Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 26.06.2003, Az.: L 9 U 205/01
Anspruch auf Verletztengeld aus der gesetzlichen Unfallversicherung; Rentenberechtigende Minderung der Erwerbsfähigkeit
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 26.06.2003
- Aktenzeichen
- L 9 U 205/01
- Entscheidungsform
- Endurteil
- Referenz
- WKRS 2003, 20199
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2003:0626.L9U205.01.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Oldenburg - AZ: S 7 U 206/99
Rechtsgrundlagen
- § 45 SGB VII
- § 8 SGB VII
Tenor:
Die Berufung wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um einen Anspruch auf Verletztengeld aus der gesetzlichen Unfallversicherung.
Der 1936 geborene Berufungskläger ist selbstständiger Drechsler mit einem eigenen Betrieb. Am 17. Februar 1999 stieg er vom Gabelstapler ab und rutschte auf glattem Untergrund aus. Er begab sich in die durchgangsärztliche Behandlung des Chirurgen Dr. C ... Dieser berichtet in seinem DA-Bericht vom 17. Februar 1999, er habe eine deutliche Fascienlücke am ventralen linken Oberschenkel gesehen. Die Streckfähigkeit im Kniegelenk sei endgradig schmerzhaft eingeschränkt gewesen. Es habe sich kein Anhalt für eine Hautverletzung ergeben - die periphere Durchblutung und Sensibilität seien intakt. Bei der Röntgenuntersuchung habe sich kein Hinweis auf eine knöcherne Verletzung ergeben. Bei einer Sonographie sei eine ansatznahe Ruptur des musculus rectus femoris festgestellt worden. Daraufhin sei der Berufungskläger stationär zur Operation aufgenommen worden. Es handele sich nicht um einen Unfall im Sinne des Gesetzes. Mit weiterem Bericht vom 3. Juni 1999 erläuterte Dr. C. dies dahin gehend, dass eine gesunde Quadrizepssehne beim Wegrutschen des Beines und plötzlichen Anspannen des Muskels nicht reißen könne. Dies sei auch durch den intraoperativen Befund, der eine degenerativ vorgeschädigte Sehne und ein nur mäßiges Hämatom gezeigt habe, bestätigt worden. Dem Bericht war der OP-Bericht vom 18. Februar 1999 beigefügt. Die Berufungsbeklagte legte die Unterlagen ihrem beratenden Arzt (Chirurg Dr. D.) vor, der sich der Auffassung von Dr. C. anschloss.
Daraufhin lehnte die Berufungsbeklagte mit Bescheid vom 13. Juli 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. August 1999 die Gewährung von Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung ab.
Am 3. September 1999 ist Klage erhoben worden, die nach vorheriger Anhörung der Beteiligten mit Gerichtsbescheid des Sozialgerichtes (SG) Oldenburg vom 3. April 2001 abgewiesen worden ist. Zur Begründung hat das SG darauf hingewiesen, es liege kein geeigneter Unfallmechanismus vor, um annehmen zu können, dass die Ruptur wesentlich auf das Ereignis vom 17. Februar 1999 zurückzuführen sei. Selbst wenn dies unterstellt würde käme die Bewilligung einer Verletztenrente deshalb nicht in Betracht, weil nicht erkennbar sei, dass eine rentenberechtigende Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) erreicht würde.
Gegen den am 26. April 2001 zugestellten Gerichtsbescheid ist am 22. Mai 2001 Berufung eingelegt worden. Zur Begründung weist der Berufungskläger darauf hin, auch bei einer vor dem Unfall degenerierten Sehne müsse das Unfallereignis als kausal im Sinne des Gesetzes angesehen werden, wenn das Ereignis grundsätzlich geeignet sei, die Verletzung hervorzurufen. Mit der Berufung werde nur noch die Bewilligung von Verletztengeld angestrebt.
Der Berufungskläger beantragt nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen,
- 1.
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichtes Oldenburg vom 3. April 2001 sowie den Bescheid der Holz-Berufsgenossenschaft vom 13. Juli 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. August 1999 aufzuheben,
- 2.
die Berufungsbeklagte zu verurteilen, den Berufungskläger anlässlich des Arbeitsunfalles vom 17. Februar 1999 Verletztengeld für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zum 7. April 1999 zu zahlen.
Die Berufungsbeklagte beantragt schriftsätzlich,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung bezieht sie sich auf die erstinstanzliche Entscheidung und ihre angefochtenen Bescheide.
Zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes hat der Senat ein Vorerkrankungsverzeichnis der AOK Vechta vom 28. April 2003 beigezogen und sodann die Erstattung eines Gutachtens nach Aktenlage des Orthopäden Dr. E. vom 26. Mai 2003 veranlasst. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die genannten Unterlagen Bezug genommen.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze, den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Berufungsbeklagten (1 Band zum Az.: 4 99 01928 9 B) Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der Entscheidungsfindung.
Entscheidungsgründe
Der Senat entscheidet im Einverständnis der Beteiligten in Anwendung von §§ 124, Abs. 2, 155 Abs. 3 und 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch den Berichterstatter als Einzelrichter ohne mündliche Verhandlung.
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
Das SG hat zutreffend erkannt, dass der Berufungskläger weder Anspruch auf Feststellung von Unfallfolgen noch auf Bewilligung von Verletztengeld aus der gesetzlichen Unfallversicherung hat.
Anspruchsgrundlage für den vom Berufungskläger geltend gemachten Anspruch auf Verletztengeld ist § 45 Sozialgesetzbuch - 7. Buch (SGB VII) -. Nach dieser Vorschrift wird Verletztengeld geleistet, wenn der Versicherte infolge eines Versicherungsfalles arbeitsunfähig wird. Dies setzt nach § 8 SGB VII voraus, dass ein Arbeitsunfall vorliegt - also ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis, welches zu einem Gesundheitsschaden geführt hat. Vorliegend hat sich auch das erkennende Gericht nicht davon überzeugen können, dass das Ereignis vom 17. Februar 1999 wesentliche Ursache im Sinne des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung der beim Berufungskläger vorliegenden Ruptur der Quadrizepssehne ist. Die Ursachenbeziehung zwischen dem anschuldigten Geschehen und einem von diesem verursachten Schaden fällt in den Bereich der leistungsausfüllenden Kausalität (Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 8 SGB VII Rdnr. 8.1). Die kausale Verknüpfung muss in dem Sinne wahrscheinlich sein, dass nach der geltenden ärztlich-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernstliche Zweifel hinsichtlich einer anderen Verursachung ausscheiden (Bereiter-Hahn/Mehrtens, a.a.O., Rdnr. 10.1 m.w.N.). Als Ursache im Rechtssinne gilt dabei ein Unfallereignis nur dann, wenn es ursächlich im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne und neben etwaigen weiteren Faktoren als wesentliche Mitursache zu bewerten ist (vgl. erneut Bereiter-Hahn/Mehrtens a.a.O. Rdnr. 8.2 ff).
Das erkennende Gericht kann sich nicht die Überzeugung bilden, dass der Riss der Quadrizepssehne am linken Bein des Berufungsklägers mit dem im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit, wonach deutlich überwiegende Gründe für das Vorliegen des Ursachenzusammenhanges zwischen Unfall und geltend gemachter Unfallfolge (vgl. BSGE 45, 286) vorliegen müssen, auf das Unfallereignis am 17. Februar 1999 zurückzuführen ist.
Insoweit haben sämtliche mit der Sache befassten Chirurgen (Dr. C., Dr. D. und Dr. E.) die Auffassung vertreten, die Ruptur sei im Wesentlichen auf die vor dem Ereignis vorliegende Degeneration der Sehne zurückzuführen. Daneben habe das Unfallereignis nur unwesentlichen Anteil an der Verursachung der Ruptur. Dies ergebe sich einerseits aus dem ungeeigneten Unfallmechanismus und andererseits aus der Tatsache, dass eine gesunde Sehne nicht zerreiße, wenn es nicht zuvor zu Schäden an den beteiligten Muskeln gekommen sei. Insoweit hat Dr. E. in seinem Gutachten für das erkennende Gericht die Zusammenhänge nochmals deutlich und überzeugend dargelegt. Hierauf wird Bezug genommen. Hieraus ergibt sich auch, dass das Berufungsvorbringen insofern nicht weiter führt, als gerade kein Ablauf vorliegt, der geeignet gewesen wäre, auch eine gesunde Sehne zu ruptieren. Dr. E. hat insofern darauf hingewiesen, dass auch bei jeder anderen Gelegenheit eine derart vorgeschädigte Sehne hätte zerreißen können. Das Ereignis vom 17. Februar 1999 war mithin nicht "wesentliche" Ursache - auch nicht Teilursache - im Sinne des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung.
Die Kostenentscheidung beruht auf der Anwendung von §§ 183, 193 SGG.
Anlass für die Zulassung der Revision besteht nicht, § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG.