Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 26.03.2003, Az.: L 11 KA 7/00

Rechtmäßigkeit von Honorarkürzungen nach Prüfung der Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung; Prüfung nach Durchschnittswerten, beiÜberschreitung der Richtgrößen oder auf Grundlage von Stichproben; Voraussetzungen einer rechtmäßigen Vertikalprüfung

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
26.03.2003
Aktenzeichen
L 11 KA 7/00
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 16031
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2003:0326.L11KA7.00.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Bremen - 22.12.1999 - AZ: S 24 KA 140/98

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Bremen vom 22. Dezember 1999 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat der Klägerin 1/10 und die Klägerin dem Beklagten 9/10 der außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um Honorarkürzungen für die Abrechnungsquartale I - IV/96, die der Beklagte im Rahmen einer Wirtschaftlichkeitsprüfung unter Heranziehung der Methode des Vertikalvergleichs festgesetzt hat. Der Rechtsstreit beschränkt sich nunmehr auf die Kürzung der Nr. 1220 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM).

2

Die Klägerin ist als Augenärztin niedergelassen und nimmt als solche an der vertragsärztlichen Versorgung teil.

3

Mit Bescheid vom 9. September 1996 kürzte der Prüfungsausschuss Ärzte/Krankenkassen die Honoraranforderungen der Klägerin für das Quartal I/96 hinsichtlich der Nr. 1218 EBM um 16.590 Punkte sowie hinsichtlich der Nr. 1220 EBM um 67.900 Punkte. Die Kürzung erfolgte auf der Grundlage der zwischen den Beigeladenen zu 1. - 5. und der Beigeladenen zu 6. geschlossenen Prüfvereinbarung vom 1. Januar 1995 und insbesondere der Ergänzungsvereinbarung vom 11. Juni 1996. Der Wortlaut der Ergänzungsvereinbarung ist wie folgt:

4

Vertikalvergleich 1. Stellen die Antragsberechtigten (§ 7 Abs. 2 Gemeinsame Prüfvereinbarungen) fest, dass bei Inkrafttreten des EBM vom 01.01.1996 die Anwendungshäufigkeit der Arztgruppe bei einzelnen Gebührennummern, deren Leistungsinhalt vergleichbar geblieben ist, in einem Umfang angestiegen ist, der vermuten lässt, dass nicht die medizinische Notwendigkeit dieser Leistungen Ursache für das Ansteigen ist, ist als ergänzende Prüfmethode ein Vertikalvergleich zulässig. 2. Der einzelne Arzt wird in diesen Fällen bei der jeweiligen Gebührennummer mit seinem eigenen Durchschnittswert aus den Quartalen I/95 bis IV/95 verglichen. 3. Überschreitet der Arzt seinen eigenen Durchschnitt aus den vier Vorjahresquartalen um mindestens 5 %, kann die Prüfung anhand eines Vertikalvergleichs beantragt werden. Der unwirtschaftliche Mehraufwand kann bis zum Durchschnittswert nach Abs. 2 gekürzt werden.

5

Inkrafttreten und Anwendungsdauer der Ergänzungsvereinbarung 1. Diese Ergänzung tritt am 1. Januar 1996 in Kraft und gilt für die Quartale I/96 und II/96. 2. Die Vertragspartner werden sich rechtzeitig über eine Verlängerung verständigen.

6

Mit einer weiteren Ergänzungsvereinbarung vom 18. November 1996 für die Quartale III und IV/96 wurde diese Vereinbarung mit der Änderung übernommen, dass Voraussetzung ist, dass der Arzt den Durchschnittswert aus den vier Vorjahresquartalen um mindestens 10 % überschreitet, und eine Vertikalprüfung nicht stattfindet für Gebührenordnungstatbestände, die in Budgetregelungen nach den Bestimmungen des EBM fallen.

7

Zur Begründung führte der Prüfungsausschuss aus, für die Praxis der Klägerin sei bei der Nr. 1218 EBM ein Anstieg der Abrechnungshäufigkeit gegenüber den Quartalen I - IV/95 um 100,30 % und bei der Nr. 1220 EBM um 19.900 % festgestellt worden. Ein statistischer Vergleich der Praxiswerte der Klägerin bei den angegebenen Gebührennummern mit den Durchschnittswerten der Fachgruppe sei zur Beurteilung der Wirtschaftlichkeit nicht möglich, da die Steigerung der Anwendungshäufigkeit bestimmter Gebührenordnungsnummern in der Fachgruppe die Vermutung rechtfertige, dass der Anstieg nicht auf medizinische oder andere, aus dem EBM ableitbare Gründe zurückzuführen sei. Die Prüfung sei daher im Wege des Vertikalvergleichs durchzuführen. Die Vermutung der Unwirtschaftlichkeit sei hier gerechtfertigt. Gründe aus der Neufassung des EBM könnten für die vermehrte Abrechnung der genannten Gebührennummern nicht mit Erfolg herangezogen werden. Diese seien mit denen des zuvor gültigen EBM vergleichbar, weil sie in der Leistungslegende entweder wortgleich seien oder im medizinischen Sachverhalt weitgehend übereinstimmten. Der Prüfungsausschuss gestand der Klägerin eine Überschreitung ihres Durchschnittswertes aus den Vorquartalen um 5 % zu.

8

Mit Bescheid vom 6. November 1996 für das Quartal II/96 kürzte der Prüfungsausschuss die Honoraranforderungen der Klägerin hinsichtlich der Nr. 1218 EBM um 13.020 Punkte und hinsichtlich der Nr. 1220 EBM um 82.600 Punkte. Den Kürzungen lagen Steigerungen der Abrechnungshäufigkeit gegenüber dem Durchschnitt der vier Quartale des Jahres 1995 um 81,66 % bzw. 24.650 % zugrunde. Wiederum beließ der Prüfungsausschuss der Klägerin einen Zuschlag von 5 % oberhalb ihres eigenen Durchschnittswertes aus den genannten Vorquartalen.

9

Gegen den das Quartal II/96 betreffenden Bescheid legte die Klägerin am 29. November 1996 Widerspruch ein. Diesem half der Prüfungsausschuss mit Bescheid vom 4. Juli 1997 insoweit ab, als er den zugestandenen Zuschlag gegenüber dem Durchschnitt der Vorjahresquartale von 5 % auf 10 % verdoppelte. Hieraus ergab sich eine Nachvergütung von 840 Punkten zugunsten der Klägerin.

10

Mit Bescheid vom 4. Februar 1997 kürzte der Prüfungsausschuss die Honoraranforderungen der Klägerin für das Quartal III/96 bei der Nr. 1218 um 5.250 Punkte und bei der Nr. 1220 um 53.550 Punkte. Die von ihm festgestellten Steigerungswerte gegenüber dem Durchschnitt der Quartale des Jahres 1995 lagen bei 44,08 % bzw. 17.750 %. Bei der Festlegung des Umfangs der Kürzungen beließ der Prüfungsausschuss der Klägerin einen Zuschlag von 10 % oberhalb ihres Durchschnittswertes aus den Vorquartalen.

11

Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 6. Juni 1997 ebenfalls Widerspruch ein und beantragte wegen der Fristversäumnis die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

12

Mit Bescheid vom 6. Mai 1997 für das Quartal IV/96 kürzte der Prüfungsausschuss die Honoraranforderungen hinsichtlich der Nr. 1218 EBM um 7.350 Punkte und hinsichtlich der Nr. 1220 EBM um 60.900 Punkte. Den Kürzungen lagen Steigerungswerte gegenüber dem Durchschnitt der Quartale des Jahres 1995 um 54,44 % bzw. 18.475 % zugrunde. Wiederum gestand der Prüfungsausschuss der Klägerin bei der Bemessung des Kürzungsumfangs einen Zuschlag von 10 % zu.

13

Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 30. Mai 1997 Widerspruch ein. Zur Begründung aller ihrer Widersprüche führte sie mit Schriftsatz vom 3. Juli 1997 zu der jetzt allein noch streitigen Nr. 1220 EBM aus, diese sei vor dem 1. Januar 1996 von ihr im Rahmen der Leistungen nach Nrn. 1216 und 1217 EBM mit erbracht worden. Erst mit der Einführung des EBM 1996 habe sie diese Leistung in ihr Leistungsspektrum aufgenommen. Dass sich hieraus statistische Überschreitungen ergäben, liege auf der Hand. Sie bitte daher, diese neue Leistung für die Quartale I - IV/96 anzuerkennen.

14

Am 20. November 1997 entschied der Prüfungsausschuss, den Widersprüchen der Klägerin für die Quartale III und IV/96 nicht abzuhelfen.

15

Mit Bescheid vom 29. September 1998 half der Beklagte den Widersprüchen der Klägerin teilweise ab. Der Tenor lautete wie folgt: "Die Kürzungen der EBM-Ziffer 1218 für die Quartale III - IV/96 werden aufgehoben und die Kürzungen der EBM-Ziffer 1220 bleiben bestehen." Aus der Aufstellung über die Teilabhilfe ergibt sich darüber hinaus, dass der Beklagte die Kürzung der Nr. 1218 EBM auch für das Quartal I/96 ganz und für das Quartal II/96 im Umfang von 12.180 Punkten (von insgesamt 13.020 Punkten) aufgehoben hat. Zur Begründung führte der Beklagte aus, die Voraussetzungen für den Vertikalvergleich seien hier erfüllt. Des Weiteren sei die Vergleichbarkeit der Leistungsinhalte der von der Kürzung betroffenen Gebührennummern nach dem EBM 1987 und dem EBM 1996 gegeben. Wegen der medizinisch nicht erklärbaren Steigerung der Anwendungshäufigkeit bestimmter Leistungen durch die Fachgruppe sei ein Horizontalvergleich, der auf einem Vergleich mit dem Durchschnittswert der Fachgruppe basiere, nicht mehr aussagekräftig. Auch Einzelfallprüfungen seien nicht praktikabel. Eine Erklärung der veränderten Abrechnungshäufigkeiten aus einer wesentlichen Änderung der Patienten- und Behandlungsstruktur sei nicht ersichtlich. Er, der Beklagte, habe von der in der Ergänzungsvereinbarung zur gemeinsamen Prüfvereinbarung vom 1. Januar 1995 enthaltenen Möglichkeit, sämtliche Leistungen der Klägerin oberhalb ihres eigenen Durchschnittswertes als unwirtschaftlich zu kürzen, abgesehen. Er halte den Zuschlag von 10 % für angemessen. Hiermit sollten pauschal solchen Änderungen Rechnung getragen werden, die möglicherweise vorlägen, aber nicht hinreichend sicher quantifizierbar seien. Andererseits gebe es Steigerungen der Leistungszahlen im unteren Bereich, die nicht einmal den Wert der verfeinerten Fachgruppe des Vorjahres erreichten. In diesen Fällen erkenne er an, dass eine Leistungssteigerung sehr wohl möglich sein müsse, da die Steigerung per se noch nicht den Tatbestand der Unwirtschaftlichkeit erfülle. In diesen Fällen (betreffe hier die Nr. 1218 EBM) werde die Kürzung ohne Berücksichtigung der Argumentation der Klägerin zurückgenommen.

16

Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin am 23. Oktober 1998 Klage erhoben. Zur Nr. 1220 EBM 96 hat sie vorgetragen, ein Vertikalvergleich mit den entsprechenden Leistungen des Jahres 1995 verbiete sich deshalb, weil sie die Leistungen nach diesem Gebührentatbestand in 1995 nicht abgerechnet habe. Der Beklagte habe in der angefochtenen Entscheidung insoweit den Durchschnittswert aus den Vorquartalen des Jahres 1995 mit 0,04 % angesetzt. Erst ab 1996 habe sie die von der Nr. 1220 EBM erfasste differenzierende Analyse und graphische Darstellung des Bewegungsablaufs beider Augen in mindestens neun Blickrichtungen je Auge in ihr Untersuchungsspektrum aufgenommen. Zuvor habe bis 1993 eine bei ihr damals beschäftigte Orthoptistin unter ihrer Aufsicht diese Leistungen erbracht. Nach deren Ausscheiden habe sie die betroffenen Patienten, bei denen es sich überwiegend um Schielkinder gehandelt habe, zur Durchführung dieser Untersuchung an die Sehschule des Krankenhauses St.-Jürgen-Straße in Bremen überwiesen. Darüber hinaus habe sie ihre im Jahre 1995 unter Nrn. 1216/1217 EBM erbrachten Untersuchungsleistungen mit Wegfall dieser Gebührennummern auf die Untersuchungsleistungen nach Nr. 1220 EBM 96 erweitert. Die Abrechnungshäufigkeit der Nr. 1220 EBM im Jahre 1996 sei somit aus dem Wegfall der alten Nrn. 1216/1217 begründet. Der vom Beklagten vorgenommene ausschließliche Vergleich der Nr. 1220 des EBM 94 mit Nr. 1220 EBM 96 sei insofern unzureichend.

17

Demgegenüber hat der Beklagte vorgetragen, der Wortlaut und damit der Leistungsinhalt der Nr. 1220 EBM habe sich durch den zum 1. Januar 1996 in Kraft getretenen neuen EBM nicht geändert. Dieser sei dadurch geprägt gewesen, dass er besonders häufig erbrachte Leistungen zu Leistungskomplexen zusammengefasst habe. Die herausragendste Änderung sei die Zusammenfassung von insgesamt 128 bisherigen Einzelleistungen zu den Ordinations- und Konsultationsgebühren (Nr. 1/2), zur Verwaltungsgebühr (Nr. 3) und zur Konsiliarpauschale (Nr. 4) gewesen. Auch die Nrn. 1216/1217 des alten EBM seien in diesen Komplexgebühren aufgegangen. Mit ihrem Vortrag bestätige die Klägerin insoweit, dass die Heranziehung des Vertikalvergleichs aufgrund der Vermutung, dass die Arztgruppe in ihrer Gesamtheit durch die Neufassung des EBM bestimmte Abrechnungstechniken entwickelt habe, berechtigt gewesen sei. Ein Großteil der Ärzte habe nämlich versucht, die in den vorgenannten Komplexgebühren aufgegangenen Gebührenordnungsnummern durch Abrechnung anderer hiervon nicht erfasster Leistungen aufzustocken. Zwar sei die Nr. 1216 mit Einführung der Praxisbudgets zum 1. Juli 1997 wieder in den EBM aufgenommen worden. Soweit der Bewertungsausschuss insoweit von seiner Möglichkeit Gebrauch gemacht habe, die als vermutlich unzureichend erkannten Bewertungsansätze für die Zukunft zu korrigieren, erwachse der Klägerin hierdurch indessen kein Anspruch auf eine nachträgliche Korrektur der Leistungsbewertungen. Soweit die Klägerin vortrage, sie habe im Jahre 1995 die Leistungen der Nr. 1220 an das Zentralkrankenhaus St.-Jürgen-Straße überwiesen, sei festzustellen, dass dort nur ein Arzt zur Durchführung der Sehschule ermächtigt gewesen sei. Dieser habe entsprechende Leistungen jedoch nur in Zusammenhang mit Schieloperation erbringen dürfen. Der Vortrag der Klägerin sei demgemäß insoweit nicht nachvollziehbar und müsse aufgrund der genannten Tatsache als Schutzbehauptung betrachtet werden.

18

Das SG hat mit Urteil vom 22. Dezember 1999 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es u.a. ausgeführt, die auf der Basis eines Vertikalvergleichs durchgeführte Kürzung der Leistungen nach den Nrn. 1218 und 1220 EBM sei rechtlich begründet gewesen. Hinsichtlich der Nr. 1220 EBM sei festzustellen, dass deren Inhalt durch die EBM-Neufassung zum 1. Januar 1996 nicht berührt worden sei. Im Jahre 1995 habe die Klägerin diese Leistung nur in sehr geringem Umfange abgerechnet. Eine medizinische Notwendigkeit zur Erbringung und Abrechnung dieser Leistung im Jahre 1996 habe die Klägerin nicht überzeugend begründet. Ihr Vortrag, sie habe zuvor Patienten zur Erbringung dieser diagnostischen Leistungen an die Ärzte des Krankenhauses St.-Jürgen-Straße überwiesen, sei im Hinblick auf die Angaben des Beklagten zum eingeschränkten Ermächtigungsumfang der dort tätigen Ärzte nicht nachvollziehbar.

19

Gegen das ihr am 17. Februar 2000 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 17. März 2000 Berufung eingelegt.

20

Der Beklagte hat im Verlauf des Berufungsverfahrens mit Schriftsatz vom 2. Juni 2000 mitgeteilt, die Kürzungsmaßnahme bezüglich der Nr. 1218 EBM sei entgegen der Formulierung im Bescheid vom 29. September 1998 für die Quartale I - IV/96 aufgehoben worden. Dies ergebe sich aus der Gutschrift zur Honorarabrechnung vom 23. Juli 1998. Daraufhin hat die Klägerin hinsichtlich dieser Leistungsziffer den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Sie begehrt insoweit nur noch die Erstattung ihrer Kosten. Hinsichtlich der noch im Streit befindlichen Nr. 1220 EBM wiederholt die Klägerin ihr bisheriges Vorbringen.

21

Die Klägerin beantragt,

  1. 1.

    das Urteil des Sozialgerichts Bremen vom 22. Dezember 1999 aufzuheben und den Bescheid des Beklagten vom 29. September 1998 zu ändern,

  2. 2.

    den Beklagten zu verurteilen, über die Widersprüche der Klägerin gegen die zugrunde liegenden Bescheide des Prüfungsausschusses hinsichtlich der noch streitigen Nr. 1220 EBM unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu entscheiden.

22

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

23

Dieser hält, soweit es um die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Kürzung bezüglich der Nr. 1220 EBM geht, das angefochtene Urteil für zutreffend.

24

Die Beigeladenen zu 1. - 6. haben sich im Verfahren nicht geäußert.

25

Dem Senat haben außer der Prozessakte die die Klägerin betreffenden Verwaltungsunterlagen des Beklagten vorgelegen. Beide Akten sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Sachvortrags der Beteiligten wird auf den Inhalt der Prozess- und Beiakten ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

26

Der Senat hat in der Besetzung mit je einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Krankenkassen und der Vertragsärzte und Psychotherapeuten entschieden, da es sich um eine Angelegenheit des Vertragsarztrechts handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 33 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

27

Die gemäß §§ 143 f. SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig. Sie ist in ihrem noch aufrecht erhaltenen Teil indessen nicht begründet.

28

Die Entscheidung des Beklagten, die Honoraranforderungen der Klägerin bezüglich der Nr. 1220 EBM in den Quartalen I - IV/96 zu kürzen, ist nicht zu beanstanden.

29

Rechtsgrundlage für die Entscheidung des Beklagten ist § 106 des Sozialgesetzbuchs Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V). Danach ist die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung von den Krankenkassen und Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) durch Wirtschaftlichkeitsprüfungen zu überwachen. Sie können neben der Prüfung nach Durchschnittswerten, bei Überschreitung der Richtgrößen oder auf der Grundlage von Stichproben (§ 106 Abs. 2 Satz 1 SGB V) andere arztbezogene Prüfungsarten vereinbaren (vgl. Satz 4 der Vorschrift). Letzteres ist hier durch die am 11. Juni 1996 geschlossene Ergänzungsvereinbarung zur Prüfvereinbarung vom 1. Januar 1995 mit der Einführung des Vertikalvergleichs geschehen.

30

Die Beklagte durfte die Quartale des Jahres 1996 mit der Methode des Vertikalvergleichs prüfen. Zwar wird die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung von den Krankenkassen und KVen in der Regel nach der Methode des so genannten Horizontalver-gleichs geprüft. Hierbei werden die Abrechnungswerte des Arztes mit denjenigen der Fachgruppe im selben Quartal verglichen. Der Prüfung nach Durchschnittswerten im Sinne des Horizontalvergleichs ist allerdings die Grundlage entzogen, wenn der Vergleich mit dem durchschnittlichen Abrechnungsverhalten der Fachgruppe zur Überprüfung der Wirtschaftlichkeit ungeeignet ist. Dies ist z.B. der Fall, wenn die Vermutung, dass der Durchschnitt einer Fachgruppe wirtschaftlich handelt, sich nicht als zutreffend erweist. Um ihrer aus § 106 Abs. 1 SGB V folgenden Verpflichtung zur Überwachung der Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung nachkommen zu können, dürfen die KVen und Krankenkassen als Träger der gemeinsamen Selbstverwaltung in diesen Fällen auch auf andere Prüfungsarten zurückgreifen. Dabei ist zunächst an die ebenfalls seit langem anerkannte Methode der Einzelfallprüfung, sei es in ihrer strengen Form oder als Einzelfallprüfung mit Hochrechnung, zu denken. Kommt allerdings auch diese Prüfungsmethode, z.B. wegen des erheblichen Verwaltungsaufwands, nicht in Betracht, dürfen die Prüfgremien die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung auch im Wege eines Vertikalvergleichs durchführen (vgl. zu allem BSG SozR 3-2500 § 106 Nr. 24, S. 135/136, Nr. 47, S. 250-252 und Nr. 55, S. 310/311).

31

Die Voraussetzungen einer rechtmäßigen Vertikalprüfung gemäß Nr. 1 der Ergänzungsvereinbarung vom 11. Juni 1996 liegen hier vor. Im Bereich der Beklagten ist bei den Augenärzten - wie bei zahlreichen anderen Fachgruppen auch - seit Inkrafttreten des EBM am 1. Januar 1996 die Anwendungshäufigkeit einzelner Gebührennummern, deren Leistungsinhalt vergleichbar geblieben ist, in einem Umfang (ca. 25 %) angestiegen, der vermuten lässt, dass nicht die medizinische Notwendigkeit dieser Leistungen Ursache für das Ansteigen war. Im Hinblick hierauf war die Überprüfung der Wirtschaftlichkeit durch einen Horizontalvergleich ungeeignet. Auch andere Methoden der Wirtschaftlichkeitsprüfung, wie die verschiedenen Varianten der Einzelfallprüfung, kamen hier nicht in Betracht, da die mit der EBM-Reform 1996 einhergegangenen, weite Bereiche der medizinischen Versorgung betreffende Mengenausweitungen Wirtschaftlichkeitsprüfungen bei sehr vielen Ärzten erforderten und damit nicht zumutbar bzw. zumindest unverhältnismäßig war (vgl. das ebenfalls einen Augenarzt betreffende Senatsurteil vom 05.06.2002 - L 11 KA 14/99 -).

32

Des Weiteren hat der Beklagte die von ihm durchgeführten Prüfungen der Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise der Klägerin methodisch korrekt durchgeführt. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung des BSG setzt die Durchführung von Vertikalprüfungen voraus, dass zum Vergleich mindestens vier aufeinander folgende Quartale zugrunde gelegt werden, es sich bei dem geprüften Quartal nicht um ein einzelnes, aus der Reihe fallendes "Spitzenquartal" handelt und Patientengut und Behandlungsstruktur in den zu vergleichenden Zeiträumen sich nicht wesentlich geändert haben (vgl. BSG SozR 3-2500 § 106 Nr. 24). Diesen Anforderungen, denen auch die hier maßgebliche Ergänzungsvereinbarung zur Prüfvereinbarung Rechnung trägt, ist im Fall der Klägerin Genüge getan. Der Beklagte hat jeweils die vier Quartale des Jahres 1995 zum Vergleich herangezogen. Dafür, dass es sich bei einem der geprüften Quartale um ein aus der Reihe fallendes Spitzenquartal gehandelt hat, hat die Klägerin nichts vorgetragen. Ebenso wenig kann von einer wesentlichen Änderung im Patientengut oder in der Behandlungsstruktur ausgegangen werden. Zwar hat die Klägerin geltend gemacht, sie habe nach dem Weggang einer früher bei ihr beschäftigten Orthoptistin die von der Nr. 1220 EBM erfasste differenzierende Analyse und graphische Darstellung des Bewegungsablaufs beider Augen in mindestens neun Blickrichtungen je Auge erst ab 1996 wieder in ihr Untersu-chungsspektrum aufgenommen und in der Zwischenzeit die Patienten - meistens Schiel-kinder -, bei denen entsprechende Untersuchungen angezeigt gewesen seien, in die Sehschule des Krankenhauses St.-Jürgen-Straße in Bremen überwiesen. Diese Angaben erscheinen jedoch dem Senat, ebenso wie bereits dem SG, zweifelhaft. Nachvollziehbar hat der Beklagte unter Vorlage des einschlägigen Auszugs aus dem Ärzteverzeichnis 1995 dargelegt, dass damals am Zentralkrankenhaus St.-Jürgen-Straße lediglich ein Arzt zur Durchführung der Sehschule ermächtigt gewesen sei, der diese Leistungen jedoch nur im Zusammenhang mit Schieloperationen habe erbringen dürfen. Wenn die Klägerin nunmehr ab dem Quartal I/96 in großem Umfang Leistungen nach Nr. 1220 EBM erbrachte, erscheint es angesichts des eingeschränkten Ermächtigungsumfangs dieses Krankenhausarztes wenig glaubhaft, dass es sich bei dem von ihr nunmehr selbst betreuten Patientengut um ein solches gehandelt hat, die sie bis zum Quartal IV/95 überwiesen hat. Immerhin hat die Klägerin nach den Feststellungen des Beklagten im angefochtenen Bescheid im Jahre 1996 bei 8 % (I/96), 9,9 % (II/96), 7,14 % (III/96) bzw. 7,43 % (IV/96) ihrer Patienten die Nr. 1220 EBM abgerechnet. Wenn auch aus den Akten nicht ersichtlich ist, wie viele Patienten sie in den vier Quartalen des Jahres 1996 insgesamt behandelt hat, ergibt sich jedoch schon aus den Kürzungspunkten, dass die Nr. 1220 EBM auch in absoluten Zahlen in hoher Frequenz abgerechnet worden sein muss. Im Hinblick darauf, dass die Nr. 1220 EBM mit 350 Punkten bewertet ist, ergeben Kürzungspunkte in einem Umfang von 67.900 für das Quartal I/96 194 Patienten, von 82.600 im Quartal II/96 236 Patienten, von 53.550 im Quartal III/96 153 Patienten und von 60.900 im Quartal IV/96 174 Patienten.

33

Im Übrigen belegt der weitere Vortrag der Klägerin, dass sie bei der Abrechnung der Nr. 1220 EBM offensichtlich Missverständnissen unterlegen war. So hat sie sowohl im Widerspruchs- als auch im Klagverfahren ausgeführt, die Nr. 1220 EBM sei vor dem 1. Januar 1996 von ihr im Rahmen der (mit der EBM-Reform gestrichenen) Nrn. 1216 und 1217 EBM mit erbracht worden. Zutreffend hat in diesem Zusammenhang der Beklagte darauf hingewiesen, dass die zum 1. Januar 1996 gestrichenen Nrn. 1216 und 1217 EBM in den Komplexgebühren der Nrn. 1 - 4 des EBM 96 aufgegangen sind (vgl. das als Anhang zum EBM 96 aufgenommene Verzeichnis der nicht gesondert abrechnungsfähigen Leistungen). Damit konnten diese Leistungen nicht nunmehr als Nr. 1220 neben den Komplexgebühren in Ansatz gebracht werden. Eine weitere Änderung ist insoweit erst zum 1. Juli 1997 mit der Wiederaufnahme der Nr. 1216 in den EBM erfolgt.

34

Nach alledem kann die Berufung der Klägerin keinen Erfolg haben.

35

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 SGG in der bis zum Inkrafttreten des 6. SGG-Änderungsgesetzes vom 17. August 2001 (BGBl. I 2144) am 2. Januar 2002 geltenden Fassung, die hier noch anzuwenden ist. Danach besteht keine Verpflichtung der Klägerin, neben den außergerichtlichen Kosten des Beklagten auch diejenigen der Beigeladenen oder Gerichtskosten zu erstatten; § 197a SGG ist auf Verfahren, die vor dem Inkrafttreten der Norm rechtshängig geworden sind, nicht anzuwenden (vgl. BSG vom 30.01.2002 - B 6 KA 12/01 R -). Der Inhalt der Kostenentscheidung berücksichtigt, dass der Tenor der Entscheidung des Beklagten insoweit unrichtig ist, als er die - wirtschaftlich betrachtet - vollständige Aufhebung der Kürzung der Nr. 1218 EBM auch für die Quartale I und II/96 nicht enthält und hierdurch insoweit Veranlassung zur Klageerhebung und Berufungseinlegung gegeben hat.

36

Es hat kein Anlass bestanden, die Revision zuzulassen.