Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 16.06.2003, Az.: L 6 U 152/03 ER

Anspruch auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung eines noch nicht vollzogenen und nicht bestandskräftigen Beitragsbescheides sowie auf Rückabwicklung bereits vollzogener Beitragsbescheide im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes; Beitragspflicht zur landwirtschaftlichen Unfallversicherung eines landwirschaftlichen Unternehmers nach Austritt aus der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft und Erklärung der gesamten landwirtschaftlich genutzten Fläche "zu Ödland"

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
16.06.2003
Aktenzeichen
L 6 U 152/03 ER
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2003, 20172
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2003:0616.L6U152.03ER.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Osnabrück - 25.04.2003 - AZ: S 8 U 327/02 ER

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Osnabrück vom 25. April 2003 wird zurückgewiesen. Der Beschwerdeführer trägt die Kosten des Rechtsstreits. Der Streitwert des Beschwerdeführers wird auf 1.937,00 EUR festgesetzt.

Gründe

1

I.

Der Antragsteller wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Forderung von Beiträgen zur landwirtschaftlichen Unfallversicherung, die sich aktuell auf 604,89 EUR belaufen (Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 23. Mai 2003). Der aktuellen Beitragsforderung liegt der nicht bestandskräftige Beitragsbescheid vom 21. März 2003 zu Grunde, der Gegenstand des vor dem SG Osnabrück unter dem Aktenzeichen S 8 U 209/98 geführten Rechtsstreits ist. Außerdem begehrt er im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Rückforderung bereits entrichteter Beiträge zur landwirtschaftlichen Unfallversicherung.

2

Der Kläger ist als landwirtschaftlicher Unternehmer Mitglied der Antragsgegnerin und bewirtschaftet eine landwirtschaftliche Fläche von 71,67 ha. Nachdem er die gesamte landwirtschaftlich genutzte Fläche "zu Ödland" und seinen Austritt aus der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft erklärt hatte (Schreiben vom 31. Dezember 1996), veranlasste die Antragsgegnerin eine - am 26. November 1997 von ihrem Bezirksrevisor B. (Technischer Aufsichtsdienst) durchgeführte - Betriebsführung. Diese ergab die Richtigkeit der den Beitragsbescheiden zu Grunde gelegten Flächengröße und der Formen der Flächennutzung.

3

Der Antragsteller wandte sich bereits wiederholt und erfolglos - auch im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes - gegen die bescheidmäßig festgestellten Beitragsforderungen der Beklagten. Insoweit wird auf die Beschlüsse des Landessozialgerichts - LSG - Niedersachsen vom 16. Februar 1999 - L 6 U 22/99 ER - und vom 22. Oktober 2001 - L 9 U 342/01 ER - Bezug genommen.

4

Mit dem am 19. November 2002 beim Sozialgericht - SG - Osnabrück eingegangenen Schreiben vom 17. November 2002 hat der Antragsteller "gegen die Forderung der Berufsgenossenschaft einstweiligen und definitiven Rechtsschutz" begehrt. Er hat wiederum vorgetragen, er verfüge seit dem 1. August 1976 weder über landwirtschaftliche Nutzflächen noch über Nutztiere. Er fordere die Antragsgegnerin demgemäß auf, die seitdem geleisteten Beiträge zurückzuzahlen. Darüber hinaus sei die vereinbarte Ratenzahlung nunmehr hinfällig.

5

Demgegenüber hat die Antragsgegnerin darauf hingewiesen, die Ratenzahlungsvereinbarung sei wegen Verzuges erloschen (Schriftsatz vom 15. November 2002).

6

Das SG hat den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes mit Beschluss vom 25. April 2003 zurückgewiesen: Der Antragsteller begehre zum wiederholten Male im Wege einstweiligen Rechtsschutzes die vorläufige Einstellung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen der Antragsgegnerin. Einen entsprechenden Antrag habe die Kammer bereits mehrfach im Beschlusswege zurückgewiesen; der Beschluss vom 8. August 2001 - S 8 U 178/01 ER - sei mit Beschluss des LSG Niedersachsen vom 22. Oktober 2001 - L 9 U 342/01 ER - bestätigt worden. Im jetzigen Antragsverfahren trage der Antragsteller keine neuen Gesichtspunkte vor, sodass auf die Gründe des zuvor genannten Beschlusses verwiesen werde.

7

Gegen diesen ihm am 29. April 2003 zugestellten Beschluss hat der Kläger am 13. Mai 2003 Beschwerde eingelegt. Er macht geltend, es könne einfach nicht sein, dass er auf einen erheblichen Betrag seines Einkommens verzichten müsse. Einen größeren Solidarbeitrag zur Finanzierung des Gemeinwesens als durch seinen Verzicht auf die "SAP-Gelder" bringe mit Sicherheit niemand in Deutschland auf. Er beantrage deshalb einstweiligen Rechtsschutz gegen die Zwangsvollstreckungsmaßnahmen der Berufsgenossenschaft und verlange die zwangsvollstreckten Beiträge für die Letzten 10 Jahre zurück.

8

Das SG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

9

II.

Die statthafte Beschwerde ist form- und fristgerecht eingelegt und damit zulässig. sie ist jedoch nicht begründet. Wie das SG bereits zutreffend unter Hinweis auf frühere Beschlüsse entschieden hat, sind die Voraussetzungen des einstweiligen Rechtsschutzes nicht gegeben.

10

Dem Vorbringen des Antragstellers ist zu entnehmen, dass er sich nicht gegen die Art und Weise von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen wendet, sondern die Beitragserhebung der Antragsgegnerin insgesamt für rechtswidrig hält. Demgemäß begehrt er im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des noch nicht vollzogenen und nicht bestandskräftigen Beitragsbescheides vom 10. März 2003 (§ 86 b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG - i.V.m. § 86 a Abs. 2 Nr. 1 SGG) sowie die "Rückabwicklung" bereits vollzogener Beitragsbescheide gemäß § 86 b Abs. 1 S. 2 SGG. Nach der zuletzt genannten Vorschrift kann das Gericht auf Antrag die Aufhebung der Vollziehung eines Verwaltungsaktes (und dessen Rückabwicklung) anordnen, wenn der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung bereits vollzogen ist.

11

Voraussetzung des einstweiligen Rechtsschutzes in den hier in Betracht zu ziehenden Konstellationen ist jedoch, dass sich auf Grund der gebotenen summarischen Prüfung ernste Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Beitragsbescheide der Beschwerdeführerin ergeben (vgl. § 86 Abs. 3 S. 2 SGG). Solche Zweifel sind nicht ersichtlich, insbesondere nicht auf Grund des wiederholten und von der Antragsgegnerin widerlegten Vorbringens des Antragstellers, er betreibe keine Landwirtschaft. Insoweit wird auf die Beschlüsse des LSG Niedersachsen vom 16. Februar 1999 - L 6 U 22/99 ER - und 22. Oktober 2001 - L 9 U 342/01 ER - Bezug genommen.

12

Der Streitwert für die Gerichtsgebühren ist im vorliegenden - seit 19. November 2002 rechtshängigen - Verfahren nach dem am 2. Januar 2002 in Kraft getretenen § 197a SGG i.V.m. § 13 Abs. 1 GKG von Amts wegen gerichtlich festzusetzen. Maßgebend für die Ermessensentscheidung des Gerichts ist die sich aus dem Antrag des Beschwerdeführers ergebende Bedeutung der Sache. Dies ist im vorliegenden Fall gleich bedeutend mit den zu schätzenden wirtschaftlichen Auswirkungen des Obsiegens (vgl. auch Bundessozialgericht - BSG - SozR 1930 § 8 Nr. 2). Dieses wirtschaftliche Interesse hat der Beschwerdeführer dahingehend konkretisiert, dass er sich gegen die Beitragserhebung für die Letzten 10 Jahre wendet und die bereits entrichteten Beiträge zurückfordert. Die Beiträge für die Letzten 10 Jahre (1993 - 2002) belaufen sich auf 7.750,06 EUR. Da es sich um ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes handelt, ist ein Abschlag auf ein Viertel dieses Betrages angemessen (vgl. auch BSG SozR 3-1500 § 193 Nr. 6 - S. 18 - ).

Streitwertbeschluss:

Der Streitwert des Beschwerdeführers wird auf 1.937,00 EUR festgesetzt.