Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 02.11.2009, Az.: 9 TaBV 7/09
Mitbestimmung des Betriebsrats bei übertariflicher Gagenbestandteilen von Bühnenmitarbeitern; Unbegründeter Globalantrag der Arbeitgeberin; Darlegungslast der Arbeitgeberin zur Mitbestimmung in Tendenzunternehmen
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 02.11.2009
- Aktenzeichen
- 9 TaBV 7/09
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2009, 27916
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:2009:1102.9TABV7.09.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- ArbG Wilhelmshaven - 09.12.2008 - AZ: 1 BV 15/08
Rechtsgrundlagen
- Art. 5 Abs. 3 GG
- § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG
- § 87 Abs. 1 Nr. 11 BetrVG
- § 118 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BetrVG
- § 1 Abs. 3 S. 2 Normalvertrag Bühne
- § 12 Normalvertrag Bühne
- § 58 Abs. 2 Normalvertrag Bühne
- § 67 Abs. 2 Normalvertrag Bühne
- § 256 Abs. 1 ZPO
Redaktioneller Leitsatz
1. Die Arbeitgeberin hat grundsätzlich ein Interesse an der Feststellung, dass in bestimmten Fallkonstellationen ein Mitbestimmungsrecht besteht.
2. Der Antrag der Arbeitgeberin auf Feststellung, dass dem Betriebsrat bei der Entscheidung über die Hohe der Gagenentlohnung über die tariflich zustehenden Gagenbestandteile hinaus kein Mitbestimmungsrecht zusteht, ist unbegründet, wenn er mit seiner umfassenden Formulierung auch Fallgestaltungen erfasst, in denen ein Mitbestimmungsrecht besteht.
3. Eine gesetzliche Regelung besteht hinsichtlich der übertariflichen Vergütungsbestandteile nicht; die tariflichen Regelungen des Normalvertrages Bühne schließen ein Mitbestimmungsrecht hinsichtlich übertariflicher Vergütungsbestandteile nicht aus.
4. Die zusätzliche Vergütung der Bühnenbeschäftigten hat auch einen kollektiven Bezug.
5. Der Geltungsbereich des § 1 Normalvertrag Bühne ist sehr weit gefasst und lässt ohne weitere Darlegungen nicht den Schluss zu, dass es sich bei sämtlichen aufgeführten Tätigkeiten um Tendenzträger handelt; insbesondere bei den technischen Mitarbeitern, aber auch bei Souffleuren oder Chefmaskenbildnern ist das zweifelhaft.
6. Da allein die Vereinbarung einer überwiegenden künstlerischen Tätigkeit im Arbeitsvertrag noch keinen Rückschluss auf das Vorliegen eines Tendenzträgers im Einzelfall zulässt, kann auch nicht generell davon ausgegangen werden, dass Mitbestimmungsrechte nach § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG ausgeschlossen sind; wer im einzelnen Tendenzträger ist, ist im Rahmen eines Globalantrages nicht zu entscheiden und hängt auch von dem Sinn und Zweck des gesonderten Vergütungsbestandteils ab.
Tenor:
Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 2) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Wilhelmshaven vom 09.12.2008, 1 BV 15/08, abgeändert und der Antrag des Beteiligten zu 1) abgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über das Bestehen eines Mitbestimmungsrechtes des Betriebsrates über die tariflich festgelegten Gagenbestandteile hinausgehende Gagenentlohnung von Mitarbeitern, auf deren Arbeitsverhältnis der Normalvertrag Bühne vom 15. Oktober 2000 des Deutschen Bühnenvereins oder der BTTL, der Vorgängertarifvertrag des Normalvertrages Bühne Anwendung findet.
Die Beteiligte zu 1) betreibt in A-Stadt ein Schauspielhaus. Der Beteiligte zu 2) ist der dortige Betriebsrat.
Der Betriebsrat nahm nach dem rechtskräftigen Abschluss eines Rechtsstreits über das Bestehen eines Einblicksrechts des Betriebsrates auch in die Gagenlisten (BAG vom 13.02.2007, 1 ABR 14/06, AP Nr. 81 zu § 118 BetrVG 1972 = NZA 2007, 1121 - 1124 [BAG 13.02.2007 - 1 ABR 14/06]) Einblick in die ihm überlassenen Bruttogehalts- und Gagenlisten. Mit Schreiben vom 1. Oktober 2007 wandte er sich an die Geschäftsleitung der Beteiligten zu 1) und stellte einige Frage zu den objektiven Kriterien für die unterschiedliche Bezahlung der im Schreiben im Einzelnen aufgeführten Personen bzw. Personengruppen. Unter anderem wurde danach gefragt, ob und nach welchem Muster "Anfängern" die Mindestgage erhöht würde, welche Entscheidungskriterien zu den Unterschieden einzelner Gagenentlohnung führten und um Erklärung, der technischen Leiterzulage für den technischen Leiter gebeten. Für den gesamten Inhalt des Schreibens wird auf Bl. 8 d. A. Bezug genommen. Mit Schreiben vom 02.10.2007 beantwortete der Intendant das Schreiben wie folgt: "Die Höhe der Gage richtet sich nach der künstlerischen Qualität der einzelnen Künstler. Über diese entscheidet alleine der Intendant." (Bl. 10 d. A).
Am 12.08.2008 beantragte der Betriebsrat in dem Verfahren 1 BV 26/08 beim Arbeitsgericht die Einsetzung einer Einigungsstelle. Mit Beschluss vom 02.09.2008 setzte das Arbeitsgericht eine Einigungsstelle mit dem Gegenstand "Erarbeiten von Gagenregelungen im Bereich der Beteiligten zu 2), die über die tariflichen Mindestvergütungsregelungen hinaus gehen wird" eine Einigungsstelle ein. Das Beschwerdeverfahren endete vergleichsweise dahingehend, dass die Beteiligten letztendlich den Ausgang des hiesigen Verfahrens über das Bestehen eines Mitbestimmungsrechtes abwarten.
Bei der Beklagten werden in den Arbeitsverträgen regelmäßig die anzuwendenden Tarifverträge in Bezug genommen. Diejenigen Mitarbeiter, auf deren Arbeitsverhältnis der so genannte Normalvertrag Bühne oder der ehemalige BTTL zugrunde liegen, sind in der vom Beteiligten zu 1) zu Bl. 82 als Anlage ASt 9 erstellten Liste enthalten. Hierauf wird Bezug genommen. Derzeit werden Mitarbeiter beschäftigt, die vom persönlichen Geltungsbereich des besonderen Teils des Normalvertrages "Solo" und "Bühnentechnik" erfasst werden. Es gibt bei der Beteiligten zu 1) auch Arbeitsverhältnisse, deren Arbeitsbedingungen sich nach dem TVöD richten. Diese Mitarbeiter und die für diese geltenden arbeitsvertraglichen Bedingungen spielen in diesem Verfahren keine Rolle.
Die maßgeblichen Bestimmungen des Normalvertrages Bühne vom 15. Oktober 2002 lauten wie folgt:
§ 1
Geltungsbereich
(1)
Dieser Tarifvertrag gilt für Solomitglieder und Bühnentechniker sowie Operchor- und Tanzgruppenmitglieder. ...
Solomitglieder sind Einzeldarsteller einschließlich Kabarettisten und Puppentheaterspielern, Dirigenten, Kapellmeister, Studienleiter, Repetitoren, Orchestergeschäftsführer, Direktoren des künstlerischen Betriebs (insbesondere Operndirektor, Schauspieldirektor, Ballettdirektor, Leiter des Kinder- und Jugendtheaters), Spielleiter (Regisseure), Chordirektoren, Choreografen, Tanz-/Ballettmeister sowie Trainingsleiter, Dramaturgen, Leiter des künstlerischen Betriebsbüros, Disponenten, Ausstattungsleiter, Bühnenbildner, Kostümbildner und Lichtdesigner, Inspizienten, Theaterpädagogen, Schauspielmusiker, Referenten und Assistenten von Intendanten sowie des künstlerischen Betriebs, Souffleure, Theaterfotografen und Grafiker, Pressereferenten und Referenten der Öffentlichkeitsarbeit sowie Personen in ähnlicher Stellung.
(2) ...
(3)
Bühnentechniker sind technische Direktoren und technische Leiter, Vorstände der Malsäle, Leiter des Beleuchtungswesens, Leiter der Bühnenplastikerwerkstätten, Leiter des Kostümwesens, Leiter der Ausstattungswerkstätten, Chefmaskenbildner, Referenten und Assistenten der technischen Direktoren und technischen Leiter, Tonmeister.
Oberinspektoren und Inspektoren, Theater- und Kostümmaler, Beleuchtungsmeister und Beleuchter, Bühnenplastiker (Kascheure) Maskenbildner, Requisitenmeister und Requisiteure, Gewandmeister, Bühnenmeister, Veranstaltungstechniker, Tontechniker und Personen in ähnlicher Stellung sind Bühnentechniker im Sinne dieses Tarifvertrages wenn mit ihnen im Arbeitsvertrag vereinbart wird, dass sie überwiegend künstlerisch tätig sind.
(4) ...
(5) ...
(6) ...
(7) ...
§ 58
Vergütung - Solo
(1)
Im Arbeitsvertrag ist eine Gage zu vereinbaren. Sie beträgt mindestens ... Euro monatlich. Mit der Gage sind die von dem Solomitglied nach diesem Tarifvertrag zu erbringenden Arbeitsleistungen abgegolten, soweit sich aus den Absätzen 2 und 3 nichts anderes ergibt.
(2)
Neben der Gage können mit dem Solomitglied als besondere Vergütung Spielgelder oder Überspielhonorare vereinbart werden.
(3) ...
(4) ...
(5) ...
§ 67
Vergütung - Bühnentechniker
(1)
Im Arbeitsvertrag ist eine Gage zu vereinbaren. Sie beträgt mindestens (...) Euro monatlich. ... . Mit der Gage sind die von dem Bühnentechniker nach diesem Tarifvertrag zu erbringenden Arbeitsleistungen abgegolten, soweit sich aus den Absätzen 2 und 3 nichts anderes ergibt.
(2)
Neben der Gage können mit dem Bühnentechniker besondere Vergütungen vereinbart werden.
(3) ...
(4) ...
Die Beteiligte zu 1) schließt mit den Künstlern in der Regel Arbeitsverträge, in denen eine Gesamtvergütung vereinbart wird, die sich aus der tariflichen Mindestvergütung und einem weiteren Betrag zusammensetzt.
Die Beteiligte zu 1) hat die Auffassung vertreten, dass der im Arbeitsvertrag mit dem Künstler festgelegte Vergütungsbestandteil, der über die Mindestvergütung im Tarifvertrag hinausgeht, individuell ausgehandelt werde und dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates entzogen sei. Das ergebe sich auch aus Wortlaut und Systematik des Normalvertrages Bühne. Die Arbeitsverträge mit den Künstlern seien regelmäßig befristet. Im Übrigen scheide ein Mitbestimmungsrecht auch aus, weil die betroffenen Arbeitnehmer Tendenzträger seien.
Die Antragstellerin hat beantragt,
festzustellen, dass dem Antragsgegner bei der von der Antragstellerin vorgenommenen Entscheidung über die Hohe der Gagenentlohnung über die tariflich zustehenden Gagenbestandteile hinaus kein Mitbestimmungsrecht zusteht.
Der Beteiligte zu 2) hat beantragt,
den Antrag abzuweisen.
Er hat darauf verwiesen, dass ihm ein Mitbestimmungsrecht hinsichtlich der Lohngestaltung gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10, 11 BetrVG zustehe. Das schließe auch der Tarifvertrag für die übertariflichen Gagenbestandteile nicht aus. Wenn der Arbeitgeber auf die künstlerische Qualität abstelle, handele es sich dabei um einen Verteilungsgrundsatz. Auch in einem Tendenzbetrieb und bei Tendenzträgern sei ein Mitbestimmungsrecht nicht generell ausgeschlossen.
Das Arbeitsgericht hat dem Antrag mit Beschluss vom 09.12.2008 überwiegend stattgegeben und festgestellt, dass dem Betriebsrat bei der von der Arbeitgeberin vorgenommenen Entscheidung über die Höhe der Gagenentlohnung über die tariflich zustehenden Gagenbestandteile hinaus kein Mitbestimmungsrecht zusteht, soweit die Mitarbeiter auf Basis des NV Bühne oder des ehemaligen BTTL vergütet werden. Das Arbeitsgericht hat dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass es sich bei den betroffenen Mitarbeitern zumindest teilweise um Tendenzträger handele und ein Mitbestimmungsrecht aus diesem Grunde ausgeschlossen sei. Bei den übrigen Arbeitnehmern scheide das Mitbestimmungsrecht aus, weil es an einem kollektiven Tatbestand fehle.
Dieser Beschluss ist der Beteiligten zu 1) am 17.12.2008 und dem Beteiligten zu 2) am 18.12.2008 zugestellt worden. Der Beteiligte zu 2) hat hiergegen mit am 14.01.2009 eingegangenem Schriftsatz Beschwerde eingelegt und diese mit am 17.03.2009 eingegangenem Schriftsatz begründet, nachdem die Beschwerdebegründungsfrist durch Beschluss vom 10.02.2009 bis 18.03.2009 verlängert worden war.
Der Beteiligte zu 1) und Betriebsrat wendet sich gegen die arbeitsgerichtliche Entscheidung nach Maßgabe seiner Begründung vom 17.03.2009. Das Arbeitsgericht habe nicht beachtet, dass die Vergütungsregelungen des Normalvertrags Bühne regelungsoffen seien und Raum für die Mitbestimmung des Betriebsrates lasse soweit die tarifliche Mindestgage überschritten werde. Auch genüge allein das Vorliegen eines Tendenzbetriebes nicht, eine Einschränkung der Beteiligungsrechte nach § 118 Abs. 1 Satz 1 BetrVG vorzunehmen. Vielmehr müsse für jeden Mitarbeiter im Einzelnen dargelegt werden, dass es sich um einen Tendenzträger handele. Das habe die Beteiligte zu 1) nicht getan. Schließlich könne auch am Vorliegen eines kollektivrechtlichen Bezugs kein Zweifel bestehen. Dabei komme es auch nicht entscheidend darauf an, ob bereits ein entsprechendes Vergütungssystem bestehe. Jedenfalls habe der Betriebsrat bei der Schaffung eines solchen Vergütungssystems ein Mitbestimmungsrecht.
Er beantragt,
den Beschluss des Arbeitsgerichts Wilhelmshaven, 1 BV 15/08, vom 09.12.2008 abzuändern und den Antrag der Beteiligten zu 1) zurückzuweisen.
Die Beteiligte zu 1) beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie bleibt bei ihrer Auffassung, dass der Tarifvertrag ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates für die streitigen Vergütungsbestandteile ausschließe. Der Tarifvertrag regele die Mindestgage. Die weiteren Vergütungsbestandteile seien auf arbeitsvertraglicher Ebene frei aushandelbar. Das ergebe sich auch letztendlich aus der Tendenzträgereigenschaft der betroffenen Mitarbeiter. Der Tarifvertrag stelle bewusst im Hinblick auf Artikel 5 Abs. 3 GG darauf ab, wegen der Besonderheiten eines Arbeitsverhältnisses mit Künstlern einzelne Vergütungsbestandteile individuell aushandeln zu können. Hinsichtlich des Einwandes, der Antrag sei als Globalantrag zu behandeln, stellt sie in der mündlichen Verhandlung klar, dass es sich nur um die Vergütungsbestandteile im so genannten engeren Sinn handele, also nicht um Zulagen oder Spesen oder sonstige zusätzliche Zahlungen. Insoweit werde ein Mitbestimmungsrecht auch nicht bestritten. Im Übrigen seien auch nur die Mitarbeiter betroffen, die vom persönlichen Geltungsbereich des besonderen Teils Solo und Bühnentechnik erfasst werden und soweit mit ihnen im Arbeitsvertrag die überwiegende künstlerische Tätigkeit vereinbart sei.
II.
Die zulässige Beschwerde ist auch begründet.
1.
Der Antrag der Beteiligten zu 1) ist zulässig, insbesondere besteht das erforderliche Feststellungsinteresse. Die Arbeitgeberin hat grundsätzlich ein Interesse an der Feststellung, dass in bestimmten Fallkonstellationen ein Mitbestimmungsrecht besteht. Dies insbesondere auch im Hinblick auf die laufende Einigungsstelle. Auch wenn die Einigungsstelle regelmäßig in eigener Zuständigkeit prüft, ob ein Mitbestimmungsrecht besteht, schließt dies die Durchführung eines gesonderten Feststellungsverfahrens nicht aus.
Soweit der Antrag der Beteiligten zu 1) die einzelnen Arbeitsverhältnisse und Vergütungsbestandteile, die Gegenstand des streitigen Mitbestimmungsrechtes sein sollen, nicht näher konkretisiert, ist der gleichwohl hinreichend bestimmt. Ein Globalantrag ist umfassend, aber nicht unbestimmt (BAG vom 10.03.2009, 1 ARB 87/07, zitiert nach Juris Rn. 11).
2.
Der Antrag der Arbeitgeberin ist unbegründet. Er erfasst mit seiner umfassenden Formulierung auch Fallgestaltungen, in denen ein Mitbestimmungsrecht besteht. Damit ist er in vollem Umfang abzuweisen.
a)
Grundsätzlich kommt das Bestehen eines Mitbestimmungsrechtes nach § 87 Abs. 1 Nrn. 10 und 11 BetrVG in Betracht. Nach § 87 Abs. 1 Nrn. 10 und 11 besteht bei der Festlegung von Verteilungsgrundsätzen von Vergütungsbestandteilen ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates.
aa)
Dieses Mitbestimmungsrecht ist nicht nach § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG durch das Bestehen einer gesetzlichen oder tariflichen Regelung ausgeschlossen. Eine gesetzliche Regelung besteht hinsichtlich der übertariflichen Vergütungsbestandteile nicht. Die tariflichen Regelungen des Normalvertrages Bühne schließen ein Mitbestimmungsrecht hinsichtlich dieser Vergütungsbestandteile auch nicht aus. Grundsätzlich schließen nur zwingende tarifliche Regelungen das Mitbestimmungsrecht aus, wobei die Tarifbindung des Arbeitgebers im Sinne des § 3 Abs. 2 TVG ausreicht. Entscheidend für die Frage, ob eine tarifliche Regelung im Sinne des § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG besteht, ist, ob der Tarifvertrag eine Frage so abschließend regelt, dass keine weitere Regelungsmöglichkeit besteht oder ob der Tarifvertrag Ergänzungen zulässt und auch Ergänzungen möglich sind (BAG vom 03.12.199,1GS 1/90, AP Nr. 52 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung, insbes. Rn. 56). Überlässt der Tarifvertrag den Parteien des Arbeitsvertrages die Vereinbarung über die Höhe des Entgeltes, besteht ein Mitbestimmungsrecht (BAG vom 14.12.1993, 1 ABR 31/03, AP Nr. 65 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung). Eine solche abschließende Regelung, die ein Mitbestimmungsrecht ausschließt, besteht nach dem Normalvertrag Bühne nicht.
bb)
Der Normalvertrag Bühne regelt in § 12 zunächst ganz allgemein die Modalitäten für die Vergütung im Arbeitsverhältnis und legt im Besonderen Teil für die einzelnen Beschäftigungsgruppen - hier betreffend Solo und Bühnentechnik - eine Mindestgage fest und lässt darüber hinaus die Vereinbarung einer zusätzlichen Vergütung zu. Die Vereinbarung einer zusätzlichen Vergütung ist im Tarifvertrag weder der Höhe nach noch hinsichtlich sonstiger Entgeltmerkmale geregelt. Auch aus dem Umstand, dass § 58 Abs. 2 und § 67 Abs. 2 des Tarifvertrages die Vereinbarung besonderer Vergütungen zulässt, folgt nicht zwingend, dass diese dem Mitbestimmungsrecht entzogen sind. Ob es sich im Einzelfall bei der Vereinbarung der besonderen Vergütung um eine Individualvereinbarung oder um eine Regelung mit kollektivem Bezug handelt, ist gesondert zu beurteilen. An dieser Stelle ist zunächst entscheidend, dass der Tarifvertrag keine abschließende Regelung für die zusätzlichen Vergütungsbestandteil enthält und ein Mitbestimmungsrecht daher aus diesem Grunde auch nicht ausgeschlossen ist.
b)
Ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 und 11 BetrVG ist auch nicht deswegen ausgeschlossen, weil die zusätzliche Vergütung keinen kollektiven Bezug hätte.
aa)
Ein kollektiver Tatbestand, der für das Bestehen eines Mitbestimmungsrechtes erforderlich ist, besteht immer dann, wenn eine generelle Regelung getroffen wird oder getroffen werden soll. Diese ist abzugrenzen von einer Einzelfallmaßnahme, die nur einzelne Arbeitnehmer betreffen, weil sie besonderen Wünschen oder einer besonderen Situation gerecht werden. Maßgebliches Abgrenzungskriterium ist also, ob sich die Maßnahme inhaltlich abstrakt auf den Betrieb oder eine bestimmte Arbeitnehmergruppe bezieht und nicht nur auf einen einzelnen Arbeitnehmer. Letzteres könnte z. B. bei der Gewährung einer persönlichen Zulage der Fall sein. Zutreffend ist die Auffassung der Beteiligten zu 1), dass individuelle Lohnvereinbarungen keinen kollektiven Bezug haben. Individuelle Lohnvereinbarungen werden den besonderen Umständen des einzelnen Arbeitnehmers gerecht und haben keinen inneren Zusammenhang mit Leistungen anderer Mitarbeiter. Dabei kommt es nicht maßgeblich darauf an, ob es bereits ein betriebliches Vergütungssystem besteht oder ob der Betriebsrat ein solches bei der Gewährung von übertariflichen Vergütungsbestandteilen erst initiieren will. Maßgeblich für das Bestehen eines kollektiven Tatbestandes ist allein, dass Grund und Höhe von allgemeinen Grundsätzen abhängig sein können. Jedenfalls immer dann, wenn ein Vergleich mit einer Normal- oder Minderleistung vorgenommen wird, wird automatisch ein kollektiver Bezug hergestellt, weil andere Arbeitnehmer betrachtet werden. Also immer dann, wenn beispielsweise Vorgesetzte anders vergütet werden sollen, als andere Mitarbeiter oder Mitarbeiter mit einer besseren künstlerischen Qualität eine besondere Vergütung in bestimmter Höhe erhalten sollen, setzt das dann notwendig den Vergleich mit anderen Mitarbeitern voraus.
bb)
Einem kollektiven Tatbestand steht auch entgegen der Auffassung der Beteiligten zu 1) nicht entgegen, dass die Vergütungsregelung im Normalvertrag Bühne auch im Hinblick auf die von Artikel 5 Abs. 3 GG gewährleistete Kunstfreiheit auszulegen ist. Das Betriebsverfassungsgesetz berücksichtigt bereits in § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG, dass ein Mitbestimmungsrecht für Arbeitsbedingungen von Tendenzträgern in Tendenzunternehmen nicht besteht. Bei den Arbeitsverhältnissen, bei denen die Arbeitsbedingungen von Tendenzträgern beschäftigt werden, ist der Ausschluss des Mitbestimmungsrechtes zu beachten, soweit die mitbestimmte Maßnahme Tendenzcharakter hat. Das führt aber nicht von vornherein dazu, dass die Regelung sämtlicher Arbeitsverhältnisse und übertariflicher Vergütungen im Anwendungsbereich des Normalvertrages Bühne dem Mitbestimmungsrecht entzogen ist und nur rein individuelle Regelungen zulässt. Der Geltungsbereich des § 1 Normalvertrag Bühne ist sehr weit gefasst und lässt ohne weitere Darlegungen nicht den Schluss zu, dass es sich bei sämtlichen aufgeführten Tätigkeiten um Tendenzträger handelt. Insbesondere bei den technischen Mitarbeitern, aber auch bei Souffleuren oder Chefmaskenbildnern ist das zweifelhaft (vgl. BAG vom 28.10.1986, 1 ABR 16/85, AP Nr. 32 zu § 118 BetrVG 1972 und auch BAG vom 13.02.2007, 1 ABR 14/06, AP Nr. 81 zu § 118 BetrVG 1972 = NZA 2007, 1121 - 1124 [BAG 13.02.2007 - 1 ABR 14/06] für den Leiter der Kostümabteilung).
Auch die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 28.01.2009, 4 AZR 987/07, NZA 2009, ZTR 2009, 418 - 421 und NZA-RR 2009, 465 - 469 [BAG 28.01.2009 - 4 AZR 987/07], auf die die Beteiligte zu 1) in der mündlichen Verhandlung hingewiesen hat, steht dem nicht entgegen. Diese Entscheidung betrifft nicht das Bestehen eines Mitbestimmungsrechtes, sondern die Auslegung eines Arbeitsvertrages unter Inanspruchnahme der in § 1 Abs. 3 Abs. 2 Normalvertrag Bühne vorgesehenen Möglichkeit, im Arbeitsvertrag eine überwiegende künstlerische Tätigkeit zu vereinbaren. Wenn der Inhalt eines Arbeitsverhältnisses durch eine entsprechende Vereinbarung überwiegender künstlerischer Tätigkeit festgelegt wird (BAG vom 28.01.2008 a. a. O. Rn. 27 und 28), besagt das noch nichts über das Bestehen eines Mitbestimmungsrechtes nach § 87 BetrVG. Anderenfalls stünde es in der Regelbefugnis der Arbeitsvertragsparteien, ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nach § 87 Abs. 1 BetrVG allein durch eine entsprechende Vereinbarung im Arbeitsvertrag auszuschließen. § 87 BetrVG steht aber nicht zur Disposition der Arbeitsvertragsparteien. Maßgeblich muss im Einzelfall sein, ob die Vereinbarung tatsächlich individuell getroffen wurde oder einen kollektiven Bezug hat. Das ist bei dem umfassenden Antrag der Beteiligten zu 1) nicht generell auszuschließen. Das gilt auch nach der in der letzten mündlichen Verhandlung vorgenommenen Konkretisierung des Antrages, weil die Besonderheiten der einzelnen betroffenen Arbeitsverträge weder im Antrag aufgeführt sind noch - was maßgeblich ist - im Einzelnen dargelegt wurde.
c)
Da allein die Vereinbarung einer überwiegenden künstlerischen Tätigkeit im Arbeitsvertrag noch keinen Rückschluss auf das Vorliegen eines Tendenzträgers im Einzelfall zulässt, kann auch nicht generell davon ausgegangen werden, dass Mitbestimmungsrechte nach § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG ausgeschlossen sind. Die in der Anlage ASt 9 aufgeführten Mitarbeiter sind nicht sämtlichst Tendenzträger (vgl. 2) b, bb der Gründe), so dass Raum für ein Mitbestimmungsrecht verbleibt. Wer im einzelnen Tendenzträger ist, ist angesichts des Globalantrages nicht zu entscheiden und hängt - auch von dem Sinn und Zweck des gesonderten Vergütungsbestandteils ab.
3.
Eine Kostenentscheidung hatte im Beschlussverfahren nicht zu ergehen (§ 2 Abs. 2 GKG). Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor. Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde gemäß nachfolgender Rechtsmittelbelehrung wird verwiesen.