Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 24.08.2009, Az.: 9 Sa 2001/08
Arbeitsvertragliche Bezugnahme auf ersetzenden Tarifvertrag
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 24.08.2009
- Aktenzeichen
- 9 Sa 2001/08
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2009, 25175
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:2009:0824.9SA2001.08.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- ArbG Stade - 11.11.2008 - AZ: 2 Ca 429/08
Rechtsgrundlagen
- § 133 BGB
- § 157 BGB
- § 611 Abs. 1 BGB
- TVöD § 37 Abs. 1
- TVöD-VKA § 18 Abs. 4 S. 4
- § 519 Abs. 2 ZPO
Amtlicher Leitsatz
Wird in einem Arbeitsvertrag auf die Vorschriften des Bundesangstelltentarifvertrages (BAT) und den diesen ergänzenden,ändernden oder ersetzenden Tarifverträge Bezug genommen, erfasst das auch die Geltung des TVöD. Ein Fall des Tarifwechsels liegt nicht vor.
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Stade vom 11.11.2008, 2 Ca 429/08 unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und wie folgt tenoriert:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 889,83 ? brutto nebst 5 % Punkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 16.10.2008 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 22 %, die Beklagte zu 78 %.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Zahlung des Leistungsentgeltes gemäß § 18 TVöD-VKA und die Tariflohnerhöhungen ab dem 01.01.2008 und in diesem Zusammenhang um die Anwendbarkeit des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst (TVöD).
Die Klägerin ist auf Grund Arbeitsvertrages vom 11.10.1978 bei der Beklagten als Erzieherin in einem Kindergarten mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 32 Stunden beschäftigt.
§ 2 des Arbeitsvertrages lautet:
"Das Arbeitsverhältnis richtet sich nach den Vorschriften des Bundesangestellten-Tarifvertrages (BAT) vom 23. Februar 1961 und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen. Außerdem finden die für den Bereich des Arbeitgebers jeweils geltenden sonstigen Tarifverträge Anwendung."
Für den weiteren Inhalt des Arbeitsvertrages wird auf Bl. 6 d. A. Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 28.08.2008 verlangte die Klägerin von der Beklagten die Zahlung der streitigen Entgelte. Für den Inhalt des Schreibens wird auf Bl. 35 d. A. verwiesen. Im Vorfeld dieser Geltendmachung waren Gespräche zwischen der Klägerin und der Beklagten sowie auch der die Klägerin vertretenen Gewerkschaft über die Anwendbarkeit desTVöD geführt worden. Unter anderem war der Klägerin ein Schreiben über den Verzicht auf einen Wechsel zum Tarifvertrag desöffentlichen Dienstes bis zum 31.12.2009 nebst einem Änderungsvertragübergeben worden. Mit der am 13.10.2008 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage macht die Klägerin die Zahlung der streitigen Entgelte geltend.
Die Klägerin hat darauf verwiesen, dass nach ihrer Auffassung der im Arbeitsvertrag in Bezug genommene BAT durch den TVöD ersetzt worden ist.
Sie hat beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 253,66 Euro brutto nebst 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank liegenden Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
2. Die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 889,83 Euro brutto nebst 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank liegenden Zinsen seit 16.10.2008 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Nach ihrer bereits in erster Instanz vertretenen Rechtsauffassung sei auf das Arbeitsverhältnis der TVöD nicht anwendbar, sondern immer noch das Tarifwerk des BAT. Die Bezugnahmeklausel ergäbe nichts anderes.
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 11.11.2008 der Klage stattgegeben, weil die Auslegung des Arbeitsvertrages eine Bezugnahme nicht nur des BAT, sondern auch den TVöD erfasse. Der TVöD habe den BAT ersetzt. Für die weiteren Ausführungen des arbeitsgerichtlichen Urteils wird auf das Urteil vom 11.11.2008 verwiesen.
Das arbeitsgerichtliche Urteil ist dem Beklagtenvertreter am 02.12.2008 zugestellt worden. Hiergegen hat er Berufung eingelegt, die am 22.12.2008 beim Landesarbeitsgericht eingegangen ist. Die Berufung wurde begründet mit am 27.02.2009 eingegangenem Fax-Schriftsatz, nachdem die Berufungsbegründungsfrist auf Antrag des Beklagtenvertreters vom 27.01.2009 durch Beschluss vom 28.01.2009 bis 02.03.2009 verlängert worden war.
Mit ihrer Berufung, die als Berufungsklägerin die Alten- und Pflegeheim S. gGmbH nennt, wendet sich die Beklagte und Berufungsklägerin gegen die Auslegung der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel in § 2 des Arbeitsvertrages. Es liege kein Fall der bloßen Tarifsukzession vor, sondern ein Tarifwechsel. Es handele sich um eine völlig neuartige Fassung des Tarifvertrages, mit der beim Abschluss des Arbeitsvertrages nicht zu rechnen gewesen sei. Schließlich sei auch in anderen Fällen, in denen arbeitsvertraglich ein Tarifvertrag in Bezug genommen worden sei, von der Rechtsprechung in Kauf genommen worden, dass an der dynamischen Entwicklung eines Tarifvertrages nicht mehr teilgenommen werde. Im Übrigen seien die Ausschlussfristen nicht eingehalten.
Die Berufungsklägerin und Beklagte beantragt,
in Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Stade vom 11.11.2008, Az.: 2 Ca 429/08, die Klage abzuweisen.
Die Klägerin und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen
und verteidigt die Auslegung der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel durch das Arbeitsgericht nach Maßgabe der Berufungsbeantwortung. Insbesondere vertieft er seine Ausführungen dahingehend, dass kein Tarifwechsel, sondern lediglich ein Fall der Tarifsukzession vorliege und hinsichtlich der Vergütungsgruppe zwischen den Parteien auch keine individualvertragliche Sondervereinbarung getroffen wurde. Auch die in Zusatzvereinbarungen getroffene Vergütungsvereinbarung sei durch die dann maßgebliche Verspätung nach TVöD ersetzt worden.
Die Klägerin vertritt darüber hinaus die Auffassung, dass trotz fehlender schriftlicher Geltendmachung bis 30.06.2008 der Anspruch auf das Leistungsentgelt nicht verfallen sei. Die Beklagte habe sich schon erstinstanzlich nicht auf die Ausschlussfrist berufen. Das sei auch rechtsmissbräuchlich, da ständig Gespräche zwischen den Parteien unter Einschluss der Gewerkschaft worden seien und die Beklagte stets gewusst habe, dass die Klägerin auf der Einhaltung des TVöD bestehe.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist nur teilweise begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Zahlung der monatlichen Tariferhöhungen seit dem 01.01.2008, der Anspruch auf Zahlung des Leistungsentgeltes für Dezember 2007 ist jedoch nach § 37 Abs. 1 TVöD verfallen.
I.
Die Berufung ist statthaft und fristgerecht eingelegt worden (§§ 519, 520 Abs. 3 ZPO, §§ 64, 66 ArbGG). Die am 22.12.2008 eingegangene Berufung richtet sich gegen die auch im arbeitsgerichtlichen Urteil bezeichnete Beklagte D. C./H. gGmbH. Die Berufung ist daher fristgerecht eingelegt worden. Zur notwendigen Angabe in der Berufungsschrift gehört gemäß § 519 Abs. 2 ZPO auch die Angabe, für wen und gegen welche Partei das Rechtsmittel eingelegt wird. Das bedeutet nicht, dass die erforderliche Klarheit über die Person der Berufungsparteien ausschließlich durch deren ausdrückliche Bezeichnung zu erzielen wäre, sie kann auch im Wege der Auslegung der Berufungsschrift und der etwa sonst vorliegenden Unterlagen gewonnen werden. Die Anforderungen an die zur Kennzeichnung der Rechtsmittelpartei nötigen Angaben richten sich nach dem prozessualen Zweck dieses Erfordernisses und damit danach, dass im Falle einer Berufung, die einen neuen Verfahrensabschnitt darstellt, aus Gründen der Rechtssicherheit die Parteien des Rechtsmittelverfahrens zweifelsfrei erkennbar sein müssen (BGH vom 09.04.2008 VIII ZB 58/06 - Rn. 5, zitiert nach Juris; BGH vom 22.11.2008 XI ZB 43/04 NJW RR 2006, 284 Rn. 8; BAG vom 04.07.1973 I AZB 12/73, NJW 1973, 1949). Der Berufungsschrift lag das arbeitsgerichtliche Urteil bei, aus dem sich ergibt, dass der ursprüngliche Prozess gegen das D. C./H. gGmbH geführt wurde. Die Bezeichnung in der Berufungsschrift ist offensichtlich infolge der parallelen Streitigkeiten zu den Aktenzeichen 9 Sa 1999/08 und 9 Sa 2000/08 erfolgt. Dementsprechend konnte die Bezeichnung der Beklagten und Berufungsklägerin im Berufungsverfahren durch bloße Rubrumsänderung geändert werden.
II.
Die Berufung ist nur teilweise begründet.
1.
Die Klägerin hat Anspruch auf die monatliche Tariferhöhung für Januar bis Juni 2008 in Höhe von 108,37 Euro brutto monatlich und für Juli bis September 2008 in Höhe von 79,87 Euro brutto monatlich aus § 2 des Arbeitsvertrages i. V. m. der vereinbarten Tariflohnerhöhung zum TVöD per 01.01.2008 vom 31.01.2008. Die Anwendung des TVöD i. V. m. dem TVÜ-VKA erfolgt kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme. Die Anwendung folgt nicht aus § 3 Abs. 1 TVG, weil die Beklagte nicht tarifgebunden ist. Sie folgt aber aus der Verweisungsklausel in § 2 des Arbeitsvertrages vom 11.10.1978 der Parteien. Das ergibt die Auslegung des Arbeitsvertrages, ohne dass es eines Rückgriffs auf die Unklarheitenregel des § 305 c Abs. 2 BGB bedürfte (vgl. dazu BAG vom 09.11.2005, 5 AZR 128/05, BAGE 116, 185 bis 191 = AP Nr. 4 zu § 305 c BGB Rn. 16).
a)
Gemäß § 157 BGB sind Verträge so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern. Dabei ist nach § 133 BGB der wirkliche Wille des Erklärenden zu erforschen und nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften. Bei der Auslegung sind alle tatsächlichen Begleitumstände der Erklärung zu berücksichtigen, die für die Frage von Bedeutung sein können, welchen Willen der Erklärende bei seiner Erklärung gehabt hat und wie die Erklärung von ihrem Empfänger zu verstehen war (BAG vom 20.09.2006, 10 AZR 715/05, AP TVG, § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 44). Anhaltspunkte für das wirkliche Gewollte können sich insbesondere aus der Entstehungsgeschichte, dem Zweck des Vertrages und der bei Vertragsschluss vorliegenden Interessenlagen sowie den weiterenÄußerungen der Parteien im Zusammenhang mit der Erklärung ergeben (BAG vom 31.07.2002, 10 AZR 513/01, BAGE 102, 103 = AP HGB § 74 Nr. 74 = EzA HGB § 74 Nr. 63). Die tatsächliche Handhabung des Arbeitsverhältnisses ermöglicht ebenfalls Rückschlüsse auf dessen Inhalt. Eine ergänzende Auslegung ist auch bei allgemeinen Geschäftsbedingungen möglich.
b)
Nach Maßgabe dieser Grundsätze nimmt § 2 des Arbeitsvertrages auch den TVöD in der jeweils geltenden Fassung in Bezug.
aa)
Bei der gewählten Bezugnahmeklausel handelt es sich um ein so genannte kleine dynamische Bezugnahmeklausel. Es wird der im Betrieb geltende BAT in der jeweils geltenden Fassung in Bezug genommen. Die Klausel ist zeitlich dynamisch und nennt einen bestimmten Tarifvertrag, den BAT. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind Bezugnahmen in Arbeitsverträgen auf anderweitige normative Regelungen in der Regel dynamisch zu verstehen (z. B. BAG vom 13.11.2002, 4 AZR 351/01, BAGE 103, 338 = AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 24 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 23).
bb)
Die Klausel regelt auch, wie sich die Ablösung des BAT durch einen neuen Tarifvertrag auswirkt. Der Wortlaut des § 2 Satz 1 des Arbeitsvertrages ist eindeutig. Er bestimmt, dass nicht nur Änderungstarifverträge zum BAT, sondern auch diesen ersetzende Tarifverträge gelten sollen. Eine solche Regelung ist bereits vom Wortlaut her eindeutig (vgl. auch LAG Schleswig-Holstein vom 05.06.2008, 3 Sa 94/08, EzA-SD 2008 Nr. 22 Rn. 11; LAG Hamm vom 05.03.2009, 17 Sa 1093/08 und LAG Niedersachsen vom 27.03.2009, 10 Sa 1536/08 sowie LAG Niedersachsen vom 27.04.2009, 8 Sa 1834/08). Diese bereits vom Wortlaut eindeutig herbeiführbare Auslegung der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel wird auch durch die Interessenlage der Parteien und die bisherige Handhabung des Arbeitsverhältnisses bestätigt. Die Parteien wollten gemäß § 2 des Arbeitsvertrages die Bestimmungen des BAT und die ihn ergänzenden und ändernden sowie ersetzenden Tarifverträge angewendet wissen. Dies in der jeweils geltenden Fassung. Es war nicht nur eine statische Verweisung auf einen Tarifzustand zu einem bestimmten Zeitpunkt gewollt. Vielmehr wollten die Parteien mit der Vereinbarung einer solchen Bezugnahmeklausel die künftige Teilhabe an allen Tarifänderungen.
cc)
Diesem Ergebnis steht auch nicht entgegen, dass es sich bei der Vereinbarung des TVöD um eine weitreichende Reform der tariflichen Normen und Umstrukturierung gehandelt hat. Es liegt dennoch eine Tarifsukzession und kein Tarifwechsel vor. Ein Tarifwechsel kann nur angenommen werden, wenn z. B. Änderungen der Tarifvertragsparteien, ein Wechsel der Verbandszugehörigkeit, eine Änderung des Betriebszweckes, ein Betriebsübergang oder der Abschluss eines Firmentarifvertrages stattgefunden hat (vgl. Möller/Welkoborsky, NZA 2006, Seite 1382/1384). Es muss sich also insgesamt um Veränderungen handeln, die sich beim Arbeitgeber vollzogen haben (so bei einer durch Verbandswechsel geänderten Tarifbindung des Arbeitgebers BAG vom 22.10.2008, 4 AZR 784/07; AP Nr. 66 zu § 1 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag = NZA 2009, S. 151-154, Rn. 17).
Der Wechsel der Tarifnormen im TVöD in Folge des BAT ist jedoch durch Vereinbarungen derselben Tarifvertragsparteien zustande gekommen. Das zeigt auch der Abschluss der Überleitungstarifverträge, dieüberwiegend der Sicherung von Besitzständen sowie der Einstufung in die zutreffenden Entgeltgruppen dienen. Die Tarifzuständigkeit ist jedoch in räumlicher und fachlicher Hinsicht gleichgeblieben. Es handelt sich um eine grundlegende Tarifreform. Nichts desto trotz handelt es sich um eine bloße Änderung in einem in sich geschlossenen Tarifsystem desöffentlichen Dienstes bei neuer Namensgebung (vgl. auch Werthebach NZA 2005, S. 1224 ff., Fieberg NZA 2005, S. 1226 ff. und LAG Niedersachsen vom 27.03.2009, a. a. O. m. w. N.).
2.
Die Klägerin hat keinen Anspruch nach § 18 Abs. 4 Satz 4 TVöD-VKA auf Zahlung einer Leistungszulage für Dezember 2007 in der geltend gemachten Höhe. Dieser Anspruch ist nach § 37 Abs. 1 TVöD verfallen. Nach dieser Vorschrift sind sämtliche Ansprüche binnen 6 Monaten nach ihrer Fälligkeit schriftlich geltend zu machen. Das ist für die Leistungszulage 2007 nicht erfolgt. Diese war gemäß § 24 TVöD am letzten Tag des laufenden Monats fällig, also am 31.12.2007. Der Anspruch ist daher verfallen. Es ist auch nicht treuwidrig, die Ausschlussfrist anzuwenden. Es ist zwar zutreffend, dass die Beklagte die Ausschlussfrist erst zweitinstanzlich gerügt hat. Die Einhaltung von tariflichen Ausschlussfristen ist jedoch von Amts wegen zu prüfen. Der Hinweis der Klägerin - auch in der mündlichen Verhandlung - darauf, dass man ständig Gespräche wegen der Geltung des TVöD geführt habe, führt nicht zur Treuwidrigkeit. Die Beklagte hat gegenüber der Klägerin nicht ausdrücklich auf die Einhaltung der Ausschlussfristen verzichtet. Sie hat auch nicht durch ihr Prozessverhalten oder andere Umstände den Eindruck erweckt, dass die Klägerin das erhalte, was ihr zustehe. Vielmehr ist ihr angeboten worden, auf den Wechsel zum TVöD zu verzichten. Die Anwendbarkeit des TVöD war daher stets im Streit. Ein Verzicht auf Ausschlussfristen während der laufenden Verfahren ist erst im Jahre 2009 erfolgt.
3.
Die Revision war entgegen der Auffassung der Beklagten nicht zuzulassen. Ein Zulassungsgrund nach § 72 Abs. 2 ArbGG liegt nicht vor, insbesondere gibt es keine entscheidungserhebliche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung. Eine grundsätzliche Bedeutung liegt dann vor, wenn eine Rechtsfrage klärungsbedürftig ist und diese Rechtsfrage von allgemeiner Bedeutung für die Rechtsordnung ist oder wegen ihrer tatsächlichen Auswirkungen die Interessen der Allgemeinheit oder eines größeren Teils der Allgemeinheit berührt ( BAG vom 15.02.2005, 9 AZN 982/04, Rn. 17). Letzteres kann der Fall sein, wenn mehr als 20 Arbeitnehmer betroffen sind. Bei tariflichen Eingruppierungsstreitigkeiten sind 20 Personen als ausreichend angesehen worden (BAG vom 15.11.1995, 4 AZN 580/95 AP ArbGG 1979 § 72 a Grundsatz Nr. 49). Ob diese Anzahl alleine ausreicht, kann letztendlich offenbleiben. Die Beklagte hat zwar darauf hingewiesen, dass sie auch in den Häusern A. und S. vergleichbare Rechtsstreitigkeiten über Auslegungsprobleme in den Arbeitsverträgen führt. Sie hat dazu erläutert, dass das D. in allen Fällen Gesellschafter/Mitgesellschafter ist. Allein diese Angaben reichen aber nicht, um davon auszugehen, dass bei mehr als 100 betroffenen Arbeitnehmern auch mehr als 20 Arbeitsverhältnisse mit gleichgelagerten Bezugnahmeklauseln betroffen sind. Die Beklagte selbst hat ausgeführt, dass mehrere Musterverfahren mit unterschiedlichen Arbeitsvertragsgestaltungen ausgewählt wurden. Angaben zu der Zahl der betroffenen Arbeitsverhältnisse mit den jeweiligen Besonderheiten in der Formulierung der Bezugnahmeklausel oder in anderen arbeitsvertraglichen Vorschriften sind nicht vorgetragen.
Darüber hinaus ist es auch nicht nur die Betroffenheit von mehreren Arbeitnehmern erforderlich. Es muss auch eine klärungsbedürftige Rechtsfrage zu entscheiden sein. Die Rechtsfrage, wie Arbeitsverträge auszulegen sind, ist jedoch höchstrichterlich geklärt (vgl. Zi. 2 a der Entscheidungsgründe). Die Auslegung des konkreten Arbeitsvertrages ( nicht des Tarifvertrages) ist eine Tatsachenfrage im Einzelfall. Der bloße Wunsch der Beklagten nach höchstrichterlicher Klärung im Hinblick auf zahlreiche streitige Vertragsgestaltungen im Hause und mit verbundenen Arbeitgebern ist verständlich, reicht aber nicht aus, die grundsätzliche Bedeutung zu bejahen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.