Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 06.01.2003, Az.: L 6 U 176/01
Anspruch auf Zahlung von Verletztenrente ; Kausalität des Arbeitsunfalls für die Gesundheitsbeeinträchtigung
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 06.01.2003
- Aktenzeichen
- L 6 U 176/01
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2003, 10134
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2003:0106.L6U176.01.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Hannover - 15.03.2001 - AZ: S 22 U 50/98
Rechtsgrundlagen
- § 580 RVO
- § 581 RVO
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 15. März 2001 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
I.
Der Kläger begehrt die Zahlung von Verletztenrente. Streitig ist, ob Atemnot wahrscheinlich wesentlich durch den Rippenserienbruch (mit)verursacht ist, den der Kläger bei einem als Arbeitsunfall anerkannten Verkehrsunfall am 5. November 1985 erlitt. Bei diesem Unfall zog sich der Kläger des weiteren Prellungen der unteren Extremitäten, eine Hautabschürfung im Bereich der rechten Schulter und eine Schädelprellung zu (Durchgangsarztbericht vom 5. November 1985). Die Beklagte lehnte Verletztenrente ab, weil diese Verletzungen ohne wesentliche Folgen ausgeheilt seien (Bescheid vom 23. April 1987). Im November 1990 machte der Kläger geltend, ein im Juli 1988 erlittener Schlaganfall und dessen Folgen seien auf den Unfall zurückzuführen. Nach medizinischen Ermittlungen lehnte die Beklagte die Feststellung weiterer Unfallfolgen ab (Bescheid vom 27. April 1992). Widerspruch, Klage, Berufung und Nichtzulassungsbeschwerde blieben ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 25. Juni 1992, Urteil des Sozialgericht - SG - Hannover vom 13. Dezember 1994, Urteil des erkennenden Senats vom 6. Juni 1996, Beschluss des Bundessozialgerichts - BSG - vom 30. August 1996). Die Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 20. Dezember 1996). Das an das BSG gerichtete Schreiben des Klägers vom 18. März 1997, mit dem der Kläger einen "Antrag auf Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes" gestellt hatte, leitete das BSG an die Beklagte weiter. Diese lehnte den Antrag ab (Bescheid vom 17. April 1997) und wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 29. Januar 1998).
Auf die am 6. Februar 1998 erhobene Klage hat das SG nach Beiziehung von Befundberichten das Gutachten des Internisten Dr. C. vom 23. April 1999 eingeholt. Die Klage ist durch Urteil vom 15. März 2001 abgewiesen worden.
Gegen das ihm am 27. März 2001 zugestellte Urteil wendet sich der Kläger mit der am 25. April 2001 eingelegten Berufung, in der er auf den Krankenbericht vom 2. Dezember 1985 hinweist, in dem eine "erhebliche Dyspnoe" genannt wird, "als deren Ursache sich röntgenologisch eine Rippenserienfraktur des rechten Thorax fand" (Schriftsatz vom 10. Mai 2001). Der Kläger beantragt sinngemäß,
- 1.
das Urteil des SG Hannover vom 15. März 2001 und den Bescheid der Beklagten vom 7. April 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Januar 1998 aufzuheben,
- 2.
Atemnot als (weitere mittelbare) Folge des Arbeitsunfalls vom 5. November 1985 festzustellen,
- 3.
die Beklagte zu verurteilen, ihm Verletztenrente zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Hannover vom 15. März 2001 zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und hat die beratungsärztliche Stellungnahme des Chirurgen Dr. D. vom 6. August 2001 vorgelegt.
Der Senat hat die Schwerbehinderten-Akten des Klägers beim Versorgungsamt Hildesheim beigezogen und die ergänzende Stellungnahme des vom SG gehörten Sachverständigen Dr. E. vom 13. September 2002 eingeholt. Auf Anregung des Klägers (Schriftsatz vom 9. Oktober 2002) hat der Senat anschließend die Arztbriefe des Dr. F. vom 26. Januar 2001 und 22. Oktober 2002 beigezogen. Danach hat er den Antrag des Klägers, ihm auch für das Berufungsverfahren vor dem Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwalt G. beizuordnen, abgelehnt, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Urteils keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete. Eine restriktive Ventilationsstörung, die eine Ursache der Atemnot des Klägers sein könne, sei wahrscheinlich nicht wesentlich durch die Rippenserienfraktur (mit)verursacht. Zugleich ist der Kläger gebeten worden mitzuteilen, ob das Berufungsverfahren durchgeführt werden solle. Der Senat hat den Beteiligten die Absicht mitgeteilt, das Rechtsmittel durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zurückzuweisen. Ihnen ist Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden. Mit dem Schriftsatz vom 2. Dezember 2002 hat der Kläger mitgeteilt, dass das Berufungsverfahren durchgeführt werden solle. Auf den weiteren Schriftsatz vom 9. Dezember 2002 ist der Kläger darauf hingewiesen worden, dass der Senat an der beabsichtigten Verfahrensweise festhalte. Dazu hat der Kläger mit den Schriftsätzen vom 17. Dezember 2002 und 2. Januar 2003 Stellung genommen.
Dem Senat haben neben den Prozessakten und den beigezogenen Schwerbehinderten-Akten die Unfallakten der Beklagten vorgelegen. Sie sind Gegenstand der Beratung gewesen. Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
Gründe
II.
Die statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und damit zulässig. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Der Senat hält das Rechtsmittel einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Entscheidung konnte deshalb durch Beschluss ergehen (§ 153 Abs. 4 SGG).
Das SG hat die - hinsichtlich des Feststellungsantrags gemäß § 55 Abs. 1 Ziffer 3 SGG zulässige - Klage zu Recht abgewiesen. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, ihre die Zahlung von Verletztenrente ablehnenden Entscheidungen zurückzunehmen (§ 44 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch - SGB - X). Denn diese Entscheidungen sind nicht rechtswidrig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung von Verletztenrente (§§ 580 f. der auf den vorliegenden Sachverhalt noch anzuwendenden - vgl. Artikel 36 Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz, § 212 SGB VII - Reichsversicherungsordnung). Denn die Folgen des Arbeitsunfalls, den er am 5. November 1985 erlitt, sind folgenlos ausgeheilt (Urteil des erkennenden Senats vom 6. Juni 1996 in dem Rechtsstreit der Beteiligten zu dem Aktenzeichen L 6 U 22/95) und seine Atemnot kann nicht mit der im Recht der Gesetzlichen Unfallversicherung erforderlichen Wahrscheinlichkeit aus den vom SG genannten zutreffenden Gründen (S. 9 des Urteils vom 15. März 2001) auf diesen Unfall zurückgeführt werden. Zwar liegt nach den im Berufungsverfahren beigezogenen Arztbriefen des Dr. F. vom 26. Januar 2001 und 22. Oktober 2002 im Rahmen einer schweren kombinierten Lungenfunktionsstörung wohl auch eine restriktive Ventilationsstörung vor. Durch Rippenserienbrüche ist "prinzipiell eine atemmechanische Beeinträchtigung im Sinne einer Behinderung der Lungenentfaltung möglich - restriktive Ventilationsstörung" (Gutachten des Dr. C. vom 23. April 1999, S. 6) und Dr. F. sieht die Rippenserienbrüche als eine unter weiteren Ursachen. Gegen den erforderlichen wahrscheinlichen wesentlichen Zusammenhang einer restriktiven Komponente mit der am 5. November 1985 erlittenen Verletzung spricht jedoch schon, dass bis zur Untersuchung durch Dr. F., also über einen Zeitraum von mehr als 15 Jahren nach dem Unfall, diese Gesundheitsstörung nicht bestand. Darüber hinaus - und das ist entscheidend - ist nach den Ausführungen des Dr. F. wahrscheinlich wesentlich für die Atemnot die schwere kombinierte Lungenfunktionseinschränkung, das "extreme Übergewicht" und die "massive Herzverbreiterung". Ein wahrscheinlich wesentlicher Anteil einer restriktiven Komponente ist nicht zu erkennen, zumal die Einengung infolge der Rippenserienfraktur einen "gröberen Lungenfunktionsverlust" nicht erwarten lässt und deshalb eine "allenfalls untergeordnete Rolle" spielt (Gutachten des Dr. C. vom 23. April 1999, S. 4, 6).
Schließlich besteht kein Anlass, der Beweisanregung im Schriftsatz vom 17. Dezember 2002 nachzugehen und ein kardiologisches Gutachten einzuholen. Entscheidend ist, dass - wie ausgeführt - ein wesentlicher Anteil einer (mittelbar) unfallbedingten restriktiven Lungenfunktionseinschränkung an der Atemnot des Klägers nicht wahrscheinlich ist. Demgegenüber kommt es im Recht der Gesetzlichen Unfallversicherung grundsätzlich nicht darauf an, auf welcher unfallunabhängigen Ursache eine Gesundheitsstörung beruht. Im Übrigen sieht der Senat keinen Anhaltspunkt dafür, an der Bewertung des Dr. F., die im Wesentlichen mit den Ausführungen des Sachverständigen Dr. C. übereinstimmt, zu zweifeln. Entgegen der Auffassung der Berufung verfügt Dr. F. als Internist und Arzt für Lungen- und Bronchialheilkunde auch über die erforderliche Kompetenz für die Beantwortung der entscheidungserheblichen Frage, welche Faktoren wahrscheinlich wesentlich für die Atemnot des Klägers sind.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Ein gesetzlicher Grund zur Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegt nicht vor.