Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 09.03.2009, Az.: 9 Sa 270/08 E
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 09.03.2009
- Aktenzeichen
- 9 Sa 270/08 E
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2009, 21794
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:2009:0309.9SA270.08E.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- ArbG Göttingen, 4 Ca 381/07 E vom 16.01.2008
Fundstellen
- NZA-RR 2009, 436-440
- ZTR 2009, 317-318
Amtlicher Leitsatz
Die Übertragung durch den Arbeitgeber isd § 12 TV-Ärzte muss grob durch den Arbeitgeber selbst oder durch eine mit Personalbefugnissen ausgestaltete Stelle erfolgen. Vor dem Inkrafttreten des TV-Ärzte erfolgte Übertragungen sind bei der Eingruppierung und Stufenbindung gemäß § 5 TVÜ und § 16 Abs. 2 TV-Ärzte auch ohne Übertragung des Arbeitgebers zu berücksichtigen.
2. Zu den Begriffen "Teilbereich" und "medizinische Verantwortung" isd § 12 TV-Ärzte, Entgeltgruppe Ä3.
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Göttingen vom 16.01.2008 - 4 Ca 381/07 E - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Eingruppierung des Klägers als Oberarzt.
Die Beklagte ist eine Hochschule in Trägerschaft einer rechtsfähigen Stiftung des öffentlichen Rechts im Sinne des Niedersächsischen Hochschulgesetzes.
Der Kläger ist seit dem 01.08.2003 in der Abteilung diagnostische Radiologie bei der Beklagten beschäftigt. Er ist Facharzt für Radiologie und Facharzt für Kinderheilkunde. In seinem Arbeitsvertrag war zunächst die Geltung des BAT in Bezug genommen. Mit dem Inkrafttreten des Tarifvertrages für Ärztinnen und Ärzte an Universitätskliniken vom 30.10.2006 am 01.11.2006 findet der TV-Ärzte Kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme Anwendung auf das Arbeitsverhältnis der Parteien.
Zwischen dem Marburger Bund und der Tarifgemeinschaft deutscher Länder wurde am 30.10.2006 der Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte an Universitätskliniken (im Folgenden TV-Ärzte) vereinbart. Die maßgeblichen Vorschriften lauten:
"§ 12 Eingruppierung
Ärzte sind entsprechend ihrer nicht nur vorübergehend und zeitlich mindestens zur Hälfte auszuübenden Tätigkeit wie folgt eingruppiert:
Entgeltgruppe Ä1: Ärztin/Arzt mit entsprechender Tätigkeit.
Entgeltgruppe Ä2: Fachärztin/Facharzt mit entsprechender Tätigkeit
Engeltgruppe Ä3: Oberärztin/Oberarzt
Oberarzt ist derjenige Arzt, dem die medizinische Verantwortung für Teil- oder Funktionsbereiche der Klinik bzw. Abteilung vom Arbeitgeber übertragen worden ist.
Oberarzt ist ferner der Facharzt in einer durch den Arbeitgeber übertragenen Spezialfunktion für die dieser eine erfolgreich abgeschlossene Schwerpunkt- oder Zusatzweiterbildung nach der Weiterbildungsordnung fordert.
Ä4 Fachärztin/Facharzt
der/dem die ständige Vertretung des leitenden Arztes (Chefarzt) vom Arbeitgeber übertragen worden ist.
(Protokollerklärung: Ständiger Vertreter ist nur der Arzt, der den leitenden Arzt in der Gesamtheit seiner Dienstaufgaben vertritt. Das Tätigkeitsmerkmal kann daher innerhalb einer Klinik nur von einer Ärztin/Arzt erfüllt werden.)",
"§ 16 Stufen der Entgelttabelle
(1) Die Entgeltgruppe Ä1 umfasst fünf Stufen; die Entgeltgruppen Ä2 bis Ä4 umfassen drei Stufen. Die Ärzte erreichen die jeweils nächste Stufen nach den Zeiten ärztlicher (Ä1), fachärztlicher (Ä2), oberärztlicher (Ä3) Tätigkeit bzw. der Tätigkeit als selbständiger Vertreter des leitenden Arztes (Chefarztes) die in den Tabellen (Anlagen A und B) angegeben sind.
(2) Für die Anrechnung von Vorzeiten ärztlicher Tätigkeit gilt Folgendes: Bei der Stufenzuordnung werden Zeiten mit einschlägiger Berufserfahrung als förderliche Zeiten berücksichtigt. Zeiten von Berufserfahrung aus nichtärztlicher Tätigkeit können berücksichtigt werden.
(3) ...
(4) ... ."
Des weiteren vereinbarten der Marburger Bund und die Tarifgemeinschaft deutscher Länder am 30.10.2006 den Tarifvertrag zur Überleitung der Ärztinnen und Ärzte an Universitätskliniken (TVÜ-Ärzte). § 4 des TVÜ-Ärzte ("Eingruppierung") bestimmt, dass für die Eingruppierung der Ärzte ab 1. November 2006 die Entgeltordnung gemäß § 12 TV-Ärzte gilt.
In der Niederschriftserklärung der Tarifvertragsparteien zu § 4 TVÜ-Ärzte heißt es:
"Die Tarifvertragsparteien gehen davon aus, dass Ärzte , die am 31.10.2006 die Bezeichnung "Oberärztin/Oberarzt" führen, ohne die Voraussetzungen für eine Eingruppierung als Oberärztin bzw. Oberarzt nach § 12 TV-Ärzte zu erfüllen, die Berechtigung zur Führung ihrer bisherigen Bezeichnung nicht verlieren. Eine Eingruppierung nach Entgeltgruppe E 3 ist hiermit nicht verbunden. Die Tarifvertragsparteien werden im Frühjahr 2007 auf Verlangen des Marburger Bundes gemeinsam die ordnungsgemäße Überleitung in den TV-Ärzte prüfen.
..."
In § 5 ist zur Stufenzuordnung der Ärzte geregelt:
"Die Ärzte werden derjenigen Stufe der Entgeltgruppe (§ 12 TV Ärzte) zugeordnet, die sie erreicht hätten, wenn die Entgelttabelle für Ärztinnen und Ärzte bereits seit Beginn ihrer Zugehörigkeit zu der für sie maßgebenden Entgeltgruppe gegolten hätte. Für die Stufenfindung bei der Überleitung zählen die Zeiten im jetzigen Arbeitsverhältnis zu dem selben Arbeitgeber. Für die Berücksichtigung von Vorzeiten ärztlicher Tätigkeit bei der Stufenfindung gilt § 16 Abs. 2 TV-Ärzte."
Der Kläger war seit dem Jahre 2005 nach BAT I a vergütet worden. Nach Inkrafttreten des TV-Ärzte zum 01.11.2006 übertrug die Beklagte dem Kläger durch den Geschäftsbereich Personal mit Schreiben vom 14.12.2006 die Tätigkeit eines Oberarztes in der Abteilung diagnostische Radiologie, wobei die oberärztliche Tätigkeit die medizinische Verantwortung für den Teilbereich Kinderradiologie umfasst. Der Kläger erhält seit dem Vergütung nach Entgeltgruppe Ä3 Stufe 1.
Dem Kläger oblag bereits seit dem 01.01.2004 die eigenverantwortliche Leitung "Kinderröntgen". Die Übertragung der eigenverantwortlichen Leitung des Teilbereiches der Kinderradiologie war auf Grund der dem Abteilungsdirektor zustehenden Organisationshoheit erfolgt. Eine Übertragung durch eine für Personalangelegenheiten zuständige Stelle der Beklagten war zu diesem Zeitpunkt nicht vorgenommen. Die Beklagte überlies vor Inkrafttreten des TV-Ärzte die Übertragung entsprechender Funktionen den Abteilungsdirektoren, die ihrerseits nicht mit Personalbefugnissen ausgestattet waren. Die Beklagte ist lediglich dann tätig geworden, wenn aus ihrer Sicht der zuständige Abteilungsdirektor seiner Organisationshoheit nicht nachgekommen ist.
Dem Kläger sind ein bis zwei medizinisch-technische Angestellte sowie ein ärztlicher Mitarbeiter aus dem Bereich Kinderheilkunde unterstellt. Der Abteilungsdirektor unterzeichnet die hausinternen Befunde nicht. Diese unterzeichnet der Kläger allein. Die Befunde, die nach außen gehen, werden von dem Abteilungsdirektor und dem Kläger unterzeichnet. Die Entscheidung über den Befund und die weitere Vorgehensweise trifft der Kläger eigenständig.
Unter anderem mit Schreiben vom 18.12.2006 verlangte der Kläger Vergütung ab 01.01.2007 nach Entgeltgruppe Ä3 Stufe 2 ("ab dem 4. Jahr").
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass er seit 01.01.2007 in Entgeltgruppe Ä3 Stufe 2 einzugruppieren sei, weil seine gleichgelagerte Tätigkeit und Funktion seit dem 01.01.2004 in der Kinderradiologie zu berücksichtigen sei. Die Beklagte müsse sich die frühere Tätigkeitszuweisung dieses Aufgabenbereiches durch den Abteilungsdirektor zurechnen lassen.
Der Kläger hat den Antrag gestellt,
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger ab dem 01.01.2007 Vergütung nach Entgeltgruppe Ä3 Stufe 2 des TV-Ärzte zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat sich auf den Rechtsstandpunkt gestellt, dass die für die Vergütung nach Entgeltgruppe Ä3 erforderliche Übertragung der medizinischen Verantwortung für Teil- oder Funktionsbereiche der Klinik bzw. Abteilungen durch den Arbeitgeber erst mit Schreiben vom 14.12.2006 erfolgt sei. Die frühere Übertragung durch den Abteilungsdirektor sei nicht eingruppierungsrelevant, weil dieser nicht mit Personalbefugnissen ausgestattet sei. Mit dem Inkrafttreten des TV-Ärzte am 01.11.2006 sei Voraussetzung für die entsprechende Eingruppierung die Übertragung durch den Arbeitgeber.
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 16.01.2008 der Klage stattgegeben. Das Arbeitsgericht hat hierzu ausgeführt, dass eine Übertragung durch den Arbeitgeber im Sinne des § 12 TV-Ärzte auch dann vorliege, wenn die Übertragungsbefugnis auf den Abteilungsdirektor delegiert werde. Diese Voraussetzung sei erfüllt, weil die Beklagte die entsprechende Organisationshoheit eingeräumt habe. Im Übrigen ergebe sich aus § 5 Satz 3 TVÜ-Ärzte in Verbindung mit § 16 Abs. 2 Satz 1 TV-Ärzte, dass die früheren Zeiten, in denen eine identische oder gleichartige Tätigkeit ausgeübt wurde, bei der Stufenfindung zu berücksichtigen seien.
Gegen das der Beklagten am 22.01.2008 zugestellte Urteil legte diese mit am 18.02.2008 eingegangenem Schriftsatz vom 14.02.2008 Berufung ein. Die Berufung wurde mit am 25.03.2008 eingegangenem Fax-Schriftsatz vom 25.03.2008 begründet.
Mit der Berufung wiederholt und vertieft die Beklagte ihre Rechtsauffassungen. Sie verweist u. a. darauf, dass der TV-Ärzte verhindern wolle, dass ohne Einfluss des Personalwesens Ärzte durch Chefärzte "schleichend" zu Oberärzten ernannt würden. Sie verweist hierzu auf die Stellungnahme der TdL vom 07.08.2007. Das Merkmal der Übertragung durch den Arbeitgeber sei nur erfüllt, wenn entweder der Arbeitgeber selbst durch sein gesetzliches Vertretungsorgan oder eine mit Vollmacht ausgestattete zuständige Stelle tätig werde. Das sei bei den Abteilungsdirektoren nicht der Fall. Dementsprechend sei mit Inkrafttreten des TV-Ärzte eine entsprechende Organisationsverfügung durch den Arbeitgeber nachzuholen mit der Folge, dass die Übertragung erst mit diesem Zeitpunkt eingruppierungsrelevant werde. In die Überleitungsvorschrift des § 5 TVÜ-Ärzte i. V. m. § 16 Abs. 2 TV-Ärzte sei zwingend hineinzulesen, dass auch hier eine Übertragung durch den Arbeitgeber erfolgt sein müsse.
Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Göttingen vom 16.01.2008 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil nach Maßgabe seiner Berufungserwiderung. Er verweist auf den nach seiner Auffassung eindeutigen Wortlaut der § 5 TVÜ-Ärzte i. V. m. § 16 TV-Ärzte, der eine Übertragung durch den Arbeitgeber für die Zeit vor dem 01.11.2006 nicht verlange. Maßgeblich sei, dass dem Kläger bereits vor Inkrafttreten des TV-Ärzte ausdrücklich die von ihm seit 01.01.2004 ausgeübte Tätigkeit übertragen worden sei, nämlich durch den Abteilungsdirektor.
Entscheidungsgründe
I.
Die Berufung ist zulässig, insbesondere ist sie statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt (§§ 64, 66 ArbGG, §§ 519, 520 Abs. 3 ZPO). Sie genügt auch den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Nr. 2 ZPO. Danach hat die Berufungsbegründung die Bezeichnung der Umstände zu enthalten, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt. Ist die Entscheidung hinsichtlich eines prozessualen Anspruchs auf zwei voneinander unabhängige selbstständig tragende rechtliche Erwägungen gestützt, muss die Berufungsbegründung geeignet sein, das Urteil insgesamt in Frage zu stellen. Sie hat deshalb für jede der Erwägungen darzulegen, warum sie die Entscheidung nicht trägt. Andernfalls ist das Rechtsmittel unzulässig (BGH vom 25.11.1999, III ZB 50/99, NJW 2000, 590; BAG vom 08.05.2008, 6 AZR 517/07, NZA 2008, 1148 = AP Nr. 40 zu § 620 BGB Aufhebungsvertrag, jew. Rn. 28). Da sich die Beklagte mit beiden rechtlichen Begründungen des arbeitsgerichtlichen Urteils in der Berufung auseinandersetzt, ist das Rechtsmittel zulässig.
II.
Die Berufung ist unbegründet. Der Kläger ist ab 01.01.2007 gemäß § 12 TV-Ärzte, §§ 5 TVÜ-Ärzte, 16 Abs. 2 Satz 2 TV-Ärzte in Entgeltgruppe Ä3 Stufe 2 eingruppiert.
1.
Die Klage ist als eine im öffentlichen Dienst anerkannte Eingruppierungsfeststellungsklage zulässig (vgl. BAG vom 12.03.2008, 4 AZR 67/07, ZTR 2008, 604; BAG vom 26.01.2005, 4 AZR 6/04 AP Nr. 302 zu §§ 22, 23 BAT 1975 = ZTR 2005, 640).
2.
Der TV-Ärzte findet zwischen den Parteien kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme Anwendung. Die Parteien hatten zunächst die Geltung des BAT in Bezug genommen. Dass nunmehr anstelle des BAT der TV-Ärzte Inhalt des Arbeitsverhältnisses geworden ist, ist zwischen den Parteien unstreitig. Da der Kläger überwiegend Aufgaben in der Patientenversorgung wahrnimmt, ist der tarifliche Geltungsbereich eröffnet (§ 1 Abs. 1 Satz 2 TV-Ärzte).
3.
Der Kläger hat die Eingruppierung innerhalb der sechsmonatigen Ausschlussfrist des § 37 TV-Ärzte geltend gemacht, so dass sein Anspruch nicht verfallen ist.
4.
Der Kläger erfüllt auch die Voraussetzungen für die Eingruppierung in Entgeltgruppe Ä3 Stufe 2 nach § 12 TV-Ärzte.
Im Rahmen der gebotenen Plausibilitätskontrolle des unstreitigen Sachvortrages der Parteien ist der Kläger in Entgeltgruppe Ä3 Stufe 2 gemäß § 12 TV-Ärzte, § 16 Abs. 1 TV-Ärzte einzugruppieren. Die Parteien können die unbestimmten Rechtsbegriffe des Tarifvertrages nicht unstreitig stellen. Sie können nur die Tatsachen unstreitig stellen, die zu der Beurteilung der Rechtsfragen führen. Bei unstreitigem Sachvortrag genügt aber eine pauschale Überprüfung der von den Parteien vorgenommenen Wertungen (vgl. BAG, Urteil vom 18.05.1994 - 4 AZR 461/93 -, AP Nr. 178 zu §§ 22, 23 BAT 1975 zu B II.2.a der Gründe mit weiteren Nachweisen). Die Eingruppierungsmerkmale sind Rechtsbegriffe, die von den Parteien durch Tatsachen auszufüllen sind. Dennoch sind an die Darlegungslast des für das Vorliegen der Eingruppierungsmerkmale darlegungspflichtigen Klägers geringere Anforderungen zu stellen, wenn die Gegenseite das Vorliegen der Eingruppierungsmerkmale nicht bestreitet. Das folgt bei der Beklagten grundsätzlich daraus, dass sie die Übertragung der medizinischen Verantwortung für die jeweiligen Teilbereiche nicht in Frage stellt und auch unstreitig stellt, dass sich der Aufgabenbereich des Klägers nicht verändert hat. Die Beklagte wendet sich ausdrücklich nur gegen das Vorliegen des tariflichen Merkmals der Übertragung durch den Arbeitgeber. Dennoch hat die Kammer das Vorliegen der Eingruppierungsmerkmale einer entsprechenden Plausibilitätskontrolle zu unterziehen, um sich ein Bild von der Berechtigung der Eingruppierung zu machen. Im Rahmen dieser gebotenen Plausibilitätskontrolle ist der Kläger seit 1.1.2004 medizinisch verantwortlich für den Funktionsbereich Kinderradiologie.
a)
Die vom Kläger auszuübende Tätigkeit ist nicht nur vorübergehend, sondern ständig auszuüben. Die Ausübung der Tätigkeit eines Oberarztes als medizinisch verantwortlicher für den Teilbereich Kinderradiologie umfasst auch mindestens 50 % der vom Kläger auszuübenden Tätigkeit. Dabei ist im Rahmen der gebotenen Plausibilitätskontrolle davon auszugehen, dass die Tätigkeiten eines Oberarztes mit medizinischer Verantwortung für einen Teil- oder Funktionsbereich einen Arbeitsvorgang im Sinne des § 12 TV-Ärzte bilden. Es wird der Begriff des Arbeitsvorganges zugrunde gelegt, wie er von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entwickelt worden ist, also eine unter Hinzurechnung der Zusammenhangstätigkeiten und bei Berücksichtigung einer sinnvollen, vernünftigen Verwaltungsübung nach tatsächlichen Gesichtspunkten abgrenzbaren und rechtlich selbständig zu bewertenden Arbeitseinheit der zu einem bestimmten Arbeitsergebnis führenden Tätigkeit (BAG vom 25.10.1995 - 4 AZR 479/94 - AP Nr. 207 zu §§ 22, 23 BAT 1975 = NZA 1996, 710ff. m.w.N.).
Auch aus dem Inhalt des vom Kläger überreichten Zwischenzeugnisses vom 20.02.2007 ergibt sich, dass der Kläger "in erster Linie" das so genannte Kinderröntgen betreut. Im Übrigen geht die Beklagte mit ihrem Übertragungsschreiben vom 14.12.2006 selbst davon aus, dass die Übertragung der Aufgabe der medizinischen Verantwortung für den Teilbereich Kinderradiologie zu der Eingruppierung in Entgeltgruppe Ä3 führt.
b)
Bei der Kinderradiologie oder dem Bereich "Kinderröntgen" handelt es sich um einen selbständigen Funktionsbereich innerhalb der Abteilung diagnostische Radiologie. Der Begriff des Funktionsbereiches wurde bereits in der Vergütungsgruppe 1 b Fallgruppe 10 der Anlage 1 a der Vergütungsordnung zum BAT verwandt. Die frühere Protokollnotiz Nr. 5 zum allgemeinen Teil der Anlage 1 a zum BAT verstand den Begriff des Funktionsbereiches als ein Spezialgebiet innerhalb eines ärztlichen Fachgebietes. Dabei musste es sich um ein wissenschaftlich anerkanntes Spezialgebiet handeln. Das war für den Bereich der Kinderradiologie bereits anerkannt (vgl. Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, BAT, Vergütungsordnung BL Allgemeiner Teil Erl. 41.2). Die Kinderradiologie ist ein Schwerpunkt i. S. v. § 2 der Weiterbildungsordnung der Ärztekammer Niedersachsen in der Fassung vom 01.06.2004. Auf Grund der unveränderten Übernahme des Begriffs Funktionsbereich durch die Tarifvertragsparteien ist davon auszugehen, dass dessen Inhalt unverändert übernommen werden sollte (vgl. Anton, ZTR 2008, 184/186) .
Der Funktionsbereich setzt weiter voraus, dass für das wissenschaftlich anerkannte Spezialgebiet im Krankenhaus eine deutliche Eigenständigkeit innerhalb der Fachabteilung vorhanden ist und der Arzt, dem die Leitung des Funktionsbereiches ausdrücklich übertragen worden ist, für die einschlägige ärztliche Tätigkeit ausschließlich zuständig ist und die ärztliche Verantwortung trägt (Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, a.a.O. Erl. 41.2). Der Funktionsbereich ist also ein eigenständiger Teil der Fachabteilung. Die bloße medizinische Betriebseinheit kann folglich kein Funktionsbereich sein.
Diese geforderte Eigenständigkeit liegt vor, weil die Kinderradiologie räumlich und personell abgrenzbar ist, wie die Parteien in der mündlichen Verhandlung erläutert haben. Auf die Größe der eigenständigen Einheit kommt es nicht an. Maßgeblich ist allein ihre Eigenständigkeit. Die Bezeichnung der Beklagten der Kinderradiologie als Teilbereich und nicht als Funktionsbereich ist ebenfalls nicht maßgeblich.
c)
Dem Kläger obliegt auch die medizinische Verantwortung für diesen Funktionsbereich.
aa)
Wann medizinische Verantwortung im Tarifsinne vorliegt, sagt § 12 TV-Ärzte nicht und ist daher durch Auslegung zu ermitteln. Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages folgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne an Buchstaben zu haften. Bei nicht eindeutigem Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann. Lässt dieser zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien für die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages, ggf. auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (BAG vom 26.01.2005, 4 AZR 6/04, AP Nr. 302 zu §§ 22, 23 BAT 1975 = ZTR 2005, 640 Rn. 39).
(1)
Nach dem Wortlaut des § 12 TV-Ärzte muss sich die medizinische Verantwortung des Oberarztes auf einen Teilbereich innerhalb der Abteilung oder Klinik beziehen. Das setzt voraus, dass dem Arzt die medizinische Verantwortung für die Behandlung und Versorgung aller in den Teil- oder Funktionsbereich aufgenommenen Patientinnen und Patienten übertragen wird. Damit bezieht sich der Begriff der medizinischen Verantwortung bereits dem Wortlaut nach auf einen größeren Bereich als das eigene ärztliche Handeln. Da die Verantwortung eine medizinische sein muss, ist die maßgebliche Verantwortung von anderer Verantwortung, z. B. für Verwaltungsaufgaben abgegrenzt.
(2)
Das ergibt sich auch aus der Systematik der verschiedenen Entgeltgruppen des § 12 TV-Ärzte. Diese stellen zwar keine aufeinander aufbauenden Vergütungsgruppen dar, ein Vergleich der Entgeltgruppen Ä1 und Ä2 mit Ä3 zeigt aber, dass sich die oberärztliche medizinische Verantwortung auf einen größeren Bereich als den der eigenen ärztlichen Tätigkeit beziehen muss. Dabei knüpft § 12 TV-Ärzte in der Entgeltgruppe Ä3 nicht an das Fachwissen des Oberarztes an, sondern an die medizinische Verantwortung. Daraus ist zu schließen, dass für das eigene ärztliche oder fachärztliche Handeln keine gegenüber den Entgeltgruppen Ä1 und Ä2 herausgehobene gesonderte Eingruppierung unabhängig von fachlicher Kompetenz und Zusatzqualifikationen vorgesehen ist. Das erhöhte Fachwissen durch den Erwerb des Facharztes honoriert bereits die Entgeltgruppe Ä2 gegenüber der Entgeltgruppe Ä1.
(3)
Nach dem Sinn und Zweck der Entgeltgruppe Ä3 kann unter medizinischen Verantwortung auch nicht die Gesamtverantwortung und Letztverantwortung des Abteilungsdirektors gemeint sein. Anderenfalls gäbe es keine Oberärzte in Kliniken oder Abteilungen. Da dem Oberarzt ein Aufgabengebiet aus dem in die Zuständigkeit des Abteilungsdirektors fallenden Verantwortungsbereich übertragen wird, muss die medizinische Verantwortung insoweit eine umfassende sein. Dem steht nicht entgegen, dass der Abteilungsdirektor bzw. Chefarzt in Einzelfällen eine Letztentscheidung vornimmt oder auch generell Rahmenvorgaben macht. Die so verstandene medizinische Verantwortung kann sich darin zeigen, dass dem Oberarzt verschiedene Fachärzte oder Assistenzärzte unterstellt sind, verbunden mit der Befugnis, streitige bzw. unklare Fragen abschließend zu entscheiden (vgl. auch LAG Düsseldorf vom 21.02.2008, 15 Sa 1617/07, zit. n. Juris Rn. 39 und vom 24.04.2008, 13 Sa 1910/07, zit. n. Juris Rn. 40 ff.; LAG München vom 14.08.2008, 3 Sa 410/08, zit. n. Juris Rn.35 und Rn. 42; Sächsisches LAG vom 04.06.2008, 9 Sa 658/07, zit. n. Juris Rn. 50 ff.);
bb)
Mit der eigenverantwortlichen Leitung der Kinderradiologie trägt der Kläger ein Mehr an Verantwortung als es Fachärztinnen oder Fachärzten obliegt. Dem Kläger ist ein weiterer Arzt unterstellt und er verantwortet die Untersuchungsergebnisse sowie die weitere Vorgehensweise. Im Rahmen der gebotenen Plausibilitätskontrolle des Eingruppierungsmerkmals trägt der Kläger medizinische Verantwortung. Die Beklagte stellt das auch nicht in Abrede und zeigt letztendlich durch ihr Schreiben vom 14.12.2006, dass - bei unveränderten Aufgabenbereich des Klägers seit 01.01.2004 - die dem Kläger übertragene Verantwortung die Eingruppierung als Oberarzt rechtfertigt.
d)
Die Eingruppierung des Klägers in die Entgeltgruppe Ä3 Stufe 2 am 01.01.2007 scheitert auch nicht daran, das ihm die medizinische Verantwortung für die Kinderradiologie nicht schon vor Inkrafttreten des TV-Ärzte am 01.11.2006 durch den Arbeitgeber übertragen wurde, sondern durch den nicht mit Personalbefugnissen ausgestatteten Abteilungsdirektor.
aa)
Eine Übertragung durch den Arbeitgeber vor dem 01.11.2006 liegt nicht vor. Mit dem Merkmal der Übertragung durch den Arbeitgeber in § 12 TV-Ärzte bringen die Tarifvertragsparteien zum Ausdruck, dass nicht die Aufgabenübertragung als solche eine höhere Eingruppierung rechtfertigt. Die Eingruppierung muss vom Arbeitgeber aus erfolgen. Eine Übertragung von medizinischer Verantwortung für einen Teil- oder Funktionsbereich einer Abteilung oder Klinik ab 01.11.2006 muss daher von dem Arbeitgeber ausgehen. Arbeitgeber der Beklagten ist nach § 63 e Abs. 1 Satz 1 Niedersächsisches Hochschulgesetz (NHG) der Vorstand. Der Vorstand kann die personalrechtlichen Befugnisse auf eine andere zuständige Stelle mit entsprechenden Personalbefugnissen übertragen. Bereits im Geltungsbereich des BAT gab es einzelne Fallgruppen, die eine ausdrückliche Anordnung des Arbeitgebers verlangten, was dazu führte, dass das jeweils zuständige Organ des Arbeitgebers die Entscheidung und Übertragung vornehmen musste (vgl. z. B. BAG vom 25.10.1995 - 4 AZR 479/94, AP Nr. 207 zu §§ 22, 23 BAT 1975 = NZA 1976, 710). Die Abteilungsdirektoren der Beklagten erfüllen diese Voraussetzungen unstreitig nicht.
bb)
Die Übertragung der medizinischen Verantwortung durch den Abteilungsdirektor führt dennoch zur geltend gemachten Eingruppierung. Die Übertragung durch den Arbeitgeber ist inzwischen mit Schreiben vom 14.12.2006 erfolgt. Da die Voraussetzungen für die Eingruppierung des Klägers in die Entgeltgruppe Ä3 vorliegen, ist zunächst von einer Eingruppierung als Oberarzt auszugehen. Allerdings hat die Beklagte den Kläger der Stufe 1 zugeordnet. Nach der Anlage A 1 zur Entgelttabelle für Ärztinnen und Ärzte im Geltungsbereich des TV-Ärzte ist die Stufe 1 ab dem 1. Jahr, die Stufe 2 ab dem 4. Jahr, die Stufe 3 ab dem 7. Jahr oberärztlicher Tätigkeit erreicht (§ 16 Abs. 1 Satz 2 TV-Ärzte). Die Stufenzuordnung der Ärzte richtet sich nach § 5 TVÜ-Ärzte und § 16 TV-Ärzte. Ärzte, die bei Inkrafttreten des Tarifvertrages am 01.11.2006 bereits in dem Arbeitsverhältnis zu dem Arbeitgeber gestanden haben, werden bei der Eingruppierung so gestellt, als hätte auch der Tarifvertrag Ärzte schon vorher gegolten. Das ist der Regelungsgehalt von § 5 Satz 1 TVÜ-Ärzte. § 5 Satz 3 TVÜ-Ärzte bestimmt darüber hinaus, dass bei der Stufenfindung Vorzeiten ärztlicher Tätigkeiten nach § 16 Abs. 2 TV-Ärzte zu berücksichtigen sind. Daraus folgt zunächst, dass auch bei der Eingruppierung mit Inkrafttreten des TV-Ärzte Oberärzte beschäftigt werden können, die bereits der Stufe 2 oder 3 zuzuordnen sind. Erforderlich ist lediglich, dass der Beginn der Zugehörigkeit des Arztes zur Entgeltgruppe Ä3 vor dem 01.11.2006 festgestellt werden kann ( Breier/Dassau/Kiefer/Thivesse, TV-L § 5 TVÜ-Ärzte Rn. 4; Sponer/Steinherr, TV L, § 5 TVÜ-Ärzte Erl. 4.1.). Dass der Kläger förderliche Zeiten im Sinne des § 16 Abs. 2 Satz 1 TV-Ärzte seit dem 01.01.2004 erbracht hat, die anzurechnen sind, ist zwischen den Parteien nicht streitig. Es ist unstreitig, dass der Aufgabenbereich des Klägers seit diesem Zeitpunkt unverändert geblieben ist. Es handelt sich um die identische Tätigkeit des Klägers und damit um eine förderliche Zeit.
cc)
Entgegen der Auffassung der Berufung ist in § 5 Satz 3 TVÜ-Ärzte i. V. m. § 16 Abs. 2 Satz 1 TV-Ärzte auch nicht das Merkmal der Übertragung durch den Arbeitgeber hineinzulesen. Auch insoweit ist der normative Teil des Tarifvertrages entsprechend der genannten genannte Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auszulegen.
(1)
Der Wortlaut der Tarifnormen verlangt eine Übertragung der medizinischen Verantwortung für Teilbereiche durch den Arbeitgeber für die Anrechnung frühere Zeiten ärztlicher Tätigkeit nicht. Da §§ 5 TVÜ, 16 TV-Ärzte anders als § 12 TV-Ärzte auch die Stufenzuordnung und nicht die Eingruppierung regeln, liegt es auch nicht unbedingt nahe, dass Merkmal Übertragung durch den Arbeitgeber für die Auslegung des § 16 Abs. 2 Satz 1 TV-Ärzte heranzuziehen.
(2)
Auch nach dem Sinn und Zweck des Tarifvertrages gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass für die Zeit vor dem Inkrafttreten des TV-Ärzte eine Übertragung durch den Arbeitgeber erforderlich war. Dies entspricht der Eingruppierungssituation im Geltungsbereich des BAT, der eine Eingruppierung als Oberarzt nicht kannte und für die Übertragung eines medizinischen Verantwortungsbereiches grundsätzlich nicht relevant war. Folgerichtig hat sich die Beklagte in der Vergangenheit in die Übertragung medizinischer Verantwortung durch die Abteilungsdirektoren in der Regel nicht eingemischt. Die Niederschriftserklärung der Tarifvertragsparteien zu § 4 TVÜ-Ärzte spricht wiederum eher dafür, dass die Tarifvertragsparteien davon ausgegangen sind, dass auch in der Vergangenheit nicht nur so genannte Titularoberärzte beschäftigt waren, sondern auch Oberärzte, denen tatsächlich medizinische Verantwortung übertragen war. Die Bezeichnung eines Arztes als "Oberärztin/Oberarzt" sollte weder dazu führen, dass automatisch eine Eingruppierung in Ä3 vorzunehmen war, noch schließt sie aus, dass auch Oberärzte im Sinne des jetzigen § 12 TV-Ärzte Entgeltgruppe Ä3 vor Inkrafttreten dieses Tarifvertrages beschäftigt waren. Angesichts dieser tatsächlichen Ausgangslage, dass in der Vergangenheit in den Kliniken eine Übertragung von medizinischen Verantwortungen für Teil- und Funktionsbereiche durch den Arbeitgeber nicht stattgefunden hat, hätte es vielmehr nahegelegen, dass die Tarifvertragsparteien bei der Überleitungsvorschrift für die Stufenfindung auch bei der Berücksichtigung vergangener Zeiten ausdrücklich angeordnet hätten, dass die Übertragung durch den Arbeitgeber erfolgen musste. Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Ableistung früherer förderlicher Zeiten durch den Arbeitgeber sozusagen formal (rückwirkend oder ab sofort?) bestätigt werden sollte. Wäre dies der Fall, hätte es per 01.11.2006 in keiner Klinik einen Oberarzt im Tarifsinne gegeben. Jede Übertragung durch den Arbeitgeber hätte zwangsläufig nur zur Eingruppierung in Ä3 Stufe 1, nicht aber in eine höhere Stufe geführt. Dass die Tarifvertragsparteien das wollten, ergibt sich nicht. Es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Tarifvertragsparteien die vorhandenen Strukturen und Verantwortungsbereiche in den Kliniken neu geordnet haben wollten und dem Arbeitgeber die Möglichkeit geben wollten, durch Übertragungen ab 01.11.2006 diese Strukturen zu verändern. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Tarifvertragsparteien die vorhandenen Strukturen mit der zutreffenden Eingruppierung behandeln wollten.
(3)
Dieser Auslegung steht nicht entgegen, dass der Tarifvertrag mit seinem Inkrafttreten eine Übertragung der medizinischen Verantwortung für einen Teilbereich durch den Arbeitgeber verlangt. Die aufgrund einer nach dem 1.11.2006 erfolgten Aufgabenübertragung vorzunehmende Eingruppierung richtet sich nach §§ 12, 16 Abs. 1 TV-Ärzte. Es handelt sich dann nicht um eine Frage der Anrechnung früherer unveränderter Aufgaben und Verantwortungen. Wenn die Tarifvertragsparteien nunmehr die "schleichende" Schaffung vom Arbeitgeber nicht gewollter Strukturen verhindern wollen (vgl. LAG Düsseldorf vom 21.02.2008 - 15 Sa 1617/07 - Rn. 47; LAG München 14.08.2008 - 3 Sa 410/08 - Rn. 43; beide zit. n. Juris), so steht dies einem Verständnis der §§ 5 TVÜ-Ärzte, 16 Abs. TV-Ärzte nicht entgegen, wonach für in der Vergangenheit durch Abteilungsdirektoren vorgenommene Übertragungen keine Übertragung durch den Arbeitgeber nachgeholt werden muss.
(4)
Aus diesem Grund ist für die Übertragung von medizinischer Verantwortung vor dem 01.11.2006 lediglich festzustellen, ob und zu welchem Zeitpunkt medizinische Verantwortung für welchen Bereich übertragen wurde. Die Übertragung musste weder vom Arbeitgeber vorgenommen worden sein noch muss sie bestätigt werden. Das ergibt sich bereits aus der Auslegung des Tarifvertrages. Es kommt nicht darauf an, ob es der Beklagten wegen des aus § 242 BGB folgenden Verbots widersprüchlichen Verhaltens oder aufgrund des Rechtsgedanken des § 162 Abs. 1 BGB verwehrt ist, sich auf die fehlende arbeitgeberseitige Übertragung zu berufen (so Sächsisches LAG vom 04.06.2008 - 9 Sa 658/07 Rn. 62 zit.n. JURIS). Die Beklagte verhält sich nicht widersprüchlich, sondern wendet sich nur gegen die veränderte Rechtslage aufgrund der Tarifänderung. Sofern überhaupt eine Zurechnung der früheren Übertragung an den Arbeitgeber vorzunehmen ist ( so LAG Sachsen-Anhalt vom 17.06.2008, 8 Sa 15/08 E, zit. n. JURIS Rn. 37.), liegt diese in dem vorliegenden Fall darin, dass die Beklagte die Aufgabenübertragung der Organisationshoheit des Abteilungsdirektors überlassen hat. Damit ist die Übertragung inhaltlich von der Beklagten letztendlich auch anerkannt. Die Beklagte wendet sich auch ausdrücklich nur gegen die zwischenzeitlich eingetretenen Rechtsfolgen mit Inkrafttreten des Tarifvertrages am 01.11.2006.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO zu Lasten der unterliegenden Berufungsklägerin. Die Zulassung der Revision erfolgt wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Auslegung der maßgeblichen Tarifnormen (§ 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG).