Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 20.01.2003, Az.: L 9 SB 49/02

Höhe des schwerbehindertenrechtlich zustehenden Grades der Behinderung (GdB); Erlangung der Schwerbehinderteneigenschaft; Anhaltspunkte für eine falsche Bewertung der Funktionsbeeinträchtigungen

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
20.01.2003
Aktenzeichen
L 9 SB 49/02
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 20180
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2003:0120.L9SB49.02.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Hildesheim - 11.02.2002 - AZ: S 17 SB 300/99

Tenor:

Die Berufung wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die Höhe des der Berufungsklägerin schwerbehindertenrechtlich zustehenden Grades der Behinderung (GdB).

2

Bei der 1961 geborenen Berufungsklägerin war mit zuletzt bindend gewordenem Bescheid vom 19. Januar 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Mai 1996 ein GdB von 20 durch das Versorgungsamt (VA) Hildesheim festgestellt worden. Dem hatten folgende Funktionsbeeinträchtigungen zu Grunde gelegen: Wirbelsäulenfehlstatik, Schulter-Arm-Syndrom, Kopfschmerzen.

3

Im Juni 1999 beantragte die Berufungsklägerin bei dem VA, ihre Behinderung neu festzustellen. Zur Begründung gab sie an, die vorliegenden Beschwerden hätten sich verschlimmert.

4

Das VA zog Befunde von dem Allgemeinmediziner Dr. C. und dem Chirurgen Priv.-Doz. Dr. D. bei und ließ diese durch seinen Ärztlichen Dienst (Dr. E.) auswerten. Mit Bescheid vom 9. September 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. November 1999 lehnte das VA eine Neufeststellung ab.

5

Am 17. November 1999 ist Klage erhoben worden. Das Sozialgericht (SG) Hildesheim zog Befunde des Chirurgen Dr. D., des Orthopäden Dr. F., des Neurologen G. und des Allgemeinmediziners Dr. C. bei. Sodann ließ es die Berufungsklägerin durch den Orthopäden Dr. H. begutachten (Gutachten vom 14. August 2000 nebst ergänzender gutachtlicher Stellungnahme vom 22. März 2001). Daraufhin gab der Berufungsbeklagte Teil-Anerkenntnisse vom 20. Dezember 2000 und vom 12. Juli 2001 dahingehend ab, dass nunmehr ab Juni 1999 ein GdB von 30 anerkannt werde. Dem lagen folgende Funktionsbeeinträchtigungen zu Grunde:

  1. 1.

    migränoide Cephalgien,

  2. 2.

    Belastungsinsuffizienz und schmerzhafte Handgelenksfunktion bei beginnender Arthrose.

6

Darüber hinaus wies das berufungsbeklagte Land darauf hin, dass das bei der Berufungsklägerin vorliegende, rezidivierende Lendenwirbelsäulensyndrom bei lumbosacraler Übergangsstörung und statisch muskulärer Insuffizienz keine Auswirkung auf die Feststellung des Gesamt-GdB habe.

7

Die Berufungsklägerin hat das Teil-Anerkenntnis des berufungsbeklagten Landes zur teilweisen Erledigung des Rechtsstreits angenommen und den Rechtsstreit im Übrigen mit dem Ziel der Erlangung der Schwerbehinderteneigenschaft fortgesetzt.

8

Das SG hat die Klage - nach vorheriger Anhörung der Beteiligten - mit Gerichtsbescheid vom 11. Februar 2002 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der nunmehr vom berufungsbeklagten Land anerkannte GdB gebe die Veränderung des Behinderungszustandes der Berufungsklägerin richtig wieder. Die Einwendungen der Berufungsklägerin hiergegen seien teilweise nicht nachvollziehbar und teilweise unzutreffend. Im Einzelnen wird auf die Entscheidung des SG Bezug genommen.

9

Das berufungsbeklagte Land hat das abgegebene Teil-Anerkenntnis mit Ausführungsbescheid vom 4. März 2002 umgesetzt.

10

Gegen den am 21. Februar 2002 zugestellten Gerichtsbescheid ist am 19. März 2002 Berufung eingelegt worden. Die Berufungsklägerin ist im Wesentlichen der Auffassung, die bei ihr vorliegenden Funktionsstörungen seien nicht ausreichend hoch bewertet worden.

11

Die Berufungsklägerin beantragt nach ihrem schriftlichen Vorbringen sinngemäß,

  1. 1.

    den Gerichtsbescheid des Sozialgerichtes Hildesheim vom 11. Februar 2002 sowie den Bescheid des Versorgungsamtes Hildesheim vom 9. September 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Niedersächsischen Landesamtes für Zentrale Soziale Aufgaben vom 2. November 1999 sowie des Ausführungsbescheides vom 4. März 2002 zu ändern,

  2. 2.

    das beklagte Land zu verurteilen, bei ihr einen Grad der Behinderung von mindestens 50 festzustellen.

12

Das berufungsbeklagte Land beantragt schriftsätzlich,

die Berufung zurückzuweisen.

13

Zur Begründung bezieht es sich auf das Ergebnis der zweitinstanzlichen Sachverhaltsaufklärung und eine Stellungnahme des Ärztlichen Dienstes (Dr. I. unter dem 24. April 2002).

14

Das Gericht hat auf Antrag der Berufungsklägerin das Gutachten des Orthopäden Dr. J. vom 5. Dezember 2002 zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts veranlasst. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten Bezug genommen.

15

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze, den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den Inhalt des beigezogenen Verwaltungsvorgangs des VA Hildesheim (1 Bd. zum Az. K.) Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe

16

Der Senat entscheidet in Anwendung von §§ 155, 124 Sozialgerichtsgesetz (SGG) im Einverständnis der Beteiligten durch den Berichterstatter als Einzelrichter ohne mündliche Verhandlung.

17

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

18

Das SG hat zu Recht entschieden, dass die Berufungsklägerin keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB hat. Der Bescheid des VA Hildesheim vom 9. September 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Niedersächsischen Landesamtes für Zentrale Soziale Aufgaben vom 2. November 1999 und des Ausführungsbescheides vom 4. März 2002 ist rechtmäßig und verletzt die Berufungsklägerin nicht in ihren Rechten.

19

Das SG ist bei seiner Entscheidung von den richtigen rechtlichen und tatsächlichen Grundlagen ausgegangen und hat mit nachvollziehbaren Erwägungen und zutreffend seine Entscheidung begründet. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Entscheidungsgründe des Gerichtsbescheides vom 11. Februar 2002 Bezug genommen, § 153 Abs. 2 SGG.

20

Im Berufungsverfahren sind wesentliche neue Gesichtspunkte nicht zu Tage getreten. Im Gegenteil hat sich der von der Berufungsklägerin benannte Gutachter Dr. J. voll inhaltlich den Ausführungen des bereits erstinstanzlich gehörten Gutachters Dr. H. angeschlossen. Auch das Gericht konnte bei Durchsicht sowohl der Verwaltungsvorgänge als auch der umfangreichen Gerichtsakte und der zahlreichen medizinischen Befunde keine Anhaltspunkte für eine falsche Bewertung der bei der Berufungsklägerin vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen erkennen.

21

So haben sowohl Dr. J. als auch Dr. H. bestätigt, dass die Beschwerden seitens der Wirbelsäule der Berufungsklägerin nicht höher zu bewerten sind, als dies das berufungsbeklagte Land mit seinem Ausführungsbescheid vom 4. März 2002 getan hat. Danach ist insoweit ein GdB von 10 zu Grunde zu legen, der in Anwendung der Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz, Ausgabe 1996 (AP 96 und dort Nr. 26.18, S. 139) eher als großzügig zu bezeichnen ist.

22

Soweit die Berufungsklägerin nach wie vor geltend macht, ihre Schulterbeschwerden seien nicht ausreichend berücksichtigt, ist nur kurz darauf hinzuweisen, dass anlässlich beider Begutachtungen jeweils festgestellt worden ist, dass hinsichtlich der Beweglichkeit ihrer Schultergelenke keinerlei Einschränkungen vorliegen.

23

Auch ein ständig zu niedriger Blutdruck, wie er von der Berufungsklägerin nach wie vor behauptet wird, konnte nicht diagnostiziert werden. Jedenfalls hat sich keine Erkrankung feststellen lassen, die es in Anwendung der AP 96 erlauben würde, insoweit einen gesonderten GdB festzusetzen (vgl. insoweit Nr. 26.9, S. 92 f der AP 96). Angesichts des Vorstehenden hält das Gericht auch den Gesamt-GdB der Berufungsklägerin in Anwendung von Nr. 19 (S. 33 ff) der AP 96 für richtig festgestellt.

24

Die Kostenentscheidung beruht auf der Anwendung von §§ 183, 193 SGG.

25

Anlass für die Zulassung der Revision besteht nicht, § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG.