Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 25.06.2003, Az.: L 1 RA 18/01

Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit; Sozialmedizinische Voraussetzungen für die Gewährung einer Versichertenrente ; Vorliegen einer Berufsunfähigkeit bei Fernmeldetechnikern

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
25.06.2003
Aktenzeichen
L 1 RA 18/01
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 20008
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2003:0625.L1RA18.01.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Stade - AZ: S 4 RA 84/99

Redaktioneller Leitsatz

Schwierigkeiten auf einem konkreten Arbeitsplatz führen nicht zur Berufsunfähigkeit. Denn das Risiko der Berufsunfähigkeit, gegen das die gesetzliche Rentenversicherung schützt, ist erst dann gegeben, wenn es überhaupt keine zumutbaren Arbeitsplätze mehr gibt, die der betroffene Versicherte ausfüllen könnte. Dabei schließt diese abstrakte Betrachtungsweise das gesamte Bundesgebiet ein.

Tenor:

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

2

Der 1951 geborene, ledige und kinderlose Kläger erlernte nach dem Volksschulabschluss von April 1966 bis September 1969 den Beruf des Fernmeldehandwerkers. Seit 0ktober 1969 war er durchgängig in diesem Beruf beschäftigt, zunächst im mittleren Fernmelde-technischen Dienst der Deutschen Bundespost (später Wechsel zum Nachfolgeunternehmen, der Telekom AG). Bis 1996 war er in verschiedenen Baubezirken im Außen- und Innendienst tätig. Nachdem die bis dahin von Hand geführten Unterlagen auf EDV umgestellt worden waren, war der Kläger seit Anfang 1992 zunächst ausschließlich mit der EDV-technischen Führung und Bearbeitung von Schaltunterlagen betraut. Im Anschluss an die letzte Umsetzung vom Baubezirk Verden nach Bremen änderte sich das Aufgabengebiet des Klägers seit Herbst 1996 dahingehend, dass er nunmehr Computer instand zu setzen hatte, Software installieren musste und Projekte für die Einführung bzw. Umstellung der EDV in einzelnen Ressorts vorzubereiten und auszuführen hatte.

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Nachdem er seit dem 17. April 1998 vor dem Hintergrund eines Arbeitsplatzkonfliktes wegen "depressiven Erschöpfungszustandes mit körperlicher Symptomatik, Unruhe und Schlafstörungen" arbeitsunfähig geschrieben worden war, stellte der Kläger am 20. Juli 1998 bei der Beklagten den Antrag, ihm Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU), hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit (BU), zu gewähren. Zu den Akten der Beklagten gelangte ein Bericht des Arztes für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. H. vom 13. Juli 1998 über eine Vorstellung des Klägers vom gleichen Tage. Dr. H. gab u.a. die Aussagen des Klägers wieder, von seinem Arbeitgeber mit rigorosen Methoden unter Druck gesetzt worden zu sein - angedrohte Kündigung nach Ablehnung zweier Versetzungen - und im Übrigen, durch die Betreuung der pflegebedürftigen Mutter, mit der er allein in dem von ihm für seine Eltern und sich erbauten Einfamilienhaus lebte, belastet zu sein. Ferner zog die Beklagte Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vom 15. und 29. Juli sowie vom 18. August 1998 bei, die jeweils zur Frage der Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit für die Krankenkasse des Klägers erstattet worden waren. Sodann ließ die Beklagte den Kläger durch den Internisten, Arzt für Lungen- und Bronchialheilkunde, Allergologie und Sozialmedizin Dr. I. begutachten. Dieser Sachverständige erklärte am 28. September 1998, die Befunde degenerativer Wirbelsäulenveränderungen mit Schulter-Arm-Syndrom rechts und Lumboischialgie, Adipositas (115 kg bei einer Körpergröße von 179 cm) und Cholelithiasis (Gallensteinleiden) erlaubten aus internistischer Sicht weiterhin leichte körperliche Tätigkeiten in voller Tagesschicht. Im Vordergrund stehe allerdings ein depressives Syndrom. Daraufhin beauftragte die Beklagte Dr. J. mit der Erstattung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens. Dieser Sachverständige führte in seinem Gutachten vom 29. 0ktober 1998 eine neurotische Fehlhaltung mit zeitweilig neurotisch-depressiven und angstneurotischen Zügen als Hauptdiagnose auf. Der Kläger sei in seinen Gedanken restlos darauf fixiert, auf Grund von "Mobbing am Arbeitsplatz" nicht mehr arbeiten zu können. Das Leiden werde bisher nicht ausreichend psychotherapeutisch und medikamentös behandelt. Anzudenken sei auch ein psychosomatisch ausgerichtetes Heilverfahren, in dem der Kläger etwa autogenes Training erlernen könne. Ungeachtet dessen sei weiterhin von vollschichtiger Leistungsfähigkeit auszugehen.

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Die Beklagte lehnte den Rentenantrag daraufhin durch den Bescheid vom 27. November 1998 ab. Der Kläger sei in seinem bisherigen Berufsbereich weiterhin vollschichtig ein-setzbar.

5

Im Widerspruchsverfahren erstattete der Facharzt für Innere Medizin Dr. K. unter dem 15. Januar 1999 ein Attest, wonach die Einnahme von Psychopharmaka und Begleiterscheinungen wie Unkonzentriertheit und Zittern, Schweißausbrüche und starke Angstsymptome dazu führten, dass der Kläger einer regelmäßigen Arbeit nicht nachgehen könne. In einem weiteren Befundbericht vom 15. Februar 1999 erklärte Dr. von H., die chronifizierte Depression und das Zittern unklarer ätiologischer Zuordnung hätten sich weder unter sedierender thymoleptischer Medikation noch unter stützenden Gesprächen bessern lassen. Die Beklagte wies den Widerspruch durch den Widerspruchsbescheid vom 13. April 1999 zurück. Das berufliche Leistungsvermögen sei infolge der mitgeteilten Befunde nicht rentenerheblich beeinträchtigt.

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Dagegen hat der Kläger am 10. Mai 1999 Klage zum Sozialgericht (SG) Stade erhoben. Zur Begründung hat er geltend gemacht, die Beklagte habe sein berufliches Leistungsvermögen zu positiv beurteilt. Wiedereingliederungsversuche im November 1998 und Januar 1999 seien gescheitert. Richtig sei die Situation von der Telekom beurteilt worden, die für die Zeit seit dem 1. Mai 1999 eine Betriebsrente zahle (Höhe zunächst 2.622,00 DM), gestützt auf die gutachterliche Stellungnahme des Betriebsarztes der Telekom Dr. L. vom 11. Februar 1999. Außerdem hat sich der Kläger, der neben der Betriebsrente seit dem 1. Mai 1999 zusätzlich eine Versicherungsrente der Versorgungsanstalt der Deutschen Bundespost in Höhe von monatlich zunächst 358,47 DM erhält, auf das ärztliche Attest des Dr. K. vom 21. September 1999 bezogen.

7

Das SG hat den Bericht des Dipl.-Psychologen M. vom 17. Januar 2000 beigezogen, wonach sich die Versagensängste in Belastungssituationen trotz einer Kurzzeittherapie noch nicht wesentlich verringert hätten. Weiter hat das SG den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie und Psychoanalyse Dr. N. als Gutachter eingeschaltet. Dr. Hause nannte am 27. September 2000 als seelische Störungen eine Neigung zur unbewussten Verdeutlichungstendenz sowie eine unselbstständige Persönlichkeitsstruktur mit Neigung zu passiver Problembewältigung. Der Kläger sei in der Lage, diese Störungen bei entsprechender Willensanspannung selbst zu überwinden. Ohne Zeitdruck könne er leichte bis mittelschwere Arbeiten als Fernmeldetechniker weiterhin bewältigen.

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Mit dem Gerichtsbescheid vom 27. Dezember 2000 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Kläger könne seinen bisherigen Beruf des Fernmeldetechnikers weiterhin ausüben. Die aus der konkreten Arbeitsplatzsituation resultierenden Ängste könnten nicht auf den gesamten Berufsbereich, auf den es für die Rentengewährung ankomme, übertragen werden. Die von den Sachverständigen genannten Leistungseinschränkungen, insbesondere hinsichtlich der Anforderungen an die Konzentrationsfähigkeit und die Fähigkeit des Arbeitens unter Zeitdruck, führten zu keinem anderen Ergebnis. Der Gerichtsbescheid ging dem Kläger am 22. Januar 2001 zu.

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Dagegen richtet sich die am 5. Februar 2001 eingegangene Berufung. Diese begründet der Kläger damit, die ihn behandelnden Fachärzte Dr. von H. und Dr. K. seien ebenso wie der Psychotherapeut M. übereinstimmend der Auffassung, dass eine vollschichtige Erwerbsarbeit nicht mehr möglich sei. Abgesehen von den Versagensängsten sei ein konzentriertes Arbeiten allenfalls über eine Zeitdauer von ca. 3 Stunden möglich.

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Zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts hat der Senat erneut Befundberichte des Dipl.-Psychologen M. (vom 31. Juli 2001) und von Dr. von H. (vom 8. August 2001) zu den Akten genommen. Auf einen Hinweis des Berichterstatters zur Rechtslage hat der Kläger eine weitere nervenärztliche Stellungnahme des Dr. von H. vom 4. Dezember 2001 vorgelegt. In dieser brachte Dr. von H. u.a. zum Ausdruck, die bisherige psychotherapeutische Behandlung habe über etwa ein halbes Jahr keinerlei Besserung erzielen können. Dies müsse auch für die Zukunft gelten. Die Grenze der Leistungsfähigkeit sei bei täglich etwa 3 bis 4 Stunden anzusetzen.

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Der Kläger beantragt,

  1. 1.

    den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stade vom 27. Dezember 2000 sowie den Bescheid der Beklagten vom 27. November 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. April 1999 aufzuheben,

  2. 2.

    die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Rente wegen Erwerbsunfähig-weit, hilfsweise Rente wegen Berufsunfähigkeit, für die Zeit ab dem 1. August 1998 zu gewähren.

12

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

13

Der Senat hat Dr. O. mit der Erstellung eines weiteres nervenärztlichen Gutachtens beauftragt, der eine vollschichtige Erwerbsfähigkeit des Klägers ungeachtet der "ängstlich vermeidenden depressiven Persönlichkeitsstörung" bestätigt hat. Auf besonderen Antrag des Klägers ist schließlich nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) der Arzt für Neurologie und Psychiatrie P. gehört worden. Dieser Sachverständige hat am 20. November 2002 auf seinem Fachgebiet eine asthenische Persönlichkeitsstörung, einen vegetativen Tremor und Lumbalgien diagnostiziert. Die Leistungsfähigkeit sei gemindert, jedoch seien leichte und mittelschwere Arbeiten bei mittleren geistigen Anforderungen weiterhin in voller Schicht möglich. Mit seinem Schriftsatz vom 25. Februar 2003 hat der Kläger eine ärztliche Stellungnahme des Dr. Q., Facharzt für Allgemeinmedizin, Chirotherapie und Naturheilverfahren vom 17. Februar 2003 aktenkundig gemacht. Der Senat hat daraufhin einen Befundbericht des Dr. Q. vom 6. März 2003 veranlasst. Im Vorwege des Verhandlungstermins hat der Kläger mit Schriftsatz vom 22. Mai 2003 eine weitere Stellungnahme des Dr. Q. vom 19. Mai 2003 übersandt und gleichzeitig verlangt, den Sachverhalt im Hinblick auf eine nachgewiesene Quecksilber-Intoxikation weiter aufzuklären. Schließlich hat der Kläger mit dem Schriftsatz vom 19. Juni 2003 den Untersuchungsbericht der Rheumatologischen Gemeinschaftspraxis Prof. Dr. R./Dr. S. vom 3. Juni 2003 eingereicht.

14

Bezüglich des Inhalts dieser ärztlichen Erklärungen und wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die Rentenakte der Beklagten Bezug genommen. Die Akten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung, Beratung und Entscheidung gewesen.

Entscheidungsgründe

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Die gemäß den §§ 143 f SGG statthafte Berufung ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.

16

Der Gerichtsbescheid des SG Stade erweist sich nicht als rechtswidrig. Der Bescheid der Beklagten vom 27. November 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. April 1999 ist nicht zu beanstanden. Der Kläger kann von der Beklagten weder nach altem noch nach neuem Recht Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit verlangen. Auf den geltend gemachten Anspruch ist zunächst das Sechste Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung anzuwenden. Denn der Kläger hat den für die Beurteilung maßgebenden Rentenantrag noch im Jahre 1998 gestellt und die Rente auch bereits für den Zeitraum ab dem auf die Antragstellung folgenden Kalendermonat beansprucht, §§ 99 Abs. 1, 300 Abs. 2 SGB VI.

17

Der Kläger erfüllt in seiner Person zwar die versicherungsrechtlichen, nicht jedoch die sozialmedizinischen Voraussetzungen für die Gewährung einer Versichertenrente alten Rechts. Er ist nämlich bereits nicht bu. Das SG hat die maßgebliche Rechtsgrundlage des § 43 SGB VI a.F. zutreffend herangezogen, richtig angewendet und sachgerechte Ermittlungen angestellt. Die in den Entscheidungsgründen des Gerichtsbescheides vorgenommene Beweiswürdigung, in die auch die schon von der Beklagten angestellten Ermittlungen eingeflossen sind, ist für den erkennenden Senat überzeugend. Um nicht gebotene Wiederholungen zu vermeiden, sieht der Senat insoweit von einer eigenen Darstellung der Entscheidungsgründe ab, § 153 Abs. 2 SGG.

18

Aus den im Verlaufe des Berufungsverfahrens angestellten Ermittlungen hat sich nichts anderes ergeben:

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Bei zusammenfassender Würdigung der medizinischerseits vorliegenden Gutachten und sonstigen ärztlichen Stellungnahmen lässt sich auch weiterhin nicht mit einer für die Verurteilung der Beklagten erforderlichen Sicherheit feststellen, dass der Kläger außer Stande wäre, die Anforderungen seines bisherigen Berufs des Fernmeldetechnikers zu erfüllen. Die von den Gutachtern in qualitativer Hinsicht genannten Beschränkungen (auf leichte bis mittelschwere Tätigkeiten bei Vermeidung von Zeitdruck) lassen sich mit dem Anforderungsprofil des Berufes in Einklang bringen. Unter Ausklammerung der bei der Telekom zuletzt auf den Kläger einwirkenden Umstände konnte ein Tätigkeitsbereich herangezogen werden, wie ihn der Kläger mit dem Schreiben vom 10. April 2001 an seinen Prozessbevollmächtigten im Einzelnen dargelegt hat (zuletzt Computerinstandsetzung, Installation von Software usw.). Die diesbezügliche Beweiswürdigung des SG, der bis dahin gehörten und der im Berufungsverfahren tätigen Gutachter ist für den Senat deshalb überzeugend, weil das Rentenbegehren allein durch die spezifische Arbeitsplatzproblematik ausgelöst worden ist, nicht jedoch durch ein Herabsinken der Leistungsfähigkeit des Klägers. Schwierigkeiten auf einem konkreten Arbeitsplatz führen aber nicht zur BU. Denn das Risiko der BU, gegen das die gesetzliche Rentenversicherung schützt, ist erst dann gegeben, wenn es überhaupt keine zumutbaren Arbeitsplätze mehr gibt, die der Versicherte ausfüllen könnte. Dabei schließt diese abstrakte Betrachtungsweise das gesamte Bundesgebiet ein.

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Im Berufungsverfahren hat der zuletzt gutachtlich gehörte Arzt für Neurologie und Psychiatrie P. deutlich herausgestellt, dass sich die Unfähigkeit des Klägers zu weiterer Erwerbsarbeit allein auf den letzten Arbeitsplatz, die Rationalisierungsmaßnahmen der Telekom und insbesondere die persönlichen Auseinandersetzungen mit dem Vorgesetzten beziehen. So hat der Sachverständige anamnestisch wiedergegeben, der Chef habe dem Kläger vorgeworfen, er schaffe nicht genug. Noch am letzten Tag vor der Arbeitsunfähigkeit von Februar bis November 1998 habe der Vorgesetzte eine Reparaturarbeit gefordert und ihn, den Kläger, unter Druck gesetzt. 0bwohl der Kläger einen Arzttermin mit seiner Mutter habe wahrnehmen müssen, habe der Vorgesetzte ihn "zur Schnecke gemacht", woraufhin innere Unruhe und Herzrhythmusstörungen aufgetreten seien. Der Vorgutachter T. hat ausgeführt, der Kläger habe "das Mobbing durch die Vorgesetzten" nicht mehr ertragen können. Die Schwierigkeiten des Klägers hätten sich während der letzten drei Jahre der Tätigkeit bei der Post/Telekom entwickelt. Der Kläger sei dort stark unter Druck gesetzt worden. Der Vorgesetzte habe erklärt, der Kläger installiere zu wenige PCs. Weitere Unterstützung findet die Annahme einer lediglich auf die Bedingungen am letzten Arbeitsplatz bezogenen Leistungsunfähigkeit in den Bemerkungen des MDK im Juli und August 1998, wonach bei einem inzwischen abklingenden Überlastungssyndrom eine schlichte Arbeitsplatzproblematik vorliege. Zum Hintergrund des Rentenbegehrens führte der MDK damals aus, der Kläger habe über das Fernsehen erfahren, Versicherte in einer vergleichbaren Situation seien "wegen Mobbing am Arbeitsplatz" berentet worden.

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Abgesehen von der Persönlichkeitsstörung haben die Gutachter auch im Berufungsverfahren den vegetativen Tremor, von Dr. Q. zuletzt als "Zittern in den Händen" bezeichnet, ausreichend in die Gesamtwürdigung einbezogen. Sie haben daraus keine wesentliche und etwa PC-Arbeit ausschließende Leistungseinschränkung herleiten können. Gleiches gilt für die zuletzt von Prof. Dr. Wagener/Dr. Hein genannte "aktivierte Polyarthrose im Bereich der Finger". Diese Ärzte zeigten einen Behandlungsweg auf und bezeichneten die Prognose als "nicht ungünstig".

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Ungeachtet der vom Kläger bereits durchgeführten und durch den Diplom-Psychologen M. bestätigten Psychotherapieeinheiten ist auch weiterhin auf die von Dr. N. erwähnten weiteren Maßnahmen hinzuweisen, die Vorrang vor der Gewährung von Versichertenrente haben. Dr. N. hat sich dabei auf die Neigung des Klägers zur passiven Problembewältigung bezogen und als vorrangiges Mittel genannt, an Treffen von Selbsthilfegruppen teilzunehmen, mit körperlichem Training zu beginnen und parallel zur Wiederaufnahme einer Erwerbsarbeit (weitere) stützende Psychotherapie in Anspruch zu nehmen. Darüber hinaus sei dem Kläger anzuraten, in einer Gruppe Entspannungsübungen zu erlernen.

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Da der Kläger nach alledem schon nicht als bu anzusehen war, kam erst recht nicht in Betracht, ihm Rente wegen EU zuzusprechen.

24

Nach der bezüglich des Zeitraumes ab dem 1. Januar 2001 anzuwendenden Neufassung des SGB VI hat der Kläger erst recht keinen Anspruch. Denn für die Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung bei BU, §§ 43, 240 SGB VI nF, müsste das zeitliche Leistungsvermögen sogar auf weniger als sechs Stunden pro Tag herabgesunken sein. Dafür ergeben sich - wie bereits zu dem bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Recht dargelegt - nach den angestellten medizinischen Erhebungen keine Anhaltspunkte.

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Der Senat hatte keine Veranlassung, dem Antrag des Klägers vom 22. Mai 2003 zu folgen und den Sachverhalt auf medizinischem Gebiet deshalb weiter aufzuklären, weil eine chronische Quecksilber Intoxikation nachgewiesen sei, die wiederum die vielfachen Krankheitsbilder verursache. Dafür waren zwei Gründe maßgebend. Zum einen wurde keine neue rentenrelevante Diagnose mitgeteilt. Der in Bezug genommenen und dem Antrag beigefügten ärztlichen Stellungnahme des Dr. Q. vom 19. Mai 2003 ließ sich keine Gesundheitsstörung entnehmen, die nicht schon Gegenstand der mehrfachen gutachterlichen Untersuchungen und Bewertungen gewesen wäre. Soweit Dr. Q. von einem progredienten Verlauf sprach, konnte dieser zu Gunsten des Klägers unterstellt werden. Dieser Verlauf ist nämlich bereits in die beigezogenen Berichte und eingeholten Gutachten eingeflossen. Es konnte jedenfalls nicht von einer derartigen Schnelligkeit der Entwicklung ausgegangen werden, dass schon zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung die medizinischen Äußerungen keine Beweiskraft mehr hätten. Abgesehen davon wird die mitgeteilte Progredienz durch Dr. Q. selbst in Frage gestellt. Denn dieser hat noch in dem von Amts wegen eingeholten Befundbericht vom 21. März 2003 dargelegt, im Verlaufe der letzten drei Monate (Untersuchungszeit 16. Januar bis 18. März 2003) sei keine Änderung eingetreten. Dem Antrag vom 22. Mai 2003 war zum Zweiten auch deshalb nicht nachzukommen, weil sich die Stellungnahme des Dr. Q. weniger mit einer - allein renten-relevanten - sozialmedizinischen Leistungseinschätzung beschäftigt als vielmehr mit der Frage der Ursächlichkeit der Krankheitserscheinungen des Klägers. Dieser Aspekt kann zwar den zu einer Erwerbsminderung führenden Krankheitsverlauf plausibel machen, für die letztlich allein maßgebende Feststellung der Erwerbsminderung spielt er jedoch keine Rolle.

26

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

27

Es hat kein gesetzlicher Grund vorgelegen, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG).