Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 06.06.2003, Az.: L 3 P 31/02
Anspuch auf Pflegegeld wegen einer schweren chronischen Lungenerkrankung; Bemessung von Pflegedienstleistungen; Unterstützungsbedarf bei der Körperreinigung; Hilfebedarf bei der Aufrechterhaltung der häuslichen Lebensführung
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 06.06.2003
- Aktenzeichen
- L 3 P 31/02
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 19947
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2003:0606.L3P31.02.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Hannover - AZ: S 29 P 49/00
Rechtsgrundlagen
- § 37 SGB X
- § 15 SGB X
- § 14 Abs. 4 SGB XI
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Bei der erforderlichen Bemessung von Pflegedienstleistungen ist im Ausgangspunkt zu berücksichtigen, dass das Gesetz auf den erforderlichen Zeitaufwand der Pflegeperson und nicht etwa auf den Zeitaufwand der Pflegebedürftigen abstellt.
- 2.
Verrichtungen, die für die Aufrechterhaltung der Lebensführung zu Hause unumgänglich sind und das persönliche Erscheinen des Pflegebedürftigen notwendig machen, sind bei der Ermittlung eines Hilfebedarfs im Rahmen dieser Verrichtung grundsätzlich berücksichtigungsfähig.
Tenor:
Die Berufung wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbetstand
Die 1950 geborene Klägerin begehrt Pflegegeld, wobei im Berufungsverfahren nur noch die Zeiträume von Dezember 1998 bis November 2000 und ab Juli 2001 im Streit sind.
Die Klägerin leidet an einer schweren chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COLD) mit Belastungsdyspnoe; die sauerstoffpflichtig geworden ist. Daneben beeinträchtigen insbesondere folgende Erkrankungen ihr Leistungsvermögen: degenerative Wirbelsäulen(WS-)veränderungen verbunden mit einem chronischen WS-Syndrom, eine Schultersteife links; Verdacht auf eine Coxarthrose rechts verbunden mit Bewegungseinschränkungen, eine chronische Gastritis, rezidivierende ulcera venticuli, linksthorakale Schmerzen, eine dekompensierte Herzinsuffizienz und leichte Kontrakturen im Bereich beider Schultergelenke. Das Versorgungsamt hat einen Grad der Behinderung von 60 v.H. anerkannt.
Am 01. Dezember 1998 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung von Pflegegeld. Die Beklagte holte ein Gutachten des MDKN (Pflegefachkraft C. ) vom 30.04.1999 ein, in dem bezogen auf den Bereich der Grundpflege nur ein Hilfebedarf beim Duschen (1mal täglich; erforderlicher Zeitaufwand für die Pflegeperson: 3 Minuten) und beim An- und Auskleiden (je einmal täglich, insges. 2 Minuten) und beim Transfer (2mal täglich, insges. 2 Minuten); ferner viermal monatlich Begleitung zum Arzt (10 Minuten im Tagesdurchschnitt) festgestellt worden ist.
Die Beklagte lehnte daraufhin den Antrag auf Gewährung von Pflegegeld mit Bescheid vom 03. Juni 1999 ab.
Im Widerspruchsverfahren, in dem die Klägerin eine am 26. Oktober 1999 erstellte Dokumentation des Tagesablaufs vorlegte, holte die Beklagte ein weiteres MDKN-Gutachten (der Pflegefachkraft D. ) vom 19.10.1999 ein. Der Hilfebedarf beim Waschen und Duschen wurde mit 9 Minuten im Tagesdurchschnitt bewertet, des Weiteren wurde im Bereich der Grundpflege ein Unterstützungsbedarf beim Kämmen (2 Minuten), An- und Auskleiden (7 Minuten), Stehen (2 Minuten) und beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung (10 Minuten) bejaht.
In einem weiteren nach Aktenlage erstellten Gutachten vom 16.12.1999 hielt die Pflegefachkraft D. an der Bewertung des Grundpflegeaufwandes mit weiterhin 30 Minuten fest.
Daraufhin wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin mit Bescheid vom 13. März 2000, der Klägerin zugestellt am 15. März 2000, zurück. Mit der am 04. April 2000 erhobenen Klage hat die Klägerin eine erhebliche Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes geltend gemacht.
Das Sozialgericht hat Befundberichte des Lungenfacharztes Dr. E. vom 25. Juli 2000, des Gastroenterologen Dr. F. vom 26. Juli 2000, der Orthopädin Dr. G. vom 27. Juli 2000 und der Hausärztin H. vom 27 September 2000 beigezogen.
Auf Ersuchen der Beklagten hat für den MDKN die Ärztin Dr. I. am 12. Dezember 2000 ein weiteres Gutachten erstellt, in dem der erforderliche Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege nur noch mit 12 Minuten im Tagesdurchschnitt bemessen wurde.
Das Sozialgericht hat ein Pflegegutachten des "Lehrers für Pflege" J. vom 24. April 2001 eingeholt. Der Sachverständige hat den Eindruck einer Überversorgungssituation gewonnen und die Auffassung vertreten, dass eine behutsame Reduzierung der Pflegemaßnahmen unter gleichzeitiger Nutzung der Ressourcen und Förderung der Eigenaktivität dringend notwendig sei.
Im Einzelnen hat der Sachverständige im Bereich der Grundpflege einen Hilfebedarf von 53 Minuten im Tagesdurchschnitt angenommen, die sich aus den nach seiner Auffassung erforderlichen Unterstützungsleistungen beim Waschen, Duschen und Baden (insgesamt 20 Minuten), beim Kämmen (2 Minuten), bei der Darm- und Blasenentleerung (10 Minuten), beim Aufstehen und Zubettgehen (2 Minuten), beim An- und Auskleiden (8 Minuten), beim Stehen (3 Minuten) und beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung (2 Minuten) zuzüglich eines gesondert ausgewiesenen nächtlichen Hilfebedarfes von 6 Minuten zusammensetzten.
In einem auf Bitten der Beklagten von der Pflegefachkraft K. im Auftrages des MDKN am 11. Juli 2001 erstellten Pflegegutachten wurde hingegen nur ein täglicher Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege von 26 Minuten angenommen.
Der diesbezüglich um eine ergänzende Stellungnahme ersuchte Sachverständige J. hat am 30. November 2001 erläutert, dass die MDKN-Bewertung im Ganzen zutreffend sein dürfte, der Hilfebedarf habe sich vermindert.
Mit Urteil vom 22. März 2002 hat das Sozialgericht unter Abweisung der Klage im Übrigen der Klägerin das begehrte Pflegegeld nach Maßgabe der Pflegestufe I nur für den Zeitraum von Dezember 2000 bis Juni 2001 zugesprochen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Nach Auswertung aller medizinischen Unterlagen und aller Pflegegutachten sei davon auszugehen, dass der Unterstützungsbedarf der Klägerin zunächst ab Dezember 2000 deutlich zugenommen und dann ab Juli 2001 sich wieder nachhaltig vermindert habe. Nur während des Zeitraums von Dezember 2000 bis Juli 2001 habe die Klägerin die gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung von Pflegegeld erfüllt.
Gegen dieses an sie mit eingeschriebenem Brief am 10. April 2002 abgesandte Urteil hat die Klägerin am 10. Mai 2002 Berufung eingelegt, mit der sie die Gewährung von Pflegegeld auch für die Zeiträume vor Dezember 2000 und ab Juli 2001 anstrebt.
Die Klägerin rügt, dass die Gutachter ihrem umfänglichen Hilfebedarf durch die Heranziehung unzureichender Zeitansätze nicht angemessen Rechnung getragen hätten. Insbesondere das schwere Lungenemphysem und das Hüftleiden prägten ihren Hilfebedarf. Zudem sei ihr Bauch so stark aufgedunsen, dass sie sich nicht mehr bücken könne. Wegen der starken Schmerzen müsse sie Morphinpflaster anwenden. Vor einem Jahr habe sie überdies einen Herzinfarkt erlitten.
Die Klägerin beantragt,
- 1.
das Urteil des SG Hannover vom 22. März 2002 zu ändern und
- 2.
die Beklagte zur Gewährung von Pflegegeld nach Maßgabe der Pflegestufe I auch für die Zeit von Dezember 1998 bis November 2000 und für den Zeitraum ab Juli 2001 zu verurteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil, soweit dieses mit der Berufung angegriffen wird, und verweist auf ein im Berufungsverfahren eingeholtes im Auftrage des MDKN von der Pflegefachkraft L. erstelltes Gutachten vom 30. Januar 2003, wonach der Hilfebedarf der Klägerin im Bereich der Grundpflege 21 Minuten ausmacht.
Der Senat hat durch seinen Berichterstatter die Klägerin informatorisch und ihren Ehemann M. und ihre Tochter N. als Zeugen zu dem erforderlichen Hilfebedarf gehört. Insoweit wird auf das Terminsprotokoll verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der vorliegenden Gerichtsakte und auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungs-vorgänge der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung, über die der Senat mit der im Erörterungstermin von beiden Beteiligten erklärten Zustimmung durch seinen Berichterstatter als Einzelrichter ohne mündliche Verhandlung entscheidet, hat keinen Erfolg.
Die Klägerin hat in den im Berufungsverfahren noch streitigen Zeiträumen von Dezember 1998 bis November 2000 und von Juli 2001 bis zum Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung keinen Anspruch auf das begehrte Pflegegeld, da sie nicht einmal die Voraussetzungen für eine Zuordnung zur Pflegestufe I erfüllt.
Die Gewährung von Pflegegeld auch nur nach Maßgabe der Pflegestufe I hat nach §§ 37, 15 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 3 Nr. 1, 14 Abs. 4 Sozialgesetzbuch Buch XI (SGB XI) zur Voraussetzung, dass der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, wöchentlich im Tagesdurchschnitt mindestens 90 Minuten beträgt; dabei müssen auf die Grundpflege, d.h. auf die in § 14 Abs. 4 Nrn. 1 bis 3 SGB XI aufgeführten Verrichtungen aus den Bereichen der Körperpflege, der Ernährung und der Mobilität, mehr als 45 Minuten entfallen.
Bezogen auf die im Berufungsverfahren noch streitigen Zeiträume vermag der Senat nicht festzustellen, dass der Hilfebedarf der Klägerin im Bereich der Grundpflege den Grenzwert von mehr als 45 Minuten im Tagesdurchschnitt erreicht hat.
Die Klägerin ist wiederholt von verschiedenen Gutachtern des MDKN untersucht worden. Der Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege wurde von der Pflegefachkraft C. im April 1999 lediglich mit 17 Minuten, von der Pflegefachkraft D. im Oktober 1999 mit 30 Minuten, von der Ärztin Dr. I. im Dezember 2000 lediglich mit 12 Minuten, von der Pflegefachkraft K. im Juli 2001 mit 26 Minuten und von der Pflegefachkraft L. im Januar 2003 mit 21 Minuten bewertet. Ungeachtet zahlreicher im Detail festzustellender Differenzen stimmen diese Gutachten darin überein, dass die Klägerin die gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen insbesondere in Form eines Grundpflegehilfebedarfs von mehr als 45 Minuten deutlich verfehlt. Diese Einschätzung erachtet der Senat für überzeugend.
Bei der erforderlichen Bemessung ist im Ausgangspunkt zu berücksichtigen, dass das Gesetz auf den erforderlichen Zeitaufwand der Pflegeperson und nicht etwa auf den Zeitaufwand der Pflegebedürftigen abstellt. Da die Klägerin bei mehreren Verrichtungen nur einer Teilunterstützung bedarf, bleibt bezüglich ihrer der erforderliche Zeitaufwand der Pflegeperson für die allein erforderliche Teilhilfe hinter der Gesamtdauer des Verrichtungsvorgangs zurück.
Hiervon ausgehend vermag der Senat unter Auswertung aller vorliegenden Gutachten und medizinischen Unterlagen und der von ihm durchgeführten Beweisaufnahme allenfalls folgenden Hilfebedarf der Klägerin im Bereich der Grundpflege bezogen auf die noch streitigen Zeiträume festzustellen:
Auch wenn zu Gunsten der Klägerin unterstellt wird, dass sie die Hände nicht über den Kopf heben kann, kann sie auch nach ihren eigenen Angaben beim Waschen und Baden zumindest Brust, Bauch, Intimbereich, Oberschenkel und das Gesicht selbst waschen, sodass sie nur bei Teilen des Reinigungsvorganges Hilfe braucht. Diese Teilunterstützung ist im Gutachten O. mit rund fünf Minuten je Ganzkörperwäsche (entsprechend - bei vier Ganzkörperwäschen in der Woche - drei Minuten im Tagesdurchschnitt) und mit 14 Minuten je Wannenbad bewertet worden.
Die Ärztin P. und die Pflegefachkraft C. haben den Hilfebedarf je "Duschbad" (in der Wohnung der Klägerin kann aber nur ein Wannenbad genommen werden) mit 21 Minuten bemessen (wobei sie jeweils nur ein Bad pro Woche berücksichtigt haben); einen Hilfebedarf bei einer Ganzkörperwäsche hat die Ärztin P. mit 8 Minuten bemessen und ist von der Pflegefachkraft C. verneint worden. Die Pflegefachkraft K. hat den Hilfebedarf je Ganzkörperwäsche mit rund 8 Minuten und je Wannenbad mit rund 14 Minuten bemessen. Die Pflegefachkraft L. hat schließlich 8 Minuten je Ganzkörperwäsche und 21 Minuten je Wannenbad in Ansatz gebracht, des Weiteren - anders als die übrigen MDKN-Gutachterinnen - täglich jeweils einmal vier Minuten für eine erforderliche Teilunterstützung bei jeweils einer Teilwäsche des Unter- und des Oberkörpers.
Soweit der erstinstanzlich gehörte Sachverständige J. in seinem Gutachten vom 02. Mai 2001 einen Hilfebedarf von 35 Minuten je Wannenbad in Ansatz gebracht hat, ist er von dieser Einschätzung im Ergebnis selbst wieder abgerückt, indem er - ohne diesbezüglich eine gravierende Veränderung im Gesundheitszustand der Klägerin konkret aufzeigen zu können - in seiner nachfolgenden Stellungnahme 30. November 2001 die Zeitansätze im Gutachten der Pflegefachkraft K. und damit auch den dort befürworteten Ansatz von 14 Minuten je Wannenbad als "im Ganzen zutreffend" bewertet hat.
Ansonsten mögen im Folgenden zu Gunsten der Klägerin die jeweils großzügigsten Zeitansätze unterstellt werden. Dementsprechend ergibt sich ausgehend von wöchentlich drei Wannenbädern mit einem Hilfebedarf von jeweils 21 Minuten Dauer (einschließlich der erforderlichen Hilfen beim Herrichten und Entleeren der Wanne und beim Eincremen nach dem Bad Q. und einschließlich der erforderlichen Hilfen beim Haarewaschen), von jeweils einer Ganzkörperwäsche an den übrigen vier Wochentagen mit einem Hilfebedarf von jeweils 8 Minuten und darüber hinaus einem Unterstützungsbedarf von jeweils vier Minuten bei jeweils einer täglichen Teilwäsche des Unterkörpers und des Oberkörpers bei den Verrichtungen Baden, Duschen und Baden ein Gesamtunterstützungsbedarf von allenfalls täglich - aufgerundet - 22 Minuten.
Bei der Verrichtung des Kämmens differieren die Bewertungen zwischen 0 und 2 Minuten im Tagesdurchschnitt, zu Gunsten der Klägerin können mithin allenfalls 2 Minuten berücksichtigt werden.
Einen regelmäßigen Hilfebedarf bei der Darm- oder Blasenentleerung vermochte von den MDKN-Gutachter(inne)n lediglich die Pflegefachkraft K. festzustellen, und zwar in einem Umfang von zwei Minuten Tagesdurchschnitt. Die übrigen MKDN-Gutachter(innen) haben auf der Grundlage der ihnen gegenüber gemachten Angaben der Klägerin keinen Anlass zur Annahme eines solchen Hilfebedarfs gesehen. Auch bei ihrer Anhörung durch den Senat haben die Klägerin und der sie in erster Linie pflegende Ehemann bestätigt, dass sie bei diesem Vorgang unter Einschluss der erforderlichen Intimhygiene und des sog. Richtens der Bekleidung keiner Hilfe bedarf (hingegen bei einigen Wegen zur Toilette unterstützt werden muss). Bei dieser Sachlage gibt auch die Einschätzung eines Hilfebedarfs bei dieser Verrichtung mit zehn Minuten im Gutachten des Sachverständigen J. jedenfalls hinsichtlich des noch streitigen Zeitraums (bezogen auf den der Sachverständige keine eigenen Beobachtungen machen konnte) keinen Anlass, den Hilfebedarf der Klägerin bei der Darm- und Blasenentleerung mit mehr als zwei Minuten im Tagesdurchschnitt zu bewerten.
Ein Hilfebedarf beim Aufstehen und Zubettgehen ist von den Gutachtern teils verneint, teils mit zwei Minuten im Tagesdurchschnitt bewertet worden; damit ist jedenfalls kein Raum für die Annahme eines 2 Minuten übersteigenden Unterstützungsbedarfs.
Beim An- und Auskleiden bedarf die Klägerin - wenn überhaupt (vgl. auch ihre eigene im Gutachten vom 30. Januar 2003 wiedergegebene Angabe, wonach sie sich selbst an- und auskleiden könne) - nur einer Teilunterstützung. Den dabei anfallenden Zeitaufwand der Pflegeperson bemessen die Gutachter im Tagesdurchschnitt allenfalls mit acht Minuten, ein Wert von 8 Minuten stellt auch aus der Sicht des Senates den diesbezüglich allenfalls in Betracht zu ziehenden Hilfebedarf dar.
Beim Gehen und Stehen sind zum einen die erforderlichen Hilfen beim Besteigen und Verlassen der Badewanne in Ansatz zu bringen. Zum anderen ist ihr Unterstützungsbedarf bei solchen Wegen von und zur Toilette zu berücksichtigen, bei denen die Klägerin auf Grund einer momentanen Konstitutionsschwäche - insbesondere während der Nacht - gestützt werden muss. Einen bei diesen beiden Verrichtungen erforderlichen Hilfebedarf haben die MDKN-Gutachter(innen) mit 1 bis 5 Minuten im Tagesdurchschnitt und der Sachverständige J. (unter Einschluss des gesondert ausgewiesenen nächtlichen Hilfebedarfs) mit 9 Minuten bemessen. Andererseits hat dieser Sachverständige die nachfolgende Bemessung des Hilfebedarfs bei dieser Verrichtung durch die Pflegefachkraft K. als im Ganzen zutreffend gewertet, obwohl bezüglich des Hilfebedarfs der Klägerin beim Gehen und Stehen keine zwischenzeitlichen nennenswerten Veränderungen des Gesundheitszustandes und/oder des Selbsthilfevermögens erkennbar waren. Damit fehlt eine hinreichende Grundlage, um den Hilfebedarf der Klägerin bei dieser Verrichtung mit mehr als 5 Minuten im Tagesdurchschnitt zu bewerten.
Ein Hilfebedarf bei der Verrichtung Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung kann aus Rechtsgründen nicht berücksichtigt werden. Allerdings sind Verrichtungen, die für die Aufrechterhaltung der Lebensführung zu Hause unumgänglich sind und das persönliche Erscheinen des Pflegebedürftigen notwendig machen, bei der Ermittlung eines Hilfebedarfs im Rahmen dieser Verrichtung grundsätzlich berücksichtigungsfähig (BR-Drucks 505/93, S. 97). Dies gilt aber nicht uneingeschränkt. Verrichtungen, die seltener als regelmäßig mindestens einmal pro Woche anfallen, zählen nicht zum berücksichtigungsfähigen Pflegeaufwand. Das Gesetz stellt in § 15 Abs. 3 SGB XI mit hinreichender Deutlichkeit klar, dass bei der Ermittlung des für die Pflege erforderlichen Zeitaufwands auf die Woche abzustellen ist. Aus dem gesamten in einer Woche anfallenden Pflegeaufwand ist der Tagesdurchschnitt zu ermitteln. Dies schließt es aus, bei der Feststellung des zeitlichen Pflegebedarfs auch Verrichtungen einzubeziehen, die seltener als regelmäßig mindestens einmal wöchentlich anfallen (BSG SozR 3-3300 § 14 Nr. 10).
Im vorliegenden Fall ist auch bezogen auf nur Teile des streitigen Zeitraums selbst unter Heranziehung der eigenen Angaben der Klägerin nicht ersichtlich, dass sie für die Aufrechterhaltung der Lebensführung zu Hause unumgängliche Verrichtungen außerhalb der eigenen Wohnung regelmäßig wöchentlich zumindest einmal wahrzunehmen hat. Namentlich bestand und besteht keine Notwendigkeit, wöchentlich mindestens einmal einen Arzt aufzusuchen, zumal die Hausärztin bei Bedarf auch Hausbesuche macht.
Hilfen bei Spaziergängen können nach der gesetzlichen Konzeption schon deshalb nicht berücksichtigt werden, weil sie für die Aufrechterhaltung der selbstständigen häuslichen Lebensführung nicht unerlässlich sind (BSG, a.a.O.).
Ebenso wenig ist ein Hilfebedarf bei sonstigen Grundpflegeverrichtungen festzustellen. Namentlich ist die Klägerin noch in der Lage, die (fertig gekochte) Nahrung im erforderlichen Umfang mundgerecht zuzubereiten und aufzunehmen.
Dementsprechend sieht der Senat aus den im Einzelnen erläuterten Gründen keinen Raum, den Hilfebedarf der Klägerin im Bereich der Grundpflege mit mehr als 41 Minuten im Tagesdurchschnitt zu bewerten; diese Einschätzung gilt für den gesamten streitigen Zeitraum. Damit wird der gesetzliche Mindestwert von mehr als 45 Minuten nicht erreicht. Auch wenn die Klägerin einen nicht unerheblichen Hilfebedarf auch im Bereich der Grundpflege aufweist, erreicht dieser doch nicht das erforderliche Ausmaß, um nach Maßgabe der - strengen - gesetzlichen Vorgaben einen Anspruch auf das begehrte Pflegegeld in den im Berufungsverfahren noch zu prüfenden Zeiträumen zu begründen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG; Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), sind nicht gegeben.