungnahme des Dr. K. vom 11. Juni 1998, der die unfallbedingte Entstehung einer selbständigen psychosomatischen Erkrankung unter Hinweis auf den unzureichenden Beeindruckungscharakter des Unfallgeschehens ausschloss, erkannte die Berufungsbeklagte mit Bescheid vom 23. Juni 1998 lediglich eine folgenlos ausgeheilte Verstauchung der Halswirbelsäule als Folge eines Arbeitsunfalls am 30. März 1998 an und lehnte die Gewährung einer Verletztenrente ab. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Berufungsbeklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16. Dezember 1992 zurück.Mit ihrer am 13. Januar 1999 erhobenen Klage hat die Berufungsklägerin zunächst die Anerkennung einer Konversionsneurose sowie von Wirbelsäulenbeschwerden und Innenohrstörungen als Unfallfolgen begehrt. Zur Begründung hat sie sich vor allem auf ein für die Haftpflichtversicherung des Unfallgegners erstattetes, psychiatrisches Gutachten des Dr. L. vom 29. April 1996 mit testpsychologischem Zusatzgutachten des Psychologen M. vom 25. April 1996 bezogen. Während Dr. L. bei der Berufungsklägerin eine Konversionsneurose diagnostiziert und für deren Manifestation den Unfall als nicht hinwegzudenkende Voraussetzung bewertet hat, hat der Psychologe M. auf Diskrepanzen zwischen den für die Arbeitsgenauigkeit und Arbeitsgeschwindigkeit der Berufungsklägerin ermittelten Testwerten hingewiesen und auf dieser Grundlage ein unfallbedingtes Hirntrauma als unwahrscheinlich bezeichnet. Die Berufungsbeklagte hat die Verwertbarkeit des von Dr. L. erstatteten Gutachtens unter Hinweis auf den im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung anzuwendenden Begriff der Ursächlichkeit angezweifelt. Hierzu hat sie eine fachärztliche Stellungnahme des Dr. K. vom 04. August 1999 zu den Akten gereicht.

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Das Sozialgericht hat zur weiteren Sachaufklärung das neurologisch - psychiatrische Fachgutachten des Dr. N. vom 13. Oktober 2000 (schriftliche Fassung) erstatten lassen. Dieser hat ausgeschlossen, dass die Berufungsklägerin bei dem Unfall eine belangvolle Schädel - Hirn - Verletzung oder eine Nervenschädigung davongetragen habe. Auch ein zentral verursachter Schwindel sei insoweit auszuschließen, zumal die von der Berufungsklägerin demonstrierte Fallneigung eindeutig auf Aggravation beruhe. Da auch knöcherne oder weichteilbezogene Schäden nicht feststellbar gewesen seien, seien die fortdauernden Beschwerden, wie schon früher ärztlicherseits vermutet, lediglich mit psychischen Vorgängen erklärbar. Bei der Berufungsklägerin sei insoweit davon auszugehen, dass weder eine posttraumatische Belastungsstörung noch - auf deren Grundlage - eine andauernde Persönlichkeitsänderung eingetreten sei. Neben dem hinreichenden Beeindruckungscharakter des Unfalles fehle es bei der Berufungsklägerin bereits an den für eine solche Erkrankung kennzeichnenden Symptomen. Auch eine Anpassungsstörung, wie sie in Abhängigkeit von der Verletzlichkeit des Betroffenen nach allen entscheidenden Lebensumstellungen oder belastenden Ereignissen auftreten könne, sei bei der Berufungsklägerin nicht zu diagnostizieren. Eine solche Störung trete im Allgemeinen innerhalb eines Monats nach dem belastenden Ereignis auf und halte kaum länger als sechs Monate an. Dem gegenüber sei bei der Berufungsklägerin die psychische Störung erst im Herbst 1993 behandelt worden und bestehe seither fort. Am ehesten sei deshalb vom Vorliegen einer dissoziativen Störung im Sinne einer Konversionsstörung bzw. Somatisierungsstörung auszugehen. Wechselnde körperliche Symptome ohne medizinisches Korrelat seien in Verbindung mit der hartnäckigen Forderung nach medizinischer Hilfe für eine solche Störung kennzeichnend. Bei der Berufungsklägerin sei diese Störung erst in einem deutlichen zeitlichen Abstand zu dem Unfallgeschehen entstanden und müsse mit Wahrscheinlichkeit auf ihren veränderten sozialen Kontext zurückgeführt werden.

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Mit Urteil vom 7. November 2000 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass außer einer folgenlos ausgeheilten Verstauchung der HWS keine Gesundheitsschäden feststellbar seien, die mit Wahrscheinlichkeit auf das Unfallereignis zurückgeführt werden könnten.

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Mit ihrer am 15. Januar 2001 eingelegten Berufung macht die Berufungsklägerin weiterhin geltend, bei ihr sei als Unfallfolge eine psychische Störung eingetreten, die mit einer Verletztenrente zu entschädigen sei.

10

Die Berufungsklägerin beantragt,

  1. 1.

    das Urteil des Sozialgerichts Lüneburg vom 7. November 2000 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 23. Juni 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Dezember 1998 abzuändern,

  2. 2.

    die Beklagte zu verurteilen, die Gesundheitsstörungen "chronischer posttraumatischer Kopfschmerz", "pseudoneurasthenisches Syndrom" und "Konversionsneurose" als Folgen des Arbeitsunfalls vom 30. März 1992 festzustellen,

  3. 3.

    die Beklagte zu verurteilen, der Berufungsklägerin vom frühest möglichen Zeitpunkt an Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um wenigstens 20 v.H. zu gewähren.

11

Die Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

12

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

13

Der Senat hat auf Antrag der Berufungsklägerin das schmerztherapeutische Gutachten des Prof. Dr. O. vom 5. Januar 2002 erstatten lassen. Auch Prof. Dr. O. hat bei der Berufungsklägerin keine Hinweise für das Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsreaktion festgestellt und ihre multiplen Beschwerden auf eine Konversionsneurose zurückgeführt.

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Deren Ursache hat er in einem chronischen posttraumatischen Kopfschmerz auf Grund einer unfallbedingten geringfügigen Verletzung des Hirnstamms ohne belangvolle Befunde zurückgeführt.Dieser Annahme ist die Berufungsbeklagte unter Vorlage einer gutachtlichen Stellungnahme des Dr. K. vom 10. April 2002 unter Hinweis darauf entgegengetreten, dass sich ein körperlicher Primärschaden im Sinne einer die Kopfschmerzen verursachenden Hirnverletzung bei der Berufungsklägerin nicht feststellen lasse.

15

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf den Inhalt der Prozessakten des ersten und zweiten Rechtszuges und auch den Inhalt der Verwaltungsakten der Berufungsbeklagten Bezug genommen, die - ihrem wesentlichen Inhalt nach - Gegenstand der Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige, insbesondere rechtzeitig eingelegte Berufung ist nicht begründet. Die Berufungsklägerin hat keinen Anspruch darauf, dass der Senat die Berufungsbeklagte als Folge weiterer festzustellender Gesundheitsstörungen verurteilt, ihr Rente nach einer MdE von wenigstens 20 v.H. zu gewähren.

17

Gemäß § 212 Sozialgesetzbuch (SGB) - Gesetzliche Unfallversicherung - SGB VII sind im vorliegenden Fall die Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO) weiterhin anzuwenden, da der von der Berufungsklägerin geltend gemachte Versicherungsfall vor In-Kraft-Treten des SGB VII am 1. Januar 1997 datiert.

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Nach § 547 RVO besteht ein Anspruch auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung, insbesondere auf Heilbehandlung oder Verletztenrente, nur nach Eintritt eines Versicherungsfalles, namentlich eines Arbeitsunfalls. Dessen Eintritt setzt in der gesetzlichen Unfallversicherung seit jeher eine bestimmte Abfolge ursächlich miteinander verknüpfter Umstände und Ereignisse voraus (vgl ohne sachliche Änderungen gegenüber § 548 RVO jetzt § 8 SGB VII). Erforderlich ist insoweit, dass es infolge der versicherten Tätigkeit zu einem plötzlich auf den Körper wirkenden Ereignis, dem Arbeitsunfall, kommt, der seinerseits zu einem unmittelbaren Gesundheitsschaden, dem so genannten Primärschaden, führt. Bleibt das Ereignis im Rechtssinne folgenlos, so liegt schon kein Unfall vor (vgl im Einzelnen Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, § 8 SGB VII Rdnr 19 ff). Sind hingegen die genannten Voraussetzungen für einen Versicherungsfall erfüllt, so sind unter den weiteren Erfordernissen der einzelnen Leistungsfälle als Folgeschäden auch solche Unfallfolgen zu entschädigen, die ihrerseits ursächlich auf die eingetretenen Primärschäden zurückzuführen sind (vgl Kasseler Kommentar, a.a.O., § 26 Rdnr 3). Um einen Versicherungsfall feststellen und dem Versicherten darüber hinaus gegebenenfalls bestimmte Leistungen zusprechen zu können, muss das Gericht die anspruchsbegründenden Umstände und Ereignisse auf Grund seiner freien Überzeugungsbildung als mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zutreffend betrachten. Es bedarf insoweit des Vollbeweises, bei dem der Versicherte die materielle Beweislast trägt. Lediglich für die Bejahung der jeweiligen Ursächlichkeit eines bewiesenen Umstandes für seine feststellbaren Folgen genügt der Maßstab hinreichender Wahrscheinlichkeit (vgl zu alledem Kasseler Kommentar, a.a.O., § 8 Rdnr 257 ff m.w.N.).

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Die hiernach für einen Erfolg der Klage notwendigen Feststellungen vermag der Senat nicht zu treffen. Allerdings geht er davon aus, dass die Berufungsklägerin am 30. März 1992 infolge der Zurücklegung des Heimweges von versicherter Tätigkeit von einem Ereignis betroffen worden ist, das als unmittelbaren Körperschaden eine nachgewiesene Distorsion (Zerrung) der Halswirbelsäule zur Folge gehabt hat und schon deshalb als Arbeitsunfall im Sinne von §§ 547, 548 RVO zu bewerten ist. Zweifeln, daran, dass der Besuch des Meisterlehrgangs auf Grund des mit ihm verfolgten privaten Zwecks versichert gewesen ist, hat der Senat hierbei nicht nachzugehen, da die Berufungsbeklagte das Ereignis mit ihrem Bescheid vom 23. Juni 1998 - bis auf weiteres wirksam (§ 39 Abs. 1 und 2 SGB X) - als Arbeitsunfall anerkannt hat.

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Ein Anspruch auf Gewährung von Unfallrente folgt hieraus jedoch nicht; denn nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme können die von der Berufungsklägerin angegebenen fortdauernden Beschwerden, soweit sie objektivierbar sind, mit überwiegender Wahrscheinlichkeit weder unmittelbar auf das Unfallereignis noch auf die bei ihm nachweislich entstandenen Primärschäden zurückgeführt werden.

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Soweit die Berufungsklägerin noch im erstinstanzlichen Verfahren sinngemäß geltend gemacht hat, ihre Beschwerden im Bereich der gesamten Wirbelsäule sowie verschiedene Symptome einer Innenohrstörung (Schwindel, Schwerhörigkeit, Tinnitus) seien ursächlich auf den Unfall zurückzuführen, hat sich ein zu Grunde liegender körperlicher Unfallschaden ärztlicherseits zu keinem Zeitpunkt feststellen und namhaft machen lassen. Während Prof. Dr. J. in seinem HNO - ärztlichen Fachgutachten vom 16. April 1998 das Vorliegen einer Innenohrerkrankung oder einer sich auf das Gleichgewichtsorgan auswirkenden, neurologischen Störung ausgeschlossen hat, haben sowohl Dr. N. in seinem vom Sozialgericht eingeholten Gutachten vom 13. Oktober 2000 als auch die für die Haftpflichtversicherung des Unfallgegners tätig gewordenen Gutachter Dr. L. und M. eine unfallbedingte Hirnschädigung oder relevante Nervenverletzungen differentialdiagnostisch verneint. Der Unfallchirurg Dr. G. hat schließlich bereits in seinem für die Berufungsbeklagte erstatteten Gutachten vom 14. November 1997 knöcherne wie weichteilbezogene Unfalltraumata verworfen. Die Feststellungen der Gutachter stehen in Übereinstimmung mit den Ergebnissen der 1992 im Rahmen der Akutbehandlung durchgeführten, diagnostischen Maßnahmen; denn die seinerzeitigen, radiologischen Untersuchungen haben - abgesehen von einer Zerrung der Halswirbelsäule - keine Hinweise auf knöcherne Verletzungen der HWS oder des Schädels, Weichteilläsionen im Bereich von Hals und Schulter, ein Neurotrauma oder eine Hirnschädigung erbracht. Die Berufungsklägerin war nach dem Unfall bei Bewusstsein und konnte die Fahrt nach Hause fortsetzen. Erst am Folgetag stellten sich erste, mit dem Schadensbild einer Zerrung jedoch vollständig erklärbare Schmerzbeschwerden im Bereich von Hals und Schulter ein.

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Der Nachweis eines persistierenden körperlichen Unfallschadens ergibt sich dem gegenüber auch weder aus den im Verfahrensverlauf abgegebenen HNO - ärztlichen Stellungnahmen des Dr. I. noch aus dem zuletzt auf Antrag der Berufungsklägerin eingeholten schmerztherapeutischen Gutachten des Prof. Dr. O. vom 5. Januar 2002. Soweit Dr. I. von den auf HNO - ärztlichem Fachgebiet geklagten Beschwerden der Berufungsklägerin auf eine kombinierte zentral - periphere Schädigung insbesondere des Gleichgewichtssinnes schließt, handelt es sich um eine Verdachtsdiagnose, von der sich der Senat angesichts des Ausschlusses entsprechender Verletzungen durch die vorerwähnten Gutachter nicht zu überzeugen vermag. Zudem hat Prof. Dr. J. im Rahmen der körperlichen Untersuchung der Berufungsklägerin auch weder deren angegebene Schwindelneigung objektivieren, noch eine altersvorauseilende wesentliche Hörstörung mit begleitendem Tinnitus feststellen können. Auch dem Gutachten des Prof. Dr. O. vermag der Senat vor diesem Hintergrund nicht zu folgen, soweit es von der Diagnose einer unfallbedingten Stammhirnschädigung mit nachfolgendem posttraumatischen Kopfschmerz und pseudoneurasthenischer Begleitsymptomatik ausgeht. Prof. Dr. O. weist in seinem Gutachten ausdrücklich darauf hin, dass er auf die unfallbedingte Genese des Kopfschmerzes allein auf Grund eines stimmigen zeitlichen Zusammenhangs zwischen dem Unfallgeschehen und dem erstmaligen Auftreten der Schmerzbeschwerden schließe. Dieser zeitliche Zusammenhang ist indessen nicht geeignet, den notwendigen Nachweis einer Hirnverletzung als des in Betracht gezogenen Auslösers für den posttraumatischen Kopfschmerz zu ersetzen.

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Fehlt es hiernach aber an objektiven Beweisanzeichen für persistierende körperliche Unfallfolgen, so vermag der Senat neben solchen Primärschäden mangels anderweitiger Nachweise im Übrigen auch die Angaben der Berufungsklägerin über hiervon ausgelöste somatische Beschwerden nicht als mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorliegend festzustellen; dies gilt um so mehr, als mehrere Gutachter bei der Berufungsklägerin bei der Befunderhebung ein unstimmiges, von Aggravation geprägtes Verhalten festgestellt haben. Dieses hat zuletzt Dr. N. aus psychiatrischer Sicht stimmig in seine Diagnose einer Somatisierungsstörung eingeordnet.

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In diesem Zusammenhang sieht es der Senat allerdings auf Grund der Begutachtungen durch Dr. N. wie durch Prof. Dr. O., deren Ergebnisse insoweit im Wesentlichen mit den bereits zuvor durch Dr. L. und Dr. K. gestellten Diagnosen übereinstimmen, als erwiesen an, dass bei der Berufungsklägerin als beschwerdenauslösender Faktor eine dissoziative Störung im Sinne einer Konversions- oder Somatisierungsstörung (zu den Begriffen vgl. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, Stand 2002, zu den gleichnamigen Stichworten; Schönberger - Mehrtens - Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 6. Aufl. 1998, S. 231 unter 5.2.1) besteht. Soweit daneben auch eine posttraumatische Belastungsstörung, ggf. mit dauerhafter Persönlichkeitsänderung, oder eine Anpassungsstörung (zu den Begriffen vgl. Pschyrembel, a.a.O., zu den gleichnamigen Stichworten; Schönberger - Mehrtens - Valentin, a.a.O., S. 250 ff unter 5.3.2. bis 5.3.4) in Betracht zu ziehen gewesen sind, haben die insoweit übereinstimmenden Begutachtungen durch Dr. N. und Prof. Dr. O., aber auch die für den Haftpflichtversicherer des Unfallgegners durchgeführte Begutachtung durch Dr. L. zu einem Ausschluss dieser speziellen Reaktionen auf besondere psychosoziale Belastungssituationen geführt.

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Die bei der Berufungsklägerin vorliegende dissoziative Störung kann jedoch nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit auf das Unfallereignis am 30. März 1992 zurückgeführt werden. Dr. N. hat in seinem Gutachten vom 13. Oktober 2000 einen solchen Zusammenhang ausdrücklich verneint; und soweit Prof. Dr. O. im Gutachten vom 5. Januar 2002 die Ursächlichkeit des Unfallgeschehens bejaht hat, ist hierfür seine Annahme ausschlaggebend gewesen, dass der Unfall über eine geringfügige Hirnstammverletzung zu einem chronischen posttraumatischen Kopfschmerz mit begleitender pseudoneurasthenischer, dem cervico - cephalen Syndrom ähnelnder Begleitsymptomatik geführt habe, der dann in Verbindung mit weiteren negativen Erlebnissen bei der ärztlichen Behandlung von der Berufungsklägerin fehlverarbeitet worden sei. Da der hiermit postulierte Primärschaden einer unfallbedingten Hirnläsion indessen - wie bereits ausgeführt - nicht erbracht ist, vermag der Senat auch der hierauf aufbauenden Kausalitätsbewertung des Prof. Dr. O. nicht zu folgen.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG.Ein Grund, gemäß § 160 Abs. 2 SGG die Revision zuzulassen, besteht nicht.