Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 19.06.2003, Az.: L 6 U 289/99

Weitergeltung bereits aufgehobener Vorschriften des Sozialrechts; Anspruch auf Feststellung einer Rotatorenmanschettenruptur (RMR) der rechten Schulter und einer somatoformen Schmerzstörung als Folge eines Arbeitsunfalls; Anspruch auf Verletztenrente; Innerer Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem zum Unfall führenden Verhalten, sowie zwischen diesem und dem Unfall und den geltend gemachten Gesundheitsstörungen

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
19.06.2003
Aktenzeichen
L 6 U 289/99
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 21096
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2003:0619.L6U289.99.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Hildesheim - 16.06.1999 - AZ: S 11 U 199/96

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Ein Anspruch auf Verletztenrente besteht nur bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE). Maßgeblich für die Beurteilung der MdE sind die tatsächlich verbliebenen Funktionseinschränkungen.

  2. 2.

    Die Entwicklung einer unfallbedingten chronischen Schmerzerkrankung setzt nach den vom Senat zu berücksichtigenden unfallmedizinischen Erfahrungsgrundsätzen einen unfallbedingten Erstkörper-Schaden, d.h. eine strukturelle Verletzung, voraus.

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 16. Juni 1999 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt Verletztenrente. Streitig ist, ob eine Rotatorenmanschettenruptur (RMR) der rechten Schulter und eine somatoforme Schmerzstörung Folge eines Arbeitsunfalls sind.

2

Der im April 1939 geborene Kläger erlitt am 2. Februar 1994 gegen 6.10 Uhr bei seiner Tätigkeit als Maschinenarbeiter bei der Fa. C. einen Arbeitsunfall. Als ein Materialwagen, den der Kläger zog, wegen eines abbrechenden Rades umzustürzen drohte, stützte er ihn mit der rechten Schulter ab. Er arbeitete zunächst weiter (Angaben des Klägers vom 14. März 1994) und suchte zunächst Dr. D. und gegen 8.15 Uhr Dr. E. auf. Dieser diagnostizierte eine Prellung der rechten Schulter. Der Kläger gab Druck- und Bewegungsbeschwerden an. Das Heben der Schulter über die Horizontale hinaus war zwar schmerzhaft, aber möglich (Durchgangsarztbericht vom 2. Februar 1994). Am 15. Februar und 1. März 1994 gab der Kläger noch immer erhebliche Beschwerden an, die Röntgenaufnahmen ergaben weiterhin keinen Frakturnachweis, der Schultereckgelenksspalt war regelrecht weit (Berichte des Dr. E. vom 15. Februar und 1. März 1994). Es erfolgte eine Überweisung in die Uniklinik F., wo am 18. April 1994 bei einer Arthrografie auf Grund eines Kontrastmittelaustritts eine breitbasige rechtsseitige RMR diagnostiziert wurde (Bericht des Radiologen Prof. Dr. G. vom 19. April 1994). Dr. D. überwies den Kläger am 14. Juni 1994 wegen rezidivierender Rückenschmerzen im Sinne hartnäckiger Lumbalgien zur stationärer Behandlung in das städtische Krankenhaus H ... Dort war die Abduktion und Elevation des rechten Armes bei nicht fixiertem Schulterblatt aktiv bis jeweils 90 Grad möglich. Die Beschwerden im Bereich der rechten Schulter und der Lendenwirbelsäule (LWS) ließen sich nur bedingt objektivieren (Bericht des Dr. I. vom 14. Juni 1994; Entlassungsbericht vom 1. August 1994). Vom 26. August bis 2. September 1994 war der Kläger wegen einer schmerzhaften Bewegungseinschränkung der rechten Schulter, Schmerzen im Bereich der gesamten Halswirbelsäule (HWS), Schulterblattbereich und der Brustwirbelsäule (BWS) in der Uniklinik F ... Da die Bursa subacromialis bei der Ultraschalluntersuchung erheblich geschwollen war, wurde der Kläger mit Infiltrationen derselben behandelt. PD Dr. J. diagnostizierte einen diffusen Bewegungsschmerz ohne Eruierung typischer Impingement- oder Bizepssehnenzeichen (Berichte vom 8. und 26. September 1994). Vom 23. bis 30. November 1994 erfolgte eine erneute stationäre Behandlung in der Universitätsklinik F ... Trotz dort als gesichert angesehener RMR war die Schulterbeweglichkeit kaum eingeschränkt. Auf Grund des Behandlungsverlaufs nach einem Infiltrationstest wurde davon ausgegangen, dass die Beschwerden im Bereich der Schulter und der BWS unabhängig von der RMR zu sehen seien. Ein Rentenbegehren war nicht sicher auszuschließen. Es wurde eine Osteochondrose der BWS, eine RMR rechts, eine geringgradige Schultereckgelenksarthrose rechts und ein Zustand nach Schulterprellung vom 2. Februar 1994 diagnostiziert (Entlassungsbericht vom 22. Dezember 1994).

3

Wegen einer Überlastung des rechten Armes war der Kläger 1980, 1986 und zuletzt im September 1992 wegen eines Schulter-Arm-Syndroms mehrfach arbeits-unfähig (Vorerkrankungsverzeichnis der AOK vom 11. März 1994). Seit 1986 litt der Kläger unter Migräneanfällen, die seit 1989 wiederholt zur Arbeitsunfähigkeit führten. U.a. war der Kläger vom 4. Januar bis 4. April 1993 wegen Migräne, rez. Cephalgien und einer psychischen Überlagerung arbeitsunfähig (Vorerkrankungsverzeichnis der AOK vom 28. März 2000). Seit 1991 erfolgten mehrfache Behandlungen wegen Beschwerden von Seiten der HWS, in dessen Verlauf auch Schmerzen in beiden Schultergelenken auftraten (Krankenunterlagen der Dres. K.; Gutachten des MDKN vom 8. Januar 1993). Vor dem Unfall war der Kläger zuletzt im November 1993 wegen eines BWS-Syndroms 10 Tage arbeits-unfähig.

4

Nach dem Unfall vom 2. Februar 1994 war der Kläger durchgehend arbeitsunfähig. Seit 1. November 1996 bezieht er Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf der Grundlage eines Vergleiches vom Herbst 1998. Im April 1996 kam es zur RM-Rekonstruktion und ventraler Acromioplastik der rechten Schulter. Der Heilungsverlauf war komplikationslos, die vom Kläger angegebenen Beschwerden und Bewegungseinschränkungen waren nicht zu objektivieren (Bericht des Dr. L. vom 5. November 1996).

5

Die Beklagte holte eine Stellungnahme ihres Technischen Aufsichtsdienstes (TAD) vom 31. März 1995 zum Unfallhergang ein. Nach Prof. Dr. M., Unfallchirurgische Klinik N., sprachen trotz der fehlenden objektivierbaren klinischen Befunde die angegebenen Beschwerden, die röntgenologischen Befunde und der Arthrografie- und Sonografiebefund von April und August 1994 für eine Schädigung der RM der rechten Schulter. Die vom Kläger angegebenen Beschwerden seien jedoch hierdurch allein nicht zu erklären. Sie seien vielmehr überlagert durch die Beschwerden der WS. Die Schultergelenke waren seiten-gleich frei beweglich (S. 7). Der geschilderte Unfallhergang sei nicht geeignet, eine RM zu schädigen, hierfür seien indirekte Gewalteinwirkungen auf den erhobenen und gedrehten Arm erforderlich. Bei dem Abstützvorgang handele es sich dagegen um einen willentlich gesteuerten Bewegungsablauf, ein eigentliches Unfallgeschehen sei zu verneinen (chirurgisches Gutachten vom 15. August 1995). Nachdem der Beratungsarzt Dr. O. dem Gutachten zustimmte (Stellungnahme vom 23. Oktober 1995) lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 21. Dezember 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Oktober 1996 die Entschädigung des Ereignisses vom 2. Februar 1994 ab.

6

Hiergegen hat der Kläger am 25. November 1996 Klage erhoben. Er trug vor, bis zu dem Unfall keine Beschwerden, seitdem aber ständige Schmerzen und starke Bewegungsverluste in der rechten Schulter zu haben. Der Unfallhergang sei von den Gutachtern unzutreffend gewürdigt worden. Das Abbrechen des Rades sei für ihn unvorhersehbar gewesen, das Umstürzen des Wagens habe er nur durch eine Blitzreaktion - durch ein schnelles Umdrehen seines Körpers - verhindern können. Der Orthopäde Dr. P. bejahe den Zusammenhang zwischen der RMR und dem Unfall. Außerdem bestehe bei ihm nach Auskunft seines Hausarztes Q. eine Schmerzkrankheit, deren Verlauf durch den Unfall beeinflusst werde. Von einer unfallbedingten Verschlimmerung gehe auch die Sachverständige Dr. R. zutreffend aus. Die Beklagte stützte sich auf das Gutachten der Dr. R., wonach die somatoforme Schmerzstörung des Klägers mit reaktiv-depressiver Verstimmung schon vor dem Unfall begonnen habe und auch durch eine andere Beeinträchtigung im Alltagsleben habe ausgelöst werden können. Das Ereignis vom 2. Februar 1994 sei daher nur eine Gelegenheitsursache. Der Kläger hat Arztbriefe des Dr. P. vom 10. Februar 1997 und 2. Juni 1997, einen Arztbrief der Dres. S. vom 5. November 1996, einen Arztbrief des Arztes Q. vom 10. Oktober 1997 sowie das in dem Parallelverfahren - S 18 SB 261/97 - eingeholte Gutachten der Neurologin und Psychiaterin Dr. T. vom 20. Juni 1998 vorgelegt. Die Beklagte hat eine Stellungnahme des Prof. Dr. U. vom 7. Mai 1997 überreicht. Das SG hat einen Befundbericht des Arztes Q. vom 28. November 1997 nebst dessen Unterlagen sowie eine ergänzende Stellungnahme der Dr. T. vom 14. September 1998 eingeholt. Danach ist das Gutachten der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. R. vom 28. Februar 1999 erstattet worden. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 16. Juni 1999 hat die Beklagte anerkannt, dass der Kläger infolge des Arbeitsunfalls vom 2. Februar 1994 eine Prellung der rechten Schulter erlitten hat. Dieses Teilanerkenntnis hat der Kläger angenommen. Die darüber hinausgehende Klage hat das SG Hildesheim mit Urteil vom 16. Juni 1999 abgewiesen. Der Kläger habe bei dem Unfall lediglich eine Schulterprellung erlitten, die erfahrungsgemäß binnen weniger Wochen folgenlos ausheile. Gegen eine gravierende Verletzung spräche der von Dr. E. mitgeteilte Erstbefund. Gegen eine unfallbedingte RMR spräche weiterhin der Unfallhergang. Eine direkte Krafteinwirkung durch Sturz, Prellung oder Schlag sei nach den unfallmedizinischen Erfahrungsgrundsätzen nicht geeignet, eine RM zu verletzen. Hierfür kämen nur Abspreiz- oder Rotationsbewegungen, vor allem über-fallartige, ruckartige und plötzliche Krafteinwirkungen in Gestalt eines plötzlichen Rückwärtsreißen oder Heranführen des Armes oder dessen gewaltsamer Verdrehung in Betracht. Derartige Bewegungen habe der Kläger aber nicht ausgeführt. Zudem habe er schon vor dem Unfall unter Beschwerden beider Schultergelenke gelitten, weshalb davon auszugehen sei, dass die RM schon vor dem Unfall degenerativ verändert gewesen sei. Auch die vom Kläger angegebenen Kopfschmerzen und Beschwerden im Bereich der HWS und LWS seien nicht auf den Unfall zurückzuführen, da hier keine entsprechenden Verletzungen erfolgt seien. Letztendlich lasse sich auch nicht hinreichend wahrscheinlich machen, dass der Unfall eine somatoforme Schmerzstörung mit depressiver Verstimmung wesentlich verursacht oder verschlimmert habe. Gegen den Kausalzusammenhang spräche die Banalität des Ereignisses, der Krankheitsverlauf ab April 1994 und die psychische Disposition des Klägers vor dem Unfall. Diese sei bestimmt worden durch die Beschwerdesymptomatik im Bereich des Kopfes, der Schulter bzw. des Armes und der WS wie auch durch psychisch belastende Lebensereignisse (Trennung von den Töchtern 1990 und 1991, Verlust des Arbeitsplatzes der Ehefrau 1993). Der Zusammenhangsbeurteilung und Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) durch Dr. R. sei deshalb nicht zu folgen.

7

Gegen das ihm am 23. Juli 1999 zugestellte Urteil hat der Kläger am 2. August 1999 Berufung eingelegt. Er trägt vor, das Gericht gehe von einem unzutreffenden und bagatellisierten Unfallhergang aus. Er habe das Abbrechen des Rades gesehen, sei hinzugesprungen und habe sich blitzartig umgedreht. Bei diesem Umdrehvorgang sei seine Schulter zunächst zurückgerissen worden, dann habe er mit seiner Schulter die "überfallartige, ruckartige und plötzliche Krafteinwirkung" des Materialwagens abgefangen, und zwar mit einer dadurch bedingten gewaltsamen Verdrehung der rechten Schulter. Beim Vorspringen habe er jedenfalls einen seitlichen Stoß von dem Materialwagen abbekommen.

8

Der Kläger beantragt,

  1. 1.

    das Urteil des SG Hildesheim vom 16. Juni 1999 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 21. Dezember 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Oktober 1996 in der Gestalt des Teilanerkenntnisses vom 16. Juni 1999 abzuändern,

  2. 2.

    die Beklagte zu verurteilen, ihm Verletztenrente in Höhe von mindestens 20 v.H. der Vollrente zu zahlen.

9

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Hildesheim vom 16. Juni 1999 zurückzuweisen.

10

Sie ist der Auffassung, dass es nach dem Bericht ihres TAD vom 31. März 1995 keinen Anhaltspunkt für eine Rotationsbewegung, insbesondere mit Zugbelastung oder Abspreizbewegung der rechten Schulter, gegeben habe. Auch nach dem Gutachten der Dr. R. sei der Unfall nur als Gelegenheitsursache zu werten. Sie wie auch der Arzt Q. seien sich einig, dass die Schmerzstörung vor dem Unfall begonnen habe.

11

Der Kläger hat Arztbriefe des Arztes Q. vom 21. Februar und 14. Juni 2000 vorgelegt. Der Senat hat ein Vorerkrankungsverzeichnis der AOK und die Krankenunterlagen des Arztes Q. beigezogen.

12

Beide Beteiligte haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

13

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten, die Schwerbehinderten-Akte des Versorgungsamtes Braunschweig und die Gerichtsakten dieses wie auch der Parallelverfahren - S 4 RI 322/97 und S 19 SB 261/97 - Bezug genommen, die Gegenstand der Beratung und Entscheidungsfindung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

14

Die statthafte Berufung ist zulässig. Sie ist jedoch unbegründet. Das SG Hildesheim hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten in Gestalt des Teilanerkenntnisses vom 16. Juni 1999 ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Verletztenrente wegen der Folgen des Unfalls vom 2. Februar 1994 nach den auf diesen Sachverhalt noch anwendbaren §§ 548, 580 ff Reichsversicherungsordnung (§ 36 Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz; § 212 Sozialgesetzbuch - SGB- VII).

15

Der Kläger hat bei diesem Unfall eine Schulterprellung erlitten, die binnen weniger Wochen folgenlos ausheilt. Dagegen lässt sich auch nach nochmaliger Durchsicht der umfangreichen medizinischen Unterlagen nicht mit der im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit feststellen, dass dieser Unfall die im April 1994 diagnostizierte RMR verursacht hat. Weiterhin lässt sich auch nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit feststellen, dass die somatoforme Schmerzstörung des Klägers durch den Unfall vom 2. Februar 1994 bedingt ist. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen im Urteil des SG Hildesheim verwiesen (§ 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG - ).

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Hinsichtlich des Vorbringens des Klägers im Berufungsverfahren wird ergänzend auf Folgendes hingewiesen:

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Ein struktureller Schaden im rechten Schultergelenk des Klägers, der auf den Unfall zurückgeführt werden könnte, ist in der Folgezeit nicht feststellt worden. Bereits die Tatsache, dass der Kläger zeitnah zum Unfall nicht über wesentliche Bewegungseinschränkungen geklagt hat, spricht gegen eine unfallbedingte Verursachung der RMR. Zudem haben weder Dr. E. noch die den Kläger später zahlreich behandelnden Ärzte eine wesentliche Bewegungseinschränkung beim Kläger festgestellt. Deshalb spricht mehr dafür, dass die RMR bereits vor dem Unfall aus degenerativer Ursache aufgetreten ist, zumal der Kläger ausweislich des Vorerkrankungsverzeichnis der AOK und der Gutachten des MDKN auch vor dem Unfall wiederholt unter Schulterbeschwerden gelitten hat und deshalb auch arbeitsunfähig war.

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Auch wenn zu Gunsten des Klägers der jetzt erstmalig im Berufungsverfahren detailliert geschilderte Unfallablauf zu Grunde gelegt wird, führt dies nicht zur Annahme des Kausalzusammenhangs zwischen der RMR und dem Unfall. Denn auch die jetzige Unfalldarstellung ist nicht geeignet, eine RMR zu verursachen. Voraussetzung für eine unfallbedingte RMR ist nicht die plötzliche ruckartige Bewegung der Schulter, wie sie der Kläger jetzt darstellt, sondern vielmehr eine plötzliche ruckartige Bewegung des - erhobenen oder gedrehten - Armes (vgl. Gutachten Prof. Dr. V. S. 13). Diese Einschätzung der Gutachter steht im Einklang mit den auch vom Senat zu berücksichtigenden unfallmedizinischen Erfahrungsgrundsätzen (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall u Berufskrankheit, 6. Aufl. 1998, S. 473 f). Eine solche Bewegung aber hat der Kläger auch nach seinem neuerlichen Vortrag nicht ausgeführt.

19

Aber auch wenn zu Gunsten des Klägers unterstellt wird, dass bei dem Unfall die RMR aufgetreten ist, ergäbe sich hieraus für ihn kein Anspruch auf Verletztenrente. Denn diese RMR hat keine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) in rentenberechtigendem Grade hinterlassen. Maßgeblich für die Beurteilung der MdE sind die tatsächlich verbliebenen Funktionseinschränkungen, das heißt wesentliche Bewegungseinschränkungen, die hier im Bereich der rechten Schulter des Klägers fehlen. Bereits in den Monaten nach dem Unfall ließen sich keine wesentlichen Funktionseinschränkungen von Seiten des Schultergelenks objektivieren. Prof. Dr. M. haben eine seitengleiche freie Beweglichkeit der Schultern mitgeteilt. Ihre Befunderhebung steht im Einklang mit den den Kläger behandelnden Ärzten. Dr. P. hat in seinem Arztbrief vom 2. Juni 1997 eine schwer wiegende Schulterproblematik verneint. Auch während des medizinischen Reha-Verfahrens wurde eine freie Beweglichkeit des Schultergelenkes beobachtet (Entlassungsbericht der Klinik W. vom 2. Oktober 1996). Letztendlich hat auch Dr. R. keine Bewegungseinschränkung der rechten Schulter festgestellt (Ihr Gut-achten S. 43, 45 und 53).

20

Angesichts dessen bedurfte es nicht der Einholung eines weiteren chirurgischen oder orthopädischen Gutachtens. Der Sachverhalt ist durch das Gutachten des Prof. Dr. M. und die weiteren medizinischen Unterlagen ausreichend geklärt. Der Empfehlung des Dr. P. (Arztbrief vom 2. Juni 1997), ein weiteres Gutachten einzuholen, hat sich der Senat deshalb nicht angeschlossen.

21

Eine andere Beurteilung rechtfertigen auch nicht die Ausführungen des Arztes Q ... Entgegen seiner Einschätzung lässt sich nicht hinreichend wahrscheinlich machen, dass der Unfall zu einer wesentlichen Verschlimmerung der vorbestehenden somatoformen Schmerzstörung geführt hat. Hiergegen spricht der Unfallverlauf, die Unfallfolge wie auch die Tatsache, dass schmerzbedingte Auswirkungen beim Kläger bereits vor dem Unfall bestanden haben. Sowohl Dr. R. wie auch der Arzt Q. sind sich darin einig, dass der Kläger bereits vor dem Unfall unter einer entsprechenden psychischen Störung gelitten hat. Auch der Kläger selbst hat gegenüber der Sachverständigen angegeben, schon vor dem Unfall depressiv und unruhig gewesen zu sein (vgl. S. 31 des Gutachtens der Dr. R.). Der Arzt Q. hat in diesem Zusammenhang nachvollziehbar ausgeführt, dass im Mittelpunkt der Störung ein chronischer Migränekopfschmerz sowie anhaltend schmerzhafte Verspannungen der HWS- und Schultergürtelmuskulatur standen (Befundbericht vom 28. November 1997). Diese Gesundheitsstörungen bestanden aber nach den umfangreichen medizinischen Unterlagen bereits seit langen Jahren vor dem Unfall. Die Einschätzung des Arztes Q. wird außerdem durch das Vorerkrankungsverzeichnis der AOK vom 28. März 2000 bestätigt, wonach der Kläger zuletzt im Frühjahr 1993 wegen Migräne, Cephalgien und psychischer Überlagerung drei Monate arbeitsunfähig war. Vor diesem Hintergrund erweist sich die Schlussfolgerung der Dr. R., dass der Kläger wegen seiner Disposition und seiner vor dem Unfall bestehenden Lebenssituation eine entsprechende psychische Störung hatte, der Unfall lediglich eine Gelegenheitsursache darstellt und sich die Schmerzstörung auch durch jedes andere äußere Ereignis entwickelt hätte, plausibel und nachvollziehbar. Der Unfall hat nicht zu einer schwer wiegenden strukturellen Körperverletzung geführt und war nach Einschätzung der Dr. R. im Übrigen auch von seinem Ablauf her banal und nicht dazu geeignet, eine traumatische seelische Störung hervorzurufen. Die Entwicklung einer unfallbedingten chronischen Schmerzerkrankung setzt nach den vom Senat zu berücksichtigenden unfallmedizinischen Erfahrungsgrundsätzen einen unfallbedingten Erstkörper-Schaden, d.h. eine strukturelle Verletzung, voraus (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 6. Aufl. 1998, S. 238; Ludolph in Kursbuch der ärztlichen Begutachtung 12. Aufl. 2001, Abschnitt Vi-1.3.8, S. 5). An einem derartigen strukturellen Körperschaden mangelt es vorliegend. Denn der Unfall vom 2. Februar 1994 hat lediglich zu einer folgenlos ausheilenden Prellung der rechten Schulter geführt. Ein struktureller Schaden ist hierbei nicht entstanden. Selbst wenn zu Gunsten des Klägers davon ausgegangen wird, dass bei dem Unfall die RMR aufgetreten ist, ergibt sich keine andere Beurteilung. Denn sie hat ebenfalls - wie bereits ausgeführt- keine wesentlichen Funktionseinschränkungen zur Folge, die die Entwicklung einer Schmerzerkrankung erklären könnten ... Soweit Dr. R. darauf hinweist, der Kläger habe die Nichtanerkennung des Arbeitsunfalls und die - von ihm als Unrecht empfundene - Vorenthaltung der Verletztenrente als Kränkung empfunden und die vorbestehende psychische Störung sei dadurch dekompensiert worden, (S. 61, 66 ihres Gutachtens) führt auch diese Einschätzung nicht zur Bejahung des Kausalzusammenhangs. Denn eine Verletztenrente steht ihm tatsächlich nicht zu und hierfür wie auch für die unzureichende Verarbeitung der Situation ist nicht der Unfall, sondern die vorbestehende psychische Disposition des Klägers verantwortlich.

22

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

23

Es liegt kein Grund vor, die Revision zuzulassen ( § 160 Abs. 2 SGG).