Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 06.01.2009, Az.: 12 Sa 1058/08
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 06.01.2009
- Aktenzeichen
- 12 Sa 1058/08
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2009, 38836
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:2009:0106.12SA1058.08.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- ArbG Lingen - 19.06.2008 - AZ: 1 Ca 650/07
Fundstelle
- NZA-RR 2009, 184-188 (Volltext mit red. LS)
In dem Rechtsstreit
...
hat die 12. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen auf die mündliche Verhandlung vom 21. November 2008 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Mestwerdt und die ehrenamtlichen Richter Böttcher und Lützenkirchen
für Recht erkannt:
Tenor:
- 1.
Auf die Berufung des Klägers und unter Zurückweisung von Berufung und Anschlussberufung im Übrigen wird das Urteil des Arbeitsgerichts Lingen vom 19.06.2008 - 1 Ca 650/07 - abgeändert:
Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten zu 1) vom 29.11.2007 nicht aufgelöst worden ist.
Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, den Kläger bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag zu 1) zu den Bedingungen des mit der Beklagten zu 1) bestandenen Arbeitsverhältnisses vorläufig weiterzubeschäftigen.
Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, an den Kläger € 6 748,00 brutto abzüglich € 3 691,66 netto zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
- 2.
Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens tragen der Kläger zu 1/20 und die Beklagten zu je 19/40. Die gerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Parteien zu je 1/3. Von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) trägt der Kläger 2/5, von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) 1/5. Von den außergerichtlichen Kosten des Klägers tragen die Beklagten zu 1) und 2) je 1/3. Im Übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selber.
- 3.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über eine betriebsbedingte Kündigung, Annahmeverzugsansprüche sowie einen Weiterbeschäftigungsanspruch.
Der Kläger trat am 01.08.2000 in die Dienste einer Vorgängergesellschaft und wurde von der Beklagten zu 1) übernommen. Die Beklagte zu 1) beschäftigte bis zum 31.12.2007 am Standort A-Stadt 145 Arbeitnehmer überwiegend im Bereich des Wach- und Sicherheitsdienstes in Kraftwerken. 17 Arbeitnehmer, darunter der Kläger, wurden bis zum 31.12.2007 im Bereich der Dekontreinigung im Kernkraftwerk A-Stadt beschäftigt. Bei der Beklagten zu 1) ist ein Betriebsrat gebildet.
Sowohl die Beklagte zu 1) wie auch die Beklagte zu 2) sind Unternehmen des weltweit Sicherheitsdienste anbietenden S.-K.. Die Lohn- und Gehaltsabrechnung, die allgemeine Verwaltung sowie die Buchhaltung wird für beide Unternehmen extern im Konzern durchgeführt. Geschäftsführer beider Unternehmen ist Herr Sch., bei der Beklagten zu 1) gibt es einen weiteren Geschäftsführer M..
Die Beklagte zu 1) war im Rahmen eines Werkvertrages mit dem Kraftwerksbetreiber verpflichtet, die Dekontreinigung, d.h. die Beseitigung von Verunreinigungen mit radioaktiven Stoffen vorzunehmen. Diese Tätigkeit vollzieht sich u.a. in den Bereichen der kalten Wäscherei, der kalten Hygiene, der heißen Wäscherei, in Dekonträumen, Schuhzonen, der Dekontwerkstatt, Lagern sowie dem Bereich der Abfallverarbeitung. Sämtliche für die Dekontreinigung benötigten Betriebsmittel werden grundsätzlich durch den Kraftwerkbetreiber zur Nutzung überlassen. Dabei handelt es sich u.a. um Waschmaschinen und Wäschetrockner, Staubsauger, Servicewagen zur Bodenpflege, Transportwagen für Wäsche- und Materialtransporte, um eine mobile Desinfektionsanlage, Bleimatten, mobile Absauganlagen sowie Transportcontainer und Abfallpressen. Im Dekontraum befinden sich Dekontwannen, Tische und Boxen. Zu den Betriebsmitteln gehören auch so genannte Dekontaminationszelte, die z.B. bei Reparaturarbeiten im Kraftwerk über der Reparaturstelle errichtet werden, damit Drittfirmen innerhalb dieses Bereiches Arbeiten ausführen und sich die Kontaminierung auf diesen abgedeckten Bereich beschränkt. Die radioaktive Verschmutzung wird mit Hilfe eines Gerätes ähnlich einem Geigenzähler durchgeführt, dem sogenannten "Herfurth". Auch alle übrigen Betriebsmittel einschließlich der Arbeitskleidung der Arbeitnehmer, die im Kraftwerk tätig sind, stehen im Eigentum des Kraftwerksbetreibers und werden ggf. auch sonstigen Drittfirmen zur Verfügung gestellt. Die Arbeitnehmer, die im Kernkraftwerk arbeiten, müssen durch eine Schleuse, dort die Kleidung wechseln und können erst anschließend ihre Tätigkeit aufnehmen. Der Betrieb dieser Schleuse sowie des gesamten Dekontbereiches oblag bis zum 31.12.2007 der Beklagten zu 1).
Die Kernkraftwerke L.E. GmbH kündigte im Rahmen einer Teilkündigung am 24.05.2007 den Auftrag der Beklagten zu 1) über den Bereich Dekont zum 31.12.2007. Am 31.05.2007 fassten die Gesellschafter der Beklagten zu 1) den Beschluss, den Bereich der Dekontreinigung über den 31.12.2007 hinaus nicht weiter zu betreiben.
Am 22.06.2007 wurde die Beklagte zu 2) gegründet. Die Beklagte zu 2) bewarb sich im Rahmen einer Ausschreibung, an der insgesamt 7 Gebäudereinigungsfirmen teilnahmen, um den Nachfolgeauftrag. Sie erhielt den Auftrag nach Maßgabe eines Rahmenvertrages (Bl. 289 bis 297). Als Auftraggeber fungieren nunmehr die Kernkraftwerke L.E. GmbH, die Kernkraftwerk A-Stadt GmbH und die R.P. AG und damit sämtliche am Standort A-Stadt ansässigen Kraftwerksgesellschaften der R.. Vertragsgegenstand sind nach § 3.2 des Rahmenvertrages wie im Rahmen des gekündigten Auftrags mit der Beklagten zu 1) Dekontaminations- und Serviceleistungen an den kerntechnischen Anlagen. Darüber hinaus beinhaltet der Auftrag zusätzlich die Gebäude- und Unterhaltsreinigung (Blockreinigung) sowie die Erbringung von Strahlenschutzleistungen. Die Blockreinigung wurde bis zum 31.12.2007 durch eine Firma Sch. verrichtet, auch dieser Auftrag wurde durch den Kraftwerksbetreiber gekündigt. Die Beklagte zu 2) hat von Firma Sch. 9 Mitarbeiter übernommen.
Zwischen den im Bereich der Dekontabteilung tätigen Mitarbeitern der Beklagten zu 1) und der Beklagten zu 1) gab es seit Anfang 2007 Streit über Zahlungsansprüche. Die Mitarbeiter begehrten eine Lohnerhöhung. Diesbezüglich führten die weit überwiegende Zahl der Mitarbeiter der Dekontabteilung Zahlungsklagen gegen die Beklagte zu 1). Die Klagen wurden im Januar 2008 abgewiesen.
Den Mitarbeitern aus der Dekontabteilung der Beklagten zu 1) wurden neue Verträge mit Wirkung ab 01.01.2008 mit der Beklagten zu 2) vorgelegt. Diese Verträge sahen veränderte Vergütungsstrukturen vor. Den Mitarbeitern wurde Vergütung aus einer um eine Stufe höheren Tarifgruppe zugesagt. Demgegenüber wurden Sonderzuwendungen reduziert. Der vorgelegte Vertragsentwurf sah zudem die Möglichkeit der Überlassung im Rahmen von Leiharbeit an andere Kraftwerksbetreiber vor.
Am 14.11.2007 kam es zu einer Unterredung zwischen den Prozessbevollmächtigten der Parteien sowie dem Geschäftsführer der Beklagten sowie dem Mitarbeiter R.. Die Einzelheiten dieses Gespräches sind streitig.
Die Beklagte zu 1) schloss mit ihrem Betriebsrat am 21.11.2007 einen Interessenausgleich mit Namensliste, auf der der Kläger namentlich aufgeführt ist. Danach bestand im Bereich der Dekontreinigung bei der Beklagten zu 1) nach dem 31.12.2007 keine Beschäftigungsmöglichkeit mehr. Nach § 2 des Interessenausgleichs sollte den betroffenen Beschäftigten betriebsbedingt zum nächstmöglichen Zeitpunkt gekündigt werden. Ein am 21.11.2007 vereinbarter Sozialplan sah keine Abfindungsleistungen sondern eine Verpflichtung der Beklagte zu 1) vor, sich für die Übernahme der Mitarbeiter durch die Beklagten zu 2) einzusetzen.
Nach Anzeige der Massenentlassung am 21.11.2007 und Zustimmung des Arbeitsamtes am 22.11.2007 (Bl. 25 bis 27 d.A.) sowie nach Anhörung des Betriebsrates vom 22.11.2007 (Bl. 28, 29 d.A.) und Zustimmung des Betriebsrates zur Kündigung kündigte die Beklagte zu 1) das Arbeitsverhältnis des Klägers am 29.11.2007 zum 31.12.2007.
Seit dem 01.01.2008 verrichtet die Beklagte zu 2) die Dekontarbeiten am Standort A-Stadt. Über die Struktur der Beklagten zu 1) sowie der Beklagten zu 2) verhalten sich die zu den Akten gereichten Organigramme (Bl. 92, 93 d.A.). Die Verwaltung beider Unternehmen vollzieht sich in O-Stadt und ist Herrn G.E. (Human Resources) zugeordnet. Der Datenschutz für beide Unternehmen obliegt Herrn M. St.. Der Bereichsleiter der Beklagten zu 1) R. ist jetzt Strahlenschutzbeauftragter der Beklagten zu 2) und zuständig für die Arbeitssicherheit. Sein vormaliger Stellvertreter bei der Beklagten zu 1) E. ist nunmehr Prokurist der Beklagten zu 2).
Die Beklagte zu 2) hat von den 17 Mitarbeitern der Beklagten zu 1) im Bereich der Dekontabteilung die Arbeitnehmer St., St., B. und L. übernommen. Diese Mitarbeiter verrichteten bei der Beklagten zu 1) normale Dekontarbeiten, Vorarbeiter war Herr E. (Kläger im Verfahren 12 Sa 1258/08). L. und B. sind nunmehr als Koordinatoren bei der Beklagten zu 2) für die Kraftwerksbereiche K. und K.W. tätig, St. und St. als Vorarbeiter für die Dekontbereiche KKE und KWL. Die neu in den Auftrag hineingenommene Blockreinigung in den Bereichen KKE und KEM wird geleitet durch den Vorarbeiter W., einem vormaligen Mitarbeiter der Firma Sch., die bis zum 31.12.2007 die Blockreinigung verrichtet hat. Der Bereich Strahlenschutz ist noch im Aufbau begriffen.
Der Kläger war im Zeitraum vom 01.01.2008 bis zum 08.05.2008 arbeitslos gemeldet und befindet sich seit dem 09.05.2008 in einem befristeten Arbeitsverhältnis.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. Es liege ein Teilbetriebsübergang auf die Beklagte zu 2) vor, so dass diese ihn weiterzubeschäftigen habe. Die von der Beklagten zu 2) wahrzunehmenden Tätigkeiten entsprächen mit Ausnahme der Blockreinigung den Tätigkeiten, die bis zum 31.12.2007 durch Beklagte zu 1) verrichtet worden seien. Die Beklagte zu 2) habe den einzigen Auftrag der Beklagten zu 1) im Bereich der Dekontreinigung übernommen; einen weiteren Betriebszweck gebe es nicht.
Die Kündigung sei zudem unwirksam wegen eines Verstoßes gegen das Maßregelungsverbot nach § 612a BGB. Der Dekontbereich sei nur im Hinblick auf die vom Kläger sowie weiteren Arbeitnehmern verfolgten Zahlungsansprüchen gegen die Beklagte zu 1) ausgegliedert worden. Dazu hat der Kläger behauptet, im Rahmen der Unterredung am 14.11.2007 habe der Geschäftsführer der Beklagten die Arbeitnehmer vor die Wahl gestellt, entweder die Lohnklagen zurückzunehmen und sodann einen neuen Arbeitsvertrag bei der Beklagten zu 2) zu bekommen oder aber gekündigt zu werden. Darüber hinaus seien die Mitarbeiter aufgefordert worden, die Drahtzieher für die eingereichten Lohnklagen zu benennen.
Der Kläger hat beantragt,
- 1.
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 29.11.2007 nicht zum 31.12.2007 beendet worden ist,
- 2.
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger zu unveränderten Bedingungen auch über den 31.12.2007 weiter als Dekontfacharbeiter zu beschäftigen,
- 3.
festzustellen, dass zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 2) ein Arbeitsverhältnis besteht, welches auch nicht durch die Kündigung der Beklagten zu 1) vom 29.11.2007 aufgelöst worden ist,
- 4.
die Beklagte zu 2) zu verpflichten, den Kläger zu den Bedingungen des bisher mit der Beklagten zu 1) bestandenen Arbeitsverhältnisses weiterzubeschäftigen,
- 5.
die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an den Kläger die sich für die weiteren Monate Januar bis Mai 2008 ergebende Vergütung in Höhe von insgesamt 10 412,20 € abzüglich der für diesen Zeitraum auf die Arbeitsagentur übergegangenen Ansprüche von 5 650,50 € zu zahlen.
Die Beklagten zu 1) und 2) haben beantragt,
die Klage abzuweisen
und die Auffassung vertreten, es liege kein Betriebsübergang sondern eine reine Funktionsnachfolge vor. Der Betrieb der Beklagten zu 1) sei stillgelegt, so dass die Kündigung der Beklagten zu 1) durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt sei. Dafür streite bereits die gesetzliche Vermutung des § 1 Abs. 5 KSchG, da der Kläger auf der mit dem Betriebsrat der Beklagten zu 1) vereinbarten Interessenausgleich namentlich erwähnt sei.
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 19.06.2008, auf das vollinhaltlich in Bezug auf Tatbestand und Entscheidungsgründe Bezug genommen wird, die Klage überwiegend abgewiesen. Stattgegeben hat das Arbeitsgericht der Klage nur insoweit, als es festgestellt hat, das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien sei erst mit Wirkung zum 31.01.2008 beendet worden, weil die Kündigungsfrist mit der zum 31.12.2007 ausgesprochenen Kündigung nicht gewahrt sei. Das Arbeitsgericht hat die Beklagte zu 1) weiter verurteilt, die Januar-Vergütung abzüglich geleisteten Arbeitslosengeldes zu zahlen. Im Übrigen sei die Kündigung vom 29.11.2007 aber sozial gerechtfertigt. Die Stilllegung des Dekontbereiches durch die Beklagte zu 1) stelle eine Betriebsänderung im Sinne von § 111 Nr. 1 BetrVG dar, da ein wesentlicher Betriebsteil mit ca. 12 % der Mitarbeiter stillgelegt worden sei. Auch der Schwellenwert des § 17 KSchG sei erreicht. Deshalb greife die Vermutung des § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG. Ihr stehe nicht entgegen, dass im Sozialplan keine Abfindungen vereinbart worden seien. Dies sei nicht Voraussetzung für die Vermutungswirkung. Die Kündigung sei auch nicht nach § 613a Abs. 4 BGB rechtsunwirksam, da lediglich eine Funktionsnachfolge vorliege. Die Beklagte zu 1) habe einen betriebsmittelarmen Betrieb geführt ohne wesentliche Betriebsmittel. Die wirtschaftliche Einheit sei nicht gewahrt, da lediglich ein Drittel der Mitarbeiter von der Beklagten zu 1) zu der Beklagten zu 2) gewechselt seien. Die Kündigung sei auch nicht nach § 612a BGB rechtsunwirksam, da der Kläger keinen konkreten Sachverhalt dafür vorgetragen habe, dass die zulässige Rechtsausübung des Klägers im Hinblick auf die Klage auf Lohn tragender Beweggrund für die benachteiligende Maßnahme - die Kündigung - gewesen sei. Der Betriebsrat sei ordnungsgemäß nach § 102 Abs. 1 BetrVG angehört worden.
Der Kläger hat gegen das ihm am 09.07.2008 zugestellte Urteil am 21.07.2008 Berufung eingelegt und diese am Montag, den 08.09.2008 begründet. Der Kläger wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen und vertritt nach wie vor die Auffassung, die Beklagten zu 1) und 2) seien im Rahmen eines Gemeinschaftsbetriebes tätig bzw. es sei die wirtschaftliche Einheit der Dekontabteilung von der Beklagten zu 1) auf die Beklagte zu 2) übergegangen. Sowohl der vormalige Betriebsleiter der Beklagten zu 1) R. wie auch der Prokurist der Beklagten zu 2) E. arbeiteten seit dem 01.01.2008 in einer Doppelfunktion für beide Beklagte. Postanschrift und Telefonanschluss seien identisch, lediglich die Namensgebung habe sich verändert.
Der Kläger hat zunächst Annahmeverzugsansprüche in der Berufung von Januar 2008 bis einschließlich Mai 2008 geltend gemacht und beantragt nach Korrektur nunmehr noch, das Urteil des Arbeitsgerichts Lingen vom 19.06.2008 - 1 Ca 650/07 - teilweise abzuändern und
- 1.
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten zu 1) vom 29.11.2007 nicht aufgelöst worden ist,
- 2.
die Beklagte zu 2) zu verurteilen, den Kläger bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag zu 1) zu den Bedingungen des mit der Beklagten zu 1) bestandenen Arbeitsverhältnisses weiterzubeschäftigen,
- 3.
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger für den Zeitraum vom 01.02.2008 bis 08.05.2 008 € 6 748,00 brutto abzüglich € 3 691,66 netto zu zahlen.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen
und verteidigen die angefochtene Entscheidung, soweit die Klage abgewiesen wurde. Ein Teilbetriebsübergang liege nicht vor. Die erweiterte und veränderte Organisationsstruktur im Hinblick auf die Übernahme der Tätigkeiten der Blockreinigung und der Strahlenschutzarbeiten zeige, dass die Beklagte zu 1) lediglich Teile der nunmehr von der Beklagten zu 2) geschuldeten vertraglichen Verpflichtungen verrichtet habe. Bei den Dekontarbeiten handele es sich um reine Reinigungs- und Dienstleistungsarbeiten. Auf Grund der strengen atomrechtlichen Vorschriften dürften Gegenstände in den inneren Bereich nicht eingebracht werden, und zwar nicht nur von den Beklagten sondern auch von allen anderen Firmen und Mitarbeitern. Deshalb habe der Kraftwerksbetreiber Lager eingerichtet, in denen sämtliche Materialien und Werkzeuge für alle Firmen bereitgestellt würden. Demzufolge liege eine reine Dienstleistung an den Gegenständen vor und seien die Betriebsmittel nicht den Beklagten zuzurechnen. Es liege auch keine Auftragsidentität vor, da neben der Kraftwerk L.E. GmbH Auftraggeber nunmehr auch die Kernkraftwerk A-Stadt GmbH und die R. AG seien. Auftragsinhalt sei nunmehr die ganzheitliche und optimierte Leistungserbringung und die Qualifizierung von Fachkräften in den Gewerken Dekont und Strahlenschutz.
Die Beklagten behaupten, der Prozessbevollmächtigte der Kläger habe in der Unterredung am 14.11.2007 die Zahlung von zwei Drittel des geklagten Betrages zur Bedingung für die Unterschrift unter den neuen Arbeitsvertrag gemacht und einen Zuschlag von 1,00 € begehrt. Soweit ursprünglich in den angetragenen Verträgen Vorbeschäftigungszeiten nicht enthalten gewesen seien, sei die Aufnahme am 14.11.2007 zugesagt worden.
Ansprüche aus Annahmeverzug beständen nicht, da der Kläger sich zumindest nach § 615 Satz 2 BGB das anrechnen lassen müsse, was er bei der Beklagten zu 2) habe verdienen können.
Die Beklagten begehren mit der am 09.10.2008 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Anschlussberufung die weitergehende Abweisung der Klage und vertreten die Auffassung, die Kündigung sei auf der Grundlage des anwendbaren Rahmentarifvertrages für das Gebäudereinigerhandwerk zum 31.12.2007 fristgerecht ausgesprochen worden.
Die Beklagten beantragen,
das Urteil des Arbeitsgerichts Lingen vom 19.06.2008 - 1 Ca 651/07 - teilweise abzuändern und die Klage auch insoweit abzuweisen, als die Beklagte zu 1) zur Zahlung von € 2 325,06 brutto abzüglich Arbeitslosengeld in Höhe von 1 130,10 verurteilt wurde.
Der Kläger beantragt,
die Anschlussberufung zurückzuweisen
und verweist darauf, dass die Beklagte zu 1) für die anderen 130 Mitarbeiter die Tarifverträge des Wach- und Sicherheitsgewerbes anwende und nach dem Grundsatz der Tarifeinheit der Tarifvertrag für das Gebäudereinigerhandwerk verdrängt werde.
Bezüglich des weiteren Vorbringens der Parteien wird Bezug genommen auf die Berufungsbegründung des Klägers vom 03.09.2008 sowie seine weiteren Schriftsätze vom 24.09.2008 und 14.11.2008, auf die Berufungserwiderung der Beklagten vom 09.10.2008 und die weiteren Schriftsätze vom 12.11. und 20.11.2008 sowie auf die Erörterung in der mündlichen Verhandlung vom 21.11.2008.
Entscheidungsgründe
Die statthafte, form und fristgerecht eingelegte und begründete und damit zulässige Berufung des Klägers ist überwiegend begründet. Das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1) ist nicht durch die Kündigung vom 29.11.2007 beendet worden, da diese Kündigung sozial nicht gerechtfertigt ist (1.). Das Arbeitsverhältnis ist mit Wirkung zum 01.01.2008 im Wege eines Teilbetriebsüberganges nach § 613 Abs. 1 BGB auf die Beklagte zu 2) übergegangen, sodass der Weiterbeschäftigungsanspruch gegen die Beklagte zu 2) besteht (2.). Ansprüche gegenüber der Beklagten zu 2) aus Annahmeverzug bestehen bis zum 09.05.2008 (3.). Im Übrigen ist die Berufung des Klägers wie auch die Anschlussberufung der Beklagten unbegründet (4).
1. Die Kündigung der Beklagten zu 1) vom 29.11.2007 ist rechtsunwirksam, da sie nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt und deshalb sozial ungerechtfertigt ist (§ 1 Abs. 1, Abs. 2 KSchG).
a). Zu Gunsten der Beklagten zu 1) besteht zwar die gesetzliche Vermutung des § 1 Abs. 5 KSchG dahingehend, dass die Kündigung des Klägers durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist.
Nach § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Abs. 2 bedingt ist, wenn bei der Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 BetrVG die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet sind. Die Vermutungsbasis, dass eine Betriebsänderung nach § 111 BetrVG vorlag und für die Kündigung des Arbeitnehmers kausal war und die ordnungsgemäße Benennung des Arbeitnehmers in einem Interessenausgleich hat dabei der Arbeitgeber substantiiert darzulegen und ggf. zu beweisen ( BAG 03.04.2008 - 2 AZR 879/06 - ).
Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 1 Abs. 5 KSchG liegen vor. Der Kläger ist in dem Interessenausgleich zwischen der Beklagten zu 1) und dem bei ihr bestehenden Betriebsrat vom 21.11.2007 namentlich erwähnt (Bl. 24 d.A.). Diesem Interessenausgleich liegt, wie das Arbeitsgericht zutreffend erkannt hat, eine betriebsändernde Maßnahme i.S. von § 111 Nr. 1 BetrVG zu Grunde, da mit der Dekontabteilung ein organisatorisch abgrenzbarer Betriebsteil stillgelegt werden sollte und zudem - bezogen auf den reinen Personalabbau - mehr als 10 % der vormals bei der Beklagten zu 1) beschäftigten Arbeitnehmer (17 von 145) betroffen waren und damit die heranzuziehenden Schwellenwerte des § 17 KSchG überschritten wurden ( BAG 31.05.2007 - 2 AZR 254/06 - AP § 111 BetrVG Nr. 65; 22.01.2004 - 2 AZR 111/02 - ). Auf die weiteren Ausführungen des Arbeitsgerichts wird Bezug genommen. Dass die Betriebsparteien in dem Sozialplan keine Abfindungszahlungen vorgesehen haben, ist unerheblich, da die Vermutungswirkung der Norm lediglich eine Kündigung auf Grund eines Interessenausgleichs mit Namensliste voraussetzt.
b) Die gesetzliche Vermutung des § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG im Hinblick auf das Vorliegen dringender betrieblicher Erfordernisse ist jedoch widerlegt. Die Vermutung bewirkt eine Beweislastumkehr. Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass dringende betriebliche Erfordernisse die Kündigung nicht bedingt haben, liegt beim Arbeitnehmer. Es ist deshalb Vortrag des Arbeitnehmers dahingehend erforderlich, dass die Betriebsbedingtheit der Kündigung ausgeschlossen ist ( BAG, Urteil vom 22.01.2004 - 2 AZR 111/02 - EZA § 1 KSchG Interessenausgleich Nr. 11; KR/Griebeling § 1 KSchG Rn. 703g; Ha-Ko/Gallner § 1 KSchG Rn. 654).
c). So ist es hier. Der Betriebsteil "Dekontreinigung" der Beklagten zu 1) ist nicht stillgelegt worden, sondern auf die Beklagte zu 2) übergegangen.
Zu den dringenden betrieblichen Erfordernissen, die nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG einen Grund zur sozialen Rechtfertigung der Kündigung abgeben können, gehören zwar die Stillegung des gesamten Betriebes, einer Betriebsabteilung oder eines Betriebsteils durch den Arbeitgeber ( BAG, 27.11.2003 - 2 AZR 48/03 - AP KSchG 1969 § 1 soziale Auswahl Nr. 64). Unter Betriebsstillegung ist dabei die Auflösung der zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestehenden Betriebs- und Produktionsgemeinschaft zu verstehen, die ihre Veranlassung und ihren unmittelbaren Ausdruck darin findet, dass der Unternehmer die bisherige wirtschaftliche Betätigung in der ernstlichen Absicht einstellt, die Verfolgung des bisherigen Betriebszwecks dauernd oder für eine ihrer Dauer nach unbestimmte wirtschaftlich unerhebliche Zeitspanne nicht weiter zu verfolgen ( BAG, Urteil vom 13.06.2006 - 8 AZR 271/05 - ). Eine Stilllegungsabsicht des Arbeitgebers liegt allerdings nicht vor, wenn dieser seinen Betrieb veräußert. Betriebsveräußerung und Betriebsstilllegung schließen sich systematisch aus. Eine vom Arbeitgeber mit einer Stilllegungsabsicht begründete Kündigung ist nur dann sozial gerechtfertigt, wenn die geplante Maßnahme sich objektiv als Betriebsstilllegung und nicht als Betriebsveräußerung darstellt, etwa weil die für die Fortführung des Betriebes wesentlichen Gegenstände einem Dritten überlassen werden sollen, der Veräußerer diesen Vorgang aber rechtlich unzutreffend als Betriebsstilllegung bewertet ( BAG 27.09.2007 - 8 AZR 941/06 - AP § 613a BGB Nr. 332; 16.05.2002 - 8 AZR 319/01- 13.06.2006 - 8 AZR 271/05 - ). Auch ein Teilbetriebsübergang ist deshalb keine Teilbetriebsstilllegung.
d). Die Voraussetzungen eines Teilbetriebsübergangs von der Beklagten zu 1) auf die Beklagte zu 2) in Bezug auf die Dekontabteilung liegen vor.
(1). Die Vorschrift des § 613a Abs. 1 BGB setzt den rechtsgeschäftlichen Übergang eines Betriebes oder Betriebsteils auf einen Inhaber voraus. Erforderlich ist die Wahrung der Identität der betreffenden wirtschaftlichen Einheit. Der Begriff wirtschaftliche Einheit bezieht sich auf eine organisatorische Gesamtheit von Personen und Sachen zur auf Dauer angelegten Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung. Bei der Prüfung, ob eine solche Einheit übergegangen ist, müssen sämtliche den betreffenden Vorgang kennzeichnenden Tatsachen berücksichtigt werden. Dazu gehören als Teilaspekte der Gesamtwürdigung namentlich die Art des betreffenden Unternehmens oder Betriebs, der etwaige Übergang der materiellen Betriebsmittel wie Gebäude oder bewegliche Güter, der Wert der immateriellen Aktiva im Zeitpunkt des Überganges, die etwaige Übernahme der Hauptbelegschaft, der etwaige Übergang der Kundschaft sowie der Grad der Ähnlichkeit zwischen den vor und nach Übergang verrichteten Tätigkeit und die Dauer einer eventuellen Unterbrechung dieser Tätigkeit. Die Identität der Einheit kann sich auch aus anderen Merkmalen wie ihrem Personal, ihren Führungskräften, ihrer Arbeitsorganisation, ihren Betriebsmethoden und ggf. den ihr zur Verfügung stehenden Betriebsmitteln ergeben ( BAG, Urteil vom 27.09.2007 - 8 AZR 941/06 -; 13.06.2006 - 8 AZR 271/05 - ).
(2). Ein nach § 613a BGB selbständig übergangsfähiger Betriebsteil setzt voraus, dass innerhalb des betrieblichen Gesamtzwecks ein Teilzweck verfolgt wird. Die Wahrnehmung eines Teilzwecks führt nur dann zu einer selbständigen übergangsfähigen Einheit, wenn eine organisierte Gesamtheit von Personen und Sachen vorliegt. Wird mit einzelnen bislang nicht teilbetrieblich organisierten Betriebsmitteln ein Betrieb oder Betriebsteil gegründet, kann dies einen Betriebsteilübergang nicht begründen ( BAG 27.09.2007 - 8 AZR 941/06 - ).
(3). Die Dekontabteilung bei der Beklagten zu 1) stellte eine selbstständige übergangsfähige wirtschaftliche Einheit dar. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts sowie der Beklagten war die wirtschaftliche Einheit der Dekontabteilung kein betriebsmittelarmer Teilbetrieb, der im Wesentlichen nur durch menschliche Arbeitskraft geprägt war, so dass nur der (hier nicht vorliegende) Übergang einer Gesamtheit von Arbeitnehmern, die durch eine gemeinsame Tätigkeit dauerhaft verbunden sind, einen Teilbetriebsübergang hätte darstellen können.
Die Dienstleistung der Dekontreinigung konnte zwingend nur unter Zuhilfenahme der im Kraftwerk vorhandenen und von der Auftraggeberin zur Verfügung gestellten sächlichen Betriebsmittel vollzogen werden. Ihr Einsatz machte den eigentlichen Kern des zur Wertschöpfung erforderlichen Funktionszusammenhanges aus (vgl. für technische Einrichtungen zur Fluggastkontrolle BAG 13.06.2006 - 8 AZR 271/05 - ). Unerheblich ist, dass die für die Dekontreinigungsarbeit erforderlichen Geräte vom Kraftwerksbetreiber der Beklagten zu 1) bzw. nunmehr der Beklagten zu 2) zur Verfügung gestellt werden, auf die Eigentumsverhältnisse kommt es nicht an. Es spielt auch keine Rolle, dass diese vom Auftraggeber zur Verfügung gestellten Betriebsmittel eigenwirtschaftlich von den Beklagten nicht genutzt werden können ( BAG, 13.06.2006 - 8 AZR 271/05 ).
Die vom Kraftwerksbetreiber zur Verfügung gestellten Betriebsmittel sind unverzichtbar, da ohne diese Betriebsmittel die Dekontreinigungsarbeiten nicht verrichtet werden können. Ohne die Waschmaschinen, Wäschetrockner, mobile Desinfektionsanlage, Dekontaminationszelte sowie die Messgeräte, die zur Ermittlung radioaktiver Verschmutzung benötigt werden (so genannter Herfurth), kann die Reinigung von radioaktiver Verschmutzung im Kernkraftwerk in A-Stadt nicht verrichtet werden. Der Dekontreinigungsauftrag lässt sich auch nur ausführen im Rahmen der zur Verfügung gestellten und speziell für die Reinigung hergerichteten Räumlichkeiten (kalte und heiße Wäscherei, Dekontraum mit entsprechenden Dekontwannen- und Boxen, Dekontwerkstatt, Abfallbearbeitungsbereich mit Abfallpresse) etc. Diese sächlichen Betriebsmittel bzw. deren Einsatz haben den eigentlichen Kern des zur Wertschöpfung in der Dekontabteilung erforderlichen Funktionszusammenhangs ausgemacht und begründen deshalb die wirtschaftliche Einheit.
Der Dekontbereich war bei der Beklagten zu 1) auch organisatorisch zu dem sonstigen Wach- und Sicherheitsbereich der Beklagten zu 1) abgegrenzt. Das Personal wurde mit dem Vorarbeiter E. ausschließlich mit Dekontarbeiten betraut und stellte eine eigene organisierte Gesamtheit mit dem Teilzweck der Durchführung von Dekontarbeiten dar. Dies zeigt auch die Argumentation der Beklagten zum Vorliegen einer betriebsändernden Maßnahme nach § 111 BetrVG (SS. vom 12.02.2008, Bl. 37), wonach mit der unternehmerischen Entscheidung der Beklagten zu 1), den Bereich "Dekontreinigung" über den 31.12.2007 hinaus nicht mehr auszuüben, eine Änderung des Tätigkeitsbereichs von den Bereichen "Werkschutz" und "Dekontreinigung" hin zu einer reinen Werkschutztätigkeit erfolgt ist und der Teilbetrieb "Dekontreinigung" eingestellt wurde. Es lag somit ein Teilbetrieb i.S. von § 613a Abs. 1 BGB vor.
(4). Dieser Teilbetrieb ist als wirtschaftliche Einheit auf die Beklagte zu 2) uneingeschränkt übertragen worden. Sämtliche sächlichen Betriebsmittel werden seitens der Kraftwerksbetreiber nunmehr der Beklagten zu 2) im Rahmen eines neuen Auftragsverhältnisses zur Verfügung gestellt. Diese nimmt die Tätigkeit der Dekontreinigung seit dem 01.01.2008 im Kernkraftwerk in A-Stadt unverändert wahr. Die Tätigkeiten vor und nach dem Übergang sind im Bereich der Dekontabteilung gleich geblieben; dass nunmehr wesentlich andere Arbeitsabläufe die Tätigkeit prägen, ist nicht zu erkennen. Es kam zu keiner Unterbrechung der Tätigkeit, denn die Beklagte zu 2) hat den Teilbetrieb der Dekontabteilung von der Beklagten zu 1) nahtlos zum 01.01.2008 übernommen. Auch die Führungs- und Organisationsstruktur hat sich zur Überzeugung der Kammer nicht wesentlich verändert. Beide Unternehmen werden von demselben Geschäftsführer geleitet; dass die Beklagte zu 1) vor wie nach dem Teilbetriebsübergang zusätzlich von einem weiteren Geschäftsführer geleitet wird, ist in diesem Zusammenhang nicht erheblich. Die Verwaltungstätigkeiten werden sowohl bei der Beklagten zu 1) wie auch bei der Beklagten 2) im Rahmen des S.K. extern organisiert und erledigt. Zwischen der Beklagten zu 1) im Bereich der Dekontabteilung und der Beklagten zu 2) besteht im Hinblick auf die wesentlichen Positionen Personenidentität. So ist der vormalige Stellvertreter des Bereichsleiters R. der Beklagten zu 1) E. ist nunmehr Prokurist der Beklagten zu 2) und als solcher für den Dekontbereich zuständig. In Person des Prokuristen E. sowie der 4 Mitarbeiter L., B., St. und St. hat de Beklagte zu 2) von der Beklagten zu 1) das wesentliche Know-How, das für die Erledigung von Dekontreinigungsarbeiten erforderlich ist, übernommen. Diese Arbeitnehmer nehmen die wesentlichen Schlüsselpositionen bei der Beklagten zu 2) ein, indem sie als einzige Koordinatoren (L. und B.) oder als einzige Vorarbeiter in den Dekontbereichen tätig sind (St. und St.). Dies zeigt, dass die Beklagte zu 2) in den Führungspositionen auf das Personal und das Know-how der Beklagten zu 1) zurückgegriffen hat.
Als wesentlicher inmaterieller Aktivposten des Teilbetriebes der Beklagten zu 1) im Zeitpunkt des Übergangs ist der Auftrag mit dem Kraftwerksbetreiber zu sehen. Dieser Auftrag ist auf die Beklagte zu 2) übergegangen. Der neue Auftraggeber ist zwar nicht vollständig unternehmensidentisch; dies ist jedoch vorliegend nicht erheblich, da die wirtschaftliche Einheit der Dekontabteilung davon nicht berührt wird. Sämtliche nunmehr als Auftraggeber auftretenden Gesellschaften betreiben zudem zusammen das Kraftwerk in A-Stadt und gehören zum R.K..
Entgegen der Auffassung der Beklagten zu 2) ist es unerheblich, dass die Beklagte zu 2) über die reine Dekontabteilung hinaus auch die so genannten Tätigkeiten der Blockreinigung sowie Strahlenschutzaufgaben übernommen. Ob die Blockreinigung für sich genommen eine wirtschaftliche Einheit bei der vormals aus Auftragnehmerin tätigen Firma Sch. dargestellt hat, ist irrelevant. Entscheidend ist, dass der Teilbetrieb des Dekontbereichs vorher von der Beklagten zu 1) und nunmehr von der Beklagten zu 2) wahrgenommen wird. Auch die zusätzliche Übernahme von Strahlenschutzaufgaben spricht deshalb nicht gegen einen Übergang der wirtschaftlichen Einheit. Die Strahlenschutzarbeiten machen nach der Erörterung in der mündlichen Verhandlung (noch) keinen wesentlichen Anteil der Tätigkeiten der Beklagten zu 2) aus.
Dass die Beklagte zu 2) nicht die Gesamtheit der Mitarbeiter der Dekontabteilung der Beklagten zu 1) übernommen hat, ist deshalb unerheblich, weil diese nicht den Kern der wirtschaftlichen Einheit ausgemacht hat.
(3). Der Übergang ist auch durch Rechtsgeschäft vollzogen worden. Ausreichend ist ein Übergang im Rahmen vertraglicher oder sonstiger rechtsgeschäftlicher Beziehungen ( BAG 25.05.2000 - 8 AZR 416/99 -NZA 2000, 1115 [BAG 25.05.2000 - 8 AZR 416/99]). Sämtliche wesentlichen sächlichen und immateriellen Betriebsmittel, die der Beklagten zu 1) vormals vom Auftraggeber zur Verfügung gestellt wurden, sind im Rahmen des mit der Beklagten zu 2) geschlossenen Rahmenvertrages nunmehr der Beklagten zu 2) zur Verfügung gestellt worden. Damit liegt ein rechtsgeschäftlicher Übergang der Betriebsmittel der wirtschaftlichen Einheit vor.
e). Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Teilbetrieb der Dekontarbeiten nicht in eine völlig neue Organisation bei der Beklagten zu 2) eingegliedert worden und in dieser aufgegangen.
(1). Ein Teilbetriebsübergang im Sinne von § 613a BGB setzt die im Wesentlichen unveränderte Fortführung einer wirtschaftlichen Einheit unter Wahrung ihrer Identität voraus. Daraus folgt, dass die Einheit, die beim Veräußerer bestanden hat, beim Erwerber fortbestehen muss. Der Begriff "Einheit" bezieht sich dabei auf eine organisierte Gesamtheit von Personen oder Sachen zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung, die hinreichend strukturiert und selbständig ist. Wird eine Einheit in eine andere Organisation eingegliedert, führt der "Erwerber" aber die Einheit nicht unter Wahrung ihrer Identität fort. Mit der Eingliederung wird die wirtschaftliche Einheit als solche aufgelöst, sie verliert ihre Identität. Dies stellt keinen Betriebsübergang im Sinne von § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB dar ( BAG, 20.04.2008 - 8 AZR 268/07 ).
(2) Die Dekontabteilung ist vorliegend nicht in eine neue oder bestehende wirtschaftliche Einheit integriert worden. Die Dekontarbeiten werden nach wie vor in unveränderten Arbeitsabläufen mit unveränderten Betriebsmitteln verrichtet; der Bereich wird von vormaligen Mitarbeitern der Beklagten zu 1) in den Schlüsselpositionen geleitet. Die Organisationsstruktur der Beklagten zu 2) unterscheidet sich, wie vorstehend erläutert, nicht wesentlich von der Beklagten zu 1). Soweit die Beklagte zu 2) zusätzlich im Gegensatz zur Beklagten zu 1) noch die Tätigkeiten der Blockreinigung bzw. (in geringem Umfang) Strahlenschutzaufgaben übernimmt, ergibt sich daraus keine "neue Organisation", in die die Dekontabteilung eingegliedert ist. So wie die Beklagte zu 1) neben der Dekontabteilung noch Wach- und Sicherheitsleistungen erbracht hat, erbringt die Beklagte zu 2) nunmehr noch reine Unterhaltsreinigungsleistungen neben der Dekontreinigung. Dies führt nicht zu der Annahme, dass die Dekontarbeiten in eine neue Organisationsstruktur eingegliedert sind.
Da die wirtschaftliche Einheit der Dekontabteilung im Wege eines Teilbetriebsübergangs nach § 613a BGB auf die Beklagte zu 2) übergegangen und nicht stillgelegt ist, ist die gesetzliche Vermutung des § 1 Abs. 5 KSchG widerlegt. Die Kündigung der Beklagten zu
1) ist nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse i.S. von § 1 Abs. 1, 2 bedingt und deshalb rechtsunwirksam. Ob die Kündigung auch nach § 612a BGB rechtsunwirksam ist, bedarf keiner Entscheidung.
2. Der vorläufige Weiterbeschäftigungsanspruch des Klägers ergibt sich aus §§ 611, 242 BGB i.V.m. Art. 1 und 2 GG auf der Grundlage der Entscheidung des Großen Senats des BAG vom 27.02.1985 (GS 1/84). Mit dem Übergang der wirtschaftlichen Einheit auf die Beklagte zu 2) zum 01.01.2008 ist diese nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB in die Rechte und Pflichten aus dem vormals zwischen der Beklagten zu 1) und dem Kläger bestandenen Arbeitsverhältnis eingetreten ist. Die Beklagte zu 2) schuldet damit die vorläufige Weiterbeschäftigung. Umstände, die im Einzelfall gegen eine vorläufige Weiterbeschäftigung sprechen, sind nicht erkennbar und seitens der Beklagten zu 2) auch nicht substantiiert worden.
3. Die Klage ist gegenüber der Beklagten zu 2) nach §§ 611, 615 BGB begründet in Bezug auf die Vergütungsansprüche für den Zeitraum vom 01.02.2008 bis zur Aufnahme der neuen Tätigkeit am 09.05.2008.
a). Die Beklagte zu 1) bzw. nach Übergang des Arbeitsverhältnisses die Beklagte zu 2) ist mit Ablauf der Kündigungsfrist in Annahmeverzug geraten. Damit schuldet sie die Vergütung, die auf der Grundlage des mit der Beklagten zu 1) bestandenen Arbeitsverhältnisses angefallen wäre. Der Kläger hat seine Ansprüche auf der Grundlage des seit dem 01.01.2008 gezahlten Stundenlohnes von 12,05 auf der Basis einer 40-Stunden Woche zutreffend berechnet. Soweit die Beklagten nach dem Tarifvertrag für das Gebäudereinigerhandwerk von einer 39 Stunden Woche ausgehen, ist dies unbeachtlich. Den zu den Akten gereichten Verdienstabrechnungen für Mitarbeiter der Beklagten zu 2) aus Februar und April 2008 (Bl. 232, 233) ist die Abrechnung auf Basis von 40 Stunden pro Woche zu entnehmen. Dies hat auch für den Kläger zu gelten. Der Kläger hat die erhaltenen Leistungen der Agentur für Arbeit nach § 11 Nr. 3 KSchG in Abzug gebracht.
b). Entgegen der Auffassung der Beklagten muss sich der Kläger nicht gem. § 11 Nr. 2 KSchG entgangenen Verdienst bei der Beklagten zu 2) anrechnen lassen, weil er es böswillig unterlassen hat, eine ihm zumutbare Arbeit anzunehmen. Der Kläger hat es nicht böswillig unterlassen, eine zumutbare Arbeit anzunehmen.
Die Beklagten haben den Kläger nicht aufgefordert, bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Kündigungsschutzverfahren die Arbeit zu unveränderten Bedingungen weiterzuführen. Die Beklagte zu 2) hat dem Kläger zwar im Vorfeld der Kündigung eine dauerhafte Änderung des Arbeitsvertrags angeboten. Nur bei Annahme dieser Bedingungen war die Beklagte zu 2) aber bereit, den Kläger weiter zu beschäftigen. Die Arbeit bei dem bisherigen Arbeitgeber ist aber nur zumutbar im Sinne von § 11 Nr. 2 KSchG, wenn sie auf den Erwerb von Zwischenverdienst gerichtet ist. Auf eine dauerhafte Änderung des Arbeitsvertrags braucht sich der Arbeitnehmer nicht einzulassen ( BAG 11.01.2006 - 5 AZR 98/05 - )
4. Die Berufung des Klägers ist unbegründet, soweit er die gesamtschuldnerische Haftung der Beklagten zu 1) für Zahlungsansprüche für den Zeitraum vom 01.02.2008 bis 08.05.2008 begehrt. Die Beklagte zu 2) ist mit Wirkung zum 01.01.2008 in die Rechte und Pflichten des mit der Beklagten zu 1) bestandenen Arbeitsverhältnisses eingetreten. Der bisherige Arbeitgeber haftet nach § 613a Abs. 2 Satz 1 BGB jedoch nur für solche Ansprüche, die vor dem Übergang entstanden sind. Dies ist in Bezug auf die streitgegenständlichen Zahlungsansprüche nicht der Fall.
5. Die Anschlussberufung der Beklagten ist nach vorstehenden Erwägungen unbegründet, da das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten zu 2) fortbesteht.
6. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, 97, 100 ZPO unter Berücksichtigung der mit Schriftsatz vom 24.09.2008 reduzierten Berufung.
7. Gründe, die Revision zuzulassen, bestehen nicht.