Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 27.05.2009, Az.: 17 Sa 1424/08

Schadensersatz bei äquivalent kausalem pflichtwidrigen Verhalten des Arbeitnehmers; Schadensteilung bei grober Fahrlässigkeit des Arbeitnehmers nach Abwägung aller Umstände des Einzelfalls

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
27.05.2009
Aktenzeichen
17 Sa 1424/08
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2009, 50293
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Hannover - 11.08.2008 - AZ: 11 Ca 258/07

Redaktioneller Leitsatz

1. Verstößt ein Arbeitnehmer schuldhaft gem. § 276 BGB gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten, ist er grundsätzlich zum Ersatz des aus der Pflichtwidrigkeit entstandenen Schadens verpflichtet. Dabei muss das vertragswidrige Verhalten äquivalent kausal geeignet gewesen sein, einen Schaden herbeizuführen. Die Zurechnung wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass außer dem zum Schadensersatz verpflichtenden Ereignis auch andere Ursachen zur Entstehung des Schadens beigetragen haben können.

2. Auch bei grober Fahrlässigkeit ist im Einzelfall eine Schadensteilung nicht ausgeschlossen. Ob eine Entlastung des Arbeitnehmers in Betracht kommt und wie sie zu bemessen ist, ist aufgrund einer Abwägung zu entscheiden, die der Tatrichter nach § 287 ZPO vornehmen muss. Beim Arbeitnehmer spielt dabei neben der Höhe des Arbeitsentgelts und weiteren mit seiner Leistungsfähigkeit zusammenhängenden Umständen insbesondere der Grad des Verschuldens eine Rolle. Beim Arbeitgeber ist ein durch das schädigende Ereignis eingetretener hoher Vermögensverlust umso mehr dem Betriebsrisiko zuzurechnen, als dieser einkalkuliert oder durch eine Versicherung deckbar ist.

In dem Rechtsstreit
Klägerin und Berufungsbeklagte,
gegen
Beklagter und Berufungskläger,
hat die 17. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen auf die mündliche Verhandlung vom 27. Mai 2009 durch
die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht Knauß,
den ehrenamtlichen Richter Herr Stolte,
den ehrenamtlichen Richter Herr Severin
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 11.08.2008 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Zahlung von Schadensersatz. Dabei nimmt die Klägerin als Kaskoversicherung eines Flugzeugs den Beklagten nach einem Absturz aus übergegangenem Recht in Anspruch.

Wegen des Vorbringens der Parteien im ersten Rechtszug wird auf die sehr gründliche Wiedergabe im Tatbestand des angefochtenen Urteils vom 11.08.2008 (Bl. 874 bis 879 d. A.) Bezug genommen.

Mit diesem Urteil hat das Arbeitsgericht den Beklagten auf die am 25.08.2006 beim Landgericht B-Stadt eingegangene Klage, mit der die Klägerin zuletzt erstinstanzlich beantragt hatte, den Beklagten zu verurteilen, an sie 250.000,-- € nebst 5 Prozent Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, verurteilt, an die Klägerin 44.520,00 € nebst 5 Prozent Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 21.09.2006 zu zahlen, im Übrigen die Klage ebenso wie die vom Beklagten erhobene Widerklage abgewiesen, die Kosten des Rechtsstreits zu 30 Prozent der Klägerin und zu 70 Prozent dem Beklagten auferlegt und den Streitwert auf 684.370,41 € festgesetzt.

Zur Begründung hat das Arbeitsgericht - soweit zweitinstanzlich noch von Interesse - im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe gegen den Beklagten einen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 44.520,00 € aus § 86 VVG i. V. m. § 280 Abs. 1 BGB. Zwischen der Klägerin und der vormaligen Arbeitgeberin des Beklagten, der F. GmbH, habe im Oktober 2003 ein Versicherungsvertrag bestanden. Schließlich sei die Klägerin auch Anspruchsinhaberin, da am 04.07.2006 eine Umfirmierung von der A. AG, die den Versicherungsvertrag mit der F. GmbH abgeschlossen hatte, zur Klägerin stattgefunden habe. Auch habe die Klägerin als Versicherer der F. GmbH einen Schaden in Zusammenhang mit dem Flugunfall vom 28.10.2003 in Höhe von zunächst 700.000,-- € und weiteren 91.000,-- € ersetzt. Schließlich habe der Versicherungsnehmerin der Klägerin, der F. GmbH, ein Ersatzanspruch in Höhe von 44.520,-- € gegen den Beklagten zugestanden, der auf die Klägerin gem. § 86 VVG übergegangen sei. Dieser Anspruch der F. GmbH ergebe sich aus § 280 Abs. 1 BGB, wonach der Gläubiger Ersatz des kausalen Schadens verlangen kann, wenn der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis verletzt und dies zu vertreten hat. Im Streitfall habe der Beklagte durch die Landung auf dem Flughafen Z. am 28.10.2003 unter den Wetterbedingungen der CAT III eine arbeitsvertragliche Pflicht aus seinem Arbeitsverhältnis zur F. GmbH verletzt, da er nur die Berechtigung für eine Landung unter den Wetterbedingungen der CAT I mit einer RVR (runway visuability range) von nicht weniger als 550 Metern hatte und auch das von ihm am Unfalltag gesteuerte Flugzeug nicht für eine Landung unter den Wetterbedingungen der CAT III ausgerüstet war. Unerheblich sei insoweit der Einwand des Beklagten, dass er die übermittelten RVR-Werte nicht bewusst wahrgenommen habe, ebenso wie seine Behauptung, dass der künstliche Horizont zur Seite gekippt sei. Denn auch in diesem Fall hätte er das Kommando auf den Copiloten übertragen müssen. Entsprechendes gelte auch, soweit der Beklagte das Vorliegen eines Vertigos/einer Incapacitation behauptet habe. Der Beklagte habe die Pflichtverletzungen auch nach §§ 280 Abs. 1, 619 a BGB zu vertreten, denn es liege ein schuldhaftes und grob fahrlässiges Handeln des Beklagten i. S. d. § 276 BGB vor. Soweit der Beklagte sich auf Schuldunfähigkeit i. S. d. §§ 276 Abs. 1 Satz 2, 827 Satz 1 BGB durch die behauptete Incapacitation berufen habe, sei zum einen bereits aus dem Beklagtenvortrag nicht erkennbar, dass die behauptete Handlungsunfähigkeit durch die Incapacitation während der gesamten relevanten Zeit, d. h. zumindest ab Beginn des Landeanflugs auf den Flughafen Z., bestanden hätte. Zudem könne diese allenfalls zu einer Auswirkung hinsichtlich der ersten Pflichtverletzung (landen trotz der Wetterbedingungen) führen. Die alternative Pflichtverletzung bei Unterstellen des Beklagtenvortrags (nicht mitteilen des Vertigos) knüpfe gerade daran an, dass die behauptete Incapacitation dem Copiloten nicht mitgeteilt worden sei. Zudem habe der Beklagte selbst vorgetragen, dass er eine abnehmende Beeinträchtigung verspürt habe. Schließlich sei der für die streitige Incapacitation vom beweispflichtigen Beklagten angebotene Beweis durch Erhebung eines Sachverständigengutachtens als untaugliches Beweismittel nicht einzuholen gewesen, da durch ein Sachverständigengutachten nicht mehr feststellbar sei, ob der Beklagte am 28.10.2003 zur fraglichen Zeit unter einer Incapacitation gelitten habe. Durch das Verhalten des Beklagten sei schließlich auch ein Schaden äquivalent und adäquat kausal verursacht worden, wobei die zwischen den Parteien streitige tatsächliche Schadenshöhe dahin stehen könne, weil hinreichend substantiiert vorgetragen und nicht in ausreichender Weise bestritten ein Schaden von 777.200,-- € sei. Ob es darüber hinaus weitere kausale Ursachen gegeben habe, wie etwa Randwirbel, könne dahinstehen, da der Beklagte in diesem Fall auch hätte durchstarten müssen und diese zusätzlichen Umstände seinen kausalen Beitrag nicht entfallen ließen. Allerdings habe der Beklagte den entstandenen Schaden nicht in der eingeklagten, sondern lediglich in Höhe des tenorierten Umfangs zu ersetzen. Dies ergebe sich nach den Grundsätzen des Bundesarbeitsgerichts über die eingeschränkte Arbeitnehmerhaftung in entsprechender Anwendung des § 254 BGB.

Wegen der weiteren rechtlichen Erwägungen, die das Arbeitsgericht zu seinem Ergebnis haben gelangen lassen, wird auf den Inhalt der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 879 bis 885 d. A.) Bezug genommen.

Gegen dieses ihm am 03.09.2008 zugestellte Urteil hat der Beklagte mit einem am 15.09.2008 beim Berufungsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt, die er mit einem am 03.11.2008 per Fax beim Landesarbeitsgericht eingegangen Schriftsatz begründet hat.

Mit der Berufung verfolgt der Beklagte sein Klagabweisungsziel nach Maßgabe seiner Berufungsbegründungsschrift vom 03.11.2008 weiter; die Kammer nimmt auf den Inhalt dieses Schriftsatzes Bezug.

Der Beklagte rügt an dem angegriffenen Urteil insbesondere, das Arbeitsgericht habe die Grundsätze der Arbeitnehmerhaftung nicht vollständig berücksichtigt, insbesondere nur das Missverhältnis zwischen Schadensrisiko und Einkommenssituation des Arbeitnehmers in Ansatz gebracht. Neben dem exorbitant hohen Schadensrisiko, das dazu führe, dass der Arbeitgeber obligatorisch aus der Fürsorgepflicht heraus eine voll deckende Versicherung abzuschließen habe, um dem Piloten als Arbeitnehmer die latente Gefahr einer nicht zu realisierenden und damit notwendigerweise ruinierenden Inanspruchnahme aus einem Schadensereignis zu nehmen, seien im Streitfall auch die Ausstattung des Flugzeugs und die den Anforderungen nicht angepasste Flugberechtigung des Piloten, außerdem subjektive Umstände wie Unerfahrenheit, Übermüdung und Unwohlsein sowie der auf dem Piloten ruhende Erfolgsdruck zu berücksichtigen. Auch sei durch das erstinstanzliche Urteil die Kausalität zwischen der vorgeworfenen Pflichtverletzung und dem behaupteten Schaden nicht nachgewiesen, zumal seitens des Beklagten Ersatzursachen für den im Übrigen der Höhe nach weiterhin streitigen Schaden vorgetragen seien.

Der Beklagte beantragt daher,

das angegriffene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Berufung des Beklagten ist statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, §§ 517 ff ZPO).

II.

Die Berufung des Beklagten ist jedoch nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat den Beklagten zu Recht und mit zutreffender Begründung unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Zahlung von 44.520,00 € nebst 5 Prozent Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 21.09.2006 verurteilt. Die Kammer nimmt auf die sorgfältigen und ausführlichen Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils ausdrücklich Bezug und verweist darauf zur Vermeidung von Wiederholungen (§ 540 ZPO).

1.

Das Arbeitsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin als Versicherer der F. GmbH dieser einen Schaden im Zusammenhang mit dem Flugunfall vom 28.10.2003 in Höhe von 791.000,-- € ersetzt hat. Durchgreifende Angriffe hiergegen hat der Beklagte mit der Berufung auch nicht mehr vorgetragen. Insoweit kann daher voll umfänglich auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts unter Ziff. 1 und 2 der Entscheidungsgründe Bezug genommen werden.

2.

Das Arbeitsgericht hat schließlich auch zutreffend festgestellt, dass der Beklagte schuldhaft gem. § 276 Abs. 1 und 2 BGB eine arbeitsvertragliche Pflicht aus seinem Arbeitsverhältnis zur F. GmbH verletzt hat, indem er am 28.10.2003 unter den Wetterbedingungen der CAT III auf dem Flughafen Z. zu landen versuchte und ihm hinsichtlich dieser Pflichtverletzung und des Schadenseintritts grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist.

Durchgreifende Angriffe gegen die Ausführungen des erstinstanzlichen Gerichts unter 3 a und b der Entscheidungsgründe enthält das Berufungsvorbringen des Beklagten hierzu ebenfalls nicht, weshalb auch insoweit auf die überzeugenden Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils voll inhaltlich Bezug genommen werden kann. Das Arbeitsgericht hat insbesondere zutreffend darauf abgestellt, dass der Beklagte als Pilot angesichts der mehrfachen Durchgabe der RVR-Werte sowie des von ihm behaupteten Vertigos den Anflug auf den Flughafen Z. nicht einfach wie geplant bis zur Landung hätte fortsetzen dürfen. Dem schließt sich die Berufungskammer an.

3.

Auch die vom Arbeitsgericht vorgenommene Beurteilung des Zurechnungszusammenhangs zwischen der grobfahrlässigen Pflichtwidrigkeit des Beklagten und dem eingetretenen Schaden ist nicht zu beanstanden.

Das vertragswidrige Verhalten des Beklagten war im Streitfall äquivalent kausal, mithin zumindest grundsätzlich geeignet, einen Schaden in dem betreffenden Umfang herbeizuführen. Zwischen dem Verhalten des Beklagten und dem eingetretenen Schaden besteht aber auch ein adäquater Kausalzusammenhang, denn eine Landung unter den Wetterbedingungen der CAT III, für die weder das Flugzeug ausgerüstet, noch der Pilot die erforderliche Berechtigung hatte, hat die Möglichkeit eines Erfolgs der eingetretenen Art nicht unerheblich erhöht (BGH 23.10.1951 - I ZR 31/51 - BGHZ 3, 266; BGH 19.11.1971 - V ZR 100/69 - NJW 72, 195). Die Zurechnung wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass außer dem zum Schadensersatz verpflichtenden Ereignis auch andere Ursachen zur Entstehung des Schadens beigetragen haben. Der zum Schadensersatz verpflichtende Umstand braucht nicht die überwiegende oder wesentliche Ursache zu sein (BGH 10.5.1990 - IX ZR 113/89 - NJW 90, 2883). Auch im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität reicht eine bloße Mitverursachung; eine richtungshebende Veränderung ist nicht erforderlich (BGH 19.4.2005 - VI ZR 175/04 - NJW - RR 05, 897).

Ein eventuelles Mitverschulden des Copiloten A. schließt deshalb die Haftung des Beklagten nicht aus. Entgegen der Ansicht des Beklagten ist im Streitfall auch die Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Schaden nicht aufgrund der vom Beklagten behaupteten Randwirbel durch eine zuvor auf der Piste 14 gelandete B 767 der American Airlines ausgeschlossen. Ausweislich der Feststellungen des Büros für Flugunfalluntersuchungen des eidgenössischen Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation betrug die Staffelung zwischen den beiden Flugzeugen im Endanflug rd. sechs Meilen und wurde der Beklagte zudem durch den Flugverkehrsleiter um 06:41:08 UTC auf den vorausfliegenden Verkehr und mögliche Luftturbulenzen aufmerksam gemacht. Zu diesem Zeitpunkt war AAL 38 bereits am Boden und die Zeit, seit AAL 38 den 200 ft Punkt überflogen hatte, betrug ungefähr zwei Minuten. Im Ergebnis hält der Untersuchungsbericht es daher für fraglich, ob zu dieser Zeit noch Randwirbel vorhanden waren, welche sich auf den Flug RUS 1050 ausgewirkt haben könnten. Zwar habe es am Boden auch Rollbewegungen gegeben, allerdings seien bei CAT III Wetterbedingungen, die diesbezüglichen kritischen Zonen geschützt. Nach dem Untersuchungsbericht können mithin Luftturbulenzen im Absturzgebiet nicht ausgeschlossen werden, sind aber höchstwahrscheinlich nicht so stark gewesen, dass sie zum Absturz beigetragen haben. Auch aus dem Vortrag des Beklagten, der ein Rattern und Zucken des Steuerrades wahrgenommen haben will, kann nicht auf so starke Randwirbel geschlossen werden, dass sie die Fehllandung beeinflusst, geschweige denn diese alleine verursacht haben. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass der Beklagte sie bei Wetterbedingungen der CAT I mit ausreichender Pistensicht hätte beherrschen können. Selbst wenn also Luftturbulenzen zum Absturz beigetragen haben sollten, war dies nur eine Folge der pflichtwidrigen Landung bei Wetterbedingungen der CAT III. Jedenfalls kann auch die Berufungskammer nicht davon ausgehen, dass die vom Beklagten behaupteten Luftturbulenzen den Geschehensablauf so verändert haben, dass der Schaden bei wertender Betrachtung in keinem inneren Zusammenhang mehr zu der vom Beklagten zu vertretenden Vertragsverletzung steht. Entsprechendes gilt im Übrigen auch für den vom Beklagten behaupteten Defekt am künstlichen Horizont. Zudem konnte im Rahmen der nach der Bergung vorgenommenen eingehenden Überprüfung des entsprechenden Systems während des Tests am Boden kein Fehlverhalten des künstlichen Horizonts auf der Seite des Kommandanten festgestellt werden, weshalb die Wahrscheinlichkeit als gering einzustufen ist, dass der künstliche Horizont während des Anflugs ausfiel, um dann am Boden wieder normal zu arbeiten (siehe den Untersuchungsbericht des Büros für Flugunfalluntersuchungen des eidgenössischen Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation S. 55). Auch insoweit kann deshalb nicht von einer Durchbrechung des Kausalzusammenhangs zwischen der grob fahrlässigen Pflichtverletzung des Beklagten und dem Absturz ausgegangen werden.

4.

Das erstinstanzliche Gericht hat, entgegen der vom Beklagten mit der Berufung vertretenen Auffassung, nicht die - zwischen den Parteien im einzelnen streitige - Höhe des geltend gemachten Schadens dahinstehen lassen. Wie sich aus den Entscheidungsgründen unter 3 c ergibt, ist das Gericht vielmehr von einem durch das Gutachten des D. L. hinreichend substantiiert vorgetragenen und in nicht ausreichender Weise bestrittenen Schaden in Höhe von 777.200,-- € ausgegangen, der durch das Verhalten des Beklagten äquivalent und adäquat kausal verursacht wurde. Dem schließt sich die erkennende Berufungskammer nach eigener Sachprüfung an. Substantiierten Vortrag hierzu, d. h. mindestens Nennung der in Zweifel gezogenen Tatsachen- und Schadenspositionen - wie bereits vom erstinstanzlichen Gericht gerügt - hat der Beklagte hiergegen auch mit der Berufung nicht vorgebracht.

5.

Unter zutreffender Zugrundelegung der Rechtsprechung des BAG hat das erstinstanzliche Gericht schließlich auch entschieden, dass der Beklagte in Höhe von 44.200,-- Euro für den entstandenen Schaden haften muss.

Nach ständiger Rechtsprechung des BAG ist auch bei grober Fahrlässigkeit im Einzelfall eine Schadensteilung nicht ausgeschlossen ist. Ob eine Entlastung des Arbeitnehmers in Betracht kommt und wie weit sie zu gehen hat, ist aufgrund einer Abwägung zu entscheiden, die der Tatrichter nach Feststellung aller dafür maßgebenden Umstände (§ 286 ZPO) nach § 287 ZPO vornehmen muss. Bei dem Arbeitnehmer spielt dabei neben der Höhe des Arbeitsentgelts und weiteren mit seiner Leistungsfähigkeit zusammenhängenden Umständen insbesondere der Grad des Verschuldens eine Rolle. Beim Arbeitgeber wird ein durch das schädigende Ereignis eingetretener hoher Vermögensverlust umso mehr dem Betriebsrisiko zuzurechnen sein, als dieser einkalkuliert oder durch Versicherung, ohne Rückgriffsmöglichkeit gegen den Arbeitnehmer deckbar ist. Als einkalkuliert wird ein Schaden insoweit anzusehen sein, als mit seinem Ersatz durch den Arbeitnehmer mit Rücksicht auf dessen eigenen Verdienst nicht zu rechnen ist. Entsprechend kann nach der Rechtsprechung des BAG zu Lasten des Arbeitgebers ins Gewicht fallen, dass dieser keine Kaskoversicherung - ohne Rückgriffsmöglichkeit auf den Arbeitnehmer - abgeschlossen hat, was dazu führen kann, dass der Arbeitnehmer nur in Höhe einer Selbstbeteiligung haftet, die bei Abschluss einer Kaskoversicherung zu vereinbaren gewesen wäre. Wesentlich für die Beurteilung ist letztlich die Höhe des Entgelts und insbesondere der Grad des Verschuldens (BAG vom 12.12.1989 - 8 AZR 276/88 - und BAG vom 18.01.2007 - 8 AZR 250/06 - AP Nr. 15 zu § 254 BGB).

In Anwendung dieser Abwägungsgrundsätze hat das Arbeitsgericht in nicht zu beanstandender Weise (vgl. die Ausführungen unter 3 d) der Entscheidungsgründe) angenommen, dass der Beklagte in Höhe eines Bruttojahresgehalts an dem Schaden zu beteiligen ist. Bei der Abwägung aller Umstände, die im Einzelfall auch bei grober Fahrlässigkeit zu einer Schadensteilung führen können, hat das Arbeitsgericht dabei wesentlich auf das Missverhältnis zwischen der Höhe des Arbeitsentgeltes des Beklagten und dem Schadensrisiko abgestellt. Eine weitere Haftungsermäßigung, etwa bis auf die Höhe einer eventuellen Selbstbeteiligung für eine Kaskoversicherung (was nach den Angaben der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 27.5.2009 auch ohne Rückgriff bei grober Fahrlässigkeit durchaus vertraglich vereinbart werden kann) kommt vorliegend bei Abwägung aller maßgebenden Umstände (§ 286 ZPO) nicht in Betracht. Dabei ist für die Kammer der Grad des Verschuldens des Beklagten von wesentlicher Bedeutung. Der Beklagte hat nicht nur einmal, sondern mehrfach die ihm durchgegebenen RVR-Werte trotz der für ihn durchaus erkennbaren schlechten Wetterbedingungen nicht beachtet, den Empfang der RVR-Werte um 06:29:40 Uhr sogar mit "roger thank you" bestätigt, gleichwohl den Landeanflug nach dem Unterschreiten der Entscheidungshöhe fortgesetzt und trotz des von ihm behaupteten Unwohlseins auch noch den Funkverkehr an sich gezogen. Die vom Beklagten behauptete Weigerung des Copiloten, seinen Anweisungen zu folgen, kann dieses Verhalten nicht entschuldigen, zumal der Beklagte noch am Voreinflugzeichen den Landeanflug hätte abbrechen können. Mit solch einer mehrfachen Nichtbeachtung von Warnhinweisen und Sicherheitsvorschriften beim Landeanflug musste die F. GmbH als Arbeitgeberin nicht rechnen und ein entsprechendes Risiko deshalb auch nicht im Rahmen der Kaskoversicherung einkalkulieren. Angesichts der bereits erheblichen Reduzierung der Schadenshaftung auf ca. 1/20 des Gesamtschadens kommt auch bei Unterstellung eines Mitverschuldens der F. GmbH aufgrund mangelnder Kontrolle der Kenntnisse der Besatzung über die Verfahrensvorgaben sowie eines unterstellten Mitverschuldens des Copiloten als Erfüllungsgehilfen der F. GmbH eine weitergehende Entlastung des Beklagten nach § 254 BGB nicht in Betracht. Der Haftungsbetrag ist zudem nicht so hoch, dass eine Existenzvernichtung des Beklagten anzunehmen wäre.

7.

Dem Beklagten steht kein Leistungsverweigerungsrecht aufgrund der von ihm erhobenen Einrede der Verjährung zu. Denn die Ansprüche der Klägerin sind innerhalb der regelmäßigen Verjährungsfrist des § 195 BGB rechtzeitig nach §§ 195, 199 Abs. 1 BGB durch die am 25.08.2006 eingereichte und am 20.09.2006 zugestellte Klage gem. § 204 Abs. 1 Ziff. 1 BGB gehemmt worden.

8.

Der Zinsanspruch ist in der erstinstanzlich ausgeurteilten Höhe gem. §§ 286 Abs.1, 288 Abs.1, 291 BGB begründet.

III.

Als unterlegene Partei hat der Beklagte auch die Kosten des Berufungsverfahrens gem. § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor. Gegen diese Entscheidung ist daher ein Rechtsmittel nicht gegeben. Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde nach § 72 a ArbGG wird hingewiesen.

Knauß
Stolte
Severin