Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 16.06.2003, Az.: L 1 RA 100/02

Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit; Beurteilung der Wertigkeit des bisherigen Berufes bei der Feststellung der Erwerbsunfähigkeit; Feststellungen eines berufskundlichen Sachverständigen ; Einstufung eines Verkaufsfahrers als gelernte Tätigkeit ; Rückschluss auf die Qualität der zu verrichtenden Arbeit durch den Lohn

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
16.06.2003
Aktenzeichen
L 1 RA 100/02
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 19975
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2003:0616.L1RA100.02.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Osnabrück - AZ: S 1 RA 175/99

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Die berufskundlichen Sachverständigen sollen und dürfen allein zu der Frage Stellung nehmen, ob der bisherige oder ein Verweisungsberuf mit den festgestellten Leistungseinschränkungen für den Versicherten noch ausübbar ist.

  2. 2.

    Eine gewährte Stellenzulage ist nur dann als Beleg für die Qualität der verrichteten Arbeit zu bewerten, wenn sie im Tarifvertrag verankert und dort als qualitätsbezogen begründet ist. Ohne einen solchen ausdrücklichen Qualitätsbezug kann aus Entlohnungen nicht auf die Qualität der verrichteten Arbeit geschlossen werden.

  3. 3.

    Der Wechsel der Zuständigkeit des Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung bei einem Arbeitnehmer von der Arbeiter- zur Angestelltenrentenversicherung ist dann kein Kriterium zur Einstufung des bisherigen Berufes, wenn die Einstufung gerade innerhalb der Arbeiter- und innerhalb der Angestellten-Berufe vorzunehmen ist.

  4. 4.

    Psychischen Beschwerden kommt nur dann eine erwerbsmindernde Bedeutung zu, wenn die Erkrankung trotz zumutbarer Anspannung der Willenskräfte des Versicherten und unter Ausschöpfung aller therapeutischen Möglichkeiten nicht binnen 26 Wochen überwunden werden kann.

Tenor:

Die Berufung wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt von der Beklagten Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

2

Der im Jahre 1946 geborene Kläger hat den Beruf des Maschinenmechanikers erlernt, jedoch nicht in diesem Beruf gearbeitet, sondern bis Mitte der 60er Jahre eine Montagetätigkeit ausgeübt. Nach der anschließenden Bundeswehr-Zeit hat er sodann in einem Schlachthof gearbeitet (Schlachthof I.; spätere Rechtsnachfolgerinnen: Fa. J. AG), und zwar bis 1981 als reiner Auslieferungsfahrer (versichert in der Rentenversicherung der Arbeiter), seit 1981 als Verkaufsfahrer (versichert in der Rentenversicherung der Angestellten). Als Verkaufsfahrer war er - nach seinen Angaben - für einen größeren Bezirk zuständig (nördliches K. und L.), wo er nicht nur Lieferungen auszuführen (wie ein Auslieferungsfahrer), sondern daneben auch den Kundenstamm zu betreuen, neue Kunden zu akquirieren und gegen Ende des Tages die verbleibende verderbliche Ware bestmöglich zu verkaufen hatte. Im Rahmen dieses Aufgabenbereiches musste er u.a. Verkaufsgespräche führen, Lieferabschlüsse tätigen, Bestellungen entgegennehmen, Wiegetätigkeiten durchführen, die Rechnungslegung durch die Firmenzentrale vorbereiten sowie sein Fahrzeug nach Auftragslage be- und entladen. Nach Arbeitgeberangaben erfolgte die Grundvergütung des Klägers nach Gruppe L 3a des maßgeblichen Tarifvertrages ("Tätigkeiten, die nach einer Anlernzeit ausgeführt werden können"), wobei in der betrieblichen Einstellungspraxis eine abgeschlossene Berufsausbildung vorausgesetzt worden sei. Neben der Grundvergütung erhielt der Kläger Sonderzahlungen und Provisionen für Kundenakquisitionen sowie eine "Stellenzulage".

3

Nachdem bereits in seiner Kindheit ein überhöhter Eiweißgehalt festgestellt worden war und erstmals im Jahre 1994 eine nephrologische Untersuchung stattgefunden hatte, wurde 1997 beim Kläger eine Niereninsuffizienz im Stadium der Retention bei Nierensklerose und chronischer Nierenfunktionsstörung festgestellt. Daneben bestehen beim Kläger u.a. ein arterieller Hypertonus, rezidivierende Magen-Darm-Geschwüre mit gastrointestinalen Blutungen und - als Folge der Nierenerkrankung - Kopfdruck, gelegentlicher Schwindel und Neigung zu Kopfschmerz. Ebenfalls seit 1997 leidet der Kläger unter einer Eisenmangelanämie sowie bereits mehrere Jahre an Angstzuständen, namentlich beim Überqueren von Autobahnbrücken und beim Zugfahren; nach Angaben des Klägers gehe er aus Angst vor Panikattacken praktisch nicht mehr allein aus dem Haus. - Der Kläger ist in zweiter Ehe verheiratet, hat 7 Kinder und zog sich im Jahre 2001 beim Sport eine Lungenverletzung zu. In 2002 erfolgte eine Blinddarm-Operation. Seit 1997 war er zunächst arbeitsunfähig krank und bezog sodann Arbeitslosengeld (ALG).

4

Im April 1998 stellte der Kläger den zu diesem Verfahren führenden Antrag auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bzw. Berufsunfähigkeit (EU/BU) und begründete ihn mit der Niereninsuffizienz und dem Hypertonus. Die Beklagte zog medizinische Unterlagen und eine Arbeitgeber-Auskunft bei, ließ den Kläger untersuchen und begutachten von dem Facharzt für Innere Medizin Dr. M. und hörte ihren berufskundlichen Dienst. Nach dem Gutachten des Dr. M. vom 15. Juni 1998 konnte der Kläger noch vollschichtig leichte bis gelegentlich mittelschwere körperliche Arbeiten ohne Zeitdruck und Akkord sowie ohne Schichtarbeit verrichten und damit nicht mehr als Verkaufsfahrer tätig sein, da dort gerade auch schwere Arbeiten sowie Zeitdruck anfielen. In der berufskundlichen Stellungnahme vom 5. Juli 1999 hieß es, der Kläger könne zwar nicht mehr als Verkaufsfahrer arbeiten, jedoch sei er mangels einschlägigem Ausbildungsberuf (Ausbildungszeit bis zu 2 Jahre) als Angelernter einzustufen, der auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar sei, u.a. auf einfache Büro- und Innendiensttätigkeiten in Registratur, Archiv oder Poststelle. Daraufhin lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 9. Juli 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. September 1999 ab.

5

Mit der hiergegen am 4. Oktober 1999 vor dem Sozialgericht (SG) Osnabrück erhobenen Klage hat der Kläger die Auffassung vertreten, dass er in seinem bisherigen Beruf einem Facharbeiter gleichzustellen zu sei. Er habe bei der Einstellung eine abgeschlossene Berufsausbildung vorweisen müssen und habe in dem ihm zugewiesenen Zuständigkeitsbereich weit gehend selbstständig Geschäftsabschlüsse getätigt. In gesundheitlicher Hinsicht habe sich inzwischen eine Depression eingestellt. Das SG hat Befundberichte eingeholt (Facharzt für Psychiatrie Dr. N. vom 22. Mai 2000 und 12. März 2001; internistische Gemeinschaftspraxis Dres. O. und P. vom 25. Mai 2000; Nephrologisches Zentrum Q. vom 23. Juni 2000), eine Arbeitgeberauskunft beigezogen (der Fa. R. AG vom 14. Februar 2002 mit Ergänzung vom 25. März 2002) und die Klage sodann mit Urteil vom 27. März 2002 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Einzelnen ausgeführt, dass der Kläger zwar nicht mehr seinen bisherigen Beruf des Verkaufsfahrers ausüben könne, jedoch als Angelernter auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar sei, auf dem er u.a. diejenigen Tätigkeiten verrichten könne, die vom berufskundlichen Dienst der Beklagten benannt worden seien. Die Einstufung des Klägers als Angelernter folge namentlich aus seiner tariflichen Eingruppierung. Die ihm vom Arbeitgeber gewährte Stellenzulage (von 200,00 DM monatlich) ändere an dieser Beurteilung nichts, weil der Kläger für seine Verkaufsfahrten nicht über die gleichen Kenntnisse und Fähigkeiten habe verfügen müssen wie ein ausgebildeter kaufmännischer Angestellter.

6

Gegen dieses ihm am 24. April 2002 zugestellte Urteil richtet sich die am 17. Mai 2002 eingelegte Berufung, mit der der Kläger ergänzend geltend macht, dass er auch deshalb wie ein Facharbeiter einzustufen sei, weil es sich um eine qualifizierte Verkaufsfahrertätigkeit gehandelt habe, für die auch (statt der bisherigen Arbeiterrentenversicherung) die Angestelltenrentenversicherung zuständig gewesen sei. Auf der damit allein sozial zumutbaren Verweisungs-Stufe der Angelernten könne kein Verweisungsberuf benannt werden. Zur Glaubhaftmachung seiner gesundheitlichen Beschwerden legt er eine ärztliche Bescheinigung des Nephrologischen Zentrums Q. vom 16. Februar 2001 vor.

7

Der Kläger beantragt nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen sinngemäß,

  1. 1.

    das Urteil des Sozialgerichts Osnabrück vom 27. März 2002 und den Bescheid der Beklagten vom 9. Juli 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. September 1999 aufzuheben,

  2. 2.

    die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit, zu bewilligen.

8

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

die Berufung zurückzuweisen.

9

Sie verteidigt die angefochtenen Bescheide als zutreffend und bezieht sich zur Begründung ergänzend auf das Urteil des SG.

10

Der Senat hat im vorbereitenden Verfahren den berufskundlichen Sachverständigen Diplom-Verwaltungswirt S. (im Erörterungstermin) vernommen und den Kläger untersuchen und begutachten lassen von dem Facharzt für Innere Medizin Dr. T. sowie von dem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. U ... Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 4. September 2002 sowie auf die schriftlichen Gutachten vom 24. September 2002 und 11. März 2003 Bezug genommen.

11

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

12

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie auf die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Sie haben vorgelegen und sind Gegenstand von Beratung und Entscheidung gewesen.

Entscheidungsgründe

13

Der Senat konnte gem. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil sich die Beteiligten zuvor hiermit einverstanden erklärt haben.

14

Die gem. §§ 143f. SGG statthafte und zulässige Berufung ist unbegründet.

15

Weder das Urteil des SG noch die Bescheide der Beklagten sind zu beanstanden. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rente wegen verminderter Leistungsfähigkeit, und zwar weder auf Rente wegen EU/BU nach dem bis zum 31. Dezember 2000 geltenden (§§ 43, 44 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VI - a.F.) noch auf Rente wegen Erwerbsminderung nach dem seit dem 1. Januar 2001 geltenden Recht (§§ 43, 240 SGB VI n.F.).

16

Der Kläger war und ist nicht berufsunfähig. Entgegen seiner Rechtsauffassung ist der Kläger nicht als Facharbeiter bzw. als gelernte Kraft (Regelausbildungszeit jeweils mehr als 2 Jahre) einzustufen. Der gegenteiligen Einschätzung des berufskundlichen Sachverständigen kann (und darf) sich der Senat aus formalen und inhaltlichen Gründen nicht anschließen. Formal steht einer "Übernahme" der Beurteilung des berufskundlichen Sachverständigen durch den Senat entgegen, dass die Beurteilung der Wertigkeit des bisherigen Berufes (also insbesondere die Einordnung in das Mehr-Stufen-Schema des Bundessozialgerichts - BSG) eine Rechtsfrage ist, die nicht durch (berufskundliche) Sachverständige, sondern durch das Gericht vorzunehmen ist; die berufskundlichen Sachverständigen sollen und dürfen allein zu der Frage Stellung nehmen, ob der bisherige oder ein Verweisungsberuf mit den festgestellten Leistungseinschränkungen für den Versicherten (noch) ausübbar ist (vgl. nur: Kasseler-Kommentar-Niesel, § 240 SGB VI, Rn. 43f., 76ff. m.w.N.). Doch auch inhaltlich ist der bisherige Beruf des Klägers als Verkaufsfahrer nicht als gelernte Tätigkeit einzustufen. Dabei unterstellt der Senat zu Gunsten des Klägers seine Angaben als zutreffend, wonach er als Verkaufsfahrer für einen großen räumlichen Absatzmarkt (nördliches Ruhrgebiet und Niederrhein) allein zuständig und deshalb seine Tätigkeit für den Betrieb von erheblicher Bedeutung gewesen sei. Gegen seine Einstufung als Gelernter spricht aber vor allem, dass der Kläger für diese Tätigkeit zu keiner Zeit eine Berufsausbildung mit einer Regelausbildungsdauer von mehr als 2 Jahren absolviert hat, und zwar erst recht nicht eine für eine Verkaufstätigkeit einschlägige Ausbildung wie etwa eine solche zum Groß- oder Einzelhandelskaufmann. Für seine Verkaufstätigkeit ist er vielmehr im Schlachthof betrieblich eingewiesen worden. Auch kam ihm dabei für die Verkaufstätigkeit nicht seine vorherige Berufsausbildung zugute. Denn nach seinen Angaben erfolgte seine Einstellung im Schlachthof auf Grund seiner (zweijährigen) Ausbildung zum Maschinenmechaniker und vor allem deshalb, weil der Arbeitgeber mit dieser Vorausbildung die Erwartung verbunden habe, dass der Kläger etwaige kleinere Reparaturen an den Kfz selbst vornehmen könne.

17

Dass der Kläger auf Grund der fehlenden einschlägigen Berufsausbildung nicht als gelernte Kraft eingestuft werden kann wird auch durch die berufskundliche Einschätzung selbst bestätigt. Der berufskundliche Sachverständige konnte einen Verweisungsberuf im kaufmännischen Bereich nicht benennen und erklärte zur Begründung - für den Senat überzeugend - ausdrücklich, dass der Kläger über keine einschlägigen kaufmännischen Kenntnisse verfüge. Damit stehen dem Kläger also nach berufskundlicher Einschätzung keine wettbewerbsfähigen Kenntnisse zur Seite, die jedoch Voraussetzung dafür wären, ihn einem Gelernten ("Wettbewerber") gleich zu achten.

18

Doch auch die tarifliche Einstufung gebietet keine andere Beurteilung der Wertigkeit des Berufes des Klägers. Im Gegenteil: Nach der Arbeitgeberauskunft war die Tätigkeit des Klägers nach dem maßgeblichen Tarifvertrag (TV) in der Gruppe L 3a eingestuft, die nach ihrem Wortlaut und nach dem Gesamtgefüge des TV lediglich Anlerntätigkeiten betrifft ("Tätigkeiten, die nach einer Anlernzeit ausgeführt werden können"). Hierzu hat der Arbeitgeber in seiner weiteren schriftlichen Auskunft auch ausdrücklich angegeben, dass die Tätigkeit des Klägers eine Berufsausbildung von lediglich bis zu 2 Jahren oder gleichwertige erworbene betriebliche Kenntnisse voraussetzte.

19

Dass bei alledem die tatsächliche Vergütung des Klägers über der Grund-Vergütung nach dem TV lag, ist dabei rechtlich unerheblich. Das gezahlte Weihnachts- und Urlaubsgeld gehört zu den arbeitgeberseitigen Regelleistungen und sagt nichts über die berufliche Qualität der verrichteten Arbeit aus. Und die gewährte "Stellenzulage" in Höhe von 200,00 DM wäre nur dann als Beleg für die Qualität der verrichteten Arbeit zu bewerten, wenn sie im Tarifvertrag verankert und dort als qualitätsbezogen begründet gewesen wäre. Ohne einen solchen ausdrücklichen Qualitätsbezug kann aus Entlohnungen nicht auf die Qualität der verrichteten Arbeit geschlossen werden (Kasseler-Kommentar-Niesel, § 240 SGB VI, Rn. 63).

20

Und der Wechsel der Zuständigkeit des Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung beim Kläger (von der Arbeiter- zur Angestelltenrentenversicherung) ist bereits deshalb kein Kriterium zur Einstufung des bisherigen Berufes, weil die Einstufung gerade innerhalb der Arbeiter- und innerhalb der Angestellten-Berufe vorzunehmen ist.

21

Der Kläger ist daher als Angelernter im oberen Bereich einzustufen, dem Verweisungstätigkeiten auf dem angelernten und dem ungelernten Arbeitsmarkt der nicht einfachsten Art benannt werden können. Mehrere solcher Verweisungstätigkeiten hat der gehörte berufskundliche Sachverständige genannt (Gehilfe in Registratur und Poststelle, Verwalter von Büromaterial). Zutreffend hat der gehörte berufskundliche Sachverständige dazu ausgesagt, dass die Berufe mit den beim Kläger bestehenden Vorkenntnissen und Fertigkeiten sowie mit seinen gesundheitlichen Einschränkungen ausgeübt werden können. Die Aussage des Sachverständigen ist für den Senat überzeugend, wird gestützt durch die eigenen Angaben des Klägers und steht in Übereinstimmung mit der erkennbaren Rechtsprechung. Denn nach den eigenen Angaben des Klägers hat er als Verkaufsfahrer auch einfache schriftliche Arbeiten zu verrichten gehabt; nach der erkennbaren Rechtsprechung handelt es sich bei den Tätigkeiten in der Registratur, der Poststelle und der Büromaterialienverwaltung um leichte Arbeiten, die in den drei Körperhaltungsarten mit der Möglichkeit zum Wechsel der Körperhaltung, ohne Überkopfarbeit, ohne Zeitdruck und ohne besondere Anforderungen an Konzentration und Reaktion verrichtet werden können. Regelmäßige Bildschirm-Arbeit fällt nicht an (vgl. nur: LSG Niedersachsen, Urteil vom 21. März 2002, L 1 RA 209/00; LSG Niedersachsen, Urteil vom 18. August 1999, L 1 RA 19/98).

22

Und schließlich stimmt dieses berufliche Anforderungsprofil auch mit den festgestellten Leistungseinschränkungen des Klägers überein. Denn der Kläger kann vollschichtig leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeiten mit einfachen bis mittleren geistigen Anforderungen im Sitzen und überwiegend im Sitzen mit gelegentlichem Wechsel zum Stehen und Gehen, ohne Akkord, ohne Wechsel- und Nachtschicht, ohne Arbeit an Automaten, die das Arbeitstempo bestimmen und ohne zeitgebundene Arbeiten (namentlich Fließbandarbeit), ohne Exposition gegenüber Hitze, Staub, Rauch, Gasen, Dämpfen oder Lärm über 85 dB sowie ohne Zwangshaltungen verrichten.

23

Das oben genannte Leistungsvermögen ergibt sich im Wesentlichen bereits aus dem im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten des Dr. M. und wurde im Berufungsverfahren in den Gutachten des Dr. T. und des Dr. U. ausdrücklich bestätigt. Die Feststellungen sind für den Senat überzeugend, weil sie namentlich mit den in den Gutachten im Berufungsverfahren erhobenen Befunden in Übereinstimmung stehen und im Hinblick auf die Beschwerden des Klägers notwendig, aber auch ausreichend sind.

24

Danach steht inzwischen nicht mehr die Nierenerkrankung und die Eisenmangelanämie, sondern stehen die Folgen eines erheblichen Alkoholkonsums des Klägers im Vordergrund, die (zwar) derzeit noch nicht wesentlich leistungsmindernd ausgeprägt sind (aber bei Fortsetzung zukünftig beeinträchtigend sein können):

25

Auf internistischem Gebiet ist sowohl nach den bereits nach Aktenlage vorliegenden als auch nach den von Dr. T. erhobenen aktuellen Laborbefunden die bestehende Nephritis stabilisiert, die harnpflichtigen Substanzen befinden sich im Normbereich, der Eiweißverlust ist gering und Wassereinlagerungen bestehen nicht. Allerdings hat der inzwischen betriebene erhebliche Alkoholkonsum des Klägers zu ersten Wirkungen - noch ohne wesentlich leistungsmindernden Charakter - geführt. So ist nach Dr. T. nicht auszuschließen, dass der bestehende arterielle Hypertonus durch den Alkoholkonsum unterhalten bzw. gefördert wird, wobei seine Ausprägung allerdings noch zu keinen nennenswerten Einschränkungen geführt hat (ergometrische Belastbarkeit bis 150 Watt, keine Herzerweiterung, gute Pumpfunktion, keine Durchblutungsstörungen des Herzens, die Blutdruckeinstellung ist sachgerecht und befindet sich in nephrologischer Kontrolle). Auch eine beginnende Leberzirrhose ist nicht auszuschließen, die derzeitige Leistungsbreite der Leber aber noch ungestört. Alkoholtoxisch dürfte auch die beginnende Polyneuropathie zu begründen sein, die jedoch noch ohne wesentliche Auswirkungen bleibt. Die fortbestehende Magen- und Zwölffingerdarmerkrankung führt nach den anamnestischen Angaben im Gutachten des Dr. T. allein zu der Einschränkung, dass der Kläger keine größeren Portionen essen darf. Die bestehende Bronchitis bleibt bislang ohne nennenswerte Einschränkung. So reichte etwa - siehe oben - die ergometrische Belastbarkeit bis 150 Watt. Die daneben bestehende Vorsteherdrüsenvergrößerung und die Hypertriglyceridämie bleiben gänzlich ohne sozialmedizinische Bedeutung.

26

Auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet bestehen nach dem überzeugenden Gutachten des Dr. U. allein Einschränkungen in psychiatrischer Hinsicht. Bei dem Kläger besteht eine Angststörung mit nachfolgendem Vermeidungsverhalten, namentlich im Sinne einer Agoraphobie. So leidet der Kläger nach seinen wiederholten Angaben an Ängsten insbesondere beim Autofahren auf Autobahnen oder über Brücken. Der Kläger kann deshalb zurzeit keine Arbeiten verrichten, die mit Autofahren verbunden sind. Auch dürfte - so der Sachverständige - die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel, insbesondere des Zuges, problematisch sein. Diesen psychischen Beschwerden kommt allerdings deshalb keine erwerbsmindernde Bedeutung zu, weil namentlich psychiatrische Beeinträchtigungen nur dann zur Rentenberechtigung führen dürfen, wenn die Erkrankung trotz zumutbarer Anspannung der Willenskräfte des Versicherten und unter Ausschöpfung aller therapeutischen Möglichkeiten nicht binnen 26 Wochen überwunden werden kann (vgl. nur: BSGE 21, S. 189; LSG Niedersachsen, Urteil vom 25.11.1999, L 1 RA 208/98; LSG Niedersachsen, Urteil vom 25.05.2000, L 1 RA 154/99; LSG Niedersachsen, Beschluss vom 24.07.2000, L 1 RA 43/00). Vorliegend hat jedoch der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. U. in seinem Gutachten ausdrücklich erklärt, dass die Angststörung mit einer kombinierten pharmakologischen und psychotherapeutischen Behandlung und bei Willensanspannung des Klägers binnen 26 Wochen therapierbar ist. Bisherige Therapieversuche seien allein deshalb gescheitert, weil der Kläger insbesondere ihm verordnete Medikation eigenmächtig abgesetzt habe. Dies bestätigt auch der behandelnde Psychiater Dr. N. in seinem Befundbericht vom 12. März 2001, wonach der Kläger die verordnete Medikation während seines (des Klägers) Urlaubs abgesetzt habe. Im Übrigen habe der behandelnde Arzt aber auch niemals selbst Panikattacken des Klägers beobachten können. Und schließlich habe sich der Kläger bei ihm nicht mehr gemeldet.

27

Bei dieser Sachlage konnte daher eine Berufsunfähigkeit des Klägers nicht festgestellt werden.

28

War der Kläger daher nicht berufsunfähig nach § 43 SGB VI a.F., so war er erst recht nicht erwerbsunfähig nach § 44 SGB VI a.F., da hierfür noch weiter gehende Leistungseinschränkungen erforderlich wären. Der Kläger ist schließlich auch nicht erwerbsgemindert im Sinne von §§ 43, 240 SGB VI in der ab dem 1. Januar 2001 geltenden Fassung, weil insbesondere eine zeitliche Leistungsbegrenzung nicht feststellbar ist.

29

Die Berufung war daher zurückzuweisen.

30

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG.

31

Es hat kein gesetzlicher Grund gem. § 160 Abs. 2 SGG vorgelegen, die Revision zuzulassen.