Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 05.06.2003, Az.: L 6 U 281/02
Anspruch auf Verletztenrente wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls; Überfall unter Anwendung von körperlicher Gewalt auf dem Weg zur Arbeit; Erkrankung an einer posttraumatische Belastungsstörung bzw. an einem depressiven Syndrom; Ursachenzusammenhang zwischen schädigenden Ereignis und Gesundheitsschädigung; Unterscheidung zwischen wesentlicher Teilursache und unwesentlicher Gelegenheitsursache
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 05.06.2003
- Aktenzeichen
- L 6 U 281/02
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 20997
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2003:0605.L6U281.02.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Hannover - 25.04.2002 - AZ: S 36 U 214/00
Rechtsgrundlagen
- § 56 Abs. 1 SGB VII
- § 8 Abs. 1 SGB VII
Redaktioneller Leitsatz
Eine (unwesentliche) Gelegenheitsursache liegt nicht bereits dann vor, wenn der unfallbedingte Ursachenanteil die Gesamtheit der anderen Mitursachen nicht überwiegt. Zu prüfen ist in einem solchen Fall vielmehr, ob jedes andere alltäglich vorkommende, ähnlich gelagerte Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinungen ausgelöst hätte.
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 25. April 2002 wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten auch des Berufungsverfahrens zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger auf Grund seines Arbeitsunfalls vom 5. November 1996 auch psychisch geschädigt worden ist und ob ihm deshalb eine Verletztenrente zusteht.
Der 1955 geborene Kläger war ca. 20 Jahre als Abteilungsleiter bei der C. Druck- und Verlagsgesellschaft mbH & Co. tätig. Am Abend des 5. November 1996 besuchte er zunächst mit Arbeitskollegen einige Gaststätten in D ... Anschließend wollte er zu Fuß zu seiner Arbeitsstätte zurückkehren, um den dort in der Nachtschicht tätigen Mitarbeiterin Informationen zu erteilen. Auf dem Weg dorthin wurde er gegen 23.30 Uhr von einem Unbekannten von hinten angegriffen und niedergeschlagen. Der Unbekannte sagte sinngemäß: "Gib mir dein Geld oder ich mach dich fertig!" Bei dem anschließenden Kampf entwendete er dem Kläger eine Jacke, die u.a. auch den Zentralschlüssel für den Betrieb der Firma C. enthielt. Der Kläger klingelte Hilfe suchend an mehreren Haustüren, beim dritten Versuch wurde geöffnet und die Polizei benachrichtigt. Der sofort aufgesuchte Durchgangsarzt Dr. E. diagnostizierte eine Schädelprellung mit vegetativer Symptomatik. Der Kläger wurde bis 8. November 1996 stationär behandelt, am 22. November 1996 nahm er die Arbeit wieder auf.
Direkt nach der Entlassung aus der stationären Behandlung hatte sich der Kläger bei Dr. F. vorgestellt, von dem er seit 1985 regelmäßig hausärztlich betreut wird. Nach dessen Bericht vom 27. April 1998 war der Kläger extrem wesensverändert, formulierte Todesangst, war extrem erregt und zeigte als äußere Verletzungszeichen noch ein Monokelhämatom und Prellmarken im Kniebereich rechts. Am 25. November 1997 diagnostizierte die Ärztin für Psychiatrie G. ein deutliches depressives Syndrom, seit dem 20. Januar 1998 ist der Kläger durchgehend arbeitsunfähig. Vom 20. Januar bis 17. März 1998 befand er sich zur stationären Behandlung in der H ... Die behandelnden Ärzte I. diagnostizierten eine Erschöpfungsdepression und ein posttraumatisches Belastungssyndrom (Bericht vom 31. März 1998). Das Arbeitsverhältnis wurde Mitte 1998 seitens des Arbeitgebers gekündigt. Mit Schreiben vom 31. März 1998 wandte sich Dr. F. an die Beklagte und teilte mit, dass der bis zu dem Unfallereignis organisch gesunde und voll belastbare Kläger seit dem Unfallereignis eine bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt anhaltende und progrediente Wesensveränderung zeige. Die Beklagte holte das Vorerkrankungsverzeichnis der Techniker Krankenkasse ein, aus dem sich eine Arbeitsunfähigkeitszeit vom 23. Oktober 1995 bis 12. November 1995 unter der Diagnose "Depression, psychosomatische Erschöpfungszustände" ergab. Außerdem holte die Beklagte das Gutachten von Dr. Dr. J. vom 25. August 1998 ein. Bei der Untersuchung gab der Kläger an, er sei früher ein "Hans Dampf in allen Gassen" gewesen, habe einen großen Freundeskreis gehabt, gern musiziert und sei zusammen mit der Familie oft in den Urlaub gefahren. Belastungen wie z.B. den Umstand der Krebserkrankung seiner Ehefrau habe er ebenso verarbeitet wie die harten beruflichen Anforderungen. Nach dem Überfall sei er zu-nächst vom Hausarzt wegen Kopfschmerzen mit Tabletten behandelt worden. Seit Beginn des Jahres 1997 sei es ihm psychisch jedoch immer schlechter gegangen. Er habe sich aus dem Freundeskreis zunehmend zurückgezogen und auch in der Familie im Grunde an nichts mehr Freude gehabt. Nachts habe er unter Alpträumen und Schlafstörungen gelitten. Die den Kläger begleitende Ehefrau berichtete, dass sich dessen Persönlichkeit nach dem Ereignis vom November 1996 schleichend verändert habe, richtig aufgefallen sei ihr dies im April 1997 während eines Urlaubs auf Mallorca. Dr. Dr. J. diagnostizierte ebenfalls eine Depression, führte diese aber nicht auf den Unfall vom 5. November 1996 zurück. Nach seiner Einschätzung hat kein Ereignis von außergewöhnlicher Schwere vorgelegen, das bei psychisch nicht vorbelasteten Personen zur Symptomatik einer posttraumatischen Belastungsstörung hätte führen können. Ein Angriff mit Schlag auf den Kopf nach dem Besuch von Gaststätten und Jahrmärkten ohne schwer wiegende körperliche Verletzungsfolgen gehe über eine Belastung der täglichen Lebensführung unter den Bedingungen einer Zivilisationsgesellschaft nicht wesentlich hinaus. Gegen einen Zusammenhang zwischen dem Überfall und der nachfolgenden psychischen Störung spreche außerdem, dass der Kläger schon 1995 wegen einer Depression und psychosomatischen Störungen drei Wochen arbeitsunfähig gewesen sei.
Mit Bescheid vom 24. September 1998 lehnte die Beklagte die Zahlung von Verletztenrente ab. Im Widerspruchsverfahren wandte der Kläger ein, die Erkrankung aus dem Jahre 1995 habe mit der damals festgestellten Darmkrebserkrankung seiner Ehefrau zusammengehangen. Die Arbeitsunfähigkeit sei aber in ihrer Symptomatik und Schwere nicht mit dem aktuellen Zustand zu vergleichen. Die weitere Genesung seiner Frau habe gute Fortschritte gemacht, sodass er sich auch schnell wieder erholt habe. Im Widerspruchsverfahren holte die Beklagte den Bericht von Dr. K. (L. vom 15. Februar 1999 und den Bericht von der Ärztin für Psychiatrie G. vom 31. März 1999 ein. Beide Ärzte bejahten einen Zusammenhang zwischen dem Überfall und der Erkrankung des Klägers, während Dr. Dr. J. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 17. Juni 1999 einen inneren Zusammenhang weiterhin verneinte. Außerdem zog die Beklagte das von Dr. M. für die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) erstattete Gutachten vom 8. September 1999 bei. Dr. M. diagnostizierte eine posttraumatische Belastungsstörung sowie eine ausgeprägte depressive Symptomatik, die sie als reaktiv bewertete und in erster Linie auf den erlebten Überfall zurückführte. Der Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie N. empfahl in dem für das Versorgungsamt Hannover erstatteten Gutachten vom 17. Juni 1999 in Verbindung mit der Stellungnahme vom 8. November 1999 "psychoreaktive Störungen (nach Gewalttat)" anzuerkennen.
Die Beklagte holte das Gutachten von Dr. O. vom 3. April 2000 ein. Der Gutachter stellte eine "depressive Episode mittlerer Tiefe auf lebensgeschichtlicher Grundlage mit Somatisierung" als Unfallfolge fest und schätzte die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) mit 30 v.H. ein. Nach seiner Bewertung kommt dem Überfall und der dadurch bedingten seelischen Beeindruckung gegenüber den un-fallunabhängigen Faktoren (Persönlichkeitsstruktur des Klägers und schwere Kränkung durch das Verhalten des Arbeitgebers nach dem Unfall) ein gleichwertiger oder wenigstens annähernd gleichwertiger Umfang bei der Entstehung der Symptomatik zu. Nach dem Überfall sei eine durchgängige tiefe seelische Verunsicherung und eine maßgebliche Veränderung der Strategien zur Lebensbewältigung eingetreten. Dies zeige sich z.B. daran, dass der Kläger umfangreiche, ihm vorher nicht eigene Sicherungsmaßnahmen an seinem Haus vorgenommen habe. Außerdem holte die Beklagte die Stellungnahme von Prof. Dr. P. vom 5. Mai 2000 ein. Nach dessen Ausführungen ist trotz der subjektiven Eindrücklichkeit des Überfalls von psychoreaktiven Gesundheitsstörungen auszugehen, die weit über Reaktionen hinausgehen, die nach Art und Schwere des Überfalls angemessen seien. Der Überfall wäre mit einer Vielzahl anderer vorübergehend beeinträchtigender Lebensereignisse austauschbar gewesen. Die Beklagte schloss sich den Beurteilungen durch Dr. Dr. J. und Prof. Dr. P. an und wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 28. Juni 2000 zurück.
Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Hannover hat das SG den Bericht des Hausarztes des Klägers Dr. F. vom 29. Juni 2001 eingeholt. Dieser hat darauf hingewiesen, dass 1995 nicht eine Depression, sondern lediglich ein Erschöpfungszustand diagnostiziert worden sei. Außerdem hat das SG die ergänzende Stellungnahme von Prof. Dr. P. vom 21. August 2001 eingeholt sowie das Gutachten von Dr. Q. vom 19. April 2002, das dieser nach einem Hausbesuch beim Kläger erstattet hat. Auch Dr. Q. ist zu dem Ergebnis gekommen, dass der Übergriff bei dem spezifischen Persönlichkeitsprofil des Klägers zu einer Dekompensation und seelischen Katastrophe geführt hat. Der Kläger sei in einer spezifischen beruflichen Entwicklungsphase (Juniorchef wird in absehbarer Zeit die Firma übernehmen) angegriffen worden, habe sich dem Angriff nicht entziehen können, der Versuch, Hilfe zu holen, sei gescheitert. Der Kläger habe daraus ein typisches Vermeidungsverhalten entwickelt. Dr. Q. hat eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert und die MdE mit 30 v.H. eingeschätzt.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 25. April 2002 hat das SG Dr. Q. ergänzend vernommen und mit Urteil vom selben Tag die angefochtenen Bescheide aufgehoben, festgestellt, dass die psychischen Störungen Folgen des am 5. November 1996 erlittenen Arbeitsunfalls sind und die Beklagte verurteilt, dem Kläger ab 1. August 1999 Verletztenrente in Höhe von 30 v.H. der Vollrente zu gewähren. Zur Begründung hat es sich auf die Gutachten von Dr. O., Dr. Q., Dr. M. und N. sowie die Stellungnahmen von Dr. K. und G. bezogen.
Gegen dieses am 12. Mai 2002 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 5. Juni 2002 Berufung eingelegt. Sie hält daran fest, dass es sich bei dem Überfall um eine Gelegenheitsursache gehandelt habe. Zwar sei der Unfall als sehr belastendes Ereignis anzusehen. Dr. O. und Dr. Q. hätten sich aber nicht ausreichend mit den unfallunabhängigen Belastungen, denen der Kläger ebenfalls ausgesetzt war, auseinander gesetzt. Der Unfall stelle nur den Tropfen dar, der das Fass zum Überlaufen bringe. Gegen die Annahme einer posttraumatischen Belastungsstörung spreche außerdem, dass diese nicht spätestens 6 Monate nach dem Unfall dokumentiert worden sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 25. April 2002 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 25. April 2002 zurückzuweisen.
Der Kläger hält das Urteil des SG für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Prozessakte Bezug genommen. Der Entscheidungsfindung haben die Verwaltungsakten der Beklagten zu Grunde gelegen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte Berufung der Beklagten ist form- und fristgerecht eingelegt und damit zulässig, sie ist aber unbegründet.
Das Urteil des SG ist nicht zu beanstanden. Das SG hat die Beklagte zu Recht verurteilt, dem Kläger Verletztenrente in Höhe von 30 v.H. der Vollrente zu zahlen. Denn der Arbeitsunfall vom 5. November 1996 hat mit Wahrscheinlichkeit zu einer Erkrankung auf psychischem Gebiet geführt. Entgegen der von der Beklagten im Berufungsverfahren vertretenen Auffassung ist nicht zu erkennen, dass diese Beurteilung der - von der Beklagten nicht näher bezeichneten - medizinischen Lehrmeinung widerspricht.
1.
Auf Grund der übereinstimmenden Beurteilung sämtlicher den Kläger behandelnden Ärzte sowie der in diesem Verfahren beteiligten Gutachter und Sach-verständigen ist bewiesen, dass der Kläger an einer seelischen Krankheit des depressiven Formenkreises leidet. Wesentliche Symptome der Erkrankung sind eine depressive Stimmungslage und ein ausgeprägtes Vermeidungsverhalten. Diese Erkrankung ist durch den Arbeitsunfall vom 5. November 1996 wesentlich mitverursacht worden.
a)
Auf Grund des Gesamtergebnisses des Verfahrens steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Unfall vom 5. November 1996 eine Bedingung im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne war, d.h. nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass auch der Gesundheitsschaden - die depressive Erkrankung des Klägers - entfällt. Zu dieser Einschätzung kommt der Senat auf Grund der plausiblen und überzeugenden Argumente in den Gutachten des Gutachters Dr. O. und des Sachverständigen Dr. Q ...
Dr. O. hat herausgearbeitet, dass durch den Überfall eine in die Persönlichkeit des Klägers eingebundene, jedoch bisher nicht symptomatische, neurotische Störung aktiviert worden ist. Nach seinen Erläuterungen ist dem Kläger als Persönlichkeitsmerkmal ein festes, forderndes Über-Ich mit entsprechend hoch gestecktem Selbstideal eigen, dem dieser vor allem im Leistungsbereich zu genügen suchte. Ein Begleitfaktor dieser ihm individuell eigenen Lebensstrategie sei seine Angstabwehr gewesen. Über konziliantes Verhalten, besondere Offenheit gegenüber anderen Menschen sowie vielfältiges Engagement auch im privaten Bereich habe er innere Angst und Unsicherheit verleugnet. Bei dem Überfall sei ihm etwas zugestoßen, was er im Zuge seiner Angstabwehr andauernd habe vermeiden müssen und was ihm als bloße Möglichkeit bis dahin zu verleugnen erfolgreich gelungen sei. Ihm sei Gewalt angetan worden, er sei der Unterlegene gewesen, habe weglaufen müssen und auch noch an verschiedenen Türen vergeblich um Hilfe nachsuchen müssen. Dr. O. ist demgemäß nachvollziehbar zu dem Schluss gekommen, dass es infolge des Überfalls zu einer durchgängigen tiefen seelischen Verunsicherung und einer maßgeblichen Veränderung der Strategie zur Lebensbewältigung gekommen ist. Dies zeigt sich daran, dass der Kläger umfangreiche, ihm vorher nicht eigene, d.h. vorher nicht als wichtig erachtete Sicherungsmaßnahmen an seinem Haus vornahm (Einbau einer Alarmanlage, Vergitterung der Kellerfenster, Einbau eines elektrischen Garagentorantriebes). Auch Dr. Q. führt die Entwicklung eines typischen Vermeidungsverhaltens auf den Überfall zurück. Dieses Vermeidungsverhalten stellt sich nach seinen Beobachtungen im häuslichen Bereich des Klägers dergestalt dar, dass dieser in seinem Wohnzimmer eine abgeteilte Ecke eingebaut hat, aus der heraus er z.B. Fernsehnachrichten mit entsprechendem Gewaltstimuli nicht mehr wahrnehmen kann.
Die hiernach ohne Weiteres einleuchtende Verursachung der depressiven Erkrankung durch die Folgen des Überfalls wird entgegen der Ansicht der Beklagten nicht dadurch in Frage gestellt, dass die psychische Erkrankung erst am 25. November 1997 - ein Jahr nach dem Überfall - von der Ärztin für Psychiatrie G. unter der Bezeichnung "deutliches depressives Syndrom" diagnostiziert worden ist. Daraus kann nämlich nicht geschlossen werden, dass sie erst zu diesem Zeitpunkt und unfallunabhängig aufgetreten ist. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass der bis dahin gesunde und voll belastbare Kläger unmittelbar nach dem Unfall durchgehend wegen verschiedener psychosomatischer Krankheitssymptome behandelt werden musste und eine progrediente Wesensänderung gezeigt hat (Bericht Dr. F. vom 31. März 1998). Es erscheint dem Senat auch nicht ungewöhnlich, dass ein psychisch Erkrankter zunächst versucht, sich selbst zu stabilisieren und eine psychiatrische Behandlung aufschiebt. Dr. Dr. J. hat ebenfalls darauf hingewiesen, dass sich die psychische Störung etwa zwei Monate nach dem Unfallgeschehen manifestiert hat und dass dies für einen Kausalzusammenhang spricht.
b)
Der Unfall und die dadurch bedingte seelische Beeindruckung des Klägers ist auch als rechtlich wesentliche Teilursache der depressiven Erkrankung und nicht nur als - rechtlich unwesentliche - Gelegenheitsursache zu werten. Diese Feststellung ist im vorliegenden Fall erforderlich, weil das Unfallereignis die psychische Erkrankung in kausaler Konkurrenz mit der Persönlichkeitsstruktur des Klägers und damit einem unfallfremden Faktor herbeigeführt hat. Entgegen der Ansicht der Beklagten liegt eine Gelegenheitsursache nicht bereits dann vor, wenn der unfallbedingte Ursachenanteil die Gesamtheit der anderen Mitursachen nicht überwiegt. Zu prüfen ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (vgl. z.B. das Urteil vom 6. Dezember 1989 - 2 RU 7/89 - ) in einem solchen Fall vielmehr, ob jedes andere alltäglich vorkommende, ähnlich gelagerte Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinungen ausgelöst hätte. Davon kann im vorliegenden Fall nicht ausgegangen werden. Die von Dr. Dr. J. und Prof. Dr. P. geäußerten Zweifel hinsichtlich der Schwere des Traumas teilt der Senat nicht. Denn ein Angriff von hinten mit Schlägen auf den Kopf und massiver verbaler Bedrohung ist schon objektiv ohne weiteres geeignet, Todesangst auszulösen. Erst recht gehört ein solcher Angriff nicht zu den üblichen "Belastungen der täglichen Lebensführung unter den Bedingungen einer Zivilisationsgesellschaft", ist also nicht als banales all-tägliches Ereignis im Sinne einer Gelegenheitsursache zu werten. Auch die Beklagte stellt nicht in Abrede, dass es sich um ein "sehr belastendes Ereignis" gehandelt hat. Der Unfall war deshalb - anders als ein "Bagatell-unfall" für die Beeinträchtigung des psychischen Zustandes des Klägers unersetzlich (Gutachten Dr. O.). In diesem Zusammenhang ist außerdem zu beachten, dass es nicht darauf ankommt, ob der Überfall generell geeignet ist, eine psychische Erkrankung zu verursachen. Vielmehr ist die Frage des ursächlichen Zusammenhangs stets individuell unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Persönlichkeit des Versicherten zu prüfen (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 6. Auflage 1998, S. 291).
Entgegen der Ansicht von Dr. Dr. J. ergibt sich auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Kläger vom 23. Oktober bis 12. November 1995 wegen einer Depression und psychosomatischer Erschöpfungszustände arbeitsunfähig war, keine andere Beurteilung. In diesem Zusammenhang hat Dr. Q. zu Recht darauf hingewiesen, dass eine behandlungsbedürftige psychiatrische Krankheit vor dem Überfall nicht vorgelegen hat. Dies ergibt sich auch aus dem Bericht des Dr. F. vom 29. Juni 2001. Danach bestand im Jahr 1995 auf Grund beruflicher und privater Belastung lediglich ein psychophysischer Erschöpfungszustand, während die eine Depression kennzeichnenden Symptome nicht vorgelegen haben.
Die Ergebnisse der Gutachten von Dr. Q. und Dr. O. stehen in Übereinstimmung mit der Beurteilung durch Dr. M., Dr. K., N., G. und R ...
2.
Auf Grund der unfallbedingten psychischen Erkrankung hat der Kläger Anspruch auf Verletztenrente ab 1. August 1999 in Höhe von 30 v.H. der Vollrente. Insoweit nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug auf die zutreffenden Ausführungen in dem Urteil des SG.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG); Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), sind nicht gegeben.