Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 18.05.2009, Az.: 9 Sa 916/08
Außerordentliche Kündigung eines Hausmeisters bei sexueller Belästigung von Schülerinnen; Voraussetzungen der erneuten Beweisaufnahme durch das Berufungsgericht
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 18.05.2009
- Aktenzeichen
- 9 Sa 916/08
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2009, 23876
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:2009:0518.9SA916.08.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- ArbG Wilhelmshaven - 21.04.2008 - AZ: 2 Ca 292/07
Rechtsgrundlagen
- § 626 Abs. 1 BGB
- § 34 TVöD
- § 286 Abs. 1 ZPO
- § 529 Abs. 1 Nr. 1 Hs. 1 ZPO
Amtlicher Leitsatz
1. Einzelfallentscheidung zum Vorliegen des wichtigen Grundes.
2. Eine erneute Tatsachenfeststellung durch das Berufungsgericht ist nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 Hs. 1 ZPO nur als Ausnahme geboten. Es reichen - in Anlehnung an BGH vom 09.03.2005, VIII ZR 266/03, BGHZ 162, 315 - vernünftige Zweifel an der Vollständigkeit der Feststellungen, um eine Beweisaufnahme wiederholen zu müssen.
Redaktioneller Leitsatz
1. Als Hausmeister an einer Schule hat der Arbeitnehmer alles zu unterlassen, was die (minderjährigen) Schülerinnen und Schüler in ihrem sittlichen Empfinden und ihrer sexuellen Entwicklung beeinträchtigen kann.
2. Ein an einer Schule beschäftigter Arbeitnehmer, der sich gegenüber zwei Schülerinnen mit einer deutlich sichtbaren Erektion zeigt, an Ihnen vorbeigeht und sie lüstern anstarrt, begeht eine schwere arbeitsvertragliche Pflichtverletzung.
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wilhelmshaven vom 21.04.2008, 2 Ca 292/07, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch außerordentliche Kündigung.
Dem zuletzt als Hausmeister in der Haupt- und Realschule A-Stadt beschäftigten Arbeitnehmer, der tariflich unkündbar ist, wird vorgeworfen , am 00.00.0000 sich gegenüber mindestens zwei Schülerinnen, die sich an der Bushaltestelle aufhielten, die sich gegenüber dem Lehrerparkplatz befindet, in sittlich anstößiger Weise verhalten zu haben, indem er sich ihnen mit einer deutlich sichtbaren Erektion gezeigt habe. Zumindest bestehe der Verdacht dieser Pflichtwidrigkeit. Auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen (Bl. 76 - 81 d. A.).
Das Arbeitsgericht hat gemäß Beweisbeschluss vom 00.00./00.00.0000 durch Vernehmung der Zeuginnen E. und L. Beweis erhoben über die Frage: Zeigte sich der Kläger am 00.00.0000 den Zeuginnen E. und L. mit einer deutlichen sichtbaren Erektion?
Das Arbeitsgericht wies die Klage nach Durchführung der Beweisaufnahme ab, weil nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zumindest der dringende Verdacht bestehe, dass der Kläger sich in der behaupteten Weise verhalten habe. Da es sich auch um eine schwere arbeitsvertragliche Pflichtverletzung handele, nämlich um sittlich anstößiges Verhalten gegenüber minderjährigen Mädchen im schulischen Bereich über einen nicht nur ganz unerheblichen Zeitraum, sei es der Beklagten nicht zumutbar, den Kläger weiterzubeschäftigen. Da der Kläger auch vor Ausspruch der Kündigung zu den ihm gegenüber erhobenen Vorwürfen angehört und die zweiwöchige Kündigungserklärungsfrist eingehalten worden sei sowie der Personalrat ordnungsgemäß angehört wurde, sei die Kündigung wirksam.
Das Urteil des Arbeitsgerichts ist dem Kläger am 13.06.2008 zugestellt worden. Hiergegen hat er mit am 27.06.2008 eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt. Die Berufungsbegründung ist am 30.09.2008 per Fax-Schriftsatz eingegangen, nachdem die Berufungsbegründungsfrist auf Antrag der Klägervertreterin vom 04.08.2008 durch Beschluss vom 04.08.2008 bis 30.09.2008 verlängert worden war.
Mit seiner Berufung wendet sich der Kläger vor allem gegen die Beweiswürdigung des Arbeitsgerichts. Das Arbeitsgericht habe nicht hinreichend berücksichtigt, dass er Inkontinenzbinden trage. Dies sei auch im Zeitpunkt des Kündigungsvorwurfs der Fall gewesen. Die Zeuginnen hätten von einer "dicken Beule" gesprochen. Das allein ließe nicht den Schluss auf eine Erektion zu. Im Übrigen habe die Beweiswürdigung nicht berücksichtigt, dass er regelmäßig eine Weste trage, die so lang sei, dass die Zeuginnen die behaupteten Erscheinungen gar nicht beobachtet haben können. Die Zeugin E. habe zwar ausgesagt, dass der Kläger eine Jeanshose und eine Weste trug. Die Beweiswürdigung habe dies jedoch nicht berücksichtigt. Auch die Aussage der Zeugin, sie habe etwas gesehen, dass "rund, größer als ein Tennisball" sei, ließe nicht den Rückschluss auf eine Erektion zu. Die Zeuginnen selbst hätten gesagt, dass sie nicht ausschließen könnten, dass es sich bei der dicken Beule auch um eine verrutschte Inkontinenzbinde handeln könne. Das Tragen der Binde sei auch der Grund für das Tragen einer Weste. Das Verrutschen könne immer mal vorkommen. Im Übrigen bestehe eine Wiederholungsgefahr schon deswegen nicht, weil für den Kläger auf Grund der Einnahme von Medikamenten eine Erektion heute gar nicht mehr möglich sei. Schließlich habe der beklagte Landkreis seine Aufsichtspflicht verletzt, weil regelmäßig zwei aufsichtsführende Lehrer an der Bushaltestelle anwesend seien. Der beklagte Landkreis hätte zumindestens im Rahmen der Verhältnismäßigkeit vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Umsetzung auf eine andere Arbeitsstelle prüfen müssen. Schließlich bestreitet der Kläger in der Berufungsinstanz erstmals, dass er anlässlich des Vorfalls vom 00.00.0000 gegenüber dem Personalrat geäußert habe, er habe Probleme mit dem Drang sich entsprechend zu verhalten und er wolle sich in Therapie begeben. Der Vorfall vom 00.00.0000 sei auch insofern unzutreffend, als er lediglich eine Hose habe wechseln wollen und, um den weiten Weg zur Umkleidekabine zu sparen, sich in der Dusche der Schwesterschülerinnen habe umziehen wollen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Wilhelmshaven abzuändern und festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die außerordentliche noch durch die ordentliche Kündigung des Beklagten vom 10.07.2007 beendet worden ist.
Der beklagte Landkreis beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil nach Maßgabe der Berufungserwiderung vom 05.11.2008. Hinsichtlich der behaupteten Erklärung des Klägers gegenüber dem Personalratvorsitzenden verweist der beklagte Landkreis auf den vorgelegten Gesprächsvermerk vom 00.00.0000.
Die Beweiswürdigung des Arbeitsgerichts sei nicht zu beanstanden. Die Zeuginnen hätten eindeutige Aussagen getätigt. Dies werde auch dadurch untermauert, dass sie auf den "starren Blick" des Klägers gegenüber den Schülerinnen verwies. Beide hätten sich auch dahingehend geäußert, dass es sich nach ihrer Auffassung eindeutig um eine Erektion gehandelt habe. Eine Abmahnung sei entbehrlich gewesen, da ein entsprechendes Verhalten des Klägers im schulischen Bereich nicht tolerierbar sei. Dass keine Wiederholungsgefahr bestehe, müsse mit Nichtwissen bestritten werden. Eine Aufsichtspflichtverletzung seitens des beklagten Landkreises liege nicht vor, weil aufsichtsführende Lehrer regelmäßig nur auf dem Schulhof eingesetzt würden. Im Übrigen hätten die beiden Schülerinnen nicht in der Pause, sondern "während der 5. Stunde" auf den Bus gewartet, da sie den vorherigen Bus verpasst hatten. Eine andere Beschäftigungsmöglichkeit für den Kläger habe nicht bestanden.
Entscheidungsgründe
I.
Die zulässige Berufung, die frist- und formgerecht eingelegt wurde und statthaft ist (§§ 64, 66 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO), ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die fristlose Kündigung vom 10.07.2007 beendet wurde.
1.)
Nach §§ 626 Abs. 1 BGB, 34 Abs. 2 TVöD kann ein Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund fristlos beendet werden. Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Das Vorliegen eines wichtigen Grundes ist dabei nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts in zwei Stufen zu prüfen. Zuerst ist festzustellen, ob ein bestimmter Sachverhalt an sich geeignet ist, einen Kündigungsgrund zu bilden, sodann ist im Wege einer umfassenden Interessenabwägung festzustellen, ob auch unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls ein wichtiger Grund vorliegt (BAG vom 17.05.1984, 2 AZR 3/83, EzA § 626 BGB, n. F. Nr. 90 = AP § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlungen Nr. 14; BAG vom 02.03.1989, 2 AZR 280/88, EzA § 626 BGB n. F. Nr. 118 = AP § 626 BGB Nr. 101; KR-Fischermeier, 8. Aufl. § 626 BGB Rn. 83). Dabei kommt es nicht entscheidend auf eine strafrechtliche Würdigung, sondern auf den mit der Pflichtverletzung verbundenen schweren Vertrauensbruch an (BAG vom 24.11.2005, Az. 2 AZR 39/05, AP Nr. 197 zu § 626 BGB Rn. 18 = EzA § 626 BGB 2002 Nr. 12).
Auch das Vorliegen des Verdachts einer schweren arbeitsvertraglichen Verpflichtung ist geeignet, einen wichtigen Grund im o. g. Sinne darzustellen. Schon der schwerwiegende Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer sonstigen Verfehlung kann einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung gegenüber dem verdächtigen Arbeitnehmer darstellen. § 626 Abs. 1 BGB lässt eine Verdachtskündigung dann zu, wenn starke Verdachtsmomente auf objektiven Tatsachen gründen, wenn die Verdachtsmomente geeignet sind, dass für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören und wenn der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat (ständige Rechtsprechung des BAG, vgl. BAG vom 10.02.2005, 2 AZR 189/04, AP Nr. 79 zu § 1 KSchG 1969 = EzA § 1 KSchG Verdachtskündigung Nr. 3 Ziffer 3 = Rn. 28; BAG vom 26.09.2002 a. a. O. Ziffer B I 1 b der Gründe = Rn. 32 und Ziffer 1 b aa = Rn. 33).
a)
Gemessen an diesen Grundsätzen ist das vom Arbeitsgericht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme festgestellte Verhalten geeignet, einen wichtigen Grund darzustellen. Der Kläger hat als Hausmeister an einer Schule alles zu unterlassen, was die - minderjährigen - Schülerinnen und Schüler in ihrem sittlichen Empfinden und ihrer sexuellen Entwicklung beeinträchtigen kann. Ein an einer Schule beschäftigter Arbeitnehmer, der sich gegenüber zwei Schülerinnen mit einer deutlich sichtbaren Erektion zeigt, an Ihnen vorbeigeht und sie lüstern anstarrt, begeht eine schwere arbeitsvertragliche Pflichtverletzung. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme bestand zumindest ein entsprechender dringender Tatverdacht. Das hat bereits das Arbeitsgericht zutreffend in seinen Entscheidungsgründen ausgeführt, worauf verwiesen wird (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Da der Kläger vor Ausspruch der Kündigung unstreitig und umfassend am 05.07.2007 zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen angehört wurde, kam es letztlich nicht darauf an, ob die Pflichtverletzung als Tat oder als Tatverdacht festgestellt wurde.
b)
Die Feststellungen des Arbeitsgerichts sind nach Beweisaufnahme verfahrensfehlerfrei zustande gekommen. Die Beweiswürdigung genügt den von der Rechtsprechung zu § 286 Abs. 1 ZPO entwickelten Anforderungen. Sie ist weder unvollständig noch widersprüchlich noch verstößt sie gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze (BGH vom 12.03.2004 - V ZR 257/03 - NJW 2004, S. 1876 [BGH 12.03.2004 - V ZR 257/03], Ziffer II 2 a aa d. Gr.; BAG vom 23.11.2006, a.a.O.) Ob eine Behauptung einer Partei wahr ist, bestimmt sich im Zivilprozess nach freier Überzeugung des Gerichts, § 286 ZPO. Es wäre rechtsfehlerhaft, eine absolute, über jeden denkbaren Zweifel erhabene Gewissheit zu verlangen (BGH vom 14.04.1999 - IV ZR 181/98 - NJW RR 1999, S. 1184, Ziffer II 2 a d. Gr.).
aa)
Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 1 ZPO ist das Berufungsgericht grundsätzlich an die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen gebunden. Diese Bindung entfällt nur, wenn konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit entscheidungserheblicher Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Festgestellt sind dabei solche Tatsachen, hinsichtlich derer das erstinstanzliche Gericht aufgrund einer freien Beweiswürdigung gemäß § 286 Abs. 1 ZPO die Entscheidung getroffen hat, dass sie wahr oder unwahr ist. Konkreter Anhaltspunkt in diesem Sinn ist jeder objektivierbare rechtliche oder tatsächliche Einwand gegen die erstinstanzlichen Feststellungen. Er kann sich aus gerichtsbekannten Tatsachen, aus dem Vortrag der Parteien oder aus dem angefochtenen Urteil selbst ergeben, aber auch aus Fehlern, die dem Eingangsgericht bei der Feststellung des Sachverhalts unterlaufen sind (BGH vom 08.06.2004 - VI ZR 230/03 - NJW 2004, S. 2828, Ziffer II 2 b bb (1) d. Gr.; BGH vom 09.03.2005 - VIII ZR 266/03 - NJW 2005, S. 1583, Ziffer II 1 u. 2 d. Gr.; BAG vom 23.11.2006 - 8 AZR 349/06, AP Nr. 1 zu § 613 a BGB Wiedereinstellung = EzA § 613 a BGB 2002 Nr. 61 = NZA 2007, S. 866 bis 869, Rn. 28 - 30).
Eine erneute Tatsachenfeststellung durch das Berufungsgericht ist nach der Formulierung des Gesetzes nur als Ausnahme ("soweit nicht") geboten. Dies entspricht der Absicht des Gesetzgebers (Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucksache 14/4722, Seite 100). Aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich aber auch, dass die zur Entlastung des Berufungsgerichts vorgesehene - grundsätzliche - Bindung an die erstinstanzliche Tatsachenfeststellung auf solche Tatsachen beschränkt sein soll, welche die erste Instanz bereits "vollständig" und "überzeugend" getroffen hat (BT-Drucksache 14/4722, Seite 61). Die Aufgabe der Berufungsinstanz als zweite - wenn auch eingeschränkte Tatsacheninstanz besteht auch nach der Reform des Zivilprozesses in der Gewinnung einer "fehlerfreien und überzeugenden" und damit richtigen, das heißt der materiellen Gerechtigkeit entsprechenden Entscheidung des Einzelfalles (BGH vom 09.03.2005 VIII ZR 266/03, BGHZ 162, 313 Rn. 5). Dementsprechend sollen vernünftige Zweifel genügen, um das Berufungsgericht zu neuen Tatsachenfeststellungen zu verpflichten (BGH vom 09.03.2005 a. a. O. Rn. 6). Für Zweifel an der Vollständigkeit der getroffenen Feststellungen reicht es bereits aus, wenn das Erstgericht auf Grund fehlerhafter Beweiswürdigung von der Nichterweislichkeit einer entscheidungserheblichen Tatsachenbehauptung ausgeht, also nur ein tragendes Element die erstinstanzlichen Beweiswürdigungen seiner Aussagekraft geschmälert wird (BGH vom 12.03.2004, V ZR 257/03, NJW 2004, Seite 1876 Ziffer II 2 a aa (2) der Gründe). Erforderlich ist jedoch, dass die Zweifel rational nachvollziehbar sind. Auf bloßen Rechtsgefühl beruhende Zweifel genügen nicht (Gaier, NJW 2004, 2041/2044).
bb)
Danach sind die Feststellungen des Arbeitsgerichts verfahrensfehlerfrei zustande gekommen die Angriffe in der Berufung sind auch nicht geeignet, das Ergebnis der Beweiswürdigungen in Frage zu stellen:
Das Arbeitsgericht hat seine Überzeugung auf die Aussagen der beiden Zeuginnen gestützt und diese auch im Zusammenhang mit den früheren, wenn auch in den Jahren 0000 und 0000 in gleichgelagerten Fällen vorgekommenen Auffälligkeiten des Klägers gesehen. Die Beweiswürdigung ist vom Wortlaut der protokollierten Aussagen der Zeuginnen E. und L. gedeckt. Das Arbeitsgericht führt aus, dass beide Zeuginnen sicher waren, dass das was sie gesehen haben, eine Erektion war. Auch wenn beide Zeuginnen nicht ausschließen konnten, dass die "dicke Beule" im Genitalbereich des Klägers auf eine verrutschte Inkontinenzbinde zurückzuführen sein kann, haben beide übereinstimmend bekundet, dass das was sie gesehen haben, nach ihrer Auffassung wie eine Erektion aussah. Diese Beweiswürdigung des Arbeitsgerichts entspricht dem Wortlaut der protokollierten Aussage. Das Arbeitsgericht hat den Kläger auch mit einer Inkontinenzbinde an den Zeuginnen vorbeilaufen lassen und beide haben auch daraufhin bekundet, dass das was sie am 00.00.0000 gesehen hatten, anders ausgesehen habe. Des Weiteren hat das Arbeitsgericht berücksichtigt, dass der Kläger sie die ganze Zeit angestarrt habe. In der protokollierten Aussage wird dies mit "starren und lüsternen Blicken" beschrieben. Er habe darüber hinaus während dieser Zeit keine sinnvolle Tätigkeit ausgeübt, sondern sich ihnen gegenüber hingestellt, während sie auf den Bus warteten. Das Arbeitsgericht hat des Weiteren berücksichtigt, dass es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass die Zeuginnen den Kläger belasten wollten. Zur Untermauerung des in der Beweisaufnahme gewonnenen Eindrucks hat sich das Arbeitsgericht auf die Vorfälle in den Jahren 0000 und 0000 bezogen und die Anhörung des Klägers, in der von einer Inkontinenzbinde, insbesondere einer verknüllten Inkontinenzbinde noch keine Rede war, herangezogen. Auch hat das Arbeitsgericht berücksichtigt, dass die Beklagte die bereits in der ersten Anhörung der Zeuginnen durch die Schulleiterin danach gefragt haben, dass es sich auch um Werkzeug in der Hose oder ähnliches gehandelt haben könnte, was zu diesem früheren Zeitpunkt die Zeuginnen auch ausgeschlossen hatten. Zutreffend ist der Einwand des Klägers, dass die Beweiswürdigung des Arbeitsgerichts sich nicht ausdrücklich mit dem Umstand befasst, dass er beim Arbeiten eine Weste trägt, was auch die Zeugin E. bestätigt hatte. Es ist jedoch auch beim Tragen einer Weste nicht ausgeschlossen, dass eine im Genitalbereich befindliche Erektion zu erkennen ist. Der Umstand, dass die Beweiswürdigung des Arbeitsgerichts auf das Tragen der Weste überhaupt nicht eingeht, zeigt, dass die Kammer davon überzeugt war, dass auf jeden Fall die Erektion zu erkennen war bzw. der dringende Verdacht des Bestehens und Zeigens einer Erektion bestand. Da der Kläger zu der Beschaffenheit der Weste und dem entsprechenden Sichtschutz nichts weiter vorgetragen hat, gab es auch keine Veranlassung für die Kammer des Arbeitsgerichts, sich damit auseinanderzusetzen, ob es trotz des Tragens einer Weste möglich war, die Erektion zu sehen. Der Kläger hat auch in der Berufung keine weiteren Ausführungen zu der Weste getätigt. Daraus kann nur der Schluss gezogen werden, dass die behauptete Erektion auf jeden Fall sichtbar war. Der Hinweis des Klägers in der mündlichen Verhandlung, er habe schon zum damaligen Zeitpunkt auf Grund Bluthochdrucks und der Medikamenteneinnahme keine Erektion und schon gar nicht in diesem zeitlichen Umfang haben können, stellte das Ergebnis der Beweisaufnahme ebenfalls nicht in Frage. Der Kläger hat weder das Bestehen des Bluthochdrucks durch ärztliches Attest nachgewiesen, noch die Medikamenteneinnahme. Er hat auch nicht ein ärztliches Attest vorgelegt, aus dem der behauptete Umstand hervorgeht. Nicht einmal aus dem so genannten Beizettel des Medikaments, in dem eine entsprechende Nebenwirkung beschrieben wird, ist zitiert worden. Insofern konnte die Kammer nur davon ausgehen, dass es sich um eine Schutzbehauptung des Klägers handelte.
2.)
Die Kündigung verstößt auch nicht gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Insbesondere war der beklagte Landkreis nicht verpflichtet, den Kläger vor Ausspruch der Kündigung abzumahnen. Da eine Kündigung nicht eine Sanktion für die begangene Vertragspflichtverletzung darstellt, sondern der Vermeidung des Risikos weiterer Pflichtverletzungen dient, ist regelmäßig eine Abmahnung erforderlich. Sie dient der Objektivierung der negativen Prognose. Die Abmahnung ist aber zugleich auch Ausdruck des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Die Kündigung ist nicht gerechtfertigt, wenn es andere geeignete mildere Mittel gibt, um die Vertragsstörung zukünftig zu beseitigen. Das ergibt sich auch aus § 314 Abs. 2 BGB. Eine vorherige Abmahnung ist unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes aber ausnahmsweise entbehrlich, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft trotz Abmahnung nicht erwartet werden kann oder es sich um eine schwere Pflichtverletzung handelt, deren Rechtswidrigkeit dem Arbeitnehmer ohne weiteres erkennbar ist und bei der die Hinnahme des Verhaltens durch den Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen ist (BAG vom 18.09.2008, 2 AZR 827/06 nicht veröffentlicht, zitiert nach Juris Rn. 33 und 34). Der Kläger durfte nicht annehmen, dass der Beklagte ein solches Verhalten dulden würde, sodass eine Abmahnung entbehrlich war.
3.)
Schließlich konnte auch die Interessenabwägung nicht zu Gunsten des Klägers ausfallen. Auch aus der ordentlichen Unkündbarkeit des Klägers gemäß § 34 TVöD ergibt sich kein anderes Bild. Bei der Prüfung der Frage, ob ein wichtiger Grund zur Kündigung vorliegt, geht es allein um die Abwägung, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der bei einem ordentlich unkündbaren Arbeitnehmer "fiktiven" Kündigungsfrist dem Arbeitgeber noch zugemutet werden kann. Bei dieser Prüfung besteht kein hinreichender Anlass, neben dem Alter und der Beschäftigungsdauer die ordentliche Unkündbarkeit erneut zu Gunsten des Arbeitnehmers zu berücksichtigen und diesen besserzustellen als einen Arbeitnehmer ohne diesen Kündigungsschutz bei entsprechenden Einzelfallumständen und beiderseitigen Interessen (BAG vom 18.09.2008 a. a. O. Rn. 37 und vom 27.04.2006 2 AZR 386/05, BAGE 118, 104/113 f.). Vorliegend kommt dem Kläger weder sein Alter noch seine Betriebszugehörigkeit zugute. Der Kläger ist Hausmeister an einer Schule. Dort sind regelmäßig minderjährige Schülerinnen und Schüler anwesend. Es ist dem beklagten Landkreis nicht zuzumuten, sich Vorwürfen in der Öffentlichkeit auszusetzen, er beschäftige einen Hausmeister, der Schülerinnen und Schüler in der vorgeworfenen Form belästige. Der beklagte Landkreis ist auch verpflichtet, die minderjährigen Schülerinnen und Schüler vor Einflussnahmen dieser Art zu schützen, nämlich eine ungestörte sexuelle Entwicklung zu schützen. Dazu gehört es auch, die Schülerinnen und Schülern nicht solchen Anblicken und Situationen auszusetzen.
4.)
Der Beklagte hat sowohl die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB eingehalten aus auch den Personalrat ordnungsgemäß - und zwar sowohl zu einer Tat- als auch Verdachstkündigung - angehört und die Kündigung erst nach Benehmensherstellung erklärt (§§ 75, 76 NPersVG). Auch diesbezüglich wird auf die Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils verwiesen (§ 69 Abs. 2 ArbGG).
II.
Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der erfolglosen Berufung zu tragen. Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne des § 72 Abs. 2 ArbGG liegen nicht vor. Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde gemäß anliegender Rechtsmittelbelehrung wird verwiesen.