Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 12.01.2009, Az.: 8 Sa 151/08
Sonderurlaub zur Teilnahme an gewerkschaftlichen Veranstaltung für Sachbearbeiter im Vollzugsbereich der Zollverwaltung; Auslegung des Feststellungsantrags zu abgeschlossenem Sachverhalt
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 12.01.2009
- Aktenzeichen
- 8 Sa 151/08
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2009, 45961
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:2009:0112.8SA151.08.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- ArbG Lüneburg, 3 Ca 251/07 vom 12.12.2007
Rechtsgrundlagen
- § 29 Abs. 4 S. 1 TVöD
- § 52 Abs. 4 BAT
- § 249 Abs. 1 BGB
- § 275 Abs. 1 BGB
- § 275 Abs. 4 BGB
- § 280 Abs. 1 BGB
- § 283 S. 1 BGB
- § 286 Abs. 1 S. 1 BGB
- § 256 Abs. 1 ZPO
Fundstelle
- schnellbrief 2009, 7-8
Amtlicher Leitsatz
§ 29 Abs. 4 S. 1 TVöD fordert nicht als weiteres Tatbestandsmerkmal die Beschäftigung in einem Bereich, der unter die Organisationszuständigkeit der tarifschließenden Gewerkschaft fällt.
In dem Rechtsstreit
hat die 8. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen auf die mündliche Verhandlung vom 12. Januar 2009 durch
die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht Stöcke-Muhlack,
die ehrenamtliche Richterin Frau Bosse,
den ehrenamtlichen Richter Herrn Abel
für Recht erkannt:
Tenor:
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lüneburg vom 12. Dezember 2007 - 3 Ca 251/07 - wird zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass der Tenor des arbeitsgerichtlichen Urteils wie folgt neu gefasst wird:
Es wird festgestellt, dass dem Kläger noch zwei Tage Urlaub aus dem Jahre 2007 zu gewähren sind.
2. Die Anschlussberufung des Klägers wird als unzulässig verworfen.
3. Die Kosten der ersten Instanz trägt die Beklagte. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger, der im Vollzugsbereich der Zollverwaltung beschäftigt ist, als Mitglied der Gewerkschaft der Polizei Sonderurlaub zur Teilnahme an einer gewerkschaftlichen Veranstaltung zusteht.
Der Kläger ist bei der Beklagten als Sachbearbeiter im Arbeitsgebiet Prüfungen und Ermittlungen des Sachgebiets Finanzkontrolle Schwarzarbeit am Standort D-Stadt eingesetzt. Er ist mit der Vorbereitung als auch mit der Durchführung und dem Abschluss von Prüfungen gemäß § 2 SchwarzArbG betraut. Diese Prüfungen finden auch im Außendienst (zur Zeit ca. 20 bis 25 v. H.) statt, um Personenbefragungen durchzuführen und Geschäftsunterlagen zu sichten. Der Kläger ist im Außendienst mit einem Reizstoffsprühgerät für die Eigensicherung ausgestattet. Eine Anwendung von Polizeibefugnissen, insbesondere von unmittelbarem Zwang, ist ihm nicht gestattet. Bei mangelnder Mitwirkung, Auskunft oder Duldung durch einen von der Prüfung Betroffenen können diese Pflichten durch Androhung eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens durchgesetzt werden. Weiterhin ist der Kläger als Sachbearbeiter im Bereich Vermögensabschöpfung eingesetzt. Diese Tätigkeit erfolgt weit überwiegend im Innendienst mit ca. 75 bis 80 v. H. Der Kläger nimmt keine Polizeivollzugsaufgaben wahr.
Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet kraft beiderseitiger Tarifbindung und auf Grund arbeitsvertraglicher Vereinbarung der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst vom 13. September 2005 (im Folgenden TVöD) Anwendung. § 29 Abs. 4 TVöD lautet auszugsweise wie folgt:
Zur Teilnahme an Tagungen kann den gewählten Vertreterinnen/Vertretern der Bezirksvorstände, der Landesbezirksvorstände, der Landesfachbereichsvorstände, ... der Bundesfachgruppenvorstände sowie des Gewerkschaftsrates bzw. entsprechender Gremien anderer vertragsschließender Gewerkschaften auf Anfordern der Gewerkschaften Arbeitsbefreiung bis zu acht Werktagen im Jahr unter Fortzahlung des Entgelts nach § 21 erteilt werden, sofern nicht dringende dienstliche oder betriebliche Interessen entgegenstehen. Zur Teilnahme an Tarifverhandlungen mit dem Bund und der VKA oder ihrer Mitgliedverbände kann auf Anfordern einer der vertragsschließenden Gewerkschaften Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung des Entgelts nach § 21 ohne zeitliche Begrenzung erteilt werden.
Der Kläger ist Mitglied der Gewerkschaft der Polizei (im Folgenden GdP), Bezirk Bundespolizei und dort Mitglied in der Tarifgruppe der Bezirksgruppe Nord. In § 1 Abs. 3 der Satzung der GdP ist deren Organisationsbereich auf Bundesebene wie folgt geregelt:
Der Bezirk Bundespolizei organisiert die Beschäftigten der Bundespolizei und des Vollzugsbereichs der Zollverwaltung (Bundesfinanzpolizei).
In seiner Eigenschaft als Mitglied der Tarifgruppe der Bezirksgruppe Nord der GdP erhielt der Kläger ein Schreiben vom 1. August 2007, in dem er zur Tagung "Vorbereitung Tarifverhandlungen 2008" für den 17. und 18. September 2007 eingeladen wurde. Der Kläger beantragte daraufhin am 3. August 2007 Arbeitsbefreiung nach § 29 Abs. 4 TVöD, die mit Schreiben vom 5. September 2007 abgelehnt wurde.
In dem vorhergehenden Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zur Bewilligung von Sonderurlaub haben die Parteien sich darauf verständigt, dem Kläger zunächst Urlaub zu gewähren. Im anschließenden Hauptsacheverfahren sollte über die Qualifizierung dieser Tage als Sonder- oder Erholungsurlaub entschieden werden. Unstreitig gilt für die Urlaubsansprüche des Klägers aus dem Jahr 2007 ein Übertragungszeitraum bis zum 31. Dezember 2008. Auf Grund von Redaktionsverhandlungen mit der Gewerkschaft hat das Bundesinnenministerium eine entsprechende Regelung durch Erlass festgelegt. Die Übertragung ist - unstreitig - auch nicht an weitere Voraussetzungen geknüpft. Mit der am 18. September 2007 erhobenen Klage hat der Kläger begehrt, ihm zwei Tage Arbeitsbefreiung als Sonderurlaub nach § 29 Abs. 4 TvöD ohne Anrechnung auf den Erholungsurlaub zuzusprechen.
Er hat die Auffassung vertreten, er habe am 17. und 18. September 2007 einen Anspruch auf Arbeitsbefreiung ohne Anrechnung auf seinen Erholungsurlaub gehabt.
Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, dass ihm für den 17. und 18. September 2007 zwei Tage Sonderurlaub gewährt wurden, die auf seinen Jahresurlaubanspruch nicht anzurechen sind.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, eine Arbeitsbefreiung komme nur dann in Betracht, wenn der Arbeitnehmer in einem Verwaltungsbereich beschäftigt sei, der nach der Satzung in die Zuständigkeit der Gewerkschaft falle. Da ein Verwaltungsbereich "Bundespolizei" bzw. "Bundesfinanzpolizei" in der Zollverwaltung nicht existiere, fehle es an der Vertretung im konkret ausgeübten Beruf. Es könne dem Arbeitgeber nicht zugemutet werden, Arbeitsbefreiung für Veranstaltungen berufsfremder Gewerkschaften zu genehmigen. Um eine solche berufsfremde Gewerkschaft handele es sich bei der GdP. Im Bereich der Zollverwaltung erschließe sich eine polizeiliche Tätigkeit nicht. Es sei unzulässig, dass sich eine Gewerkschaft bestimmte Berufsgruppen herauspicke und sich für sie als zuständig erkläre. Schon weil es keinen Vollzugsbereich der Zollverwaltung im Sinne einer Bundesfinanzpolizei gebe, mangele es an der Organisationszuständigkeit der GdP.
Durch Urteil vom 12. Dezember 2007 hat das Arbeitsgericht die Berechtigung des vom Kläger begehrten Anspruchs bejaht und festgestellt, dass der Kläger am 17. und 18. September 2007 Sonderurlaub hatte, der auf den Erholungsurlaub nicht anzurechnen ist. Das Arbeitsgericht hat die Berufung zugelassen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger sei gewählter Vertreter im Sinne von § 29 Abs. 4 TVöD, die Veranstaltung vom 17./18. September 2007 sei eine Tagung im Sinne der Vorschrift; das Schreiben vom 1. August 2007 der GdP stelle ein "Anfordern einer Gewerkschaft" im Sinne der Tarifvorschrift dar. Darüber hinaus liege auch die ungeschriebene Voraussetzung von § 29 Abs. 4 TVöD vor, nach der nur Interessenvertretungen der Beschäftigten in ihrem konkret ausgeübten Beruf von dem Tatbestandsmerkmal der Tarifvorschrift erfasst würden. Die Mitgliedschaft in berufsfremden Gewerkschaften stelle keinen Anlass für die Gewährung von Sonderurlaub durch den Dienstherrn für hierdurch veranlasste gewerkschaftliche Aktivitäten dar, weil insoweit jeglicher Zusammenhang zwischen der Gewerkschaftstätigkeit und dem konkreten Dienstverhältnis fehle. Nachdem die GdP ihren Organisationsbereich in § 1 Abs. 3 S. 1 der Satzung dahingehend erweitert habe, dass nunmehr neben den Beschäftigen der Bundespolizei auch diejenigen des Vollzugsbereichs der Zollverwaltung (Bundesfinanzpolizei) vom Organisationsbereich der GdP erfasst seien, seien die Voraussetzungen erfüllt. Der Kläger sei im Vollzugsbereich der Zollverwaltung beschäftigt, weil er gemäß § 14 Schwarz-ArbG mit Aufträgen betraut sei, die ihn zur Ermittlungsperson der Staatsanwaltschaft mache. Entscheidend sei die Einschätzung der vertragsschließenden Gewerkschaft, welche jedenfalls die Vollzugsbeamten der Zollverwaltung in ihrer Tätigkeit den Polizeibeamten gleichgestellt habe, indem sie ihre Organisationszuständigkeit auf sie erweitert habe. Unerheblich sei, dass die Mitglieder des Vollzugsbereichs der Zollverwaltung in einem Klammerzusatz als der "Bundesfinanzpolizei" zugehörig bezeichnet würden - die es nicht gebe - weil die Beschreibung der von der Gewerkschaft organisierten Personen bzw. beschäftigten Gruppen nicht notwendig sei.
Gegen dieses ihr am 7. Januar 2008 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 29. Januar 2008 Berufung eingelegt und diese innerhalb der Verlängerungsfrist am 2. April 2008 begründet.
Sie trägt vor: Die Bundeszollverwaltung stelle eine klassische Einnahmeverwaltung dar. Eine weitere der Zollverwaltung übertragene Aufgabe sei die Vollstreckung von öffentlich- rechtlichen Geldforderungen des Bundes. Vollstreckt werde nach den Regelungen der Abgabenordnung, des Zollkodex und des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes. Werde bei Vollstreckungsmaßnahmen mit Widerstand gerechnet, bitte die Zollverwaltung die Polizei um Amtshilfe. Zur effektiven Wahrnehmung ihrer Aufgaben stünden den Beschäftigten in den Bereichen Grenzaufsicht, mobile Kontrollgruppen und Finanzkontrolle Schwarzarbeit natürlich die notwendigen Befugnisse zur Durchsetzung (u. a. auch unmittelbarer Zwang) zur Verfügung. Doch handele es sich bei diesen Befugnissen um eine andere Grundausrichtung der Bundeszollverwaltung. Die eigentliche Grundausrichtung der Bundeszollverwaltung liege in der Sicherung der Einnahmen des Bundes und gerade nicht in der Gewährleistung der inneren Sicherheit. Diese bleibe Grundausrichtung der Bundespolizei. Über die unterschiedlichen Befugnisse der beschäftigten Gruppen helfe auch nicht § 14 SchwarzArbG hinweg. Zwar billige § 14 SchwarzArbG den Behörden der Zollverwaltung bei der Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten die gleichen Befugnisse wie die Polizeivollzugsbehören nach der Strafprozessordnung und dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten zu. Jedoch seien die Beamten der Zollverwaltung nur insoweit den Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft gemäß § 142 GVG gleichgestellt. Durch die Verwendung des Wortes "insoweit" werde bereits durch den Gesetzgeber deutlich gemacht, dass hier eine Ausnahme von der Regel vorliege und die Behören der Zollverwaltung im Übrigen gerade nicht den Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft gleichgestellt seien. Darüber hinaus komme es für die Feststellung des konkret ausgeübten Berufes auch auf die konkreten Aufgaben und Tätigkeiten des Beschäftigten an. Der Kläger habe auf Grund seiner konkreten Tätigkeit lediglich einen formellen Status als Ermittlungsperson der Staatsanwaltschaft gemäß § 14 SchwarzArbG in Verbindung mit § 152 GVG. Tatsächlich stehe es dem Kläger nicht zu, selbstständig den Einsatz von vollzugspolizeilichen Befugnissen auszuüben. Der Kläger verfüge über keine Polizeibefugnisse.
Die Beklagte beantragt,
1. das Urteil des Arbeitsgerichts Lüneburg vom 12. Dezember 2007 - 3 Ca 251/07 - abzuändern und die Klage abzuweisen.
2. den vom Kläger in der Berufungsinstanz klagerweiternden Antrag zu 2. zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
1. die Berufung zurückzuweisen,
2. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger zwei Tage Urlaub aus dem Urlaubsanspruch 2007 zu gewähren.
Er verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil nach Maßgabe seiner Berufungserwiderung vom 5. Mai 2008, auf deren Inhalt Bezug genommen wird (Bl. 84 bis 101 d. A.).
Erstmals in der mündlichen Verhandlung vom 15. Dezember 2008 vor dem Landesarbeitsgericht hat der Klägerbegehrt, ihm bis zum 31. Dezember 2008 zwei Tage Urlaub aus dem Jahre 2007 zu bewilligen. Die Beklagte hat es abgelehnt, ohne gerichtliche Feststellung Urlaub zu genehmigen.
Zu den weiteren Ausführungen der Parteien zur Sach- und Rechtslage wird auf die von ihnen eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung die Verordnung zur Änderung arbeitszeit- und urlaubsrechtlicher Vorschriften vom 18. August 2008 und ein Schreiben vom 25. August 2008 in Fotokopie zu den Akten gereicht.
Entscheidungsgründe
Der Berufung bleibt im Ergebnis der Erfolg versagt, während die Anschlussberufung der Abweisung als unzulässig unterliegt.
I.
Die Berufung ist zwar statthaft; auch ist sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit insgesamt zulässig (§§ 64, 66 ArbGG, 519, 520 ZPO).
II.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Feststellung, dass ihm für den 17. und 18. September 2007 zwei Tage Sonderurlaub hätten genehmigt werden müssen und deshalb noch zwei Urlaubstage aus dem Jahre 2007 zu gewähren sind. Eine Auslegung des Antrags in diesem Sinne war noch möglich. Der Antrag ist nicht allein auf die Erstellung eines Rechtsgutachtens gerichtet. Der Anspruch auf Urlaubsgewährung ergibt sich zumindest als Schadensersatz.
1.
Die Klage ist zulässig. Ihr fehlt nicht das rechtliche Interesse an der alsbaldigen Feststellung.
a)
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist davon auszugehen, dass die Feststellungsklage im arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren möglich ist, wenn sie sich gegen eine Behörde richtet, weil anzunehmen ist, dass diese sich an ein stattgebendes Feststellungsurteil halte, so dass eine Leistungsklage entbehrlich ist (vgl. etwa BAG vom 24. Mai 2007 - 6 AZR 706/06 AP TVG § 1 Tarifverträge: DRK Nr. 24 mwN; vom 15. November 1994 - 5 AZR 522/93 - ZTR 1995, 324; vom 4. Mai 1982 - 3 AZR 1205/79 - AP Nr. 54 zu § 611 BGB Dienstordnungsangestellte).
b)
Dem Antrag fehlt nicht das Feststellungsinteresse. Nach § 256 Abs. 1 ZPO ist für eine Feststellungsklage ein rechtliches Interesse für die alsbaldige Feststellung des streitigen Rechtsverhältnisses erforderlich (sogenanntes Feststellungsinteresse). Ist die Klage auf Feststellung des Bestehens eines vergangenen Rechtsverhältnisses gerichtet, so ist sie nur zulässig, wenn sich aus der Feststellung Rechtsfolgen für die Gegenwart oder Zukunft ergeben. Anderenfalls würde die klagende Partei lediglich ein Rechtsgutachten verlangen, zu dessen Erstellung die Gerichte für Arbeitssachen nicht befugt sind (vgl. BAG vom 4. September 1986 - 8 AZR 2/84 - n.v; BAG, vom 8. Dezember 1992 - 9 AZR 113/92 - AP Nr 19 zu § 256 ZPO 1977 = NZA 1993, 475-476; BAG vom 19. Februar 2003 - 4 AZR 708/01 - n.v.).
aa)
Zwar liegen die Anlässe, für die Arbeitsbefreiung nach § 29 Abs. 4 TVöD beantragt wurden, in der Vergangenheit. Es handelt sich um einen abgeschlossenen Sachverhalt. Der Antrag in der gestellten Form ergibt ebenfalls nichts anderes. Bei wörtlicher Betrachtung läuft er inhaltlich auf die Erstellung eines Rechtsgutachtens hinaus. Der Kläger hat beantragt festzustellen, dass er am 17. und 18. September 2007 Sonderurlaub hatte, der auf den Erholungsurlaub nicht anzurechnen ist.
bb)
Der Antrag kann aber ausgelegt werden. Eine Auslegung des Antrags als Feststellungsklage in dem Sinne, dem Kläger zwei Tage Erholungsurlaub aus dem Jahre 2007 zu gewähren, ist noch möglich. Es ist nicht von einem anderen Streitgegenstand auszugehen (vgl. BAG vom 4. September 1986 - 8 AZR 2/84 - n.v; BAG, vom 8. Dezember 1992 - 9 AZR 113/92 - AP Nr 19 zu § 256 ZPO 1977 = NZA 1993, 475-476; BAG vom 19. Februar 2003 - 4 AZR 708/01 - n.v.). Der Kläger begehrt mit der Klage tatsächlich die "Gutschrift" seines Urlaubs aus dem Jahre 2007 im Wege der Rückabwicklung und die Feststellung seines Bestehens. Das lässt sich seinem Antrag zwar nicht ohne weiteres entnehmen, ist aber letztlich nicht in Zweifel zu ziehen.
Dem Kläger war im September 2007 an Stelle der begehrten Arbeitsbefreiung Erholungsurlaub bewilligt worden. In dem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung hatten die Parteien sich hierauf verständigt. Gleichzeitig haben sie vereinbart, in einem anschließenden Hauptsacheverfahren über die Qualifizierung als Sonder- oder Erholungsurlaub streiten zu wollen. Die Beklagte hat ausdrücklich die Rückabwicklung zugesagt, sofern der Kläger mit der Klage obsiegt.
cc)
Die Klage ist nicht auf die Erstellung eines bloßen Rechtsgutachtens gerichtet. Auch wenn sich die Klage zunächst auf einen in der Vergangenheit liegenden Vorgang bezogen hat, der jedenfalls im Zeitpunkt der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts abgeschlossen ist, lassen sich für den Kläger aus dem Urteil Rechtswirkungen für die Zukunft herleiten. Er kann im Wege der Rückabwicklung zwei Tage Urlaub aus dem Jahre 2007 zumindest als Schadensersatz verlangen. Noch rechtzeitig in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht am 15.12.2008 hat er beantragt, ihm für das Jahr 2007 zwei Tage (zusätzlichen) Urlaub zu gewähren. Der Urlaub war zu diesem Zeitpunkt noch nicht verfallen. Am 15. Dezember 2008 - im Zeitpunkt der Geltendmachung - konnte der Kläger seinen Urlaub noch nehmen. Die Übertragung des Urlaubsanspruchs war auch nach Ablauf des Urlaubsjahres 2007 und des tariflichen Übertragungszeitraumes (31. Mai 2008) bis zum 31. Dezember 2008 möglich. Das haben die Parteien unstreitig gestellt. Die Übertragung des Urlaubs war - unstreitig - auch nicht an weitere Voraussetzungen geknüpft. Der Zeitraum bis 15. Dezember 2008 reichte aus, um den Urlaubsanspruch zu realisieren, denn es handelt sich lediglich um zwei Tage. Die Beklagte hat es abgelehnt, ohne gerichtliche Feststellung Urlaub zu genehmigen. Zumindest als Schadensersatzanspruch besteht der Urlaub damit fort.
2.
Mit dem insoweit ausgelegten Antrag ist die zulässige Klage begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erteilung von zwei Tagen Urlaub aus 2007.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgericht wandelt sich der Urlaubsanspruch in einen Schadensersatzanspruch um, der auf Gewährung von Ersatzurlaub als Naturalrestitution gerichtet ist, wenn der Arbeitgeber den rechtzeitig verlangten Urlaub nicht gewährt und der Urlaub auf Grund seiner Befristung verfällt, § 275 Abs. 1 und Abs. 4, § 280 Abs. 1, § 283 Satz 1, § 286 Abs. 1 Satz 1, § 249 Abs. 1 BGB(BAG vom 10. Mai 2005 - 9 AZR 251/04 - EzA BUrlG § 7 Nr. 113; vom 11. Juli 2006 - 9 AZR 535/05 - AuA 2007, 52 = NZA 2006, 1008). Der Schadensersatzanspruch unterliegt weder der gesetzlichen (§ 7 Abs. 3 BUrlG) noch einer tariflichen Befristung (vgl. BAG, vom 24. Oktober 1995 - 9 AZR 547/94 - BAGE 81, 173).
Der Kläger hat seinen Urlaubsanspruch spätestens am 15. Dezember 2008 in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht. Zu diesem Zeitpunkt war der Urlaubsanspruch nicht verfallen (s.o. 1 b cc).
3.
Der Anspruch des Klägers war nicht durch Urlaubsnahme am 17. und 18. September 2007 erloschen, denn für diese beiden Tage hatte der Kläger Anspruch auf Arbeitsbefreiung nach § 29 Abs. 4 TVöD.
a)
Die in § 29 Abs. 4 Satz 1 TVöD ausdrücklich genannten Voraussetzungen sind erfüllt. Der Kläger ist zur Teilnahme an Tagungen auf Grund der Einladung vom 1. Juli 2007 von der Gewerkschaft angefordert worden. Er ist gewählter Vertreter des Bezirksvorstands der Gewerkschaft der Polizei. Auf entgegenstehende dringende und betriebliche Gründe beruft sich die Beklagte nicht.
b)
Ob § 29 Abs. 4 Satz 1 TVöD als weiteres Tatbestandsmerkmal die Beschäftigung in einem Bereich fordert, der unter die Organisationszuständigkeit der tarifvertragschließenden Gewerkschaft fällt, erscheint zweifelhaft. Das ergibt die Auslegung der vom Wortlaut her eindeutigen Tarifvertragsnorm nicht. Ausgehend von der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu der Auslegung von tarifvertraglichen Normen kann der Sinn und Zweck der Norm keine Einschränkung ergeben, denn als einschränkende Auslegung vom Sinn und Zweck der Norm ausgehend findet dies in der tarifvertraglichen Norm keinen Niederschlag.
aa)
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind Tarifverträge wie Gesetze auszulegen. Die Tarifauslegung hat zunächst vom Wortlaut auszugehen. Dabei ist jedoch über den reinen Wortlaut hinaus der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und der damit von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm mitzuberücksichtigen, sofern und soweit dieser Wille in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Insoweit ist auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang abzustellen, weil häufig nur daraus und nicht schon aus der einzelnen Tarifnorm auf den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien geschlossen und der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann. Verbleiben bei entsprechender Auswertung des Tarifwortlauts und des tariflichen Gesamtzusammenhangs als den stets in erster Linie heranzuziehenden Auslegungskriterien im Einzelfall noch Zweifel, so kann zur Ermittlung des wirklichen Willens der Tarifvertragsparteien auch auf weitere Kriterien wie die Tarifgeschichte, die praktische Tarifübung und die Entstehungsgeschichte des jeweiligen Tarifvertrags zurückgegriffen werden. Hierbei gibt es keine Bindung an eine bestimmte Reihenfolge der Heranziehung dieser weiteren Auslegungsmittel (vgl. BAG 21. Juli 1993 - 4 AZR 468/92 - BAGE 73, 364 = AP Nr 144 zu § 1 TVG Auslegung; 4. April 2001 - 4 AZR 180/00 - BAGE 97, 271 = AP Nr 172 zu § 1 TVG Auslegung). Auslegungsvorgaben durch die Tarifvertragsparteien sind also dann unbeachtlich, wenn sie sich nicht aus dem Tarifvertrag und der Tarifnorm selbst ergeben.
bb)
Zutreffend ist, dass das Verwaltungsgericht Frankfurt mit Urteil vom 12. Mai 2003 - 9 E 1421/02 - zu der inhaltsgleichen Norm des § 6 Sonderurlaubsverordnung entschieden hat, der Anspruch auf Arbeitsbefreiung sei nach seinem Zweck dahin auszulegen, Verbandstätigkeit solle erleichtert werden. Deshalb würden nur Interessenvertretungen der Beamten in ihrem konkret ausgeübten Beruf erfasst (VG Frankfurt vom 12. Mai 2003 - 9 E 1421/02 - n.v.). Das Bundesverwaltungsgericht hat diese Entscheidung mit der zurückweisenden Nichtzulassungsbeschwerde bestätigt. Die Privilegierung der koalitionsspezifischen Interessenvertretungen schließe es nach dem erkennbaren Sinn und Zweck der Urlaubsregelung aus, berufsfremden Interessenvertretungen Urlaub zu erteilen (BVerwG vom 27.10.2004 - 2 B 74/04 - Buchholz 232.4 § 6 SUrlV Nr. 1). Diese Auslegung findet aber in der tarifvertraglichen Norm selbst keinen Niederschlag. Der Wortlaut ist eindeutig.
cc)
In den Kommentierungen zu § 29 TVöD und der Vorgängervorschrift des § 52 BAT Abs. 4 findet sich eine solche einschränkende Auslegung ebenfalls nicht. Sponer/Steinherr verweisen in ihrer Kommentierung zum TVöD (§ 29 Rn. 170) zwar auf eine Niederschrifts-erklärung der Arbeitgeber und der Gewerkschaft. Nach deren Inhalt sind sich die Tarifvertragsparteien darüber einig, dass bei gewählten Vertretern der Bundesfachgruppenvorstände eine Freistellung nur in Betracht komme, wenn der Angestellte in einem Bereich beschäftigt sei, der unter die Organisationszuständigkeit der Berufsfachgruppe falle. Sie weisen aber darauf hin, dass eine tarifvertragsparteien-einvernehmliche Auslegung, wie sie die Niederschriftserklärung vornehmen solle, nur trage, wenn sie entsprechend dem Sinn und Zweck der Norm vorgenommen werde. Das sei bedenklich, wenn, wie vorliegend, auch eine andere - zulässige - Auslegung denkbar sei. Nach dem nahezu eindeutigen Wortlaut der Norm soll nämlich derjenige Beschäftigte eine Freistellung erhalten, der einem Berufsfachgruppenvorstand angehöre, dessen Organisationszuständigkeit den Tarifbereich des öffentlichen Dienstes erfasse. Dass der Beschäftigte in diesem Bereich beschäftigt sei, sehe die Regelung nicht vor. Der Wortlaut lasse keine einschränkende Auslegung zu. Deshalb zieht er eine Auslegung nach dem Wortlaut vor.
dd)
Die Kommentierung von Clemens/Scheuring zu § 52 BAT verweist unter Erläuterung 8 ebenfalls auf die zitierte Niederschrift zur Erklärung der Tarifvertragsparteien, ohne hieraus Konsequenzen zu ziehen. In anderen Kommentierungen finden sich Hinweise auf eine einschränkende Auslegung des § 29 Abs. 4 TVöD (zuvor § 52 Abs. 4 BAT) nicht.
ee)
Auch im Hinblick auf Art. 9 Abs. 3 GG scheint eine derart einschränkende Auslegung nicht geboten, weil der Schutzbereich der Koalitionen in ihrem Bestand und ihrer organisatorischen Ausgestaltung sowie solche Betätigungen, die darauf gerichtet sind, die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zu wahren und zu fördern, erfasst sind (BVerfG vom 14.11.1995 - 1 BVR 601/92 - AP Nr 80 zu Art 9 GG = EzA Art 9 GG Nr 60).
Den Gewerkschaften ist grundsätzlich zuzubilligen, ihren satzungsmäßigen Zuständigkeitsbereich zu ändern und zu erweitern, auch wenn das dazu führt, dass in einem Betrieb nunmehr mehrere Gewerkschaften die Zuständigkeit in Anspruch nehmen und Tarifkonkurrenzen entstehen (BAG vom 27.09.2005 - 1 ABR 41/04 - AP Nr 18 zu § 2 TVG Tarifzuständigkeit = EzA § 2 TVG Tarifzuständigkeit Nr 9).
4.
Unabhängig von den Bedenken an einer einschränkenden Auslegung des § 29 Abs. 4 TVöD spricht aber auch viel dafür, dass der Kläger in einem Bereich beschäftigt ist, für den die GdP nach § 1 Abs. 3 Satz 1 ihrer Satzung zuständig ist. Hierfür ist allein maßgeblich, dass der Kläger - unstreitig - in einem Bereich beschäftigt ist, der mit Aufgaben nach § 2 SchwarzArbG betraut ist und in dem die Beschäftigten die gleichen Befugnisse wie die Polizeivollzugsbehörden nach der Strafprozessordnung haben (§ 14 Abs. 1 Satz 1 und 2). Sie sind den Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft gleichgestellt. Ob und in welchem Umfang der Kläger welche Befugnisse im Einzelnen ausübt, kann im Anwendungsbereich des § 29 Abs. 4 TVöD nicht erheblich sein. Für diese Auslegung finden sich in der Norm ebenfalls keine Anhaltspunkte, so dass dem Kläger jedenfalls zwei Tage Arbeitsbefreiung zustanden.
III.
Die vom Kläger im Wege der Anschlussberufung eingelegte Klagerweiterung ist unzulässig. Der Antrag ist nicht innerhalb der Berufungserwiderungsfrist gestellt worden.
Zwar steht der Zulässigkeit nicht entgegen, dass der Kläger sein Rechtsmittel nicht als Anschlussberufung bezeichnet hat. Ein Rechtsmittel braucht nicht als solches bezeichnet zu sein. Es muss lediglich klar und eindeutig der Wille zum Ausdruck kommen, eine Änderung des vorinstanzlichen Urteils zugunsten des Rechtsmittelbeklagten zu erreichen (BGH vom 3. November 1989 - V ZR 143/87 - NJW 1990, 447).
Der Kläger hat aber die gesetzliche Frist versäumt. Gem. § 524 ZPO kann sich der Berufungsbeklagte der Berufung anschließen. Sie ist zulässig bis zum Ablauf der dem Berufungsbeklagten gesetzten Frist zur Berufungserwiderung. In der mündlichen Verhandlung vom 15. Dezember 2008 war diese Frist längst verstrichen, so dass der Kläger als Berufungsbeklagter mit weiteren Anträgen ausgeschlossen ist.
IV.
Nach alledem erweist sich die angegriffene Entscheidung als zutreffend, so dass die Berufung zurückzuweisen war. Die Kosten des erstinstanzlichen Urteils trägt die Beklagte, die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Parteien je zu 50 v. H. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92, 97 ZPO.
V.
Wegen grundsätzlicher Bedeutung ist die Revision zugelassen worden (§ 64 Abs. 3 Ziff. 1 ArbGG). Bundesweit sind mehrere gleichgelagerte Verfahren anhängig.