Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 27.01.2003, Az.: L 8 B 158/02 AL
Streitwertfestsetzung in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit; Zuverlässige Grundlage zur Ableitung des wirtschaftlichen Wertes der Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 27.01.2003
- Aktenzeichen
- L 8 B 158/02 AL
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2003, 13477
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2003:0127.L8B158.02AL.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Hannover - AZ: S 9 AL 877/98 ER
Rechtsgrundlagen
- § 13 GKG
- § 73 GKG
Tenor:
Auf Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Hannover vom 26. April 2000 wie folgt geändert:
Der Gegenstandswert des erstinstanzlichen Verfahrens (S 8 AL 877/98 ER) wird auf 4.000,00 DM (entsprechend 2.045,17 EUR) festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragsgegnerin (Ag) widerrief mit Bescheid vom 6. Oktober 1998 die an die Antragstellerin (Ast) erteilte Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung. Hiergegen legte die Ast Widerspruch ein und beantragte gleichzeitig beim Sozialgericht (SG) Hannover, die angeordnete Vollziehung des Bescheides auszusetzen, hilfsweise die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs anzuordnen. Mit Schreiben vom 12. November 1998 nahm die Ag den Widerrufsbescheid zurück und erteilte wegen der streitigen Beanstandungen mehrere Auflagen. Daraufhin erklärte die Ast den Rechtsstreit für erledigt und bat um Mitteilung des Streitwertes für die interne anwaltliche Abrechnung.
Die Ast trug vor, sie setze jährlich zumindest 1 Million um. Daran sollte sich der Gegenstandswert orientieren. Der reine Schaden für die Dauer des Widerrufs der Erlaubnis vom 8. Oktober bis zum 12. November 1998 belaufe sich auf einen Betrag zwischen 300.000,00 DM bis 500.000,00 DM. Der Wert der Erlaubnis liege deshalb im unteren siebenstelligen Bereich.
Demgegenüber vertrat die Ag die Auffassung, der Gegenstandswert sei allenfalls mit 20 % des Gewinns anzusetzen, den die Ast nach dem durchschnittlichen Geschäftserfolg der vergangenen Jahre voraussichtlich in 5 Jahren erzielt hätte.
Das SG Hannover hat mit Beschluss vom 26. April 2000 den Streitwert auf 500.000,00 DM festgesetzt. In dieser Höhe sei der voraussichtliche Schaden zu schätzen, weil verschiedene Verträge nicht verlängert worden und Kunden zu Konkurrenzfirmen übergelaufen seien.
Gegen den am 2. Juni 2000 zugestellten Beschluss hat die Ag am 30. Juni 2000 Beschwerde eingelegt. Sie ist der Auffassung, dass der Gegenstandswert bei rund 20.000,00 DM gelegen habe.
Das SG hat am 8. Mai 2002 beschlossen, der Beschwerde nicht abzuhelfen, sondern diese dem Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen zur Entscheidung vorzulegen.
Mit Beschluss vom 7. November 2002 hat das SG die Kostenentscheidung nachgeholt und entschieden, dass die Ag die außergerichtlichen Kosten der Ast zu erstatten hat.
II.
Die zulässige Beschwerde der Ag ist teilweise begründet und führt zur Änderung des Beschlusses des SG vom 26. April 2000. Der Gegenstandswert ist auf 4.000,00 DM festzusetzen.
Die Streitwertfestsetzung in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit richtet sich nach § 13 Gerichtskostengesetz (GKG), wobei die Festsetzung - unter Umrechnung des festgesetzten Betrages in Euro - auf der Grundlage der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung der Bekanntmachung vom 15. Dezember 1975 (BGBl. I S 3047) beruht. Das Euro-Kosten-rechtsumstellungsgesetz (KostREuroUG) enthält keine Regelungen über die Anwendbarkeit auf die bei seinem In-Kraft-Treten bereits anhängigen Verfahren, sodass die jeweiligen Kostenrechtsvorschriften (hier § 73 GKG) heranzuziehen sind. Danach werden die Kosten in Rechtsstreitigkeiten, die - wie hier - vor dem In-Kraft-Treten einer Gesetzesänderung anhängig geworden sind, nach bisherigem Recht erhoben (vgl. VGH Baden-Württemberg vom 4. April 2002 - 14 S 2326/01 -, NJW 2002, 1893 [VGH Baden-Württemberg 04.04.2002 - 14 S 2326/01] m.w.N.). Die Streitwertfestsetzung erfolgt nach Ermessensausübung unter Berücksichtigung der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache, wobei ein Streitwert von 8.000,00 DM anzunehmen ist, wenn der bisherige Sach- und Streitstand hierfür keine genügenden Anhaltspunkte bietet (§ 13 Abs. 1 GKG). Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt, so ist deren Höhe maßgebend (§ 13 Abs. 2 GKG).
Zwischen den Beteiligten streitig war im erstinstanzlichen Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die Aussetzung der Vollziehung des Bescheides vom 6. Oktober 1998, mit dem die Ag die bis zum 14. Dezember 1998 befristete Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung widerrufen hatte. Eine Festsetzung des Streitwertes gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG nach der für die Ast ergebenden Bedeutung des Widerrufs ist nicht möglich, weil tatsächliche
Anhaltspunkte für eine Schätzung des unmittelbaren wirtschaftlichen Erfolgs nicht vorliegen. Ein nur mittelbarer wirtschaftlicher Erfolg bleibt unberücksichtigt (BSG, Urteil vom 4. September 2001 - B 7 AL 6/01 R -).
Die in der Akte vorhandenen Bilanzen für das Jahr 1996 mit einem Gewinn von 23.227,42 DM und für das Jahr 1997 mit einem Verlust von 23.573,65 DM bieten keine zuverlässige Grundlage, aus der der wirtschaftliche Wert der Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung für die Zeit vom 6. Oktober bis zum 14. Dezember 1998 abgeleitet werden könnte. Der durch die Ast im Schreiben vom 18. Dezember 1998 behauptete Umsatzverlust durch den Widerruf ist nicht näher belegt bzw. glaubhaft gemacht worden. Die Streitwertfestsetzung nach § 13 GKG erfolgt ohne Durchführung weiterer Ermittlungen bzw. von Beweisaufnahmen. Im Übrigen hat die Ast mit Schriftsatz vom 29. Mai 2002 (Blatt 60 Gerichtsakte) mitgeteilt, dass weitere Ausführungen nicht erfolgen sollen.
In Ermangelung nachvollziehbarer Anhaltspunkte für eine Schätzung ist es sachgerecht, bei einem nicht vermögensrechtlichen Streitgegenstand von einem Streitwert von 8.000,00 DM gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG auszugehen. Eine entsprechende Ermessensausübung ist insbesondere deshalb geboten, um einerseits das Kostenrisiko der Beteiligten überschaubar zu gestalten und andererseits eine möglichst einheitliche Praxis der Sozialgerichte bei der Streitwertfestsetzung zu gewährleisten. Rein vorsorglich wird darauf hingewiesen, dass selbst bei Zugrundelegung einer positiven Geschäftsentwicklung und Übertragung des Gewinns aus dem Jahre 1996 (23.227,42 DM) auf die hier streitige Geltungsdauer der widerrufenen Erlaubnis (etwas mehr als 2 Monate) der Streitwertbetrag von 8.000,00 DM nicht überschritten wird.
Vorliegend kommt die Besonderheit hinzu, dass in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes der Gegenstandswert auf die Hälfte des Streitwertes der Hauptsache zu reduzieren ist (LSG Niedersachsen vom 14. November 1997 - L 4 Kr 88/97 eR - NZS 1998, 352; Beschluss des Senates vom 16. Oktober 2002 - L 8 AL 266/02 ER -). Insoweit ist zu berücksichtigen, dass im vorläufigen Rechtsschutzverfahren die Hauptsache nicht abschließend geklärt wird und infolge dessen das Interesse regelmäßig geringer anzusetzen ist als bei der Entscheidung in der Hauptsache. Die Festsetzung des Gegenstandswertes auf 4.000,00 DM entspricht daher billigem Ermessen.
III.
Dieser Beschluss ist endgültig (§ 177 Sozialgerichtsgesetz).
Streitwertbeschluss:
Der Gegenstandswert des erstinstanzlichen Verfahrens (S 8 AL 877/98 ER) wird auf 4.000,00 DM (entsprechend 2.045,17 EUR) festgesetzt.