Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 10.06.2003, Az.: L 13/5 V 2/02
Anspruch auf Witwenbeihilfe; Unwiderlegbare Vermutung der Minderung der Witwenversorgung bei mindestens fünf Jahren dauerndem Anspruch auf Berufsschadensausgleich ; Ermittlung einer schädigungsbedingten Minderung der Witwenversorgung ; Heranziehung der Rechtsgrundsätze für die Ermittlung eines schädigungsbedingten Einkommensverlustes; Verwertbarkeit der berufliche Arbeitskraft auf dem Arbeitsmarkt einerseits als Gesunder, andererseits als Geschädigter; Ermittlung des Vergleichseinkommens
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 10.06.2003
- Aktenzeichen
- L 13/5 V 2/02
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2003, 19959
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2003:0610.L13.5V2.02.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Aurich - 20.11.2001 - AZ: S 7 V 18/98
Rechtsgrundlagen
- § 48 Abs. 1 S. 6 BVG
- § 30 Abs. 4 BVG
- § 30 Abs. 6 BVG
- § 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BSchAV
- § 48 Abs. 1 S. 1 BVG
- § 9 Abs. 1 Nr. 2 BSchAV
- § 5 BSchAV
- § 30 Abs. 5 S. 1 BVG
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Bei der Ermittlung einer schädigungsbedingten Minderung der Witwenversorgung sind die Rechtsgrundsätze für die Ermittlung eines schädigungsbedingten Einkommensverlustes heranzuziehen.
- 2.
Der schädigungsbedingte Einkommensverlust bemisst sich für einen Selbstständigen nicht nach der Differenz zwischen dem, was er als gesunder Selbstständiger wahrscheinlich verdient hätte und dem, was er als beschädigter Selbstständiger tatsächlich verdiente. Maßgebend ist vielmehr, wie er seine berufliche Arbeitskraft auf dem Arbeitsmarkt hätte verwerten können - einerseits als Gesunder, andererseits als Geschädigter.
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Aurich vom 20. November 2001 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt Witwenbeihilfe nach § 48 Bundesversorgungsgesetz (BVG).
Der am 22. April 1917 geborene und am 27. September 1997 verstorbene Ehemann der Klägerin (im Folgenden: Beschädigter) war nach dem Schulbesuch seit 1934 als Landwirt tätig und zusammen mit seiner Mutter Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebs. Im Jahr 1936 legte er die landwirtschaftliche Gehilfenprüfung ab. 1938 wurde er zur Wehrmacht eingezogen und im Zweiten Weltkrieg schwer verwundet. Nach Kriegsende kehrte der Beschädigte, der 1943 die Klägerin geheiratet hatte, auf den Hof zurück und war erneut als selbstständiger Landwirt tätig. Sein Pachthof hatte zunächst eine Größe von ca. 54 ha, davon 50 ha Ackerland. 1960 erwarb der Beschädigte den Hof, wurde Alleininhaber des landwirtschaftlichen Betriebs und vergrößerte den Hof auf rund 62 ha mit 55 ha Ackerland und 3 ha Grünland. Zum 1. Juli 1982 - nach Vollendung des 65. Lebensjahres - verpachtete der Beschädigte den Betrieb im Wege der Betriebsnachfolge an seinen Sohn. Aus dem Pachtvertrag hatte er Ansprüche auf Pachtzahlungen, ferner auf Wohnung und Versorgung mit Heizung, Strom und Wasser. Außerdem bezog der Beschädigte Altersruhegeld von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) und Altersgeld von der Hannoverschen Landwirtschaftlichen Alterskasse (HLAK).
Der Beklagte gewährte dem Beschädigten Versorgung nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von zunächst 70 v.H. wegen nachstehender Schädigungsfolgen:
1) Verlust des rechten Oberschenkels im oberen Drittel. 2) Flächenhafte Verbrennungsnarben an beiden Händen und im Gesicht. 3) Defekt an der rechten Ohrmuschel. 4) Knick-Senkfuß links.
Mit Bescheid vom 12. November 1992 erhöhte der Beklagte die MdE wegen einer besonderen beruflichen Betroffenheit gemäß § 30 Abs. 2 BVG rückwirkend ab dem 1. Januar 1985 auf 80 v.H. Die Gewährung eines Berufsschadensausgleichs gemäß § 30 Abs. 3 BVG lehnte er mit bestandskräftigem Bescheid vom 29. März 1993 ab. Zur Begründung gab er an, ein schädigungsbedingter Einkommensverlust liege bei dem Beschädigten nicht vor. Aus den vorliegenden Erhebungsbögen zu § 30 Abs. 2 BVG aus den Jahren 1964 und 1974 gehe hervor, dass der Beschädigte vor der Schädigung als Landwirt im Betrieb seiner Mutter ausgebildet worden sei und diesen Beruf angestrebt habe. Seinem jetzigen Argument, wonach er ohne das Kriegsleiden einen wesentlich höheren Beruf erreicht hätte, könne daher nicht gefolgt werden. Darüber hinaus hätte er auch mit den Schädigungsfolgen ein Studium absolvieren können. Ein aktueller schädigungsbedingter Einkommensverlust sei nicht festzustellen. Der Beschädigte beziehe neben den Pachteinnahmen und einer BfA-Rente Altersgeld von der HLAK, welches auch einem nichtbeschädigten Landwirt zustehen würde.
Nachdem der Beschädigte an einem schädigungsfremden Leiden verstorben war, lehnte der Beklagte den Antrag der Klägerin auf Hinterbliebenenrente nach § 38 BVG bestandskräftig ab, weil der Beschädigte nicht an den Folgen der Schädigung verstorben sei. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 24. März 1998 lehnte der Beklagte auch die Gewährung einer Witwenbeihilfe ab. Zur Begründung gab er an, die Hinterbliebenenversorgung sei nicht schädigungsbedingt gemindert. Die Schädigungsfolgen hätten den Beschädigten nicht gehindert, den Beruf des selbstständigen Landwirts mit einer beträchtlichen Betriebsgröße bis zum 65. Lebensjahr auszuüben. Die Klägerin erhalte die im landwirtschaftlichen Bereich übliche Altersversorgung, welche auch ohne die Kriegsverletzung nicht höher gewesen wäre. Dass der Beschädigte ohne die Schädigung die Landwirtschaft mit Auswirkung auf die Pachteinnahmen vergrößert hätte, sei weder bewiesen noch nach dem vorliegenden Sachverhalt wahrscheinlich.
Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein und machte geltend, ihr Ehemann hätte sie etwa durch eine Tätigkeit als Angestellter durch Zahlung freiwilliger Beiträge zur BfA wesentlich besser versorgen können. Ferner erhalte sie von ihrem Sohn keine Pachteinnahmen, was für sie eine besondere Härte darstelle. Die Klägerin legte ein Schreiben des Hausarztes des Beschädigten, des Facharztes für Allgemeinmedizin F., vom 26. Mai 1998 vor. Darin heißt es, er - der Hausarzt - habe den Beschädigten schon seit der zweiten Hälfte der 50er Jahre gekannt und habe ihn seit Beginn seiner hausärztlichen Tätigkeit im Jahr 1984 behandelt. Der Beschädigte sei von einem nahezu unerschöpfbaren Willen getragen gewesen, die Folgen der Kriegsverletzung durch täglichen energischen Einsatz für seinen landwirtschaftlichen Betrieb zu meistern. Durch seine charakterlichen und beruflichen Fähigkeiten und die Entwicklung organisatorischer Fähigkeiten habe er die Einbußen durch die Kriegsverletzung kompensiert, auch wenn er in seinem Betrieb auf die Hilfe anderer angewiesen gewesen sei. Es habe im Charakter des Beschädigten gelegen, seinen Betrieb bis ins Rentenalter zu führen. Mit Widerspruchsbescheid vom 30. September 1998 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Eine Beeinträchtigung der Witwenversorgung i. S. des § 48 Abs. 1 BVG könne nicht festgestellt werden. Der Beschädigte habe trotz der Schädigungsfolgen den landwirtschaftlichen Betrieb zunächst als Pächter geführt und 1960 durch Kauf erworben. Den zunächst geringeren Flächenbestand des Betriebes habe er in 22 Jahren der Betriebsführung um mehr als 10 ha vergrößert. In dem anlässlich der Betriebsübergabe mit seinem Sohn geschlossenen Pachtvertrag habe er sich für seinen zukünftigen Lebensunterhalt Pachteinnahmen in Höhe von monatlich DM 2.433,00 einschließlich eines freien Wohnrechts mit freier Heizung ausbedingen können. Daneben habe ihm der monatliche Höchstbetrag des landwirtschaftlichen Altersgeldes zugestanden sowie eine Altersrente der BfA, die auf trotz der Schädigungsfolgen zusätzlich gezahlte freiwillige Beiträge zurückzuführen sei. Insgesamt hätten dem Beschädigten nach der aktenkundigen letzten Einkommensermittlung aus dem Jahre 1989 Bruttoeinnahmen von monatlich DM 3.811,70 zur Verfügung gestanden. Die Höhe dieses Einkommens lasse eine schädigungsbedingte Beeinträchtigung nicht erkennen. Der Einwand, der Beschädigte hätte bei gesunder Heimkehr einen höheren Beruf als den eines selbstständigen Landwirts ergriffen, könne nicht nachvollzogen werden. Denn diesen Beruf habe er schon vor dem Einzug zur deutschen Wehrmacht erlernt und ausgeübt.
Die Klägerin hat am 12. November 1998 beim Sozialgericht (SG) Aurich Klage erhoben. Zur Begründung hat sie vorgetragen, es sei auf Grund der Kriegsbeschädigung ihres Ehemannes unumgänglich gewesen, zusätzliches Personal einzustellen. Die hierfür angefallenen Personalkosten hätte der Beschädigte anderenfalls in eine angemessene Altersvorsorge investieren können. Auch liege eine besondere Härte vor, da sie wegen der schlechten Ertragslage des Betriebes gegenwärtig keine Pachteinnahmen von ihrem Sohn erhalten könne.
Mit Urteil vom 20. November 2001 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 1 BVG für die Gewährung einer Witwenbeihilfe seien nicht erfüllt. Eine erhebliche Minderung der Hinterbliebenenversorgung der Klägerin durch eine schädigungsbedingte Erwerbsbeeinträchtigung des Ehemannes lasse sich nicht feststellen. Bei der Ermittlung einer schädigungsbedingten Minderung der Witwenversorgung seien die Rechtsgrundsätze maßgebend, die für die Ermittlung eines schädigungsbedingten Einkommensverlustes gälten. Ob der beschädigte Ehemann der Klägerin durch die Folge der Schädigung gehindert gewesen sei, eine entsprechende Erwerbstätigkeit auszuüben und dadurch die aus der Ehe mit dem Beschädigten hergeleitete Witwenversorgung gemindert sei, hänge dementsprechend davon ab, ob zwischen seinem Vergleichseinkommen und dem derzeitigen Einkommen (§ 30 Abs. 4 Satz 1 BVG) eine erhebliche Differenz bestanden habe, die sich auf die Höhe der Witwenversorgung so auswirke, wie das in § 48 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BVG beschrieben sei. Bei Selbstständigen orientiere sich das Vergleichseinkommen an der Beamtenversorgung (§ 5 Berufsschadensausgleichsverordnung - BSchAV -). Für Selbstständige mit abgeschlossener Mittelschulausbildung oder gleichwertiger oder höherer Schulausbildung und mit abgeschlossener Berufsausbildung sei danach das Endgrundgehalt der Besoldungsgruppe A 11 zuzüglich des Ortszuschlags nach Stufe 2 des Bundesbesoldungsgesetzes (BBesG) maßgebend. Dem Vergleichseinkommen sei sodann das derzeitige Einkommen i. S. des § 30 Abs. 4 Satz 1 BVG gegenüber zu stellen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei der Selbstständige als Unbeschädigter und als Beschädigter in die jeweils passende Gruppe der Besoldungsordnung einzustufen. Dementsprechend sei zu prüfen, ob der Ehemann der Klägerin nach der von ihm gezeigten Leistungsfähigkeit auch als Beschädigter die Besoldungsgruppe A 11 hätte erreichen können. Hiervon sei das Gericht überzeugt. Die Tüchtigkeit und Tatkraft sowie die organisatorischen Fähigkeiten, die der Beschädigte bei der Ausübung seines Berufs als Landwirt unter Beweis gestellt habe, ließen erwarten, dass er auch als Beschädigter in der Lage gewesen wäre, z.B. bei der Landwirtschaftskammer, beim Amt für Agrarstrukturen oder bei ähnlich gelagerten öffentlichen Verwaltungen in die Besoldungsgruppe A 11 aufzusteigen.
Gegen das ihr am 19. Dezember 2001 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 17. Januar 2002 Berufung eingelegt. Sie macht geltend, die dem Beschädigten von seinem behandelnden Arzt bescheinigte Energie und Tatkraft habe sich auf die erlernte Tätigkeit als Landwirt bezogen. Es sei nicht zu erkennen, auf Grund welcher Tatsache das SG zu der Annahme gelange, dass der Beschädigte als Angestellter einer öffentlichen Verwaltung genauso engagiert und erfolgreich hätte arbeiten können. Auch habe das SG nicht geprüft, ob der Beschädigte auf Grund seiner Vorkenntnisse und Ausbildung überhaupt eine Einstellungschance im Bereich der öffentlichen Verwaltung gehabt hätte. Bei der Prüfung der Frage, welches Einkommen er auf dem Arbeitsmarkt als Unselbstständiger hätte erzielen können, könne allenfalls auf eine abhängige Beschäftigung in der Landwirtschaft abgestellt werden. Die Verdienstmöglichkeiten selbst für qualifizierte Arbeiter in der Landwirtschaft lägen deutlich unter den Beträgen der Gehaltsgruppe A 11.
Die Klägerin beantragt nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen,
- 1.
das Urteil des Sozialgerichts Aurich vom 20. November 2001 aufzuheben,
- 2.
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 24. März 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. September 1998 zu verurteilen, ihr ab dem 1. Oktober 1997 Witwenbeihilfe nach § 48 BVG zu gewähren.
Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Der Senat hat die Beteiligten zu der in Aussicht genommenen Entscheidung nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) angehört.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die Akten des Beklagten Bezug genommen. Diese haben vorgelegen und sind Gegenstand von Beratung und Entscheidung gewesen.
Entscheidungsgründe
Der Senat konnte die Berufung gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss zurückweisen, weil er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hielt sowie die Beteiligten zu dieser Verfahrensweise gehört worden sind.
Die Berufung ist zulässig, in der Sache aber nicht begründet. Das Urteil des SG und die angefochtenen Bescheide des Beklagten sind rechtlich nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Witwenbeihilfe nach § 48 BVG.
Diese Vorschrift sieht unter bestimmten Voraussetzungen die Zahlung einer Witwenbeihilfe vor, wenn ein rentenberechtigter Beschädigter - wie hier - nicht an den Folgen der Schädigung gestorben ist. Erforderlich ist nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BVG, dass der Beschädigte durch die Folgen der Schädigung gehindert war, eine entsprechende Erwerbstätigkeit auszuüben, und dadurch die aus der Ehe mit dem Beschädigten hergeleitete Witwenversorgung um die in der Vorschrift aufgeführten Prozentsätze gemindert ist. Diese Minderung wird nach den Sätzen 5 und 6 dieses Absatzes unter bestimmten Voraussetzungen unwiderleglich vermutet. So gelten gemäß dem hier als Vermutungstatbestand allein in Betracht zu ziehenden Satz 6 die Voraussetzungen des Satzes 1 schon dann als erfüllt, wenn der Beschädigte mindestens fünf Jahre Anspruch auf Berufsschadensausgleich wegen eines Einkommensverlustes i.S. des § 30 Abs. 4 BVG oder auf Berufsschadensausgleich nach § 30 Abs. 6 BVG hatte. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG setzt diese im Interesse der Verwaltungsvereinfachung geschaffene Vorschrift voraus, dass dem verstorbenen Beschädigten "offensichtlich" oder "für jeden Kundigen klar erkennbar" fünf Jahre lang ein Anspruch auf Berufsschadensausgleich zugestanden hat (BSG SozR 3-3100 § 48 Nr. 10 m.w.N.) Ein solcher Anspruch ist hier aus den Beschädigtenakten nicht klar erkennbar. Vielmehr lehnte der Beklagte die Gewährung von Berufsschadensausgleich mit Bescheid vom 29. März 1993 mit nachvollziehbarer Begründung ab. Soweit es in einem Aktenvermerk vom 16. Juni 1992 heißt, die Voraussetzungen für einen Berufsschadensausgleich hätten im Jahr 1964 dem Grunde nach vorgelegen, ist bei der Ermittlung des Werts der eigenen Arbeitsleistung (§ 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BSchAV) die - im Vergleich zu einem Beamten der Besoldungsgruppe 11 gering entlohnte - Tätigkeit eines Verwalters bzw. Inspektors zu Grunde gelegt worden. Diese Berechnungsweise ist - wie noch näher darzustellen sein wird - unzutreffend. Es ist nicht gerechtfertigt, die selbstständig Tätigen, denen der Verordnungsgeber die Beamtenbesoldung als Vergleichseinkommen zubilligt, hinsichtlich des derzeitigen Einkommens als Angestellte oder Arbeiter zu behandeln. Vielmehr ist der Selbstständige als Unbeschädigter und als Beschädigter in die jeweils passende Gruppe der Besoldungsordnung einzustufen (BSG SozR 3100 § 30 Nr. 76). Soweit sich diese Auffassung in der Vergangenheit noch nicht voll durchgesetzt hatte und (auch) Arbeitnehmertätigkeiten im Bereich und auf dem Niveau der selbstständig ausgeübten Tätigkeit herangezogen worden sind, fehlt es aus der heutigen, insoweit maßgeblichen Sicht zumindest daran, dass der Anspruch auf Berufsschadensausgleich "offensichtlich" gegeben war.
Da nach alledem der Vermutenstatbestand des § 48 Abs. 1 Satz 6 BVG nicht erfüllt ist, ist das Vorliegen einer konkreten Versorgungslücke i.S. des § 48 Abs. 1 S. 1 BVG zu prüfen.
Bei der Ermittlung einer schädigungsbedingten Minderung der Witwenversorgung hat das SG zutreffend die Rechtsgrundsätze herangezogen, die für die Ermittlung eines schädigungsbedingten Einkommensverlustes nach § 30 Abs. 4 Satz 1 BVG gelten. Dieser schädigungsbedingte Einkommensverlust bemisst sich nach der Rechtsprechung des BSG (SozR 3-3100 § 48 Nr. 8; SozR 3100 § 30 Nr. 76) für einen Selbstständigen nicht nach der Differenz zwischen dem, was er als gesunder Selbstständiger wahrscheinlich verdient hätte und dem, was er als beschädigter Selbstständiger tatsächlich verdiente. Es kommt also vorliegend nicht darauf an, ob der Beschädigte ohne die Kriegsverletzung als Landwirt - etwa durch Personaleinsparungen - ein höheres Einkommen hätte erzielen können. Maßgebend ist vielmehr, wie er seine berufliche Arbeitskraft auf dem Arbeitsmarkt hätte verwerten können - einerseits als Gesunder, andererseits als Geschädigter. Das folgt aus § 5 und § 9 Abs. 1 Nr. 2 BSchAV. Das Einkommen der Selbstständigen ist anders als bei abhängig Beschäftigten nicht durch Gesetz, Tarifvertrag oder sonstigen Vertrag festgesetzt und hängt ferner von zahlreichen weiteren Faktoren (Risikobereitschaft, Arbeits- und Kapitaleinsatz, Konjunktur, strukturelle und regionale Wirtschaftsbedingungen) ab. Da danach ein Wahrscheinlichkeitsurteil darüber, was der einzelne Beschädigte als gesunder Selbstständiger verdient hätte, nicht möglich ist, ist der Wert der beruflichen Arbeit des Selbstständigen auf dem Arbeitsmarkt zu ermitteln und die Selbstständigen sind somit nach dem Leitbild der Unselbstständigen zu behandeln. Dabei ist als Vergleichsgrundlage nur die Beamtenbesoldung heranzuziehen (BSG SozR 3100 § 30 Nr. 78).
Davon ausgehend ist zunächst das Vergleichseinkommen zu ermitteln. Nach § 30 Abs. 5 Satz 1 BVG ist festzustellen, welcher Berufs- oder Wirtschaftsgruppe der Beschädigte ohne die Schädigung nach seinen Lebensverhältnissen, Kenntnissen und Fähigkeiten und dem bisher betätigten Arbeits- und Ausbildungswillen wahrscheinlich angehört hätte. Vorliegend hätte der Beschädigte auch ohne die Kriegsverletzung wahrscheinlich seine bisherige Tätigkeit als selbstständiger Landwirt fortgeführt. Zwar gab er gegenüber dem Beklagten im Zusammenhang mit seinem Antrag auf Berufsschadensausgleich an (Schreiben vom 03.09.1990), sein angestrebtes Berufsziel sei Studienrat am Gymnasium gewesen und auf Grund des Kriegsleidens sei er auf dem Hof der Mutter verblieben. Demgegenüber heißt es in einem Fragebogen, den der Beschädigte am 29. Oktober 1974 unterschrieb, er habe von 1927 bis 1934 das Gymnasium besucht und dieses nach Versetzung in die 12. Klasse verlassen, um nach dem Tod des Vaters im eigenen landwirtschaftlichen Betrieb zu arbeiten. In der Folgezeit legte der Beschädigte dann auch die landwirtschaftliche Gehilfenprüfung ab. Festzustellen ist somit, dass der Beschädigte vor dem Krieg seine Schulausbildung abgebrochen hatte, um nach dem Tod des Vaters den elterlichen Hof zu übernehmen, eine entsprechende Berufsausbildung absolviert hatte und als selbstständiger Landwirt tätig gewesen war. Bei Kriegsende war er 28 Jahre alt und verheiratet. Diese Umstände sprechen dafür, dass der Beschädigte auch bei gesunder Heimkehr seine selbstständige Tätigkeit als Landwirt fortgeführt hätte. Dieses gilt umso mehr, als er vor Aufnahme eines Studiums zunächst die Hochschulreife hätte erwerben müssen, über die er angesichts der abgebrochenen Schulausbildung noch nicht verfügte. Im Übrigen hätte die Kriegsbeschädigung aber auch einer weiteren schulischen und universitären Ausbildung nicht entgegen gestanden. Das Vergleichseinkommen ergibt sich danach aus § 5 BSchAV, der das Vergleichseinkommen von Beschädigten, die ohne die Schädigung selbstständig tätig gewesen wären, regelt. Der Beschädigte verfügte über eine abgeschlossene Mittelschulausbildung und eine abgeschlossene Berufsausbildung, sodass das Endgrundgehalt der Besoldungsgruppe A 11 maßgeblich ist.
Ein schädigungsbedingter Einkommensverlust lässt sich danach nicht feststellen. Der Senat geht mit dem SG davon aus, dass der Beschädigte trotz seiner Kriegsverletzung in der Lage gewesen wäre, etwa bei der Landwirtschaftskammer oder einer ähnlichen öffentlichen Verwaltung, in der landwirtschaftliches Fachwissen gefragt ist, in ein Amt der Besoldungsgruppe A 11 aufzusteigen. Der Beschädigte wäre trotz seiner Kriegsverletzung einer Bürotätigkeit körperlich ohne Weiteres gewachsen gewesen. Dieses zeigt der Umstand, dass er die teilweise schwere körperliche Arbeit eines Landwirts bis zur Vollendung des 65. Lebensjahrs gemeistert hat. Es sind keine Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass er den geistigen Anforderungen einer Beamtentätigkeit nicht hätte genügen können. Dabei ist die im Widerspruchsverfahren vorgelegte hausärztliche Bescheinigung zu berücksichtigen, wonach der Beschädigte in der Lage war, die Körperbehinderung durch seine charakterlichen, beruflichen und organisatorischen Fähigkeiten zu kompensieren. Dieses entspricht der allgemeinen Erfahrung, dass auch Beschädigte mit hohen MdE-Werten häufig in vollem Umfang den beruflichen Anforderungen gerecht werden. Entgegen dem Berufungsvorbringen spricht nichts dafür, dass der Beschädigte seine persönlichen Fähigkeiten nicht auch in einer Tätigkeit außerhalb der Landwirtschaft hätte nutzen können. Nach der Rechtsprechung des BSG (SozR 3-3100 § 48 Nr. 8) kommt es ferner nicht darauf an, bei welchen Behörden der Beschädigte sich mit Aussicht auf Erfolg hätte bewerben und in die fragliche Besoldungsgruppe hätte aufsteigen können. Es genügt die Erkenntnis, dass der Beschädigte grundsätzlich in der Lage war, in ein solches Amt aufzusteigen. Das ist hier der Fall.
Ist nach alledem bereits ein schädigungsbedingter Minderverdienst des Beschädigten nicht festzustellen, kann dahinstehen, ob die Witwenvorsorgung der Klägerin tatsächlich gemindert ist und ob in diesem Zusammenhang der Umstand, dass diese möglicherweise keine Pachteinnahmen von ihrem Sohn erhält, Berücksichtigung finden kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.