Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 27.08.2009, Az.: 4 TaBV 76/07
Gegenstandsloswerden des Zustimmungsersetzungsantrags bei Kündigung vor rechtskräftigem Abschluss des Zustimmungsersetzungsverfahrens
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 27.08.2009
- Aktenzeichen
- 4 TaBV 76/07
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2009, 37086
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:2009:0827.4TABV76.07.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BAG - 27.01.2011 - AZ: 2 ABR 114/09
Rechtsgrundlagen
- § 103 Abs. 1 BetrVG
- § 103 Abs. 2 BetrVG
- § 15 Abs. 1 KSchG
Amtlicher Leitsatz
Kündigt der Arbeitgeber einem Betriebsratsmitglied vor Rechtskraft des Beschlusses über die Ersetzung der Zustimmung gem. § 103 BetrVG, wird der Zustimmungsersetzungsantrag gegenstandslos (im Anschluß an LAG Hamm 04.08.2000 - 10 TaBV 7/00 - LAGE § 103 BetrVG 1972 Nr. 17).
Tenor:
Die Beschwerde der Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss des ArbG F-Stadt vom 03.05.2007 - 3 BV 3/06 - wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
A. Die Beteiligten streiten über einen Antrag der Arbeitgeberin auf gerichtliche Ersetzung der verweigerten Zustimmung des in ihrem Betrieb gebildeten Betriebsrats (Beteiligter zu 2) zur außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 3).
Die Arbeitgeberin betreibt ein psychiatrisches Akutkrankenhaus und psychiatrische Pflegeheime, die Menschen mit seelischen, geistigen und/oder Mehrfachbehinderungen mit dem Ziel der Wiedereingliederung in die Gesellschaft betreuen. Sie beschäftigt ca. 870 Mitarbeiter. Der Beteiligte zu 2) ist der bei ihr gebildete Betriebsrat. Der Beteiligte zu 3) trat mit Wirkung vom 1. Oktober 2002 als Justiziar in die Dienste der zu 1) beteiligten Arbeitgeberin.
In Vorbereitung der am 8./9. Dezember 2005 stattfindenden Betriebsratswahl wurde der Beteiligte zu 3) zum Mitglied des Wahlvorstands bestellt und trat selbst als Wahlbewerber auf. Er wurde über die Liste der Gewerkschaft V. in den Betriebsrat gewählt. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beteiligte zu 3) zum Zeitpunkt der Betriebsratswahl leitender Angestellter im Sinne von § 5 Abs. 3 BetrVG war.
Bereits vor der Betriebsratswahl hatte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis mit dem Beteiligten zu 3) mit Schreiben vom 28. November 2005 mit sofortiger Wirkung gekündigt. Mit weiteren Schreiben vom 6. Dezember 2005, 27. Februar 2006, 21. Juni 2006, 15. September 2006 und 27. September 2006 kündigte die Antragstellerin das Arbeitsverhältnis mit dem Beteiligten zu 3) ohne Beteiligung des Betriebsrats erneut fristlos. Die Wirksamkeit der Kündigungen war Gegenstand der vor dem Arbeitsgericht Hannover am 26. April 2006 (2 Ca 478/05) und 25. Oktober 2006 (2 Ca 268/06) erhobenen Klagen. Durch inzwischen rechtskräftige Urteile wurde festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Beteiligten zu 1) und 3) durch die Kündigungen nicht aufgelöst worden ist (17 Sa 1032/06 LAG Niedersachsen - 6 AZN 747/07 BAG; 17 Sa 1766/06 LAG Niedersachsen - 7 AZN 731/07 BAG). Zur Begründung führte die 17. Kammer des Landesarbeitsgerichts aus, der Kläger sei kein leitender Angestellter im Sinne des § 5 Abs. 3, 4 BetrVG. Die Kündigungen seien gem. §§ 15 KSchG, § 103 BetrVG unwirksam, weil die Arbeitgeberin die nach diesen Vorschriften erforderliche Zustimmung nicht eingeholt habe.
Mit Schreiben vom 1. Dezember 2005 erteilte die Arbeitgeberin dem Beteiligten zu 3) unter Bezugnahme auf die außerordentliche Kündigung vom 28. November 2005 ein Hausverbot. Ungeachtet des Hausverbots gewährte der Beteiligte zu 2) dem Beteiligten zu 3) weiterhin Zutritt zu den Betriebsratsräumen und zu Veranstaltungen des Betriebsrats. Unter anderem nahm der Beteiligte zu 3) am 20. Februar 2006 an einer Betriebsversammlung auf dem Betriebsgelände teil.
Mit Schreiben vom 27. Februar 2006 leitete die Antragstellerin beim Betriebsrat das Zustimmungsverfahren zu einer beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 3) ein. Sie begründete den Antrag mit dem Verstoß des Beteiligten zu 3) gegen das Hausverbot vom 20. Februar 2006. Mit dem am 3. März 2006 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antrag leitete die Arbeitgeberin das vorliegende Verfahren auf Ersetzung der Zustimmung zur beabsichtigten Kündigung ein.
Am 8. Juni 2006 erhielt die Geschäftsleitung der Arbeitgeberin ein Schreiben des Betriebsrats mit der Anlage "Betrachtung der aktuellen wirtschaftlichen Situation der Klinik W. GmbH zum Stichtag 31.03.2006". In einer am 15. Juni 2006 durchgeführten Betriebsversammlung referierte der Beteiligte zu 3) unter Zuhilfenahme von Schaubildern den Inhalt der "Betrachtungen" vom 8. Juni 2006.
Mit Schreiben vom 16. Juni 2006 hörte die Antragstellerin den Beteiligten zu 3) wegen des Verdachts an, Verfasser der "Betrachtungen" zu sein und diese an Dritte weitergegeben zu haben. Mit Antwortschreiben vom 19. Juni 2006 erklärte der Beteiligte zu 3), es handele sich um eine Ausarbeitung des Betriebsrates. Die "Betrachtung" sei von ihm nicht an Dritte weitergegeben worden.
Mit Schreiben vom 19. Juni 2006 bat die Arbeitgeberin den Betriebsrat erneut um Zustimmung zu einer beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Beteiligten zu 3). Zur Begründung gab sie an, es bestehe der dringende Verdacht, dass der Beteiligte zu 3) Urheber und Verfasser der "Betrachtung der aktuellen wirtschaftlichen Situation" sei und in seinem Schreiben vom 19. Juni 2006 eine falsche Stellungnahme zu seiner Urheberschaft abgegeben habe. Die Arbeitgeberin begründete den Antrag weiterhin mit einem Verstoß gegen das Hausverbot durch die Teilnahme an der Betriebsversammlung am 15. Juni 2006. Sie warf dem Beteiligten zu 3) ferner vor, in der Betriebsversammlung vom 15. Juni 2006 bewusst wahrheitswidrige Behauptungen aufgestellt und verbreitet zu haben.
Mit der am 23. Juni 2006 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antragserweiterung begehrte die Arbeitgeberin die Zustimmung des Beteiligten zu 3) zu der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung aus den im Anhörungsschreiben vom 19. Juni 2006 angegebenen Gründen.
Unter dem 15. September 2006 bat die Arbeitgeberin den Betriebsrat erneut um Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 3) wegen wiederholter Verstöße gegen das Hausverbot nach dem 13. September 2006. Durch Beschluss vom 13. September 2006 erklärte die 5. Kammer des Arbeitsgerichts Hannover in mehreren Verfahren verschiedene Beschlüsse des Betriebsrats, u . a. die Durchführung der konstituierenden Sitzung wegen der Teilnahme des Beteiligten zu 3) trotz Verhinderung an der Ausübung des Amtes für unwirksam.
Mit dem am 21. September 2006 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz bat die Antragstellerin erneut um Ersetzung der Zustimmung durch das Arbeitsgericht.
Mit Schriftsatz vom 29. September 2006 erweiterte die Arbeitgeberin ihren Antrag auf Zustimmung des Beteiligten zu 2) zur außerordentlichen Kündigung des Beteiligen zu 3) unter Bezugnahme auf die Ausführungen im Schriftsatz vom 27. September 2006. Wegen der Einzelheiten des Schriftsatzes wird auf Bl. 398 - 403 d. A. Bezug genommen. Nachdem sie den Betriebsrat mit Schreiben vom 13. Oktober 2006 erfolglos um Zustimmung zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 3) gebeten hatte, beantragte die Arbeitgeberin am 18. Oktober 2006 erneut die Ersetzung der Zustimmung.
Durch Beschluss vom 25. Oktober 2006 erklärte das Arbeitsgericht Hannover (2 BV 19/05) die Betriebsratswahl vom 8./9. Dezember 2005 für unwirksam. Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen wies die Beschwerde durch Beschluss vom 27. März 2008 (11 TaBV 128/07) zurück. Noch vor Zustellung des Beschlusses des Landesarbeitsgerichts, gegen den später Nichtzulassungsbeschwerde bei dem Bundesarbeitsgericht eingelegt wurde (7 ABN 31/08), trat der Betriebsrat durch Mehrheitsbeschluss vom 17. April 2008 nach § 13 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG zurück.
Im direkten Anschluss an den bekannt gegebenen Rücktritt des Betriebsrats und vor der Konstituierung des Wahlvorstandes kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis mit dem Beteiligten zu 3) mit Schreiben vom 17.04.2008, zugegangen am 17. und 18.04.2008, erneut außerordentlich. Gegen die Kündigung wandte sich der Beteiligte zu 3) mit der am Arbeitsgericht Hannover erhobenen Kündigungsschutzklage (2 Ca 268/06). In dem Kündigungsschutzverfahren führte die Arbeitgeberin mit Schriftsatz vom 28.07.2008 aus, durch die Einleitung des vorliegenden Zustimmungsersetzungsverfahren (3 BV 3/06) habe sie nach der Rechtsprechung des 2. Senats des Bundesarbeitsgerichts (Urt. v. 17.03.2005 - 2 AZR 275/04 - AP § 27 BetrVG 1972 Nr. 6) ihre Mitteilungspflicht nach § 102 BetrVG erfüllt. Das Arbeitsgericht gab der Klage durch Urteil vom 05.10.2008 statt. Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen wies die Berufung der Arbeitgeberin durch Urteil vom 17. Juni 2009 (17 Sa 2013/08) mit der Begründung zurück, das Zustimmungserfordernis für die streitige Kündigung vom 17.04.2008 sei nicht durch den Rücktritt des Betriebsrats am 17.04.2008 entfallen. Allein der Rücktritt des gesamten Organs führe nicht zum Wegfall des Kündigungsschutzes nach § 103 BetrVG; der Betriebsrat sei auch in diesem Fall zur Weiterführung der Geschäfte gem. § 22 i.V.m. § 13 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG verpflichtet.
Bei der zwischenzeitlich durchgeführten Betriebsratswahl vom 03./04.2008 wurde der Kläger erneut in den Betriebsrat gewählt.
Das Arbeitsgericht hat die Anträge der Arbeitgeberin auf Ersetzung der Zustimmung zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung zurückgewiesen.
Mit der Beschwerde verfolgt die Arbeitgeberin ihre ursprünglichen Anträge weiter. Sie macht geltend, die außerordentliche Kündigung vom 17. April 2008 sei nur vorsorglich ausgesprochen worden unter ausdrücklichem Vorbehalt der Aufrechterhaltung des laufenden Zustimmungsersetzungsverfahrens.
Die Arbeitgeberin beantragt,
in Abänderung des angefochtenen Beschlusses die Zustimmung des Antragsgegners und Beteiligten zu 2) zur außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 3) C. zu ersetzen.
Die Beteiligten zu 2) und 3) beantragen,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Der Beteiligte zu 3) macht geltend, die Arbeitgeberin habe in dem Verfahren 17 Sa 2013/08 die Auffassung vertreten, nach dem Rücktritt des Betriebsrates und Einleitung der Neuwahlen habe es einen Zeitraum gegeben, in dem die Mitglieder des Betriebsrates keinen besonderen Kündigungsschutz mehr gehabt hätten. Die Arbeitgeberin habe damit eindeutig zu verstehen gegeben, dass sie nach ihrer Auffassung nicht mehr auf die in diesem Verfahren beantragte Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats angewiesen sei und habe deshalb die Kündigung ausgesprochen. Das vorliegende Verfahren sei daher gegenstandslos geworden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Vorbringens der Beteiligten wird auf den vorgetragenen Inhalt der zu den Akten gereichten Schriftsätze und deren Anlagen verwiesen.
B. Die nach den §§ 87, 89, 66, 64 Abs. 6 ArbGG, 518, 519 ZPO statthafte und form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist nicht begründet.
I. Das Rechtsschutzinteresse der Arbeitgeberin ist allerdings nicht bereits deshalb entfallen, weil die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis mit dem Beteiligten zu 3) mehrfach gekündigt hat, ohne dass sie zuvor das Zustimmungsverfahren eingeleitet bzw. die neuen Kündigungsgründe vor Einführung in das gerichtliche Zustimmungsersetzungsverfahren dem Betriebsrat mitgeteilt hat. Aufgrund der rechtskräftigen Urteile der 17. Kammer des Landesarbeitsgerichts (17 Sa 1032/06; 17 Sa 1766/07) steht fest, dass das Arbeitsverhältnis zwischen der Antragstellerin und dem Beteiligten zu 3) nicht durch die vorausgegangen Kündigungen beendet worden ist. Um ein etwa nach § 15 KSchG, § 626 BGB bestehendes Kündigungsrecht ausüben zu können, bedarf die Antragstellerin der Zustimmung des Betriebsrats.
II. Dem Rechtsschutzinteresse der Arbeitgeberin steht nicht entgegen, dass der Betriebsrat durch Mehrheitsbeschluss vom 17. April 2008 nach§ 13 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG zurückgetreten ist. Allein der Rücktritt des gesamten Organs führt nicht zum Wegfall des Kündigungsschutzes nach § 103 BetrVG. Der Betriebsrat ist auch in diesem Fall zur Weiterführung der Geschäfte gem. § 22 i.V. m.§ 13 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG verpflichtet. Unstreitig ist der Beteiligte zu 3) bei der Betriebsratswahl vom 03./04.2008 erneut in den Betriebsrat gewählt worden. Schließt sich nach Ablauf der Amtszeit eines Amtsträgers i.S.d. § 103 BetrVG nahtlos ein neuer Kündigungsschutz nach § 103 BetrVG für den Arbeitnehmer an, gilt die bisherige Erklärung des Betriebsrats (Zustimmungsverweigerung) weiter, auch wenn ein neuer Betriebsrat amtiert (BAG Beschl. v. 19.09.1991 - 2 ABR 14/91 - RzK II 3 Nr. 20).
III. Der Antrag der Arbeitgeberin auf Ersetzung der Zustimmung zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 3) ist durch den Ausspruch der Kündigung vom 17. April 2008 gegenüber dem Beteiligten zu 3) unzulässig geworden.
Die Arbeitgeberin hat die Kündigung vom 17. April 2008 zu einem Zeitpunkt ausgesprochen, als das Zustimmungsersetzungsverfahren in der Beschwerdeinstanz anhängig war. Hat der Arbeitgeber jedoch nach Einleitung eines Zustimmungsersetzungsverfahrens eine - wenn auch unzulässige - Kündigung ausgesprochen, wird der noch nicht rechtskräftig beschiedene Zustimmungsersetzungsantrag unzulässig, weil der Arbeitgeber das Verfahren durch den Ausspruch der Kündigung abgebrochen und gegenstandslos gemacht hat (LAG Hamm Beschl. v. 4. August 2000 - 10 TaBV 7/00 - RzK II 3 Nr. 38; kritisch: Diller, NZA 2004, 579). Vor Ausspruch einer erneuten Kündigung bedarf es wiederum der Einleitung eines Zustimmungsverfahrens beim Betriebsrat und erst bei Zustimmungsverweigerung durch den Betriebsrat der Einleitung eines erneuten Zustimmungsersetzungsverfahrens (vgl. BAG Beschl. v. 20.03.1975 - 2 ABR 111/74 - AP § 103 BetrVG 1972 Nr. 2; Urt. v. 24. Oktober 1996 - 2 AZR 3/96 - AP § 103 BetrVG 1972 Nr. 32; Urt. v. 9. Juli 1998 - 2 AZR 142/98 - AP § 103 BetrVG 1972 Nr. 36). Das ergibt sich aus folgenden Erwägungen:
Nach § 103 Abs. 1 BetrVG bedarf jede außerordentliche Kündigung eines Betriebsratsmitglieds der Zustimmung des Betriebsrats. Nach Sinn und Zweck der Vorschrift, dem Betriebsrat Gelegenheit zu geben, auf den Kündigungsentschluss des Arbeitgebers Einfluss zu nehmen, kann ein Zustimmungsverfahren grundsätzlich nur für die Kündigung Wirksamkeit entfalten, für die es eingeleitet ist. Im Anhörungsverfahren nach § 102 Abs. 1 S. 1 BetrVG ergibt sich dies bereits aus dem Wortlaut der Bestimmung. Danach ist der Betriebsrat vor jeder Kündigung zu hören. Eine ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats ist Wirksamkeitsvoraussetzung für jede Kündigung. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Arbeitgeber wegen Bedenken gegen die Wirksamkeit der ersten Kündigung vorsorglich erneut kündigt. Ist die erste Kündigung ordnungsgemäß zugegangen, so greift die ausdrückliche Pflicht des § 102 Abs. 1 S. 1 BetrVG ein, den Betriebsrat vor Ausspruch der erneuten, lediglich vorsorglichen Kündigung auch erneut anzuhören. Mit dem Zugang der ersten Kündigung hat der Arbeitgeber seinen Kündigungswillen bereits verwirklicht und das Gestaltungsrecht ausgeübt. Die Betriebsratsanhörung ist mit dem Zugang der Kündigungserklärung verbraucht (BAG Urt. v. 3. April 2008 - 2 AZR 965/06 - AP § 102 BetrVG 1972 Nr. 159; Urt. v. 10. November 2005 - 2 AZR 623/04 - AP § 626 BGB Nr. 196; Urt. v. 31. Januar 1996 - 2 AZR 273/95 - AP § 102 BetrVG Nr. 80; KR/Etzel 8. Aufl. § 102 BetrVG Rn. 57 a; Stahlhacke/Preis/Vossen-Preis Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis 9. Aufl. Rn. 384 ff.; einschränkend Diller NZA 2004, 579; APS/Koch 3. Aufl. § 102 BetrVG Rn. 26 "Förmelei").
Im Regelungsbereich des § 103 BetrVG gilt nichts anderes. Das Zustimmungsverfahren nach § 103 BetrVG ist nämlich eine gegenüber dem Anhörungsverfahren nach § 103 BetrVG weitergehende, qualifizierte Form der Beteiligung des Betriebsrates bei einer Kündigung. Dementsprechend sind die für das Anhörungsverfahren geltenden Grundsätze entsprechend auch auf das Zustimmungsverfahren anzuwenden (BAG Urt. v. 17. März 2005 - 2 AZR 275/04 - AP § 27 BetrVG 1972 Nr. 6). Hieraus folgt, dass auch im Regelungsbereich des § 103 BetrVG ein erneutes Zustimmungsverfahren erforderlich ist, wenn der Arbeitgeber nach Zugang einer ersten Kündigung erneut kündigen will. Das Zustimmungsverfahren nach § 103 BetrVG bezieht sich stets nur auf eine bestimmte Kündigung. Ist die Kündigung ordnungsgemäß zugegangen, so greift die ausdrückliche Pflicht des § 103 Abs. 1 BetrVG ein, zu einer erneuten Kündigung auch erneut die Zustimmung des Betriebsrats einzuholen (BAG Urt. v. 24. Oktober 1996 - aaO.).
Nach Zugang der - unwirksamen - Kündigung der Arbeitgeberin vom 17. April 2008 bei dem Beteiligten zu 3) war das vorliegende Zustimmungsersetzungsverfahren erledigt. Das Zustimmungsverfahren war durch Ausspruch der Kündigung abgeschlossen und damit verbraucht. Denn die Arbeitgeberin hat die Kündigung vom 17. April 2008 mit Schriftsatz vom 28.07.2008 ausdrücklich auf die in dem vorliegenden Beschlussverfahren vorgetragenen Kündigungsgründe gestützt. Sie hat des weiteren ausgeführt, durch das "Zustimmungsersetzungsverfahren - 3 BV 3/06 - und die in diesem Verfahren durchgeführte Anhörung des Betriebsrats" sei die Anhörung nach § 102 BetrVG ersetzt. Der Ausspruch einer erneuten Kündigung setzt deshalb einen erneuten Antrag auf Zustimmung beim Betriebsrat voraus.
Die Zulassung der Rechtsbeschwerde beruht auf § 92 ArbGG.
Höfer
Hampel