Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 05.06.2003, Az.: L 6 U 230/00
Anspruch auf Verletztenrente infolge eines Arbeitsunfalls; Distorsion des rechten oberen Sprunggelenkes durch Umknicken des rechten Fußes auf dem Weg zur Dienststelle; Leiden an einem chronischen Schmerzsyndrom und Magenbeschwerden in der Folgezeit; Nachweis eines Kausalzusammenhangs zwischen schädigenden Ereignis, Primärschädigung und Folgeschäden
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 05.06.2003
- Aktenzeichen
- L 6 U 230/00
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 20995
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2003:0605.L6U230.00.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Hildesheim - 04.05.2000 - AZ: S 11 U 93/98
Rechtsgrundlagen
- § 581 Abs. 1 RVO
- § 548 RVO
Redaktioneller Leitsatz
Die hinreichende Wahrscheinlichkeit für einen Zusammenhang zwischen Schädigung und Arbeitsunfall setzt voraus, dass nach der geltenden ärztlich-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen Zusammenhang spricht und ernste Zweifel hinsichtlich einer anderen Verursachung ausscheiden. Beim vernünftigen Abwägen aller Umstände müssen die auf eine unfallbedingte Verursachung hinweisenden Faktoren so stark überwiegen, dass hierauf die Entscheidung gestützt werden kann. Nicht ausreichend ist die bloße Möglichkeit eines Zusammenhangs.
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 4. Mai 2000 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen. Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen. Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob bei der Klägerin als Folgen eines Arbeitsunfalls vom 20. Dezember 1984 ein chronisches Schmerzsyndrom sowie eine Magen- und Lebererkrankung nach Medikamenteneinnahme besteht und sie deshalb Anspruch auf Verletztenrente hat.
Die im Mai 1943 geborene Klägerin ist seit September 1976 als Verwaltungsangestellte im Technischen Hilfswerk beschäftigt. Am 20. Dezember 1984 knickte sie auf dem Weg zu ihrer Dienststelle in C. gegen 7.10 Uhr mit dem rechten Fuß um. Der gegen 18.20 Uhr aufgesuchte Durchgangsarzt PD Dr. D. fand eine leichte Schwellung und einen deutlichen Druckschmerz unterhalb des rechten Außenknöchels und lateral an der Fußwurzel sowie einen Bänderdehnungsschmerz bei Supination. Eine Bandinstabilität und knöcherne Verletzungen bestanden nicht. Er diagnostizierte eine Distorsion des rechten oberen Sprunggelenkes (Bericht vom 21. Dezember 1984). Am 25. Februar 1985 stellte sich die Klägerin erneut bei PD Dr. D. vor. Es bestand eine geringfügige Schwellung, aber weiterhin kein Anzeichen für eine Bandinstabilität oder eine knöcherne Verletzung. PD Dr. D. äußerte den Verdacht auf eine Kapselläsion. Wegen fortbestehender Schmerzen suchte die Klägerin am 9. April 1985 erneut PD Dr. D. auf. Das Sprunggelenk wies eine isolierte Schwellung, aber eine freie Beweglichkeit auf. Die Knochenszintigrafie vom 11. April 1985 ergab keinen pathologischen Befund. Nach Einschätzung des PD Dr. D. waren die Angaben der Klägerin zwar glaubhaft, die Genese der Beschwerden aber unklar. Er verordnete die Ruhigstellung mit Unterschenkelgehgips. PD. Dr. D. entließ die Klägerin am 12. Juni 1985 aus der ambulanten Behandlung, schätzte die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE ) für 6 Monate mit 10 v.H. ein und hielt eine dauerhafte MdE für un-wahrscheinlich. Die Klägerin war ab 18. Juni 1985 arbeitsfähig (Berichte vom 25. Februar 1985, 9. April 1985 und 5. Juni 1985, Stellungnahme vom 18. Juni 1985).
Am 3. März 1994 suchte die Klägerin Dr. E. wegen anhaltender Schmerzbeschwerden im Sprunggelenksbereich auf. PD Dr. D. fand am 16. März 1994 keine Schwellung, kein Ödem und eine freie Beweglichkeit im oberen und unteren Sprunggelenk. Die erneute Röntgenuntersuchung ergab keine nennenswerte Instabilität, auch eine MRT-Untersuchung zeigte regelrechte Verhältnisse. Ein pathologisches Substrat für die Beschwerden fand sich nicht (Bericht des PD Dr. D. vom 28. März 1994). Während der ambulanten Untersuchung am 7. Oktober 1994 durch Prof. Dr. F. (Gutachten vom 25. Dezember 1994) wies die Klägerin einen freien und flüssigen Barfußgang auf. Es fand sich kein Ödem, die Beweglichkeit des oberen und unteren Sprunggelenkes war frei, die Fußsohlen seiten-gleich beschwielt. Die Gutachter wiesen darauf hin, dass die wiederholten Untersuchungen keine Hinweise auf knöcherne oder ligamentäre Verletzungen ergeben hätten. Nach ihrer Einschätzung seien bei der Distorsion die in Gelenkkapsel und Bändern lokalisierten afferenten Nervenfasern, die eine geringere Reißfestigkeit als kollagene Fasern hätten, rupturiert. Dadurch sei der Muskeleigenreflex des Musculii peronaeii unterbrochen worden und es sei zu einer funktionellen Instabilität des rechten oberen Sprunggelenkes gekommen. Auch ohne eine mechanische Instabilität läge ein sog. Giving-way-Phänomen vor. Die MdE schätzten sie mit 10 v.H. ein. Daraufhin erkannte die Beklagte mit Bescheid vom 6. Februar 1995 als Unfallfolge eine funktionelle antero-laterale Bandinstabilität als Zustand nach Distorsion des rechten Sprunggelenkes an. Die Gewährung von Verletztenrente lehnte sie ab.
Im Widerspruchsverfahren machte die Klägerin geltend, dass die Vielzahl der Behandlungsmaßnahmen zu keiner Besserung ihrer Schmerzen geführt habe. Die wegen der anhaltenden Beschwerden am 6. Februar 1995 durchgeführte Arthroskopie ergab unauffällige Knorpelverhältnisse (Bericht vom 22. März 1995, histologischer Bericht vom 8. Februar 1995, OP-Bericht vom 6. Februar 1995. Eine neurologische und elektroneurographische Untersuchung ergab keine Hinweise für Nervenläsionen (Bericht des Nervenarztes Dr. G. vom 29. Juni 1995). Die Klägerin wurde zur Schmerzbehandlung an Prof. Dr. H., Technische Universität I., überstellt. Es fand sich nach Auswertung der Röntgenaufnahmen kein pathologischer Befund, eine Instabilität wurde verneint, die Beweglichkeit im oberen und unteren Sprunggelenk war nahezu normal (Bericht vom 18. September 1995). Danach unterzog sich die Klägerin acht schmerztherapeutischen Behandlungen bei dem Facharzt für Anästhesiologie J. (Bericht vom 9. September 1995). Vom 2. November 1995 bis 3. Juni 1996 stand die Klägerin in der schmerztherapeutischen Behandlung bei Prof. Dr. K., Städtisches Krankenhaus C ... Prof. Dr. L. kamen nach Auswertung der inzwischen beigezogenen medizinischen Unterlagen zu keiner geänderten Auffassung hinsichtlich der Höhe der MdE (Stellungnahme vom 10. September 1996).
Im Rahmen der ambulanten Untersuchung durch Prof. Dr. M. (Gutachten vom 6. Februar 1997) gab die Klägerin an, die Schmerzintensität habe nach der krankengymnastischen Behandlung nach Juli 1994 zugenommen. Nach ihrem Wechsel des Arbeitsplatzes von Hildesheim nach Hannover im Juli 1996 leide sie unter erheblichen Konzentrationsstörungen. Die Gutachter fanden lediglich eine nur geringe Umfangvermehrung der Knöchelregion und nur eine geringe Einschränkung der Beweglichkeit von 5 Grad gegenüber links. Sie diagnostizierten ein chronisches Schmerzsyndrom und führten dieses auf den Unfall vom Dezember 1984 zurück. Dagegen seien die Magenbeschwerden unfallunabhängig. Prof. Dr. N. konnten in ihrem Gutachten vom 9. Juli 1997 die Beschwerden der Klägerin nicht objektivieren. Das obere Sprunggelenk weise keinen vermehrten Verschleiß und keine vermehrte Strahlentransparenz der knöchernen Strukturen als Anhalt für eine Inaktivitätsosteoporose auf und die Fußsohlenbeschwielung sei seitengleich. Die Leberwerte seien zwar seit Juli 1996 deutlich erhöht. Dies könne durch eine Medikamenteneinnahme verursacht sein, diese lasse sich aber nicht mit den nicht zu objektivierenden Beschwerden erklären. Ein Kausalzusammenhang sei nur anzunehmen, wenn sich im Rahmen einer psychosomatischen Begutachtung herausstellen sollte, dass der Unfall derart gravierend gewesen sei, dass der Klägerin deren Bewältigung nicht gelungen sei und deshalb zur Einnahme der Schmerzmedikamente geführt habe (Stellungnahme der Gutachter vom 11. November 1997).
Im Januar 1998 begann die Klägerin eine psychotherapeutische Behandlung bei Dr. O. und berichtete dort über eine Sprunggelenksfraktur rechts mit anschließenden Operationen und langjähriger Morphiumtherapie. Dr. O. teilte mit, dass sich auf Grund einer anhaltenden Schmerzstörung eine chronifizierte depressive Symptomatik entwickelt habe, die zu einer erheblichen Einschränkung der Leistungsfähigkeit geführt habe (Bericht der Dr. O. in der Beiakte der BfA vom 12. Januar 1998). Prof. Dr. P. bejahten unter Bezugnahme auf das chirurgische Gutachten des Prof. Dr. Q. u.a. den Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall und den Beschwerden (Gutachten vom 16. März 1998). Sie bewerteten die MdE aus psychosomatischer Sicht seit 25. Dezember 1994 mit 15 vH. Die mit der Berufstätigkeit zusammenhängenden äußeren Umstände (früher Arbeitsbeginn, lange Anfahrtswege) verstärkten das Schmerzempfinden der Klägerin. Der Neurologe und Psychiater Dr. R. widersprach in seiner Stellungnahme vom 4. April 1998 den Ausführungen der Gutachter Prof. Dr. S ... Bei dem Unfall vom 20. Dezember 1984 habe es sich um ein Bagatelltrauma gehandelt, das zu keiner objektivierbaren Verletzung geführt habe. Die Annahme Prof. Dr. Q. u.a., dass es zur Zerreißung sensibler Schmerzfasern gekommen sei, sei hypothetisch und nicht zu belegen. Da diese peripheren Nerven eine ausgezeichnete Heilungstendenz hätten, würde deren Zerreißung auch nicht die Entwicklung eines chronischen Schmerzsyndroms erklären. Prof. Dr. T. biete keine hinreichende Erklärung für das Schmerzsyndrom, die lange Latenzzeit von ca. 9 Jahren zwischen dem Unfall und der ab ca. 1994 aufgenommenen Behandlung sowie für die Progredienz der Beschwerden. Es fänden sich in der Akte keine Hinweise, dass in den 9 Jahren überhaupt eine Schmerzsymptomatik bestanden habe. Stattdessen sei die spätere Entwicklung durch die aktuellen familiären und beruflichen Belastungen erklärbar. Daraufhin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 2. Juni 1998 den Widerspruch zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 15. Juni 1998 Klage erhoben. Sie hat vorgetragen, sie habe starke Schmerzen im rechten Knöchel, die sie nur mit Schmerzmitteln (MST 160 mg 3 mal tgl. und drei mal zwei Tabletten Paracetamol) ertragen könne. Von 1985 bis 1994 sei sie wegen der noch erträglichen Schmerzen und Schwellungen ständig in ärztlicher Behandlung bei Dres. U. gewesen. Das ständige Schmerzsyndrom sei während der krankengymnastischen Behandlung ab 22. November 1994 entstanden. Die Klägerin hat den Entlassungsbericht der V.-Klinik vom 10. November 1986 vorgelegt. Das Sozialgericht (SG) hat ein Vorerkrankungsverzeichnis der DAK vom 5. November 1998, einen Befundbericht des Dr. W. vom 17. Februar 1999 und dessen Behandlungsunterlagen, den Bericht der Krankengymnastin X. vom Juli 1999, einen Bericht des Dr. Y. vom 3. August 1999 sowie einen Bericht des PD Dr. D. vom 16. August 1999 eingeholt. Danach hat Prof. Dr. T. eine ergänzende Stellungnahme vom 8. März 2000 abgegeben. Mit Urteil vom 4. Mai 2000 hat das SG Hildesheim die angefochtenen Bescheide der Beklagten abgeändert und festgestellt, dass als weitere Folge des Arbeitsunfalls vom 20. Dezember 1984 ein chronisches Schmerzsyndrom im Bereich des rechten Sprunggelenkes besteht. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen und die Beklagte verurteilt, der Klägerin 1/3 der notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Die Kammer sei davon überzeugt, dass das bei der Klägerin bestehende Schmerzsyndrom wesentlich durch die Unfallfolgen und die deshalb verordnete krankengymnastische Behandlung im November 1994 verursacht worden sei. Hieran ändere auch die übereinstimmende Einschätzung der Gut-achter nichts, dass sich kein objektivierbarer Verletzungsbefund im rechten Sprunggelenk finden lasse. Die von Prof. Dr. Q. mitgeteilte funktionelle Bandinstabilität sei von der Beklagten auch anerkannt worden. Dagegen liege bei der Klägerin nach Einschätzung aller Gutachter keine MdE in rentenberechtigendem Grade vor. Auch seien die nervliche Belastungsschwäche und die Magen- und Leberprobleme nicht auf den Unfall, sondern auf die übrigen nicht unerheblichen psychischen Probleme der Klägerin im privaten Bereich zurückzuführen.
Gegen das jeweils am 22. Mai 2000 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 7. Juni 2000 und die Klägerin am 19. Juni 2000 Berufung eingelegt.
Die Klägerin hält das Urteil hinsichtlich der Feststellung des chronischen Schmerzsyndroms als Unfallfolge für zutreffend und beruft sich insoweit auf die Gutachten des Prof. Dr. Z. und T ... Allerdings sei beiden Gutachten auch zu entnehmen, dass sie wegen der unfallbedingten Schmerzen auf eine erhebliche Medikamenteneinnahme angewiesen sei, die zu Schädigungen des Magens und der Leber geführt habe.
Die Klägerin beantragt,
- 1.
die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 4. Mai 2000 zurückzuweisen,
- 2.
das Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 4. Mai 2000 und den Bescheid der Beklagten vom 6. Februar 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Juni 1998 zu ändern,
- 3.
festzustellen, dass Magen- und Leberbeschwerden Folgen des Arbeits-unfalls vom 20. Dezember 1984 sind,
- 4.
die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Verletztenrente in Höhe von 20 v.H. der Vollrente zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
- 1.
das Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 4. Mai 2000 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
- 2.
2. die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 4. Mai 2000 zurückzuweisen.
Sie wendet sich gegen die Feststellung eines chronischen Schmerzsyndroms als Unfallfolge und stützt sich insoweit auf die Stellungnahme des Dr. R ...
Der Senat hat die medizinischen Unterlagen der BfA und die Schwerbehinderten-Akte des Versorgungsamtes Braunschweig beigezogen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten und die Gerichtsakte Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die statthaften Berufungen beider Beteiligten sind zulässig. Die Berufung der Beklagten ist auch begründet. Das SG Hildesheim hat zu Unrecht festgestellt, dass bei der Klägerin als Folge des Unfalls vom 20. Dezember 1984 ein chronisches Schmerzsyndrom besteht. Dagegen ist die Berufung der Klägerin unbegründet. Das SG Hildesheim hat die Klage hinsichtlich der Feststellung einer Magen- und Lebererkrankung als Unfallfolge und die Klage auf Zahlung von Verletztenrente zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten ist rechtmäßig.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Feststellung weiterer Unfallfolgen aus Anlass des Ereignisses vom 20. Dezember 1984 und sie hat deshalb auch keinen Anspruch auf Verletztenrente nach den auf diesen Sachverhalt noch anwendbaren §§ 581 ff. Reichsversicherungsordnung (RVO; vgl. Art. 36 Unfallversicherungseinordnungsgesetz, § 212 Sozialgesetzbuch - SGB - VII).
1.
Unter Berücksichtigung der Stellungnahme des Dr. R. sowie vor allem der Gutachten des Prof. Dr. AB. u.a. und des Prof. Dr. T. u.a. lässt sich nicht mit der im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit feststellen, dass das chronische Schmerzsyndrom der Klägerin Folge des Unfalls vom 20. Dezember 1984 ist. Die hinreichende Wahrscheinlichkeit setzt voraus, dass nach der geltenden ärztlich-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen Zusammenhang spricht und ernste Zweifel hinsichtlich einer anderen Verursachung ausscheiden. Beim vernünftigen Abwägen aller Umstände müssen die auf eine unfallbedingte Verursachung hinweisenden Faktoren so stark überwiegen, dass hierauf die Entscheidung gestützt werden kann (vgl. Schönberger/ Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 6. Aufl. 1998, S. 117). Nicht ausreichend ist die bloße Möglichkeit eines Zusammenhangs. Erhebliche Zweifel an dem Kausalzusammenhang zwischen den von der Klägerin angegebenen Beschwerden und dem Unfall vom 20. Dezember 1984 bestehen hier aus folgenden Gründen:
a)
Die Entwicklung einer unfallbedingten chronischen Schmerzerkrankung setzt einen unfallbedingten Erstkörper-Schaden, d.h. eine strukturelle Verletzung, voraus, worauf Dr. R. zutreffend hingewiesen hat. Seine Einschätzung ist auch deshalb überzeugend, da sie im Einklang mit den vom Senat zu berücksichtigenden unfallmedizinischen Erfahrungsgrundsätzen steht. Nach diesen setzt eine außergewöhnliche Schmerzreaktion einen morphologischen Unfallschaden voraus (vgl. Schönberger/ Mehrtens/ Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 6. Aufl. 1998, S. 238; Ludolph in Kursbuch der ärztlichen Begutachtung 12. Aufl. 2001, Abschnitt Vi-1.3.8, S. 5). Ein solcher struktureller Körperschaden fehlt im vorliegenden Fall. Der Unfall vom 20. Dezember 1984 hat lediglich zu einer folgenlos ausheilenden Distorsion des rechten Sprunggelenkes geführt. Ein struktureller Schaden ist bei diesem Umknickvorgang nicht entstanden. Knöcherne oder ligamentäre Verletzungen des Sprunggelenkes sind bei den zahlreichen medizinischen Untersuchungen sowohl zeitnah nach dem Unfall wie auch während der seit 1994 aufgenommenen Behandlung nicht festgestellt worden (Berichte des PD Dr. D. vom 20. Dezember 1984, 25. Februar 1985, 9. April 1985 und 16. März 1994). Hierauf hat auch Prof. Dr. Q. u.a. in seinem Gutachten zutreffend hingewiesen. Auch eine Bandinstabilität bestand zeitnah nach dem Unfall nicht (Berichte des PD Dr. D. vom 20. Dezember 1984, 25. Februar 1985 und 16. März 1994), ebenso wenig fanden sich Hinweise auf eine Nervenläsion oder neurologische Auffälligkeiten (Bericht des Dr. G. vom 29. Juni 1995; Bericht des Neurologen BB. vom 31. Oktober 1996). Die von Prof. Dr. Q. u.a. vertretene Auffassung, dass bei dem Umknickvorgang die afferenten Nervenfasern rupturiert und dadurch der Muskeleigenreflex der Musculii peronaeii unterbrochen worden sei und eine funktionelle Instabilität des rechten oberen Sprunggelenk herbeigeführt habe, ist durch diese Befunderhebungen der Ärzte und die Stellungnahme des Dr. R. widerlegt worden. Eine Instabilität des Sprunggelenkes ist wiederholt ausgeschlossen worden (so z.B. Bericht des PD Dr. D. vom 16. März 1994, Bericht des Prof. Dr. H. vom 31. August 1995). Zudem hat Dr. R. darauf hingewiesen, dass die peripheren Nervenfasern eine ausgezeichnete Heilungstendenz haben und die Entwicklung einer langjährigen chronischen Schmerzerkrankung nicht erklären. Infolgedessen haben PD Dr. D. (Bericht vom 16. März 1994) und Prof. Dr. CB. nachvollziehbar darauf hingewiesen, dass die Entstehung (Genese) der Beschwerden unklar sei, dass es kein pathologisches Substrat für die Beschwerden gebe und diese nicht zu objektivieren seien. Selbst Prof. Dr. T., der den Kausalzusammenhang des Schmerzsyndroms mit dem Unfall bejaht, hat keinen objektiven Organbefund erheben können. Dass dieser - wie von ihm vorgeschlagen - von den Ärzten anderer Fachdisziplinen zu klären sei, ist nicht nachvollziehbar (seine Stellungnahme vom 8. März 2000). Zum einen hat lediglich Prof. Dr. DB. eine Schädigung im Bereich des rechten Sprunggelenks mitgeteilt (Rupturierung der afferenten Nervenfasern), die in die Beurteilung des neurologischen Gebietes - und damit das des Prof. Dr. T. fällt -, zum anderen haben die Ärzte der Neurologie, Orthopädie und Chirurgie gerade keine Gesundheitsstörung festgestellt. Hieran ändert auch der während der Arthroskopie im Februar 1996 diagnostizierte Narbenstrang im lateralen Gelenkwinkel nichts. Keiner der die Klägerin behandelnden oder begutachtenden Ärzte hat hier einen Zusammenhang mit dem Unfall gesehen. Den Gutachtern Prof. Dr. Z. u.a., Prof. Dr. AB. u.a., Prof. Dr. T., Dr. R. lagen dieser Operationsbericht und der histologische Befund vor und sie haben in Kenntnis dieser Befunde keinen Zusammenhang mit dem Unfall angenommen. Mit den fehlenden strukturellen Verletzungsbefunden im Einklang steht die Tatsache, dass die Ärzte über die Jahre hinweg keine Schonungszeichen feststellen konnten. Die Gutachter haben vielmehr stets eine seitengleiche Beschwielung der Fußsohlen mitgeteilt (Gutachten Prof. Dr. Q. u.a.; Gut-achten Prof. Dr. AB. u.a.), und auch die Beweglichkeit war zumindest bis Juni 1997 uneingeschränkt frei bzw. nur geringgradig eingeschränkt (Berichte PD Dr. D. vom 16. März 1994, 22. März 1995; Gutachten Prof. Dr. Q. u.a.; Bericht des Prof. Dr. H. vom 31. August 1995; Gutachten des Prof. Dr. Z. u.a.), was belegt, dass die Klägerin über Jahre hinweg ihr rechtes Bein normal benutzt und dies nicht etwa - was bei einer schweren Verletzung zu erwarten gewesen wäre - geschont hat.
Der Einschätzung des Prof. Dr. T., die chronische Schmerzkrankheit auch ohne entsprechenden objektivierbaren Verletzungsbefund als Unfallfolge anzuerkennen, vermochte sich der Senat nicht anzuschließen. Dem stehen die Stellungnahme des Dr. R. und - wie bereits ausgeführt - die unfallmedizinischen Erfahrungsgrundsätze entgegen, die einen strukturellen Gesundheitsschaden für die Annahme einer unfallbedingten Schmerzkrankheit fordern. Auch wenn entsprechend den Ausführungen des Prof. Dr. Lamprecht in der medizinischen Literatur die Auffassung vertreten wird, dass es für das Vorliegen einer Schmerzerkrankung keiner objektivierbaren Organschädigung bedarf, so kann diese Erkrankung im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung nicht einem Arbeitsunfall zugerechnet werden mit der Folge, dass der Unfallversicherungsträger entschädigungspflichtig wird, obwohl dieser Arbeitsunfall gerade keinen strukturellen Körperschaden zur Folge hatte.
Eine Entschädigung der Schmerzerkrankung wäre in dieser Situation dann denkbar, wenn der Unfall so dramatisch und schwer wiegend gewesen ist, dass er geeignet wäre, eine chronische - psychosomatisch begründete - Schmerzerkrankung hervorzurufen (Stellungnahme des Dr. R.). Dies ist aber bei dem Umknickvorgang vom 20. Dezember 1984 nicht der Fall.
b)
Weiterhin spricht der lange zeitliche Abstand von fast 9 Jahren zwischen der Beendigung der zeitnahen Behandlung der Distorsion im Juni 1985 und der Wiederaufnahme der Behandlung im März 1994 gegen einen Kausalzusammenhang zwischen den Beschwerden und der Distorsion. Nach Auswertung der umfangreichen medizinischen Unterlagen lässt sich nicht feststellen, dass die Klägerin seit dem Unfall im Dezember 1984 ununterbrochen unter Schmerzen im Sprunggelenk gelitten und deshalb in regelmäßiger Behandlung gestanden hat. Nach Eintritt der Arbeitsfähigkeit im Juni 1985 hat die Klägerin - abgesehen von diversen Unterbrechungen wegen anderer zahlreicher Erkrankungen - durchgehend gearbeitet und war erst wieder im Februar 1995 - nach 10 Jahren - wegen des Sprunggelenkes arbeitsunfähig (Vorerkrankungsverzeichnis der DAK vom 5. November 1998). Dr. W. hat eine ärztliche Behandlung wegen des Sprunggelenks erst für die Zeit ab 1996 beschrieben. Dr. Y. behandelte die Klägerin erst ab 29. Oktober 1987, d.h. 2 Jahre nach dem Unfall, PD Dr. D. zunächst bis Juni 1985 und dann erst wieder ab 1992. In diesem Jahr - 1992 - war die Klägerin wegen lang anhaltender Beschwerden im Bereich der Halswirbelsäule und der Schultern in ärztlicher Behandlung, die Beschwerden von Seiten des rechten Sprunggelenkes sind hier nicht erwähnt (Bericht des Orthopäden Dr. EB. vom 14. Dezember 1992, Schwerbehinderten-Akte).
Infolgedessen war das Urteil des SG Hildesheim vom 4. Mai 2000 insoweit aufzuheben und die Klage abzuweisen.
2.
Die Berufung der Klägerin hat demgegenüber keinen Erfolg. Es lässt sich nicht mit der erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit feststellen, dass die Klägerin unfallbedingt an einer Magen- und Lebererkrankung leidet. Diesen Zusammenhang hat Prof. Dr. Z. u.a., der die Klägerin schmerztherapeutisch lange behandelt hat, ausdrücklich verneint. Diesem Kausalzusammenhang steht bereits entgegen, dass - wie bereits unter 1 a) ausgeführt - nicht hinreichend wahrscheinlich ist, dass die Schmerzerkrankung der Klägerin durch den Umknickvorgang vom Dezember 1984 verursacht worden ist. Damit steht auch die Einnahme der Medikamente - die wegen der Schmerzangaben der Klägerin erfolgt und auf die sie die Magenerkrankung zurückführt - nicht im Zusammenhang mit dem Unfall. Im Übrigen ist den umfangreichen medizinischen Unterlagen zu entnehmen, dass die Klägerin bereits seit langen Jahren - vor Beginn der Einnahme von Morphium und Paracetamol - unter einer Magenerkrankung leidet. Dr. W. hat die Klägerin bereits seit März 1988 wiederholt wegen erheblicher Magenbeschwerden behandelt. In seinem Bericht vom 17. Februar 1999 ist auch vermerkt, dass bei der Klägerin seit 1972 ein nervöses Magenleiden bekannt sei.
Weiterhin lässt sich auch nicht feststellen, dass eine nervliche Belastungsschwäche der Klägerin Folge der Schmerzerkrankung des Unfalls vom 20. Dezember 1984 ist. Zum einen ist dieser Umknickvorgang zu banal und deshalb nicht geeignet ist, um eine psychische Störung zu verursachen (Stellungnahme Dr. R.). Zum anderen sind nach den eigenen Angaben der Klägerin ihre psychischen Probleme - wie Müdigkeit und Konzentrationsschwäche - erst mit der Einnahme der Medikamente im Jahre 1996 eingetreten. Nach der Auskunft der DAK aber hat die Klägerin bereits in den 80er-Jahren wiederholt unter psychisch-physischen Erschöpfungszuständen gelitten, die jeweils mit stationären Heilverfahren verbunden waren. Zudem finden sich in der Lebensgeschichte der Klägerin seit Beginn der 90er-Jahre genügend private und berufliche Lebensereignisse (u.a. diverse Operationen im November 1991, Frühjahr 1993 sowie März 1997, familiäre und Arbeitsplatzprobleme im Juli 1994 (vgl. Entlassungsbericht des Städtischen Klinikums C. vom 21. Juli 1994); Wechsel des Arbeitsplatzes von C. nach FB. 1996 und erneuter Wechsel nach GB. 1997; lange Anfahrtszeiten zum Arbeitsplatz), die eine psychisch-physische Erschöpfung hinreichend erklären (Stellungnahme des Dr. R.; Entlassungsbericht der Kurklinik HB. vom 27. Oktober 1997).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Es liegt kein Grund vor, die Revision zuzulassen ( § 160 Abs. 2 SGG).