Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 18.06.2003, Az.: L 4 KR 73/01
Versicherungspflicht in der landwirtschaftlichen Krankenkasse; Begriff des Selbstständigen im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung ; Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der Krankenversicherung der Landwirte ; Rechtsmissbräuchliche Berufung auf eine Ausschlussfrist; Vorliegen der Voraussetzungen eines sozial-rechtlichen Herstellungsanspruches
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 18.06.2003
- Aktenzeichen
- L 4 KR 73/01
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 20366
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2003:0618.L4KR73.01.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Lüneburg - AZ: S 16 KR 172/99
Rechtsgrundlagen
- § 144 SGG
- § 143 SGG
- § 1 Abs. 5 ALG
- § 2 Abs. 3 S. 1 KVLG
- § 4 Abs. 1 Ziffer 1 KVLG
- § 24 Abs. 1 Ziffer 2 KVLG
- § 14 SGB I
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Der selbstständig Tätige unterscheidet sich insbesondere dadurch von abhängig Beschäftigten, dass er persönlich unabhängig ist und das wirtschaftliche Risiko seiner Tätigkeit selbst trägt. Wer Unternehmer ist, richtet sich nach den tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnissen.
- 2.
Die Berufung auf die Versäumung einer Ausschlussfrist kann dann als rechtsmissbräuchlich darstellen, wenn die Ausschlussfrist für die Verwaltung von geringer Bedeutung ist und ganz erhebliche, langfristige Interessen des Bürgers auf dem Spiele stehen.
- 3.
Der sozial-rechtlichen Herstellungsanspruch setzt eine Verletzung öffentlich-rechtlicher Pflichten durch den Versicherungsträger voraus und ist auf Herstellung des Zustandes gerichtet, wie er ohne die schädigende Handlung eingetreten wäre oder auf die Vornahme einer Amtshandlung, die den rechtmäßigen Zustand herstellt. Derartige Pflichten des Versicherungsträgers liegen insbesondere in der Aufklärung und Beratung der Versicherten.
Tenor:
Die Berufung wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der Rechtsstreit betrifft die Versicherungspflicht in der landwirtschaftlichen Krankenkasse.
Der im Mai 1965 geborene Kläger wurde von der Beklagten erstmals mit Bescheid vom 10. Juli 1990 für die Zeit ab dem 1. Oktober 1989 als landwirtschaftlicher Unternehmer eines Betriebes in C. aufgenommen. Diese Versicherung wurde wegen vorrangiger Versicherung auf Grund versicherungspflichtiger Beschäftigungen in den Zeiträumen vom 16. Juli bis 24. September 1990 und 4. Februar 1991 bis 15. Juli 1992 unterbrochen. In der Folgezeit erfolgten Änderungen nur noch in Bezug auf die Beitragshöhe wegen des Umfangs der bewirtschafteten Flächen. Im Zuge eines Widerspruchsverfahrens betreffend die Höhe der Beiträge erläutere die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 12. Juni 1995, dass eine Befreiung von der Versicherungspflicht als Unternehmer in der landwirtschaftlichen Krankenversicherung nur innerhalb von 3 Monaten nach erstmaligem Eintritt der Versicherungspflicht hätte beantragt werden können. Hierauf sei er auch in der Anlage zu dem Bescheid vom 10. Juli 1990 hingewiesen worden.
Unter dem 30. Juni 1998 teilte die AOK Lüneburg der Beklagten mit, der Kläger sei seit dem 1. April 1998 versicherungspflichtig beschäftigt und bei ihr krankenversichert. In dem Vorgang der Beklagten findet sich ein Computerformular, wonach die Versicherung des Klägers wegen Existenzunterschreitung automatisch beendet wurde.
Nach seinen eigenen Angaben bewirtschaftete der Kläger bis Ende März 1998 einen eigenen Milchviehbetrieb in D ... Diesen habe er Mitte Februar 1998 veräußert und sodann ab 1. April 1998 als angestellter Betriebsleiter auf dem Hof seines Vaters vollschichtig zu einem üblichen Gehalt gearbeitet. In dieser Tätigkeit sei er bei der AOK pflichtversichert gewesen. Mit notariellem Vertrag vom 22. Dezember 1998 habe er von seinem Vater etwa die Hälfte eines landwirtschaftlichen Betriebes überschrieben bekommen. Dieser habe eine eigene Existenzgrundlage als Hof gebildet. Die andere Hälfte (ebenfalls ein eigenständiger Hof im Sinne der Höfeordnung) habe seine Mutter erhalten. Beide Höfe würden von ihm bewirtschaftet auf der Basis einer mit seiner Mutter gebildeten Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Der Übertragungsvertrag sei vom Landwirtschaftsgericht mit Beschluss vom 2. März 1999 genehmigt worden. In Teil III § 1 Ziffer 1 des notariellen Vertrages heißt es: "Die Übergaben sind am 1. Oktober 1998 bereits erfolgt."
In der Akte der Beklagten findet sich ein Telefonvermerk, der das Datum vom 22. Dezember 1998 trägt. In diesem heißt es, der Kläger habe mitgeteilt, dass er ab 1. November 1998 einen landwirtschaftlichen Betrieb übernommen, die erforderlichen Meldungen aber noch nicht gemacht habe. Laut Vermerk bat der Kläger um die Übersendung von Unterlagen. Mit Datum vom gleichen Tage wurden dem Kläger zur Prüfung seines Versicherungsverhältnisses ein Meldebogen und ein Merkblatt übersandt. Unter dem 24. Februar 1999 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass sich der Gewinn aus dem von ihm bewirtschafteten Unternehmen je zur Hälfte auf ihn selbst und seine Mutter verteile und erteilte der Beklagten mit seiner Unternehmermeldung für die Entrichtung der Beiträge eine Einzugsermächtigung.
Mit Bescheid vom 3. März 1999 nahm die Beklagte den Kläger erneut in ihr Mitgliederverzeichnis auf. Dagegen erhob der Kläger am 16. März 1999 Widerspruch und machte geltend, er habe lediglich die Hälfte des Hofes übernommen, sodass der Flächenwert bei der Beitragsberechnung auch nur zur Hälfte berücksichtigt werden könne. Ferner beantragte er, ihn von der Versicherungspflicht in der landwirtschaftlichen Krankenkasse zu befreien.
Mit Bescheid vom 1. April 1999 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers mit der Begründung ab, er habe die dreimonatige Frist, die ab Beginn der Versicherungspflicht, die mit der Aufnahme der Unternehmertätigkeit einsetze, nicht eingehalten. Die Tätigkeit habe am 1. Oktober 1998 begonnen, während der Antrag erst am 16. März 1999 eingegangen sei. Mit seinem am 14. April 1999 erhobenen Widerspruch machte der Kläger geltend, er habe von der Dreimonatsfrist keine Kenntnis gehabt. Im Übrigen habe die Frist erst mit dem Zeitpunkt der Genehmigung des notariellen Vertrages durch das Landwirtschaftsgericht am 2. März 1999 zu laufen begonnen.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 29. September 1999 mit der Begründung zurück, die Frist für den Befreiungsantrag laufe ab Beginn der Versicherungspflicht. Die Versicherungspflicht beginne mit dem Beginn der Unternehmereigenschaft, das heiße im Falle des Klägers mit der Übernahme des landwirtschaftlichen Unternehmens am 1. Oktober 1998, so wie es in der notariellen Vereinbarung vom Kläger selbst erklärt worden sei.
Mit seiner am 1. November 1999 rechtzeitig erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, für den Beginn der Frist für die Befreiung von der Versicherungspflicht sei der im notariellen Vertrag vereinbarte Besitzübergang nicht maßgeblich. Bei der Dreimonatsfrist für die Befreiung von der Versicherungspflicht handele es sich um eine Überlegungsfrist, die vor der Genehmigung des Übergabevertrages durch das Landwirtschaftsgericht gar nicht habe laufen können. Erst zu diesem Zeitpunkt habe festgestanden, dass der Kläger den Betrieb wirksam habe übernehmen können. Im Übrigen sei der Besitzübergang zum 1. Oktober 1998 aus steuerlichen Gründen und auch deshalb zu diesem Zeitpunkt erfolgt, weil es sich um den Beginn des Wirtschaftsjahres in der Landwirtschaft handele. Tatsächlich habe sich sein Vater erst bei Abschluss des notariellen Vertrages aus dem Betrieb zurückgezogen. Bis dahin sei er weisungsgebundener Angestellter seines Vaters gewesen.
Das Sozialgericht (SG) Lüneburg hat die Klage durch Urteil vom 8. Februar 2001 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, nach den Vorschriften über die Krankenversicherung der Landwirte beginne die Versicherungspflicht mit der Aufnahme der Unternehmertätigkeit in der Landwirtschaft. Diese sei nach den eigenen Angaben des Klägers im notariellen Vertrag vom 22. Dezember 1998 zum 1. Oktober 1998 erfolgt. Dass die Besitzübernahme erst nachträglich dokumentiert worden sei, mache in Bezug auf den Beginn der Unternehmereigenschaft und damit der Versicherungspflicht keinen Unterschied. Bei der Dreimonatsfrist handele es sich um eine Ausschlussfrist, bei deren Versäumen eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausgeschlossen sei. Auf die Frage eines Verschuldens komme es daher nicht an. Unter Berücksichtigung des Akteninhalts sei im Übrigen davon auszugehen, dass der Kläger auf Grund früherer Versicherungszeiten bei der Beklagten von der Dreimonatsfrist Kenntnis gehabt habe.
Gegen dieses seinen Bevollmächtigten am 28. Februar 2001 zugestellte Urteil hat der Kläger am 21. März 2001 Berufung eingelegt. Das SG und die Beklagte seien zu Unrecht davon ausgegangen, dass er bereits seit dem 1. Oktober 1998 landwirtschaftlicher Unternehmer gewesen sei. Tatsächlich sei es so gewesen, dass er bis zum Abschluss des notariellen Vertrages am 22. Dezember 1998 weisungsgebundener Angestellter seines Vaters gewesen sei. Dieser habe sich erst bei Vertragsunterzeichnung aus dem Unternehmen zurückgezogen. Der rückwirkende Übergabetermin sei lediglich deshalb vereinbart worden, weil es vermieden werden sollte, im laufenden Wirtschaftsjahr zwei Bilanzen zu erstellen. Ferner sei dieser Termin wegen der Fälligkeit der Umsatzsteuer zu Quartalsbeginn gewählt worden.
Der Kläger beantragt,
- 1.
das Urteil des Sozialgerichts Lüneburg vom 8. Februar 2001 sowie den Bescheid der Beklagten vom 1. April 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. September 1999 aufzuheben,
- 2.
die Beklagte zu verpflichten, den Kläger von der Versicherungspflicht in der Krankenversicherung der Landwirte zu befreien;
hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil und die angefochtenen Bescheide für zutreffend. Aus der Meldung der AOK in E. vom Juni 1998 habe sie nicht entnehmen können, dass es sich bei der Tätigkeit des Klägers um eine solche in der Landwirtschaft seines Vaters gehandelt habe. Bei dieser Sachlage wäre der Kläger auch über den Monat März 1998 hinaus als mitarbeitender Familienangehöriger Pflichtmitglied in der landwirtschaftlichen Krankenkasse geblieben.
Der Senat hat zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts den Kläger in einem Erörterungstermin vor der Berichterstatterin zur Sache befragt. Wegen der Einzelheiten seiner Bekundungen wird auf die Niederschrift vom 15. April 2003 verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den Inhalt des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die gemäß § 143 und § 144 Abs. 1 Satz 1 Ziffer 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt worden, mithin zulässig.
Sie ist jedoch unbegründet.
Das Urteil des SG und die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht rechtswidrig. Der Kläger unterliegt als landwirtschaftlicher Unternehmer ab 1. Oktober 1998 der Versicherungspflicht nach § 2 Abs. 1 Ziffer 1 des Zweiten Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte (KVLG 1989). Nach dieser Vorschrift sind in der Krankenversicherung der Landwirte u.a. versicherungspflichtig Unternehmer der Landwirtschaft, deren Unternehmen, unabhängig vom jeweiligen Unternehmer, auf Bodenbewirtschaftung beruht und die Mindestgröße des § 1 Abs. 5 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte erreicht.
Nach der Legaldefinition in § 2 Abs. 3 Satz 1 KVLG 1989 ist Unternehmer, wer seine berufliche Tätigkeit selbstständig ausübt. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (BSG) unterscheidet sich der selbstständig Tätige insbesondere dadurch von abhängig Beschäftigten, dass er persönlich unabhängig ist und das wirtschaftliche Risiko seiner Tätigkeit (Gewinn und Verlust) selbst trägt (BSGE 12,80). Wer Unternehmer ist, richtet sich nach den tatsächlichen (wirtschaftlichen) Verhältnissen (BSGE 18, 220).
Nach den vom Kläger selbst geschilderten tatsächlichen Verhältnissen erachtet der Senat seine Unternehmereigenschaft ab dem 1. Oktober 1998 als gegeben. Der Kläger hat sowohl im erstinstanzlichen Termin zur mündlichen Verhandlung als auch im Erörterungstermin vor der Berichterstatterin erklärt, dass er in dem landwirtschaftlichen Unternehmen seines Vaters zunächst als Betriebsleiter seit dem 1. April 1998 verantwortlich tätig war. Nimmt man die in Teil III § 1 Ziffer 1 des notariellen Vertrages aufgenommene Erklärung aller Vertragsbeteiligten (also auch des Klägers) hinzu, die Übergabe des Hofes sei bereits zum 1. Oktober 1998 erfolgt, ergibt sich daraus, dass das wirtschaftliche Risiko ab diesem Zeitpunkt auf den Kläger übergegangen ist. Beide Umstände zusammengenommen, das heißt die tatsächliche Tätigkeit des Klägers in dem Unternehmen und seine in einem notariellen Vertrag abgegebene Erklärung über die erfolgte Übergabe, lassen nach Auffassung des Senates nur die Schlussfolgerung zu, dass der Kläger seit dem 1. Oktober 1998 (wieder) selbstständiger landwirtschaftlicher Unternehmer war.
Damit unterliegt er ab diesem Zeitpunkt der Versicherungspflicht in der Krankenversicherung der Landwirte. Soweit der Kläger erklärt hat, es handele sich bei Angabe des Datums in dem notariellen Vertrag lediglich um eine Rückdatierung, die aus steuerlichen Gründen bzw. zur Vermeidung der Erstellung zweier Bilanzen im laufenden Wirtschaftsjahr erfolgt sei, hält der Senat dies in Anbetracht der Gesamtumstände und der Bedeutung eines notariell beurkundeten Vertrages nicht für überzeugend. Der Inhalt der vertraglichen Klausel ist eindeutig und besagt seinem klaren Wortlaut nach, dass das volle wirtschaftliche Risiko tatsächlich ab dem 1. Oktober 1998 auf den Kläger übergegangen ist. Da die tatsächlichen Verhältnisse für die Be-urteilung der Unternehmereigenschaft maßgeblich sind, kommt es - entgegen der Ansicht des Klägers - auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Übertragungsvertrages oder dessen Genehmigung durch das Landwirtschaftsgericht nicht an.
Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, von der Versicherungspflicht in der Krankenversicherung der Landwirte befreit zu werden. Nach § 4 Abs. 1 Ziffer 1 KVLG 1989 wird auf Antrag von der Versicherungspflicht nach § 2 KVLG 1989 befreit, wer durch seine Tätigkeit als landwirtschaftlicher Unternehmer versicherungspflichtig wird, wenn der Wirtschaftswert seines landwirtschaftlichen Unternehmens 60.000,00 DM übersteigt. § 4 Abs. 2 Satz 1 KVLG 1989 sieht vor, dass der Antrag innerhalb von drei Monaten nach Eintritt der Versicherungspflicht bei der zuständigen Krankenkasse zu stellen ist.
Zwischen den Beteiligten ist nicht streitig, dass der Wirtschaftswert des Unternehmens des Klägers die erforderliche Größenordnung erreicht. Ebenso ist nicht streitig, dass der Kläger seinen Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der Krankenversicherung der Landwirte erstmals mit Schriftsatz vom 15. März 1999, bei der Beklagten eingegangen am 16. März 1999, gestellt hat. Damit ist die dreimonatige Frist vom Kläger versäumt worden.
Das SG hat zu Recht darauf hingewiesen, dass es für den Lauf der Frist nicht von Belang ist, ob der Kläger von ihr Kenntnis gehabt hat oder ob er zu Unrecht von einem anderen Fristbeginn ausgegangen ist, weil es sich dabei um eine Ausschlussfrist handelt, wegen deren Versäumung eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht zulässig ist (vgl. BSG, Urteil vom 10. Juni 1980, Aktenzeichen 11 RK 11/79, veröffentlicht in juris). Nach der Rechtsprechung des BSG kann sich die Berufung auf die Versäumung der Ausschlussfrist allenfalls dann als rechtsmissbräuchlich darstellen, wenn die Ausschlussfrist für die Verwaltung von geringer Bedeutung ist und ganz erhebliche, langfristige Interessen des Bürgers auf dem Spiele stehen. Dabei könnten indessen nur Umstände Berücksichtigung finden, die nicht bereits Gegenstand der Interessenabwägung des Gesetzgebers gewesen seien. Das Interesse des Versicherungsträgers, auf nach Ablauf der Dreimonatsfrist gestellte Befreiungsanträge nicht mehr eingehen zu müssen, und das Interesse des Versicherten, doch noch befreit zu werden, habe dem Gesetzgeber vor Augen gestanden. Dies gelte auch für den Gesichtspunkt, dass der Versicherte, der die Antragsfrist versäumt habe, auf Dauer einer nicht unerheblichen Beitragsbelastung ausgesetzt sei (vgl. BSG, a.a.O.). Es stehe daher im Widerspruch zu Sinn und Zweck des Gesetzes, wolle man allein wegen dieser Belastung eine Durchbrechung der Ausschlusswirkung zu-lassen. Im vorliegenden Falle hat der Kläger keine durchgreifenden anderen Gesichtspunkte geltend gemacht, und es sind auch keine solchen im Verfahren zu Tage getreten.
Bei dieser Sachlage braucht der Senat die von der Beklagten aufgeworfene Rechtsfrage, ob die vor dem 1. April 1998 liegende Zeit der Unternehmerversicherung des Klägers bereits zu einem Ausschluss des Rechts auf Befreiung für alle Zukunft führt, nicht zu entscheiden, weil es auf diese Frage vorliegend nicht ankommt. Es sei allerdings darauf hingewiesen, dass der vom LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 27. April 1995, Aktenzeichen L 16 Kr 164/94) entschiedene Fall im Sachverhalt anders lag, als der Fall des Klägers, weil die dortige Klägerin ihren landwirtschaftlichen Betrieb durchgehend weitergeführt hat und die Pflichtversicherung in der KVdL lediglich wegen zwischenzeitlicher abhängiger Beschäftigungen außerhalb der Landwirtschaft unterbrochen wurde. Demgegenüber endete die Versicherung des Klägers als Unternehmer mit der Aufgabe seiner Tätigkeit als landwirtschaftlicher Unternehmer (vgl. § 24 Abs. 1 Ziffer 2 KVLG).
Ebenso wenig kann der Kläger sein Begehren auf den Gesichtspunkt des sozial-rechtlichen Herstellungsanspruchs stützen. Dieser setzt nach der Rechtsprechung des BSG eine Verletzung öffentlich-rechtlicher Pflichten durch den Versicherungs-träger voraus und ist auf Herstellung des Zustandes gerichtet, wie er ohne die schädigende Handlung eingetreten wäre oder auf die Vornahme einer Amtshandlung, die den rechtmäßigen Zustand herstellt (vgl. BSG a.a.O.). Derartige Pflichten des Versicherungsträgers liegen insbesondere in der Aufklärung und Beratung der Versicherten (§§ 14 und 15 Sozialgesetzbuch - Erstes Buch -). So muss der Versicherungs-träger dann, wenn ein konkreter Anlass dafür besteht, den Versicherten auf Gestaltungsmöglichkeiten hinweisen, die klar zu Tage liegen und deren Wahrnehmung offensichtlich so zweckmäßig ist, dass jeder verständige Versicherte sie mutmaßlich nutzen wird (BSG SozR 2200 § 1241 Nr. 8). Ein solcher Verstoß gegen die Pflicht zur Aufklärung und Beratung des Klägers ist vorliegend nicht ersichtlich. Das folgt schon daraus, dass die Beklagte den Kläger im Rahmen seiner früheren Unternehmerversicherung mindestens mit dem Schreiben vom 12. Juni 1995 auf die Voraussetzungen für eine Befreiung hingewiesen hat.
Im Übrigen handelt es sich bei der Möglichkeit der Befreiung von der Versicherungspflicht nicht um eine klar zu Tage tretende Gestaltungsmöglichkeit, die jeder verständige Versicherte nutzen würde. Mit der Pflichtversicherung sind auch erhebliche Vorteile verbunden, die jeder Versicherte nach seinen individuellen Verhältnissen prüfen muss. Dies gilt vor allem dann, wenn wie im Falle des Klägers auch Kinder mitversichert sein können. Der Kläger war im Übrigen bereits seit Anfang der neunziger Jahre bis einschließlich März 1998 bei der Beklagten krankenversichert. Somit musste die Beklagte bei erneuter selbstständiger Bewirtschaftung eines landwirtschaftlichen Betriebes nur wenige Monate später nicht davon ohne weiteres davon ausgehen, dass für den Kläger die Befreiung von der Versicherungspflicht eine klar zu Tage tretende Option hätte darstellen können.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Es hat keine Veranlassung bestanden, die Revision zuzulassen.