Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 26.06.2003, Az.: L 16 KR 19/00
Anspruch auf Erstattung der Kosten für den Austausch der bisherigen palladiumhaltigen Zahnersatzes gegen Cerekteilkronen bzw. Einlagefüllungen; Kostenerstattung durch die Krankenkasse bei nicht rechtzeitiger Erbringung einer unaufschiebbare Leistung ; Leistungen der Krankenbehandlung als Sach- und Dienstleistungen ; Kostenerstattungsanspruch als Surrogat des an sich gegebenen Sachleistungsanspruchs; Vorliegen zuverlässiger, wissenschaftlich nachprüfbarer Aussagen über die Qualität und Wirksamkeit einer Behandlung zur Bejahung der Zweckmäßigkeit; Aussagen zur Schädlichkeit von Amalgam
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 26.06.2003
- Aktenzeichen
- L 16 KR 19/00
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 20018
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2003:0626.L16KR19.00.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Bremen - 18.07.2000 - AZ: S 16 KR 109/95
Rechtsgrundlagen
- § 13 Abs. 3 SGB V
- § 2 Abs. 1 SGB V
- § 11 Abs. 1 Nr. 4 SGB V
- § 2 Abs. 2 SGB V
- § 27 Abs. 1 Nr. 2 SGB V
- § 28 Abs. 2 S. 1 SGB V
- § 30 Abs. 1 SGB V
- § 30 Abs. 2 SGB V
- § 135 Abs. 1 SGB V
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Es besteht eine Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung auch in den Fällen, in denen die Versorgung von aus zahnmedizinischer Sicht nicht behandlungsbedürftigen Zähnen der Behebung einer anderen, allgemeinmedizinischen Erkrankung dient.
- 2.
Für die Frage der Zweckmäßigkeit einer Behandlung, wie den Austausch eines palladiumhaltigen Zahnersatzes (einschließlich der Entfernung darunter befindlicher Amalgamreste) gegen Cerekteilkronen bzw. Einlagefüllungen, reicht es nicht mehr aus, dass ihr Erfolg nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft möglich ist. Vielmehr setzt der Begriff der Zweckmäßigkeit nunmehr das Vorliegen zuverlässiger, wissenschaftlich nachprüfbarer Aussagen über die Qualität und Wirksamkeit einer Behandlung voraus.
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Bremen vom 18. Juli 2000 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist nunmehr streitig, ob die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin die Kosten für eine zahnärztliche Versorgung mit Cerekteilkronen bzw. Einlagefüllungen zu erstatten.
Die im Juli 1936 geborene Klägerin legte der Beklagten mit Schreiben vom 16. Februar 1995 einen Heil- und Kostenplan ihrer behandelnden Zahnärzte Dres. I./J. vom 24. Januar 1995 vor, der die Versorgung von insgesamt 6 Backenzähnen mit Cerekteilkronen vorsah. Sie bat um Übernahme der Gesamtkosten dieser Zahnbehandlung. Zur Begründung wies sie darauf hin, sie sei seit längerer Zeit an einer Hyperprolaktinämie (pathologisch erhöhte Konzentrationen des Hormons Prolaktin im Serum) erkrankt. Nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen sei diese durch die bei ihr eingebrachten Zahnmetalle verursacht, die deshalb entfernt und durch Keramik ersetzt werden müssten. Beigefügt war eine Bescheinigung ihres Frauenarztes Dr. K. vom 6. Februar 1995, in der dieser ausführte, es bestehe die Möglichkeit, dass die Hyperprolaktinämie der Klägerin mit einer Amalgambelastung durch ihre Zähne zusammenhänge. Er befürworte deswegen eine Gebisssanierung. Weiterhin lag dem Antrag das Attest der HNO-Ärztin Dr. L. vom 27. Januar 1995 bei, in dem diese über das rezidivierende Auftreten von Nasenpolypen bei der Klägerin und eine Abnahme des Riechvermögens berichtete.
Mit Schreiben vom 20. März 1995 teilte die Beklagte der Klägerin mit, die Versorgung der Zähne mit Materialien, die nicht Gegenstand der vertragszahnärztlichen Behandlung seien, komme dann in Betracht, wenn sich feststellen ließe, dass sie an einer Allergie gegen die herkömmlichen Zahnfüllungen leide. Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) benötige für die anzustellende Überprüfung ärztliche Unterlagen, die die Notwendigkeit des Entfernens der Amalgamfüllungen und den Ersatz durch Zahnersatz rechtfertige. Zu diesem Zweck könne der behandelnde Hautarzt einen Blut- oder Urintest durchführen.
Die Klägerin legte daraufhin zwei Befundberichte der Laborärzte Prof. Dr. M./ Dr. N./Dr. O. vom 24. und 31. Mai 1995 sowie ein Attest des Hautarztes Dr. P. vom 10. Juni 1995 vor. Letzterer führte aus, sowohl der Blut- als auch der Urinwert für Quecksilber hätten im Normbereich gelegen. Der Epikutantest mit Metallen und Zahnprothesenstoffen, darunter Amalgam und Legierungsmetalle, sei ohne Befund gewesen. Mit den zur Verfügung stehenden Testmethoden seien daher keine Allergien bzw. erhöhte Quecksilberbelastungen feststellbar. Mit dem Epikutantest ließen sich allerdings nur Kontaktallergien, nicht jedoch Belastungen des Organismus feststellen. Dieser Test stelle insoweit ein unzureichendes Instrument zum Nachweis einer möglichen Intoxikation durch Schwermetalle dar. In seiner hierzu eingeholten Stellungnahme vom 3. Juli 1995 führte der MDK aus, es ergebe sich keine medizinische Notwendigkeit für Keramikfüllungen.
Sodann lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 20. Juli 1995 eine Kostenbeteiligung an der im Heil- und Kostenplan vom 24. Januar 1995 vorgesehenen Behandlung ab. Zur Begründung bezog sie sich auf die Stellungnahme des MDK.
Den hiergegen von der Klägerin am 31. Juli 1995 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 5. September 1995 zurück. Bei der geplanten prothetischen Versorgung sollten die Goldgusskronen der Klägerin gegen Cerekteilkronen ausgetauscht werden. Letztere stellten gemäß den Zahnarztrichtlinien des Bundesausschusses der Zahnärzte und Krankenkassen nicht die Regelversorgung bei vertrags-zahnärztlicher Behandlung dar. Die am Wirtschaftlichkeitsgebot ausgerichteten vertraglichen Bestimmungen sähen als Material für Kronen Palladium-Basis- oder Nichtedelmetall Legierungen vor. Eine Versorgung z.B. mit Keramik komme nur in Betracht, wenn Versicherte an einer Allergie gegen die vorgenannten Materialien litten. Nach Auffassung ihrer ärztlichen Berater ergäbe sich aus den von der Klägerin eingereichten medizinischen Unterlagen keine medizinische Notwendigkeit für den Austausch der Goldgusskronen.
Mit ihrer am 4. Oktober 1995 erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, sie habe über ca. 30 Jahre hinweg 6 Amalgamfüllungen im Mund gehabt, welche dann im Jahre 1992 bzw. im April 1993 entfernt worden seien. Schon vor dieser Sanierung habe sie an diversen Gesundheitsbeeinträchtigungen gelitten, die sich dann nach der Sanierung kurzfristig gebessert hätten, in der Folgezeit aber sehr viel schlimmer geworden seien. Die drei Füllungen im Oberkiefer seien gegen hochgoldhaltigen Zahnersatz, die drei Füllungen im Unterkiefer leider gegen Zahnersatz mit ca. 20 % Palladiumgehalt ausgetauscht worden. Bei der Behandlung einer Krone im Unterkiefer habe sich herausgestellt, dass der behandelnde Zahnarzt unter dem neuen Zahnersatz noch Amalgam belassen habe. Es sei zu befürchten, dass unter den anderen Kronen ebenfalls noch Amalgam vorhanden sei. Nach dem Einsetzen des palladiumhaltigen Zahnersatzes sei es bei ihr zu einer starken Gewichtszunahme, zu starken Hormonstörungen, zu einer Schädigung des Geruchssinnes, einer starken Beeinträchtigung der Geschmacksnerven, einer ständigen starken Müdigkeit sowie einem nicht therapierbaren Bluthochdruck gekommen. Zu Unrecht gehe die Beklagte davon aus, dass eine ausreichende medizinische Versorgung gewährleistet sei, wenn Legierungen ohne Edelmetalle (insbesondere Nickel-, Chrom-, Molybdän- und Palladium-Legierungen) verwendet würden. Diese Nichtedelmetalle seien als starke Allergieauslöser bekannt und ihre Eingliederung stelle eine bewusste Inkaufnahme weiterer Gesundheitsschädigungen dar. Ergänzend verweist sie auf ein Gutachten des Arztes Dr. Q. vom 30. Juni 1998, das nach ihren Angaben in einem Parallelverfahren eingeholt wurde. Des Weiteren hat die Klägerin darauf hingewiesen, dass sie die begehrte Zahnsanierung zwischen Januar 1996 und Oktober 1997 habe durchführen lassen.
Demgegenüber hat die Beklagte ihre Entscheidung verteidigt. Ergänzend hat sie sich auf ein MDK-Gutachten der Ärztin für Anästhesie - Sozialmedizin - Frau Dr. R. vom 22. Februar 1999 bezogen.
Das Sozialgericht (SG) Bremen hat auf Antrag der Klägerin nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens des Dr. med. S. - Privates Institut für Naturheilverfahren e.V. - vom 20. Juli 1997 mit ergänzender Stellungnahme vom 4. Oktober 1998. Hinsichtlich der Ergebnisse der Beweisaufnahme wird auf Bl. 52 ff., 102 ff. der Gerichtsakte verwiesen.
Mit Urteil vom 18. Juli 2000 hat das SG Bremen die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es u.a. ausgeführt, nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), der es sich anschließe, habe die Klägerin keinen Anspruch darauf, auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung intakte Amalgamfüllungen gegen einen anderen Füllstoff oder - wie hier - gegen Cerekteilkronen austauschen zu lassen, wenn nicht mehr als eine lediglich hypothetische Möglichkeit bestehe, dass sich dadurch die - auf Grund ungesicherter Annahmen - auf das Amalgam zurückgeführten Krankheitsbeschwerden besserten. Auch dann, wenn die Entfernung von Amalgamfüllungen medizinisch notwendig sei, könne ein Versicherter für einen dadurch erforderlich werdenden Zahnersatz nicht von dem im Gesetz vorgesehenen Eigenanteil befreit werden. Nach Auffassung des BSG gebe es keine ausreichenden wissenschaftlichen Belege dafür, dass das aus Amalgamfüllungen umstritten freigesetzte Quecksilber geeignet sei, im konkreten Fall gesundheitliche Beeinträchtigungen herbeizuführen. Die gegensätzlichen Standpunkte der sich hiermit beschäftigenden Wissenschaftler erlaubten es weder, einen Zusammenhang zwischen Amalgamfüllungen und Krankheitsbeschwerden auszuschließen, noch einen derartigen Zusammenhang auf Grund von Beobachtungen in einer statistisch relevanten Zahl von Fällen zu belegen. Dass Amalgam Beschwerden in der behaupteten Art verursachen könnte, sei danach nicht mehr als eine ungesicherte Annahme.
Gegen das ihr am 19. September 2000 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 27. September 2000 Berufung eingelegt. Sie trägt vor, das SG habe verkannt, dass es in ihrem Fall um den Austausch von palladiumhaltigen Goldinlays gegen Cerekteilkronen gehe. Sämtliche Ausführungen zum Austausch von Amalgamfüllungen im Tatbestand und in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils seien vollkommen irrelevant. Auch sei das SG nicht auf das Gutachten des Dr. S. vom 20. Juli 1997 eingegangen. Hierin sei darauf hingewiesen worden, dass unter den Palladium-Iridium-Goldkronen Amalgam implantiert gewesen sei, was er als kunstfehlerhaft eingeordnet habe. Des Weiteren habe er auf ihre Palladium-Unverträglichkeit hingewiesen. Mit seinen Ausführungen allein zur Notwendigkeit und Erstattungsfähigkeit von Amalgamsanierungen habe das SG an der hier maßgeblichen Problematik vorbeientschieden.
Die Klägerin beantragt nach ihrem schriftlichen Vorbringen,
- 1.
das Urteil des Sozialgerichts Bremen vom 18. Juli 2000 sowie den Bescheid der Beklagten vom 20. Juli 1995 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 5. September 1995 aufzuheben,
- 2.
die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin die Kosten für die Neuversorgung mit Cerekteilkronen und Einlagefüllungen in Höhe DM 6.056,92 (EUR 3.096,85) zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Ergänzend führt sie aus, obwohl das SG auf die Amalgamproblematik beispielhaft eingegangen sei, gälten diese Aussagen gleichermaßen für Unverträglichkeiten gegenüber Nichtedelmetallen, insbesondere Nickel-, Chrom-, Molybdän- und Palladium-Legierungen, die ebenfalls nachzuweisen seien. Eine Kostenübernahme des Austauschs der palladiumhaltigen Goldinlays gegen Cerekteilkronen sei deshalb ebenso ausgeschlossen, als wenn es sich um einen Austausch von Amalgamfüllungen gehandelt hätte.
Dem Senat haben außer der Prozessakte die die Klägerin betreffenden Verwaltungsunterlagen der Beklagten vorgelegen. Alle Akten sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Sachvortrags der Beteiligten wird auf den Inhalt der Prozess- und Beiakten ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die gemäß §§ 143 f des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig. Das Rechtsmittel hat indessen keinen Erfolg.
Das SG hat im Ergebnis zutreffend entschieden, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für den Austausch ihres bisherigen palladiumhaltigen Zahnersatzes gegen Cerekteilkronen bzw. Einlagefüllungen hat.
Gemäß § 13 Abs. 3 des Sozialgesetzbuches Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) hat die Krankenkasse, wenn sie eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat, dem Versicherten die für ihre Beschaffung aufgewendeten Kosten zu erstatten.
Die Voraussetzungen des geltend gemachten Erstattungsanspruchs liegen hier nicht vor. Nach § 2 Abs. 1, 2 i.V.m. § 11 Abs. 1 Nr. 4 SGB V stellen die Krankenkassen den Versicherten unter anderem Leistungen der Krankenbehandlung als Sach- und Dienstleistungen zur Verfügung. Der in § 13 Abs. 3 SGB V geregelte Kostenerstattungsanspruch tritt an die Stelle des an sich gegebenen Sachleistungsanspruchs, sofern die Kasse diesen infolge eines Versagens des Beschaffungssystems nicht erfüllt hat.
Ein solches Versagen ist hier nicht anzunehmen. Die Beklagte hat den von der Klägerin begehrten Austausch des im Bereich der Zähne 17, 16, 26, 47, 46 und 36 eingegliederten palladiumhaltigen Zahnersatzes gegen Cerekteilkronen bzw. Einlagefüllungen nicht zu Unrecht abgelehnt.
Rechtsgrundlage für den von der Klägerin ursprünglich geltend gemachten Sachleistungsanspruch ist § 27 Abs. 1 Nr. 2 SGB V. Danach haben Versicherte einen Anspruch auf Krankenbehandlung unter anderem in der Form der zahnärztlichen Behandlung einschließlich der Versorgung mit Zahnersatz. Nach § 28 Abs. 2 Satz 1 SGB V umfasst die zahnärztliche Behandlung die Tätigkeit des Zahnarztes, die zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten nach den Regeln der zahnärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig ist. Ergänzend ergibt sich für den Zahnersatz aus § 30 Abs. 1, 2 SGB V, dass der Anspruch auf einen Zuschuss von 50 v. H. oder 60 v. H. der Kosten einer notwendigen Versorgung begrenzt ist.
Zwar scheitert der Anspruch der Klägerin nicht schon daran, dass bei ihr keine Zahn-, Mund- oder Kieferkrankheit im eigentlichen Sinne besteht. So hat sie ihren Antrag auf Neuversorgung insbesondere mit einer starken Gewichtszunahme, starken Hormonstörungen, Schädigungen des Geruchs- und des Geschmackssinnes, einer ständigen Müdigkeit und einem nicht therapierbaren Bluthochdruck begründet, die sie als Folge der früheren jahrzehntelangen Versorgung mit Amalgamfüllungen im Bereich der Zähne 17, 16, 26, 47, 46 und 36 und deren anschließende Ersetzung durch palladiumhaltigen Zahnersatz ansieht, wobei nach ihren Angaben hierbei das Amalgam nicht vollständig entfernt worden ist. Nach der Rechtsprechung des BSG besteht eine Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung auch in den Fällen, in denen die Versorgung von aus zahnmedizinischer Sicht nicht behandlungsbedürftigen Zähnen der Behebung einer anderen, allgemeinmedizinischen Erkrankung dient (vgl. BSG SozR 3 - 2500 § 28 Nr. 4, Seite 17/18 sowie SozR 3 - 2500 § 30 Nr. 3, Seite 8).
Allerdings scheitert das Kostenerstattungsbegehren der Klägerin daran, dass sich die nach § 28 Abs. 2 Satz 1 SGB V erforderliche Zweckmäßigkeit der Behandlung, hier des Austausches des palladiumhaltigen Zahnersatzes gegen Cerekteilkronen bzw. Einlagefüllungen nicht nachweisen lässt. Für diese Feststellung des Senats ist nicht entscheidend, ob die von der Klägerin zur Begründung der Erforderlichkeit ihrer Zahnbehandlung angegebenen Leiden sämtlich tatsächlich vorliegen. Hinreichend belegt sind lediglich die Neigung zur wiederkehrenden Neubildung von Nasenpolypen, die Abnahme des Riechvermögens sowie die Hyperprolaktinämie, bei der es sich um eine Hormonstörung handelt (vgl. die Atteste der Ärztin für HNO-Heilkunde Fr. Dr. L. vom 27. Januar 1995 und des Frauenarztes Dr. K. vom 6. Februar 1995). Die Zweckmäßigkeit der von der Klägerin beantragten und durchgeführten zahnärztlichen Behandlung ist schon deswegen nicht nachgewiesen, weil sich nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit feststellen lässt, dass die bei ihr festgestellten oder jedenfalls von ihr geltend gemachten Leiden auf eine Unverträglichkeit gegen die bei ihr anlässlich einer vorangegangenen Zahnersatzbehandlung eingegliederten palladiumhaltigen Kronen oder gegen die hierunter verbliebenen Reste nicht vollständig entfernter Amalgamfüllungen zurückzuführen sind.
Der von dem Hautarzt Dr. P. mit Metallen und Zahnprothesenstoffen, darunter Amalgam und Legierungsmetallen, durchgeführte Epikutantest ist ohne Befund geblieben. Eine Allergie gegen die verwendeten Nichtedelmetalllegierung bzw. das im Amalgam enthaltene Quecksilber war demgemäß nicht feststellbar (vgl. das Attest des Dr. P. vom 10. Juni 1995). Des Weiteren lässt sich auch nicht nachweisen, dass es zu sonstigen möglicherweise krank machenden Belastungen des Organismus der Klägerin durch die genannten Stoffe gekommen ist. Die von den Laborärzten Prof. Dr. M./Dr. N./Dr. O. durchgeführten Untersuchungen von Blut und Urin der Klägerin auf Quecksilber sind nach den glaubhaften Aussagen des Dr. P. unauffällig gewesen. Dies hat auch die MDK-Ärztin Frau Dr. R. in ihrem Gutachten vom 22. Februar 1999 bestätigt. Zwar steht dieser Bewertung die Auffassung des gerichtlichen Sachverständigen Dr. S. in seinem für das SG erstatteten Gutachten vom 20. Juli 1997 entgegen. Seine Ausführungen, bei der Klägerin bestehe eine erhebliche Amalgamrestbelastung am Allergiesystem, Lymphsystem, Nerven- und Hormonsystem sowie an den Gelenkknorpeln mit der Folge einer Nasennebenhöhlenbelastung mit Streptokokken-Toxinen sowie eine Metallunverträglichkeit gegen Silber, Palladium, Indium, Nickel und Kronen-Legierungsmetall ORO 41, wobei das Ausmaß dieser Belastungen durch das Aufeinanderliegen der verschiedenen Metalle in den betroffenen Zähnen verstärkt werde, können indessen nicht der gerichtlichen Beurteilung zu Grunde gelegt werden. Nach den eigenen Ausführungen des genannten Sachverständigen beruhen die Untersuchungsergebnisse insbesondere auf einer Untersuchung der Klägerin mittels der Elektroakupunktur nach VOLL (EAV). Zutreffend hat die von der Beklagten gehörte MDK-Ärztin Frau Dr. R. in ihrem Gutachten vom 24. Februar 1999 auf die fehlende wissenschaftliche Anerkennung dieser Diagnostik- und Therapiemethode hingewiesen. Dies ergibt sich auch aus der Tatsache, dass die EAV in der Anlage 2 der neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden betreffenden NUB-Richtlinie bzw. nunmehr seit dem Jahre 2000 in der Anlage B der Richtlinien über die Bewertung ärztlicher Untersuchungs- und Behandlungsmethoden gemäß § 135 Abs. 1 SGB V (BUB-Richtlinien) als Methode aufgeführt war bzw. ist, die nicht als vertragsärztliche Leistungen zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden darf. Zwar geht es in diesem Verfahren nicht darum, ob die Beklagte für die Kosten der im Rahmen der Gutachtenerstattung zur Anwendung gekommenen Therapie- und Behandlungsmethode aufzukommen hat. Gleichwohl hat ihre Aufnahme in die o. a. Anlagen der einschlägigen Richtlinien für dieses Verfahren insoweit Bedeutung, als sich hieraus ergibt, dass dem Gutachten des Dr. S. kein entscheidender Beweiswert beigemessen werden kann. Auch der Senat kann seine Überzeugung, soweit es um Tatsachenfeststellungen zu medizinischen Fragen geht, nur auf solche Diagnoseverfahren stützen, die in der medizinischen Wissenschaft allgemein anerkannt sind. Soweit der Sachverständige in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 4. Oktober 1998 ausgeführt hat, die Auffassung des Bundes-Ausschusses der Ärzte und Krankenkassen zur EAV beruhe auf einer völlig veralteten Datenlage, vermag ihm der Senat nicht zu folgen. Den Anmerkungen zur Anlage B der BUB-Richtlinien ist zu entnehmen, dass der letzte Beschluss des Bundesausschusses zur EAV erst am 10. Dezember 1999, also zu einem noch nicht weit in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt, ergangen ist.
Einer weiteren Sachverhaltsaufklärung bedarf es in diesem Verfahren nicht. Soweit der Sachverständige Dr. S. zu der von ihm bei der Klägerin angenommenen Amalgamvergiftung ausgeführt hat, die einzige Möglichkeit zur Erlangung eines chemischen Nachweises wäre die Durchführung des so genannten DMPS-Testes, braucht sich der Senat nicht veranlasst zu sehen, im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG) eine entsprechende Testung durchführen zu lassen. Beim DMPS-Test werden mit Hilfe so genannter Chelatbildner (vgl. hierzu Pschyrembel: Klinisches Wörterbuch, 259. Auflage 2002, Seite 276) im Körper eines Menschen angereicherte Schwermetalle aktiviert und ausgeschieden. Es handelt sich hierbei um eine Methode der Schwermetallentgiftung. Abgesehen davon, dass es der Klägerin eigenen Angaben zufolge nach den in den Jahren 1996/97 durchgeführten Sanierungen des Gebisses deutlich besser geht, was die nachträgliche Durchführung einer entsprechenden Testuntersuchung schon deswegen als problematisch erscheinen lässt, könnte die evtl. Feststellung einer Schwermetallbelastung ohnehin nicht den geltend gemachten Kostenerstattungsanspruch begründen. Wie das BSG in dem bereits zitierten Urteil vom 6. Oktober 1999 - B 1 KR 13/97 R - (SozR 3 - 2500 § 28 Nr. 4) im Einzelnen ausgeführt hat, reicht es seit In-Kraft-Treten des SGB V am 1. Januar 1989 für die Frage der Zweckmäßigkeit einer Behandlung - im vorliegenden Fall den Austausch des palladiumhaltigen Zahnersatzes (einschließlich der Entfernung darunter befindlicher Amalgamreste) gegen Cerekteilkronen bzw. Einlagefüllungen - nicht mehr aus, dass ihr Erfolg nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft möglich ist. Vielmehr setzt der Begriff der Zweckmäßigkeit nunmehr das Vorliegen zuverlässiger, wissenschaftlich nachprüfbarer Aussagen über die Qualität und Wirksamkeit einer Behandlung voraus. Derartige generelle Aussagen zur Schädlichkeit von Amalgam lassen sich nach dem derzeitigen Kenntnisstand nicht treffen. Die Frage, in welchem Umfang das von Amalgamfüllungen freigesetzte Quecksilber vom Körper aufgenommen wird und wie es auf den Organismus wirkt, ist in der medizinischen Wissenschaft bisher umstritten. Darüber hinaus konnte bisher keine Einigkeit darüber hergestellt werden, von welchen Grenzwerten an die tägliche Aufnahme von Quecksilber als schädlich angesehen werden muss. So lange aber über die gesundheitliche Gefährdung durch Amalgam in der medizinischen Wissenschaft noch keine weit gehende Einigung erzielt worden ist, ist es nicht Aufgabe der Gerichte, durch die Auswahl von Sachverständigen oder die juristische Bewertung naturwissenschaftlicher Lehrmeinungen für die eine oder andere Position Partei zu ergreifen (vgl. BSG a.a.O., Seite 19/20 und 22 - 24).
Schließlich ergibt sich der von der Klägerin geltend gemachte Erstattungsanspruch auch nicht aus der Aussage des Sachverständigen Dr. S., der Austausch des Zahnersatzes rechtfertige sich auch durch die aus dem Aufeinanderliegen der Palladium-Iridium-Goldkronen und der Amalgamreste verursachten starken Batteriewirkung. Beschwerden, die auf den Auswirkungen der von Dr. S. angenommenen Stromquellen beruhen könnten, hat die Klägerin nicht angegeben. Dieser Gesichtspunkt hat somit bei dem Wunsch der Klägerin nach einem neuen Zahnersatz überhaupt keine Rolle gespielt.
Nach alledem kann die Berufung der Klägerin keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Es hat kein Anlass bestanden, die Revision zuzulassen.