Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 21.01.2003, Az.: L 9 U 277/01
Anerkennung und Entschädigung einer Lendenwirbelerkrankung als Berufskrankheit; Erkrankung der Lendenwirbelsäule bei extremer Rumpfbeugehaltung; Positiv-/Negativkriterien für eine Wahrscheinlichkeit einer beruflichen Verursachung einer Erkrankung
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 21.01.2003
- Aktenzeichen
- L 9 U 277/01
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 21112
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2003:0121.L9U277.01.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Osnabrück - 11.05.2001 - AZ: S 5 U 331/99 WA
Rechtsgrundlagen
- Nr. 2108 der Anlage zur BKVO
- § 551 Abs. 1 S. 2 RVO
Redaktioneller Leitsatz
Dass langjähriges Heben und Tragen zu einem statistisch signifikant vermehrten Auftreten der von der BK Nr. 2108 erfassten bandscheibenbedingten Erkrankungen der Lendenwirbelsäule führt, begründet nicht auch eine Vermutung dafür, dass bei Versicherten, die langjährig schwer gehoben oder getragen haben und deshalb die arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK 2108 erfüllen, eine im Einzelfall vorliegende bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule alleinursächlich oder wesentlich mitursächlich auf die versicherte Tätigkeit zurückzuführen ist.
Tenor:
Die Berufung wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der im September 1951 geborene Berufungskläger begehrt die Anerkennung und Entschädigung einer Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2108 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKVO) (bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule - LWS -).
Der Berufungskläger erlernte von April 1967 bis März 1970 den Beruf des Bäckers, den er anschließend, lediglich unterbrochen durch seinen Wehrdienst, bis Juni 1976 in abhängiger Beschäftigung ausübte. Seit Juli 1976 ist der Berufungskläger bis zur Aufgabe der Tätigkeit im März 1993 als Bäckermeister selbstständig gewesen.
Mit formlosem Antrag vom 22. Juni 1993, den er am 20. Juli 1993 auf dem dafür vorgesehenen Formblatt wiederholte, beantrage der Berufungskläger bei der Berufungsbeklagten Leistungen wegen einer Einschränkung seiner Erwerbsfähigkeit durch langjähriges schweres Heben und Tragen. Hierzu stützte er sich auf einen Arztbrief des behandelnden Orthopäden Dr. D. vom 1. März 1993, der über ein chronisch-degeneratives HWS- und LWS-Syndrom bei Zustand nach Morbus Scheuermann und erheblicher Fehlstatik der Wirbelsäule berichtete. Zum Umfang seiner beruflichen Belastungen trug der Berufungskläger vor, er habe als Bäcker 50 Kg schwere Säcke ausschütten und mit großen Teigmengen hantieren müssen. Dies sei zum Teil in starker Rumpf-Beuge-Haltung geschehen.
Die Berufungsbeklagte holte Befundberichte des Dr. D. vom 26. Juli 1993 sowie des Hausarztes Dr. E. vom 8. September 1993 ein, in denen über eine Zunahme der degenerativen Veränderungen bei BWS-Kyphose und Steilstellung der LWS berichtet wurde. Daneben zog die Berufungsbeklagte den Entlassungsbericht der Kurklinik Weserbergland II vom 16. November 1993 bei, forderte den Bericht ihres Technischen Aufsichtsdienstes (TAD) vom 13. Dezember 1993 an und ließ das fachchirurgische Gutachten des Prof. Dr. F. und des Dr. G. vom 9. November 1994 erstatten. Diese Ärzte stellten bei dem Berufungskläger degenerative Veränderungen der Bandscheiben mit maxima im unteren Bereich der HWS sowie im Übergangsbereich zwischen BWS und LWS bei fortgeschrittener Arthrose der Wirbelgelenke fest und führten diese Befunde unter Hinweis auf die schädigende Wirkung jeder permanenten Schwer- und Fehlbelastung auf die berufliche Tätigkeit des Berufungsklägers zurück.
Die Berufungsbeklagte holte hierzu die nach Aktenlage erstellte Stellungnahme des Dr. H. vom 17. März 1995 ein, der die überwiegende Wahrscheinlichkeit einer beruflichen Verursachung unter Hinweis auf die Lokalisation der Schäden und das Vorhandensein anlagebedingter Faktoren in Gestalt eines durchgemachten Morbus Scheuermann verneinte. Diesen Bedenken schloss sich der Gewerbearzt Dr. I. in seiner Stellungnahme vom 10. April 1995 an.
Mit Bescheid vom 18. April 1995 lehnte daraufhin die Berufungsbeklagte eine Anerkennung der Wirbelsäulenschäden als Berufskrankheit und die Erbringung von Leistungen ab. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 27. September 1995 zurück.
Am 26. Oktober 1995 ist Klage erhoben worden, zu deren Begründung sich der Berufungskläger die Ergebnisse der Begutachtung durch Prof. Dr. F. und Dr. G. zu Eigen gemacht hat.
Die Berufungsbeklagte hat im Verlauf des erstinstanzlichen Klageverfahrens die Berechnung ihres Technischen Aufsichtsdienstes vom 16. Juli 1996 beigebracht, nach der die beruflich bedingte Belastungsdosis des Berufungsklägers unter Zugrundelegung des Mainz-Dortmunder-Dosismodells (MDD) insgesamt 8,73 x 106 Nh betragen hat und damit hinter dem Richtwert für eine insgesamt rückenbelastende Tätigkeit in Höhe von 12,5 x 106 Nh zurückgeblieben ist.
Zur weiteren medizinischen Sachaufklärung hat das Sozialgericht (SG) das orthopädisch-chirurgische Fachgutachten des Dr. J. vom 5. Januar 1998 erstatten lassen und sodann - auf Antrag des Berufungsklägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) - das neurologische Fachgutachten des Dr. K. vom 4. August 1998 eingeholt. Während Dr. J. erneut darauf hingewiesen hat, dass beim Berufungskläger umformende Veränderungen der oberen LWS im Vordergrund stünden, während die beiden unteren Segmente der Wirbelsäule kaum betroffen seien, und dieser Befund als typische Folge auf den abgelaufenen Morbus Scheuermann zurückgeführt werden müsse, hat Dr. K. in seinem Gutachten Zweifel an einer erheblichen Scheuermann'schen Erkrankung geäußert und darauf hingewiesen, dass unter dessen fast die gesamte LWS betroffen sei; deshalb seien die beruflichen Belastungen als wesentliche Ursache der Erkrankung anzusehen.
Mit Urteil vom 11. Mai 2001 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass sich angesichts der vom TAD ermittelten Belastungswerte bereits die arbeitstechnischen Voraussetzungen einer BK 2108 der Anlage zur BKVO nicht feststellen ließen; dessen ungeachtet seien auch die medizinischen Voraussetzungen für die Annahme einer berufsbedingten LWS-Erkrankung nicht erfüllt. Insoweit sei dem schlüssig begründeten Gutachten des Dr.J. zu folgen, während das Gutachten des Dr. K. nicht überzeugen könne. Abgesehen davon, dass Dr. K. das Fehlen der arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK verkannt habe, habe er sich auch nicht in erforderlichem Umfang mit deren medizinischen Voraussetzungen auseinander gesetzt. Seine Ausführungen zu der Frage, ob und in welchem Umfang eine Scheuermann'sche Erkrankung die Beschwerden an der Wirbelsäule hervorgerufen haben könne, blieben allzu vordergründig.
Mit seiner am 9. Juli 2001 eingelegten Berufung verfolgt der Berufungskläger sein Begehren weiter. Er bemängelt, dass der TAD die seiner Belastungsberechnung zu Grunde gelegten Daten erst etwa 3 Jahre nach Aufgabe der Tätigkeit erhoben habe und gibt insoweit eine Schilderung der von ihm ausgeübten beruflichen Tätigkeiten.
Der Berufungskläger beantragt,
- 1.
das Urteil des Sozialgerichts Osnabrück vom 11. Mai 2001 sowie den Bescheid der Berufungsbeklagten vom 18. April 1995 in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 27. September 1995 aufzuheben,
- 2.
die Beklagte zu verurteilen, den Körperschaden im Bereich der Lendenwirbelsäule als Folge einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung festzustellen und dem Berufungskläger vom frühest möglichen Zeitpunkt an Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um wenigstens 20 v.H. zu gewähren.
Die Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Berufungsbeklagte hat die Gesamt-Belastungsdosis, der der Berufungskläger nach seiner Sachdarstellung ausgesetzt gewesen ist, durch den TAD unter dem 29. Juli 2002 neu berechnen lassen. Auch nach dieser Berechnung wird eine Gesamtbelastung von 12,5 x 106 Nh nach dem MDD nicht erreicht.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der Unfallakten der Berufungsbeklagten Bezug genommen, die beigezogen worden sind.
Entscheidungsgründe
Die zulässige, insbesondere rechtzeitig eingelegte Berufung ist nicht begründet. Der Berufungskläger hat keinen Anspruch darauf, dass die bei ihm im Bereich der Lendenwirbelsäule mit Schwerpunkt in deren oberen Segmenten im Übergangsbereich zur Brustwirbelsäule bestehenden Gesundheitsstörungen als Folge einer BK nach Nr. 2108 der Anlage zur BKVO festgestellt und von der Berufungsklägerin entschädigt werden.
Auf den Anspruch des Berufungsbeklagten finden vorliegend noch die Vorschriften der am 31. Dezember 1996 außer Kraft getretenen Reichsversicherungsordnung - RVO - Anwendung, da der Berufungsbeklagte seine Tätigkeit als Bäcker bereits vor diesem Zeitpunkt im September 1993 aufgegeben hat, sodass auch der Versicherungsfall der geltend gemachten BK nicht später eingetreten sein kann (§ 212 Sozialgesetzbuch, Siebtes Buch - SGB VII - ).
Nach § 551 Abs. 1 Satz 2 und 3 RVO (jetzt im Wesentlichen gleich lautend § 9 Abs. 1 SGB VII) sind Bken solche Erkrankungen, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Bken bezeichnet und die Versicherte in Folge der versicherten Tätigkeit erleiden. Zu den durch die BKVO zu Bken bestimmten Erkrankungen in diesem Sinne gehören nach Nr. 2108 der Anlage zur BKVO auch bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule, wenn sie durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rupfbeugehaltung entstanden sind und zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.
Obgleich es sich bei der Wirbelsäulenerkrankung, die bei dem Berufungsbeklagten im oberen Bereich der Lendenwirbelsäule vorliegt, um eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule handelt, ist diese hiernach nicht als BK anzuerkennen und zu entschädigen.
Für dieses Ergebnis kann im Ergebnis dahinstehen, ob der Berufungskläger während der Zeit seiner Berufstätigkeit als Bäcker im Sinne der Nummer 2108 der Anlage zur BKVO in ausreichender Weise langjährig schwere Lasten gehoben und getragen hat, sodass die arbeitstechnischen Voraussetzungen dieser BK vorliegen. Nach dem vom Bundesarbeitsministerium bekannt gegebenen Merkblatt zur BK 2108 (BarbBl. 3/93, S. 50) ist die Voraussetzung langjährigen schweren Hebens und Tragens in der Regel dann erfüllt, wenn über einen Zeitraum von wenigstens 10 Jahren in der Mehrzahl aller Arbeitsschichten mit gewisser Regelmäßigkeit und Häufung Gewichte von mindestens 25 kg (Männer von 18 bis 39 Jahren) bzw. 20 kg (Männer ab 40 Jahren) gehoben oder getragen worden sind. Die erforderliche Regelmäßigkeit der Belastung gilt dabei im Anschluss an die Rechtsprechung dann als erfüllt, wenn wenigstens ein Drittel der jeweiligen Arbeitsschicht mit den genannten Hebe- oder Tragevorgängen ausgefüllt war (vgl. im Einzelnen Mertens-Perlebach, Die Berufskrankheitenverordnung, M 2108, Ziff. IV mit weiteren Nachweisen). Diese allgemein gehaltenen Mindestanforderungen sind in der juristischen wie medizinischen Literatur kritisiert worden. Eingewandt worden ist vor allem, dass eine angemessene Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalles von den eher starren Vorgaben des Merkblattes nicht hinreichend unterstützt werde. Eine universell anwendbare Beurteilungsgrundlage für die arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK 2108 wird insoweit von dem sog. "Mainz - Dortmunder - Dosismodell" erwartet, das auch die Beklagte ihren Berechnungen zu Grunde gelegt hat. Indem es eine mathematische Beziehung zwischen der aus unterschiedlichen Lastgewichten, physiologischen Bewegungsvorgängen und der Häufigkeit der Belastung ermittelten Belastungsdosis und deren möglicher medizinischer Wirkung auf die LWS herstellt, soll es eine genauere Bewertung der tatsächlich entstandenen WS-Belastung ermöglichen. Der Senat hat in seiner bisherigen Rechtsprechung die Frage offen gelassen, ob bei der Beurteilung der arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK 2108 dem Mainz - Dortmunder - Dosismodell zu folgen ist. Hierfür ist auch von Bedeutung gewesen, dass der medizinische Diskussionsprozess über Einzelheiten der Berechnungsweise auch unter den Urhebern dieses Modells noch nicht abgeschlossen erscheint.
Auch der vorliegende Fall gebietet insoweit keine abschließende Stellungnahme des Senats. Hierfür ist zum einen von Bedeutung, dass der Berufungskläger weder nach den Maßstäben des Merkblattes des BMA zur BK 2108 noch unter Anwendung des Mainz - Dortmunder - Dosismodells die arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK 2108 nachweislich erfüllt hat. Denn es ist weder ersichtlich, dass der Berufungskläger die von ihm beschriebenen Hebe- und Tragevorgänge über mindestens ein Drittel einer Arbeitsschicht während der Mehrzahl seiner Arbeitstage hat vornehmen müssen, noch hat sich der Senat anhand der vom technischen Aufsichtsdienst (TAD) der Beklagten durchgeführten Berechnungen (Stellungnahmen vom 16. Juli 1996 und 29. Juli 2002) davon zu überzeugen vermocht, dass insoweit die Voraussetzungen langjährigen schweren Hebens und Tragens nach dem Mainz - Dortmunder - Dosismodell gegeben sind. Dies gilt unabhängig davon, ob im Hinblick auf die Anzahl und Belastungsintensität der im Tagesablauf angefallenen Handreichungen dem Ermittlungsergebnis des TAD oder der im Berufungsverfahren abgegebenen Gegendarstellung des Berufungsklägers zu folgen wäre; denn nach der ergänzenden Berechnung des TAD vom 29. Juli 2002 sind die arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK 2108 insoweit selbst dann nicht erfüllt, wenn den über die Annahmen des TAD hinausgehenden Angaben des Berufungsklägers gefolgt wird.
Unabhängig hiervon bedarf es aber auch deshalb keiner abschließenden Erörterung der arbeitstechnischen Voraussetzungen, weil es für eine stattgebende Entscheidung des Senats jedenfalls auch an den medizinischen Voraussetzungen der geltend gemachten BK mangelt. Der Berufungskläger hat den festgestellten Bandscheibenschaden aus medizinischer Sicht nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit in Folge seiner versicherten Tätigkeit erlitten. Die Möglichkeit, dass die beruflichen Belastungen die Wirbelsäulenerkrankung des Berufungsklägers wesentlich (mit) verursacht oder richtunggebend verschlimmert haben, ist nämlich nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme selbst bei Unterstellung des Vorliegens der arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht wahrscheinlicher als die Möglichkeit, dass eine solche wesentliche Mitverursachung oder richtunggebende Verschlimmerung nicht stattgefunden hat.
Soweit der 6. Senat des erkennenden Gerichts Zweifel daran geäußert hat, ob der medizinische Kenntnisstand über die Entstehung bandscheibenbedingter Erkrankungen der Lendenwirbelsäule im Falle der BK 2108 überhaupt bereits deren Einführung als BK erlaubt habe (LSG Celle, Urteil vom 5. Februar 1998 - Az: L 6 U 178/97), sind diese durch Urteil des Bundessozialgerichts vom 23. März 1999 ausgeräumt worden (BSG, Urteil vom 23. März 1999 Az.: B 2U 12/98 R, SozR 3-2200 § 551 Nr. 12). Danach ist in der medizinischen Wissenschaft in einer für die Einführung der BK 2108 hinreichenden Weise belegt, dass langjähriges Heben und Tragen zu einem statistisch signifikant vermehrten Auftreten der von der BK Nr. 2108 erfassten bandscheibenbedingten Erkrankungen der Lendenwirbelsäule führt. Diese epidemiologische Erkenntnis begründet indessen nicht auch eine Vermutung dafür, dass bei Versicherten, die langjährig schwer gehoben oder getragen haben und deshalb die arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK 2108 erfüllen, eine im Einzelfall vorliegende bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule alleinursächlich oder wesentlich mitursächlich auf die versicherte Tätigkeit zurückzuführen ist (so ausdrücklich BSG, Urteil vom 18. November 1997 - Az.: 2 RU 48/96 - SGb 1999, 39-41, vgl. auch Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 6. Auflage 1998, Seite 527 unter 8.3.5.5 mit Hinweis auf die Begründung der Bundesregierung). Eine solche indizielle Bedeutung kann dem langjährigen Heben und Tragen schwerer Lasten bereits deshalb nicht zugemessen werden, weil es nach gesicherter, medizinischer Erkenntnis in einer Vielzahl von Fällen ohne die Folge einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule bleibt (vgl. Merkblatt des BMA zur BK 2108, a.a.O. unter IV). Zur Beurteilung im Rechtssinne bedarf es daher eines über die Erfüllung der arbeitstechnischen Voraussetzungen hinausreichenden Nachweises überwiegender Wahrscheinlichkeit der Verursachung in konkreten Einzelfall. Er kann aus Gründen der Logik nicht bereits dadurch erbracht werden, dass Umstände, die gegen eine Verursachung sprechen oder diese gar schlechthin ausschließen, nicht vorliegen. Denn das bloße Fehlen solcher "Negativ-Kriterien" kann die Verursachung immer nur im Sinne einer neutralen Beweislage möglich, nicht aber überwiegend wahrscheinlich machen. Hierzu bedarf es vielmehr des Vorliegens von Gesichtspunkten, die in Abgrenzung zu anderen möglichen Schadensursachen, wie insbesondere schicksalhaft degenerativen Prozessen, für eine Verursachung gerade durch die langjährig rückenbelastende Tätigkeit sprechen und in diesem Sinne als "Positiv-Kriterien" bei der gebotenen Gesamtwürdigung die etwa vorliegenden "Negativ-Kriterien" überwiegen (vgl. BSG; Urteil vom 18. November 1997 a.a.O.). Hierfür kommen aus bisher herrschender medizinischer Sicht vor allem ein zumindest ursachenkonformes Schadensbild im Sinne einer Schadenkonzentration auf die unteren Wirbelsäulensegmente und dessen ursachenkonforme zeitliche Entstehung im Sinne einer gegenüber dem Altersdurchschnitt vorauseilenden Schadensausbildung in Betracht (vgl. m.w.N. auch zu den im Einzelnen divergierenden medizinischen Auffassungen Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., Seite 536 f unter 8.3.5.5.4).
Im Falle des Berufungsklägers vermag der Senat ein Überwiegen derjenigen Gesichtspunkte, die für eine berufliche Verursachung des primär im oberen Bereich der Lendenwirbelsäule bestehenden Wirbelsäulenleidens sprechen ("Positiv-Kriterien"), gegenüber den gegen eine solche Verursachung sprechenden Gesichtspunkten ("Negativ-Kriterien") nicht festzustellen. Dabei mag allerdings zu Gunsten des Berufungsklägers davon auszugehen sein, dass wesentliche Fehlbildungen der Wirbelsäule als konkurrierende Ursachen für die Entstehung der bandscheibenbedingten Erkrankungen nicht verantwortlich zu machen sind. Soweit in diesem Zusammenhang die Sachverständigen Dr. H. (Gutachten vom 17. März 1995) und Dr. J. (Gutachten vom 5. Januar 1998) die Wahrscheinlichkeit einer beruflichen Verursachung auch deshalb verneint haben, weil bei dem Berufungskläger Anzeichen eines im jugendlichen Alter abgelaufenen Morbus Scheuermann mit nachfolgender Fehlstellung zu erkennen gewesen sind, misst der Senat diesem Gesichtspunkt keine wesentliche Bedeutung mehr bei, nachdem der Gutachter Dr. K. in seinem auf Antrag des Berufungsklägers erstatteten Gutachten vom 4. August 1998 deutliche Zweifel am Befund einer erheblichen Scheuermann'schen Erkrankung geäußert hat.
Auch wenn aber hiernach wesentliche konkurrierende Ursachen in Gestalt vorhandener Fehlbildungen der Wirbelsäule im Falle des Berufungsklägers nicht in Betracht zu ziehen sein mögen, vermag der Senat gleichwohl die bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule des Berufungsbeklagten nicht mir überwiegender Wahrscheinlichkeit auf dessen berufliche Belastungen zurückzuführen. Bei der insoweit erforderlichen Abgrenzung gegenüber einer allein durch degenerative Vorgänge gekennzeichneten Entstehung sind insbesondere im Hinblick auf das vollständig atypische Schadensbild wesentliche Gesichtspunkte für eine berufliche Verursachung nicht zu erkennen. Der Senat folgt insoweit den Erwägungen, die Dr. H. und Dr.J. in ihren Gutachten vom 17. März 1995 und 5. Januar 1998 angestellt haben. Beide Gutachter haben für den Senat überzeugend hervorgehoben, dass sich die bandscheibenbedingte Erkrankung des Berufungsklägers bis zum Untersuchungszeitpunkt auf den Übergangsbereich zwischen Brustwirbelsäule und Lendenwirbelsäule konzentriert habe, während namentlich in den beiden untersten Segmenten der Lendenwirbelsäule (L4/5 und L5/S1) jedenfalls bis zum Zeitpunkt der Aufgabe der angeschuldigten Berufstätigkeit im Jahre 1993 keine wesentlichen Veränderungen feststellbar gewesen sind. Der beim Berufungskläger eingetretene Schaden ist hiernach durch die Besonderheit gekennzeichnet, dass im Bereich der Lendenwirbelsäule ein von oben nach unten hin abnehmendes Schadensbild bei weitestgehend fehlender Betroffenheit der unteren Wirbelsäulensegmente bestanden hat. Die gegen diese Diagnose von Dr. K. erhobenen Bedenken schlagen nicht durch; denn sie beziehen sich ausdrücklich auf einen erst mehrere Jahre nach Aufgabe der angeschuldigten Tätigkeit entstandenen Befund.
Soweit der Auffassung der Gutachter Dr. Obermayer und Dr. Fritz die grundsätzliche Überlegung zu Grunde liegt, dass die Belastung der menschlichen Wirbelsäule durch schweres Heben und Tragen von oben nach unten hin graduell zunimmt und deshalb einerseits der Schwerpunkt eines durch schweres Heben und Tragen verursachten Schadens im Bereich der Lendenwirbelsäule zu erwarten ist, sich dort aber jedenfalls im Sinne belastungsinduzierter Reaktionen auf mehrere Segmente erstrecken sollte, hält der Senat diese Auffassung ohne weiteres für einleuchtend, weil bei Hebe- und Tragevorgängen mit mehr oder weniger gebeugtem Oberkörper das getragene Gewicht mit einem um so größeren Hebel auf die Wirbelsäule einwirkt, je größer die Strecke zwischen dem jeweiligen Wirbelsäulensegment und der die Traglast aufnehmenden Schulter wird. Im Übrigen hat ohnehin jedes tiefer gelegene Wirbelsäulensegment ein höheres anteiliges Körpergewicht zu tragen als das jeweils darüber liegende. Der Senat stimmt deshalb mit der Schlussfolgerung der Gutachter überein, dass bei einer belastungsbedingten, durch schweres Heben und Tragen verursachten bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule am ehesten ein Schadensmuster zu erwarten ist, dessen Ausmaß ebenfalls von oben nach unten hin zunimmt, ohne allerdings in benachbarten Wirbelsäulensegmenten vollständig voneinander abzuweichen. In diesem Sinne spricht es im Übrigen auch entscheidend gegen die berufliche Verursachung des Wirbelsäulenschadens, dass beim Berufungskläger auch im Bereich der Halswirbelsäule gravierende bandscheibenbedingte Schädigungen vorhanden sind, während die Brustwirbelsäule erst wieder im Übergangsbereich zur betroffenen Lendenwirbelsäule stärkere Schädigungen aufweist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Ein Grund, gemäß § 160 Abs. 2 SGG, die Revision zuzulassen besteht nicht.