Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 09.11.2009, Az.: 6 Sa 541/09
Ungekürzter Ortszuschlag beiÜberleitung des Ehegatten in neues Tarifrecht; Fortgeltung des Bundesangestelltentarifvertrages (BAT) bei arbeitsvertraglicher Bezugnahme auf Haustarifvertrag und weiterer Verweisung auf altes Tarifrecht
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 09.11.2009
- Aktenzeichen
- 6 Sa 541/09
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2009, 28971
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:2009:1109.6SA541.09.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- ArbG Wilhelmshaven - 10.02.2009 - AZ: 1 Ca 495/08
Rechtsgrundlagen
- § 611 Abs. 1 BGB
- § 1 Abs. 1 TVG
- § 4 Abs. 5 TVG
- § 6 Nr. 1,6 RTV 2000
- § 29 BAT
Redaktioneller Leitsatz
1. Die Rechtsetzungsbefugnis der Tarifvertragsparteien umfasst grundsätzlich auch das Recht, auf jeweils geltende andere tarifliche Vorschriften zu verweisen, sofern deren Geltungsbereich mit dem Geltungsbereich der verweisenden Tarifnorm in einem engen sachlichen Zusammenhang steht.
2. Die öffentliche Hand ist Träger sozialer Dienste und Einrichtungen, in denen die Betreuung, Erziehung, Rehabilitation und ähnliche Dienste an bedürftigen Menschen verrichtet werden; Arbeitnehmer, die aufgrund ihrer Berufsausbildung in solchen Einrichtungen der öffentlichen Hand beschäftigt werden, können in gleicher Weise Arbeitnehmer privater Träger entsprechender Einrichtungen sein.
3. Die in einem Haustarifvertrag enthaltene Verweisung auf die Vorschriften des § 29 BAT kommt trotz Ersetzung des BAT durch die Vorschriften des TVöD weiterhin als Anspruchsgrundlage für einen Ortszuschlag in Betracht; als Bezugnahmeobjekt des Haustarifvertrages ist der BAT weder entfallen noch wird der TVöD von einer dynamischen Verweisung im Haustarifvertrag erfasst.
4. Auch wenn nach dem Willen der Tarifvertragsparteien für den öffentlichen Dienst der TVöD an die Stelle des bisherigen Tarifrechts treten sollte und der BAT insoweit formell außer Kraft gesetzt werden musste, ist eine Kündigung des BAT deshalb nicht erfolgt, weil es eine Vielzahl von (Haus-) Tarifverträgen bei Arbeitgebern außerhalb des engeren öffentlichen Dienstes gibt, in denen auf den BAT verwiesen wird; in diese Rechtsverhältnisse soll durch "Ersetzung" des bisherigen Tarifrechts durch den neuen TVöD nicht eingegriffen werden.
In dem Rechtsstreit
Kläger und Berufungsbeklagter,
gegen
Beklagte und Berufungsklägerin,
hat die 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen auf die mündliche Verhandlung vom 9. November 2009 durch
die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht Klausmeyer,
den ehrenamtlichen Richter Herrn Schraknepper,
den ehrenamtlichen Richter Herrn Meyners
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wilhelmshaven vom 10.02.2009 - 1 Ca 495/08 - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und zur Klarstellung insgesamt wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.144,88€ brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 23.09.2008 zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, ab Oktober 2008 dem Kläger jeweils den für seine Vergütungsgruppe geltenden ungekürzten Ortszuschlag der Stufe 2 im Sinne von § 29 BAT zu zahlen.
3. Im Übrigen wir die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu 15 % und die Beklagte zu 85 % zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Höhe des dem Kläger zustehenden Ortszuschlages.
Der Kläger ist seit dem 01.04.2002 für die Beklagte als pädagogischer Mitarbeiter tätig. Grundlage des Arbeitsverhältnisses bildet der schriftliche Arbeitsvertrag vom 26.03.2002, der u. a. nachstehende Regelungen enthält:
"2. Soweit nachstehend nichts anderes vereinbart ist, gelten für das Arbeitsverhältnis die Haustarifverträge der gem. Ges. mit der Gewerkschaft ÖTV Kreisverwaltung W., einschließlich der Anlagen in der jeweils gültigen Fassung und die Betriebsvereinbarungen mit dem Betriebsrat, die Bestandteil dieser Verträge sind. ...
4. Die Vergütung erfolgt gemäß Haustarifvertrag..."
Wegen der weiteren Einzelheiten des schriftlichen Arbeitsvertrages wird auf Bl. 4 und 5 d. A. Bezug genommen.
Unter dem 19.06.2000 hatte die Beklagte mit der Gewerkschaft ÖTV den sog. Rahmentarifvertrag 2000 als Haustarifvertrag abgeschlossen. Dieser Haustarifvertrag enthält u. a. nachstehende Bestimmungen:
"§ 6 Vergütungsregelung
1. Die Vergütung der Beschäftigten besteht aus:
a. Der Grundvergütung,
b. dem Ortszuschlag
c. und den Zulagen ...
6. Für den Ortszuschlag gelten die Bestimmungen des § 29 Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) in der jeweils gültigen Fassung. ...
§ 19 Erlöschen von Ansprüchen
Ansprüche aus dem Beschäftigungsverhältnis erlöschen spätestens 6 Monate nach Fälligkeit, wenn sie nicht vorher schriftlich geltend gemacht worden sind. Die gesetzlichen Verjährungsfristen bleiben unberührt. ..."
Wegen der weiteren Einzelheiten des Rahmentarifvertrages 2000 wird auf Bl. 83 - 85 d. A. Bezug genommen. Dieser Rahmentarifvertrag ist zum 31.10.2002 gekündigt worden und befindet sich seit dem in der Nachwirkung.
Die Ehefrau des Klägers ist als Verwaltungsangestellte bei der Stadt W. tätig. Bis zum 30.09.2005 erhielten der Kläger und seine Ehefrau von ihren jeweiligen Arbeitgebern den Differenzbetrag zwischen dem Ortszuschlag der Stufe 1 und dem Ortszuschlag der Stufe 2 im Sinne des § 29 BAT je zur Hälfte.
Nach Überleitung des Arbeitsverhältnisses der Ehefrau des Klägers in den TVöD erhält diese seit dem 01.10.2005 keine Ortszuschläge mehr. Sie führte daraufhin beim Arbeitsgericht W. einen Rechtstreit gegen die Stadt W. zum Az. 1 Ca 11/08. Ihr im Rahmen dieses Verfahrens geltend gemachter Anspruch auf Zahlung eines Ortszuschlages der Stufe 2 wurde mit Urteil des Arbeitsgerichts W. vom 17.04.2008 rechtskräftig abgewiesen.
Ab Oktober 2005 zahlte die Beklagte an den Kläger zunächst den vollen Ortszuschlag.
Ab Februar 2006 kürzte die Beklagte ihre Zahlung um den hälftigen Differenzbetrages zwischen der Ortszuschlagsstufe 1 und der Ortszuschlagsstufe 2. Die sich hieraus ergebenden monatlichen Gehaltsdifferenzen belaufen sich auf 52,04 € brutto. Dies teilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 14.02.2006 (vgl. Bl. 107 und 108 d. A.) mit. Es schloss sich eine Emailkorrespondenz zwischen den Parteien an über die Frage, in welcher Höhe der Kläger Anspruch auf den Ortszuschlag habe.
Mit Schreiben vom 18.05.2007, wegen dessen Inhalt auf Bl. 113 und 114 d. A. verwiesen wird, bat der Kläger die Beklagte, "die ab Februar 2006 nicht mehr gewährten hälftigen Beträge zum "verheirateten Ortszuschlag" (Stufe 2) abzurechnen und nach zu entrichten". Dem widersprach die Beklagte mit Schreiben vom 01.06.2007.
Mit der am 01.10.2007 beim Arbeitsgericht Wilhelmshaven eingegangenen Klage verfolgt der Kläger seinen diesbezüglichen Anspruch weiter und begehrt von der Beklagten die Nachzahlung der seit Februar 2006 nicht gezahlten Differenzbeträge sowie die Feststellung, dass die Beklagte in Zukunft verpflichtet sei, an den Kläger den ungekürzten Ortszuschlag der Stufe 2 im Sinne von § 29 BAT zu zahlen. Der klägerische Anspruch ergebe sich aus dem Arbeitsvertrag zwischen den Parteien. Da die Ehefrau des Klägers seit dem 01.10.2005 nicht mehr ortszuschlagsberechtigt sei, stehe dem Kläger der ungekürzte Anspruch nach § 29 BAT zu. Die Beklagte könne sich nicht darauf berufen, dass durch die Regelungen des TVöD nunmehr bei ihr Lasten entstehen würden.
Der Kläger hat beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.665,28€ nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ab Oktober 2008 dem Kläger jeweils für den für seine Vergütungsgruppe geltenden ungekürzten Ortszuschlag der Stufe 2 im Sinne von § 29 BAT zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, dass dem Kläger kein Anspruch auf den vollen Ortszuschlag zustehe. Die arbeitsvertragliche Bezugnahme auf § 29 BAT habe zwar die Qualität einer dynamischen Verweisung, sie erstrecke sich jedoch nicht auf den diesen Tarifvertrag ersetzenden TVöD. Die Bezugnahme sei statisch geworden. Bei Abschluss des Haustarifvertrages seien die Tarifvertragsparteien davon ausgegangen, dass die Beschäftigten der Beklagten in Anlehnung an den öffentlichen Dienst vergütet werden sollten. Dabei hätten die Tarifparteien nicht bedacht, dass sich die Vergütungsregelungen im öffentlichen Dienständern würden und der seit alters her gezahlte Ortszuschlag entfallen könne. Durch die Vereinbarung des TVöD sei das Bezugnahmeobjekt "BAT" mit dem 01.10.2005 im Sinne des Haustarifvertrages entfallen. Danach sei die Beklagte überhaupt nicht mehr verpflichtet, einen Ortszuschlag zu leisten. Die Zahlung des hälftigen Differenzbetrages zwischen der Ortszuschlagsstufe 1 und der Ortszuschlagsstufe 2 seit Februar 2006 erfolge nur, um den Kläger aus Gründen einer arbeitsvertraglichen Besitzstandswahrung nicht schlechter zu stellen als zum Zeitpunkt der Geltung des BAT.
Mit am 10.02.2009 verkündetem Urteil hat das Arbeitsgericht Wilhelmshaven der Klage in vollem Umfang statt gegeben. Es hat seine Entscheidung im Wesentlichen damit begründet, dass für den Kläger weiterhin die Regelungen des § 29 BAT maßgeblich seien. Seit Überleitung in den TVöD erhalte die Ehefrau des Klägers keine dem Ortszuschlag vergleichbare Leistungen. Daher stehe dem Kläger der ungekürzte Anspruch gemäß § 29 BAT zu.
Gegen dies ihr am 23.03.2009 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit am 16.04.2009 beim LAG Niedersachsen eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach Fristverlängerung unter dem 25.06.2009 begründet.
Sie ist weiterhin der Ansicht, dass dem Kläger kein Anspruch auf einen ungekürzten Ortszuschlag der Stufe 2 im Sinne von§ 29 BAT zustehe.
Durch die Ablösung des BAT durch den TVöD sei die Verweisung statisch geworden. Das Bezugnahmeobjekt § 29 BAT sei entfallen und die Beklagte zur Zahlung eines Ortszuschlages nicht mehr verpflichtet. Selbst wenn man von dessen weiterer Geltung ausgehen wolle, so folge aus der statischen Verweisung jedenfalls kein Anspruch auf Zahlung des ungekürzten Ortszuschlages. Dann liege nämlich der Kürzungstatbestand im Sinne von § 29 Abs. 5 BAT vor. Der der Ehefrau des Klägers bis zum 01.10.2005 zustehende Ortszuschlag sei in das nach TVöDübergeleitete Vergleichsentgelt hineingerechnet worden. Der Ortszuschlag sei somit nicht untergegangen. Ohnehin sei es den Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes verwehrt, Regelungen zum Nachteil der Beklagten zu treffen. Mit derartigen Vereinbarungen zu Lasten Dritter würden die Tarifvertragsparteien den durch die Tarifautonomie gesetzten Spielraum in einer unangemessene Art und Weise zu Lasten Dritter vergrößern. Bei der Beklagten gelte lediglich ein Haustarifvertrag, der bereits zum 31.10.2002 gekündigt sei und sich daher im Stadium der Nachwirkung befinde. Der Beklagten sei eine Überleitung in den TVöD nicht möglich. Hierzu würde es des Abschlusses eines neuen Haustarifvertrages bedürfen. Eine Änderung der Bezugnahmeklausel im Haustarifvertrag hin zur Anwendungen der Regelungen des TVöD sei nicht möglich gewesen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichtes Wilhelmshaven vom 10.02.2009 - 1 Ca 495/08 - abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil als zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, soweit diese Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, auf die in der mündlichen Verhandlung abgegebenen wechselseitigen Erklärungen sowie auf die bezogene Akte 1 Ca 11/08 Arbeitsgericht W..
Entscheidungsgründe
Die Berufung hat nur zum geringen Teil Erfolg.
I. Die Berufung ist statthaft. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt sowie begründet worden; sie ist damit insgesamt zulässig,§§ 64, 66 ArbGG, 519, 520 Abs. 3 ZPO.
II. Die Berufung ist jedoch überwiegend unbegründet. Die Beklagte ist dazu verpflichtet, an den Kläger seit dem 01.10.2005 den ungekürzten Ortszuschlag der Stufe 2 im Sinne von § 29 BAT zu zahlen. Dieser Verpflichtung hat sie lediglich bis zum Januar 2006 entsprochen. Ab Februar 2006 hat der Kläger Anspruch auf Auskehrung der nicht gezahlten Differenzbeträge in Höhe von monatlich 52,04 € brutto. Für den Zeitraum vom Februar 2006 - November 2006 sind die diesbezüglichen Zahlungsansprüche des Klägers jedoch nach § 19 des Rahmentarifvertrages 2000 mangels rechtzeitiger schriftlicher Geltendmachung verfallen.
1. Der Anspruch des Klägers auf Zahlung des ungekürzten Ortszuschlages nach Stufe 2 folgt aus § 611 BGB i. V. m. Ziffer 4 S. 1 des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 26. März 2002 i. V. m. § 6 Nr. 1, Nr. 6 des Rahmentarifvertrages 2000 i. V. m. § 29 BAT.
a) § 29 BAT findet auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung.
a. a) Gemäß Ziffer 4 S. 1 des Arbeitsvertrages vom 26. März 2002 erfolgt die Vergütung des Klägers gemäß Haustarifvertrag, den die Beklagte mit der Gewerkschaft ÖTV abgeschlossen hat. Diese vertragliche Einbeziehung der tariflichen Vorschriften in das Arbeitsverhältnis ist hinreichend bestimmt und begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
b. b) Nach § 6 Ziffer 6 des entsprechenden Rahmentarifvertrages 2000 gelten für den Ortszuschlag die Bestimmungen des§ 29 BAT in ihrer jeweils gültigen Fassung. Durch diese Verweisung auf den Bundesangestelltentarifvertrag findet § 29 BAT auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung, unabhängig davon ob der Kläger oder die Beklagte Mitglied einer der diesen Tarifvertrag abschließenden Parteien sind. Das ist rechtlich grundsätzlich nicht zu beanstanden. Zwar können die Tarifvertragsparteien ihre Rechtsetzungsbefugnis nicht auf Dritte übertragen, hierdurch wird die Verweisung auf andere Tarifverträge jedoch nicht ausgeschlossen. Die Rechtsetzungsbefugnis der Tarifvertragsparteien umfasst vielmehr grundsätzlich auch das Recht, auf jeweils geltende andere tarifliche Vorschriften zu verweisen, sofern deren Geltungsbereich mit dem Geltungsbereich der verweisenden Tarifnorm in einem engen sachlichen Zusammenhang steht (vgl. nur BAG, 09.02.2006 - 6 AZR 281/05 - NZA - RR 2007, 1012, siehe auch Juris). Ein derartiger sachlicher Zusammenhang ist vorliegend gegeben. Auch wenn derBAT die Arbeitsverhältnisse unterschiedlichster Arbeitnehmer mit unterschiedlichsten Tätigkeiten regelt, beinhaltet er u.a. die Festlegung der Arbeitsbedingungen für solche Arbeitnehmer, die eine vergleichbare Tätigkeit ausüben, wie die bei der Beklagten beschäftigten Mitarbeiter. Die öffentliche Hand ist Träger sozialer Dienste und Einrichtungen, in denen die Betreuung, Erziehung, Rehabilitation und ähnliche Dienste an bedürftigen Menschen verrichtet werden. Arbeitnehmer, die aufgrund ihrer Berufsausbildung in solchen Einrichtungen der öffentlichen Hand beschäftigt werden, können in gleicher Weise Arbeitnehmer der Beklagten oder anderer privater Träger entsprechender Einrichtungen sein (vgl. BAG, 08.03.1995 - 10 AZR 27/95 - AP Nr. 5 zu § 1 TVG Verweisungstarifvertrag).
b) Weder die Kündigung des Rahmentarifvertrages noch das Inkrafttreten des TVöD führen dazu, dass § 29 BAT im Verhältnis der Parteien zueinander keine Anwendung findet.
a. a) In Bezug auf den Rahmentarifvertrag folgt das zunächst daraus, dass dessen Rechtsnormen für die Parteien gemäß § 4 Abs. 5 TVG weiter gelten, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden. Mangels einer solchen sind zwischen den Parteien weiterhin die Vorschriften des Rahmentarifvertrages 2000 maßgeblich.
b. b) Die im Rahmentarifvertrag 2000 enthaltene Verweisung auf die Vorschriften des § 29 BAT ist auch trotz der Ersetzung des BAT durch die Vorschrift des TVöD weiterhin die Grundlage für den klägerischen Anspruch. Weder ist der BAT als Bezugnahmeobjekt des Rahmentarifvertrages 2000 entfallen noch wird der TVöD von der dynamischen Verweisung im Rahmentarifvertrag erfasst.
Zunächst ist der BAT weiterhin in Anwendung und nicht etwa weggefallen. Nach dem Willen der Tarifvertragsparteien für denöffentlichen Dienst sollte zwar der TVöD an die Stelle des bisherigen Tarifrechts treten und musste deshalb formell außer Kraft gesetzt werden. Eine Kündigung des BAT kam aber nicht in Betracht und ist auch nicht erfolgt, weil es eine Vielzahl von (Haus-) Tarifverträgen bei Arbeitgebern außerhalb des engeren öffentlichen Dienstes - wie der Beklagten - gibt, in denen auf den BAT verwiesen wird. In diese Rechtsverhältnisse wollten die Tarifvertragsparteien nicht eingreifen und wählten den Weg, das bisherige Tarifrecht durch den neuen TVöD "zu ersetzen" (vgl. Clemens-Scheuring, Teil IV 13, TVÜ-Bund/TVÜ-VKA, Randnummer 9).
Darüber hinaus erstreckt sich die dynamische Verweisung auf den BAT nicht auf den TvöD. Das BAG vertritt in ständiger Rechtsprechung - von der abzuweichen kein Anlass besteht - die Auffassung, die Nachwirkung einer Tarifregelung beschränke sich inhaltlich darauf, dass der Zustand der Tarifnorm bis zum Abschluss einer anderen Abmachung erhalten bleibe, der bei Beendigung des Tarifvertrages bestanden habe. Sie erstrecke sich hingegen nicht auf Änderungen des Tarifvertrages nach seinem Ablauf. Die Nachwirkung gemäß § 4 Abs. 5 TVG bleibe auch dann statisch, wenn die nachwirkende Tarifnorm dynamisch auf eine in einem anderen Tarifvertrag vereinbarte Regelung, die nach dem Beginn der Nachwirkung geändert worden sei, verweise. Das begründet das Bundesarbeitsgerichtüberzeugend damit, dass der verweisende und der in Bezug genommene Tarifvertrag eine Einheit bilden würde. Bei der dynamischen Verweisung in einem Tarifvertrag auf eine andere tarifliche Regelung sei der verweisende Tarifvertrag selbst unvollständig. Er werde erst durch die in Bezug genommenen Regelungen vervollständigt. Die Nachwirkung gemäß § 4 Abs. 5 TVG sei jedoch darauf beschränkt, bis zum Abschluss einer anderen Abmachung den bisherigen materiell-rechtlichen Zustand für das Arbeitsverhältnis beizubehalten. Daher führe die Nachwirkung dazu, dass der in Bezug genommene Tarifvertrag genauso wie der Bezugnehmende lediglich so weiter gelte, wie dieser bei seinem Ablauf gegolten habe (vgl. nurBAG, 29.01.2008 - 3 AZR 426/06 - AP Nr. 49 zu § 4 TVG Nachwirkung). Der Geltungswille der Tarifvertragsparteien des Verweisungstarifvertrages erstrecke sich mit dessen Ablauf nicht mehr auf Änderungen des Bezugstarifvertrages (vgl. BAG, 10.03.2004 - 4 AZR 140/03 - EzA Nr. 36 zu § 4 TVG Nachwirkung). Maßgeblich ist vorliegend also weiterhin der § 29 BAT.
Die Nachwirkung des BAT ist vorliegend durch die Tarifvertragsparteien des Rahmentarifvertrags auch weder ausdrücklich noch konkludent ausgeschlossen worden. Eine ausdrückliche dahin gehende Regelung enthält der Rahmentarifvertrag 2000 nicht. Für einen konkludenten Ausschluss der Nachwirkung enthält dieser Tarifvertrag kein Anhaltspunkte. Diesbezüglich fehlt es auch an jeglichem Sachvortrag der Parteien (vgl. BAG, Urteil vom 24.11.1999 - 4 AZR 666/98 - AP Nr. 34 zu § 4 TVG Nachwirkung). Insoweit ist hier noch verstärkend hervor zu heben, dass im Rahmentarifvertrag 2000 in § 6 nicht nur unter Ziffer 6 für den Ortszuschlag auf die Bestimmungen des § 29 BAT in ihrer jeweils gültigen Fassung verwiesen worden ist. Darüber hinaus beinhaltet§ 6 Ziffer 1 die ausdrückliche Festlegung der Vergütungsbestandteile der Beschäftigten und zwar insoweit als diese aus drei eigenständigen Komponenten in Gestalt der Grundvergütung, des Ortszuschlages und den Zulagen besteht. Daraus wird ersichtlich, dass die Parteien des Rahmentarifvertrags den Ortszuschlag als selbstständigen Vergütungsbestandteil ausgestaltet haben. Auch deshalb kann nicht davon ausgegangen werden, dass der ersatzlose Wegfall des Ortszuschlages in den Regelungen des TVöD unmittelbare Auswirkungen auf die Vergütung des Klägers hat, ohne dass eine entsprechende Änderung im Rahmentarifvertrag 2000 erfolgt. Diese Änderung ist jedoch bisher nicht von den Parteien des Rahmentarifvertrags 2000 vereinbart worden.
c) Prüfungsmaßstab für den Anspruch des Klägers auf Zahlung eines Ortszuschlages ist mithin weiterhin § 29 BAT.
a.a) Gemäß § 29 Abschnitt B Abs. 2 Ziffer 1 BAT haben verheiratete Arbeitnehmer Anspruch auf einen Ortszuschlag nach der Stufe 2.
Der Kläger ist verheiratetet.
b.b) Die Kürzungsregelung des § 29 Abschnitt B Abs. 5 BAT greift nicht ein.
Gemäß § 29 Abschnitt B Abs. 5 BAT erhält der Angestellte den Unterschiedsbetrag zwischen der Stufe 1 (§ 29 Abschnitt B Abs. 1 BAT) und der Stufe (§ 29 Abschnitt B Abs. 2 Ziffer 1 BAT) des für ihn maßgeglichen Ortszuschlags nur zu Hälfte, wenn sein Ehegatte u. a. als Angestellter im öffentlichen Dienst tätig ist und ihm ebenfalls der Ortszuschlag der Stufe 2 oder einer der folgenden Stufen oder eine entsprechende Leistung in Höhe von mindestens der Hälfte des Unterschiedsbetrages zwischen der Stufe 1 und der Stufe 2 des Ortszuschlages in der höchsten Tarifklasse zusteht.
Die Ehefrau des Klägers ist Angestellte im öffentlichen Dienst. Sie erhält aber seit dem 01.10.2005 keinen Ortszuschlag oder eine entsprechende Leistung von ihrem Arbeitgeber mehr. Auf ihr Arbeitsverhältnis ist seit dem 01.10.2005 der TVöD anwendbar. Insoweit besteht kein Streit zwischen den Parteien.
Der TVöD kennt keinen Anspruch auf Zahlung eines Ortszuschlages. Die Ehefrau des Klägers hat zwar zum 01.10.2005 ein gegenüber dem Bezug im Vormonat der Höhe nach unverändertes Entgelt erhalten. Der ihr bis dahin gezahlte Ortszuschlag der Stufe 2 wurde nämlich gemäß § 5 des Tarifvertrages zur Überleitung der Beschäftigten in den TVöD in das Vergleichsentgelt einbezogen, nachdem die Zuordnung zu den Stufen der Entgelttabelle des TVöD erfolgte. Bereits mit der Bildung des Vergleichsentgeltes hat der bis zum 30. September 2005 an die Ehefrau des Klägers gezahlte Ortszuschlag jedoch seinen bis dahin bestehenden Charakter eines sozialen Ausgleichs für die mit den Familienstand der Ehe verbundenen finanziellen Belastungen verloren. Er war zwar zum 30. September 2005 als Bestandteil des Vergleichsentgeltes noch rechnerisch ermittelbar. Danach hätten Veränderungen im Familienstand aber keine Neuberechnung des Vergleichsentgeltes mehr zur Folge gehabt, während es für den Ortszuschlag kennzeichnend und wesenstypisch war, dass er bei Änderungen der Familienverhältnisse überprüft und ggf. dem geänderten Familienstand angepasst wurde. Das Bundesarbeitsgericht hat in diesem Zusammenhang überzeugend ausgeführt, dass ungeachtet eines etwaigen familienpolitisch unterlegten Motivs, den Ortszuschlag in die Berechnung des Vergleichsentgeltes einzubeziehen, das Entgelt im Geltungsbereich des TVöD damit bereits in dem auch für die vorliegende Klage maßgeblichen Zeitraum ab Februar 2006 in seiner Zusammensetzung strukturell grundsätzlich geändert war. Die unter der Geltung der abgelösten Tarifverträge desöffentlichen Dienstes verfolgte familienstandsbezogene Ausgleichsfunktionen eines Teils des Entgelts ist seit dem Inkrafttreten des TVöD zugunsten eines reinen Leistungscharakter des Entgelts aufgegeben worden. Seitdem wird der Familienstand bei der Bemessung des Entgelts nicht mehr berücksichtigt (vgl. BAG, 17.07.2008 - 6 AZR 635/07 - ZTR 2008, 613 - 624; BAG, Urteil vom 25.06.2009 - 6 AZR 72/08 - PrsR 2009, 339 und siehe Juris).
Da also der Arbeitgeber der Ehefrau des Klägers deren Familienstand seit dem 1. Oktober 2005 nicht mehr durch Auszahlung eines Ehegattenanteils im Ortszuschlag berücksichtigt, muss die Beklagte ab diesem Zeitpunkt an den Kläger den ungekürzten Ortszuschlag der Stufe 2 zahlen.
d) Dem kann die Beklagte nicht entgegenhalten, dass es sich dann bei der Neuregelung der Entgeltbestandteile im TVöD um einen unzulässigen Vertrag zu Lasten der Beklagten als Dritter i. S. v. § 328 BGB handele. Die Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes mussten bei ihrer Normsetzung die finanziellen Interessen der Beklagten nicht berücksichtigen. Sie konnten vielmehr Ansprüche auf den Ortszuschlag der Stufe 2 entweder auf bestimmte Fallgestaltungen beschränken oder auch ganz ausschließen. Insoweit ist der Beklagten vorzuhalten, dass sie durch die Inbezugnahme auf § 29 BATüber die Konkurrenzklausel in dessen Absatz 5 auch lange Zeit im Verhältnis zu ihren eigenen Arbeitnehmern finanziell entlastet worden ist; Zahlungen eines anderen Arbeitgebers an außerhalb ihres Arbeitsverhältnisses stehende Personen, vorliegend die Ehefrau des Klägers, führten zur Reduzierung ihrer Zahlungsverpflichtung im Verhältnis zum Kläger als ihrem Arbeitnehmer. Auch könnte die Beklagte es dem klägerischen Anspruch auf Zahlung eines Ortszuschlages nach § 29 BAT nicht entgegenhalten, wenn z. B. die Ehefrau des Klägers das Arbeitsverhältnis mit ihremöffentlich-rechtlichen Arbeitgeber gekündigt hätten und deshalb die Konkurrenzklausel nach § 29 Abs. 5 BAT nicht zum Tragen kommen würde. Letztendlich ist darauf hinzuweisen, dass sämtliche tarifliche Regelungen den Keim der jederzeitigen Veränderbarkeit in sich tragen und deshalb die Tarifvertragsparteien, die im Rahmen ihrer Tarifautonomie auf die Regelung eines anderen Tarifvertrages Bezug nehmen, mit Änderungen der in Bezug genommenen Regelungen zu rechnen habe und gerade nicht auf ihren unveränderten Fortbestand vertrauen dürfen. Ihr Geltungswille wird dadurch geschützt, dass nachträgliche Änderungen des in Bezug genommenen Tarifwerks - wie oben ausgeführt - gerade nicht gegen ihren Willen von einer dynamischen Bezugnahme erfasst werden, sich diese vielmehr in eine statische wandelt. So bleibt Gegenstand der Verweisungsklausel nur das, was die Tarifvertragsparteien des verweisenden Tarifvertrages bei Abschluss der Verweisungsnorm als Regelungsgehalt kannten. Es obliegt dann ihnen auf die Veränderungen des Bezugstarifvertrages i. R. ihrer tariflichen Regelungen zu reagieren.
e) Insgesamt ist mithin festzuhalten, dass dem Kläger seit 01.10.2005 ein Anspruch auf Zahlung des ungekürzten Ortszuschlages der Stufe 2 im Sinne von § 29 BAT zusteht.
2. Die mit der Klage geltend gemachten Differenzansprüche in rechnerisch unstreitiger Höhe von 52,04 € brutto ab Februar 2006 bis einschließlich September 2008 sind jedoch für die Monate von Februar 2006 bis November 2006 mangels Einhaltung der Ausschlussfrist nach § 19 des Rahmentarifvertrages 2000 verfallen.
Nach § 19 des Rahmentarifvertrages 2000 erlöschen Ansprüche aus dem Beschäftigungsverhältnis spätestens 6 Monate nach Fälligkeit, wenn sie nicht vorher schriftlich geltend gemacht worden sind.
a) Gemäß § 6 Nr. 11 des Rahmentarifvertrages folgt die Anweisung für die monatliche Vergütung spätestens 3 Werktage vor dem 15. des jeweiligen Vergütungsmonats. Es ist mithin davon auszugehen, dass der Ortszuschlag als Bestandteil der Vergütung am 15. des jeweiligen Monates zur Auszahlung fällig geworden ist.
b) Die erstmalige schriftliche Geltendmachung der monatlichen Differenzbeträge auf Grundlage des § 29 BAT ist in dem Schreiben des Klägers vom 18.05.2007 zu sehen. Die Beklagte hat den Erhalt dieses Schreibens nicht in Abrede gestellt. Aus diesem Schreiben wird eindeutig ersichtlich, dass der Kläger ab Februar 2006 die nicht mehr gewährten hälftigen Beträge zum Verheiratetenzuschlag der Stufe 2 für sich in Anspruch nimmt. Die vorherige Emailkorrespondenz zwischen den Parteien ist nicht geeignet, die tarifliche Ausschlussfrist zu wahren und zwar abgesehen von der Frage nach der Formwirksamkeit. Im Rahmen dieser Emails stellt der Kläger keine diesbezüglichen Zahlungsansprüche, sondern bittet die Beklagte im Wesentlichen um Klärung der rechtlichen Problematik. Das ist nicht als ausreichende Geltendmachung zu qualifizieren.
c) Ausgehend von der Geltendmachung mit Schreiben vom 18.05.2007 und unter Rückrechnung von 6 Monaten ist davon auszugehen, dass die tarifliche Ausschlussfrist im Hinblick auf die hälftige monatliche Differenz nur für den Zeitraum von Dezember 2006 bis September 2008 gewahrt ist. Diese 22 Monate ergeben einen Zahlungsbetrag in Höhe von 1.144,48 € brutto. Der hierauf bezogene Zinsanspruch hat seine Grundlage in §§ 291, 288 BGB. Darüber hinausgehend war der Klageantrag zu 1) abzuweisen und das arbeitsgerichtliche Urteil auf die Berufung der Beklagten abzuändern.
II. Sowohl zulässig als auch begründet ist der klägerische Antrag zu 2). Damit begehrt der Kläger zu Recht die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, ab Oktober 2008 an ihn jeweils den für seine Vergütungsgruppe geltenden ungekürzten Ortszuschlag der Stufe 2 im Sinne von § 29 BAT zu zahlen. Die Beklagte hat nicht in Abrede gestellt, dass sie sich einem etwaigen Feststellungsurteil beugen wird. Die Begründetheit der Feststellung ergibt sich aus den Ausführungen unter I. dieses Urteils.
III. Insgesamt war daher die Berufung der Beklagten nur zum geringen Teil erfolgreich und das arbeitsgerichtliche Urteil unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung wie aus dem Tenor ersichtlichüberwiegend aufrecht zu erhalten und im Übrigen abzuändern.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. Gründe die Revision zuzulassen bestanden nicht, § 72 Abs. 2 ArbGG.
Schraknepper
Meyners