Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 08.12.2009, Az.: 11 Sa 1783/07 B

Versorgungszusage mit gespaltener Rentenformel bei außerplanmäßiger Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze; Feststellungsklage zur Berechnung künftiger Rente

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
08.12.2009
Aktenzeichen
11 Sa 1783/07 B
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2009, 33646
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:2009:1208.11SA1783.07B.0A

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Hannover - 14.08.2007 - AZ: 13 Ca 101/07 B

Amtlicher Leitsatz

1. Bei einer Versorgungszusage, der eine sog. gespaltene Rentenformel zugrunde liegt, führt die außerplanmäßige Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung zum 01.01.2003 nicht notwendig dazu, dass der zugrunde liegende Regelungsplan der Parteien nicht mehr verwirklicht werden kann (BAG vom 21.April 2009 - 3 AZR 695/08).

2. Steht fest, dass die Einbuße sich auf ein Volumen von weniger als 5 % der zugesagten Leistung beschränken wird, ist die Entscheidung des Arbeitgebers, bei Anpassung der Grenzwerte die außerordentliche Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze gestaffeltüber einen Zeitraum von 5 Jahren verteilt zu berücksichtigen, wirksam.

In dem Rechtsstreit

Kläger und Berufungsbeklagter,

gegen

Beklagte und Berufungsklägerin,

hat die 11. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen auf die mündliche Verhandlung vom 8. Dezember 2009 durch

den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Voigt,

den ehrenamtlichen Richter Herrn Niederheide,

den ehrenamtlichen Richter Herrn Hecker

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts A-Stadt vom 14.08.2007 - 13 Ca 101/07 B - abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um die zutreffende Berechnung einer zukünftig zu zahlenden Betriebsrente.

2

Der 1947 geborene Kläger ist seit 1976 bei der Beklagten beschäftigt. Seit dem 01.01.1999 ist der Kläger als Abteilungsleiter im Sinne der bei den Unternehmen der deutschen S.-G. bestehenden Führungsebenen-Struktur eingestuft. Er unterfällt damit der Pensionsordnung Obere Führungskräfte S. D. vom 01.01.1993 (künftig: POF) in der Fassung vom 01.01.2001 (Bl. 29 ff. d. A.). Die Beklagte beschäftigt ca. 70 Arbeitnehmer mit einer entsprechenden Versorgungszusage, in der Unternehmensgruppe sind es ca. 200. Für die Berechnung des Rentenanspruchs enthält die Pensionsordnung u. a. folgende Regelung:

3

§ 5 Ruhegeld

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(1) Die Höhe des jährlichen Ruhegehalts beträgt bei Vollzeitbeschäftigung für jedes pensionsfähige Dienstjahr

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- 0,25 % des Teils des pensionsfähigen Einkommens, der DM 69.050,-- (entspricht EUR,35.304,70) nicht übersteigt,

6

- 1,90 % des Teils des pensionsfähigen Einkommens, derüber DM 69.050,-- (entspricht EUR 35.304,70) liegt und nicht mehr als DM 138.100,-- (entspricht EUR 70.609,41) beträgt und

7

- 1,75 % des Teils des pensionsfähigen Einkommens, der DM 138.100,-- (entspricht EUR 70.609,41) übersteigt.

8

(2) ...

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(3) Das Unternehmen ist berechtigt, erstmals zum 01.01.2002 die Grenzwerte (zur Zeit DM 69.050,-- und DM 138.100,-- entspricht EUR 35.304,70 und EUR 70.609,41) jährlich zu überprüfen und anzupassen. Bei der Überprüfung wird von dem Prozentsatz ausgegangen, in welchem sich im davorliegenden vollen Kalenderjahr die Lebenshaltungskosten eines 4-Personenhaushalts mit mittlerem Einkommen in der Bundesrepublik Deutschland durchschnittlich erhöht haben. Wird die Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Sozialversicherung im gleichen Zeitraum prozentual stärker angehoben, so ist das Unternehmen berechtigt, stattdessen die beiden Grenzwerte entsprechend anzuheben.

10

Der Sprecherausschuss der leitenden Angestellten der S.-G. in D. ist berechtigt, die diesbezüglichen einheitlichen Anpassungserklärungen für alle Versorgungsberechtigten in Empfang zu nehmen.

11

Durch das Gesetz zur Sicherung der Beitragssätze in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung (Beitragssicherungsgesetz) vom 23.12.2002 wurde die Beitragsbemessungsgrenze für die Rentenversicherung von 54.000,00 € auf 61.200,00 €, entsprechend 13,3 % angehoben. Die Beklagte teilte dem Sprecherausschuss mit, dass sie beschlossen habe, die Anhebung der Grenzwerte um 12,2 % - auf 5 Jahre verteilt - vorzunehmen. Im ersten Jahr solle eine Anhebung um 2,6 %, in den folgenden 4 Jahren jeweils um zusätzliche 2,4 % erfolgen (Schreiben vom 07.05.2004, Anlage B 8, Bl.100 d.A. bzw. Schreiben vom 16.2.2005, Anlage K 5, Bl. 47 d.A.).

12

Der Kläger hält die von der Beklagten mitgeteilte Anpassungsentscheidung für unwirksam. Die Beklagte sei nicht berechtigt gewesen, einseitig eine auf 5 Jahre verteilte Anpassung der Grenzwerte im Umfang des § 275 c SGB VI vorzunehmen. Die Anhebung der Grenzwerte entspreche nicht billigem Ermessen. Die außerordentliche Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze stelle einen nicht gerechtfertigten Eingriff in seine bereits verdienten Versorgungsanwartschaften dar. Unter Berücksichtigung der Lebenshaltungskosten hätte die Anpassung lediglich 2,2 % betragen. Der Kläger hat eine Modellberechnung bis zum Jahr 2020 vorgelegt (Anlage K 6, Bl. 48 d.A.), wonach die gesamten Pensionsleistungen bei Erreichen des 65. Lebensjahres im Jahr 2012 rd. 2.000,00€ niedriger liegen werden als ohne die streitige Anpassung.

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Der Kläger hat beantragt,

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es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die dem Kläger ab Eintritt des Versorgungsfalles gemäß der Pensionsordnung Obere Führungskräfte S. D. vom 01.01.2001 zu zahlende Firmenrente für den Fall, dass sie die Grenzwerte gemäß §§ 4,5 der genannten Pensionsordnung anhand der Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze erhöht, so zu berechnen, dass die Erhöhung dem Verhältnis entspricht, in dem die Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer im vergangenen zu den entsprechenden Bruttolöhnen und -gehältern im vorvergangenen Kalenderjahr stehen.

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Die Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie sieht ihre Vorgehensweise in Übereinstimmung mit den Regelungen der Pensionsordnung. Entgegen der Auffassung des Klägers sei kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich, wonach die Formulierung "Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Sozialversicherung" zwingend mit der Anpassungsregelung des § 159 SGB VI verbunden sei. Vielmehr stelle § 5 Abs. 3 S. 3 POF ganz allgemein auf die Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Sozialversicherung ab. Dies habe die Beklagte stets im Sinne der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung verstanden, was auch der Kläger nicht ernsthaft in Frage stelle.

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Selbst wenn der Kläger Recht haben sollte, dass die Beitragsbemessungsgrenze in Anwendung des § 159 SGB VI angehoben werden müsse, ergebe sich kein anderes Ergebnis. Das durch die §§ 159, 160 SGB VI vorgegebene System der Fortschreibung der Beitragsbemessungsgrenze sei korrekturbedürftig gewesen. Dies stelle die eigentliche Motivation für die Verabschiedung des Beitragssicherungsgesetzes dar. Der Kläger müsse sich diese Korrekturen zurechnen lassen.

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Das Arbeitsgericht Hannover hat mit Urteil vom 14.08.2007 der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, nach der wörtlichen Auslegung der Pensionsordnung scheine die Vorgehensweise der Beklagten zwar vom Wortlaut gedeckt zu sein. Beziehe man jedoch den Sinn und Zweck der Regelung sowie den Zusammenhang des § 5 Abs. 3 POF mit ein, so ergebe sich eine andere Auslegung. Nach dem Inhalt der Pensionsordnung habe die Beklagte wählen können, ob sie die Anpassung der Beitragsbemessungsgrenze nach den Lebenshaltungskosten eines 4-Personen-Haushaltes mit mittlerem Einkommen oder aber im Verhältnis der Bruttolohnsteigerungen eines durchschnittlichen Arbeitnehmers bezogen auf den Zeitraum eines Jahres anpasst. Auf diese beiden Parameter sei die Wahlmöglichkeit der Beklagten beschränkt. Werde dann vom Gesetzgeber der bisherige Inhalt der Beitragsbemessungsgrenze verändert und vom bisherigen Bezugspunkt gelöst, verändere sich damit nicht entsprechend das Wahlrecht der Beklagten. Denn die Vorstellung der Parteien über das, was die Beitragsbemessungsgrenze bisher ausgesagt habe, habe Einigkeit bestanden.

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Gegen dieses ihr am 06.11.2007 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 06.12.2007 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Begründungsfrist fristgemäß am 06.02.2008 begründet. Sie sieht sich in den Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts vom 21.04.2009 - 3 AZR 695/09 und 3 AZR 471/07 - bestätigt. Wenngleich der semantische Charme in der Urteilsbegründung des Arbeitsgerichts A-Stadt nicht verkannt werde, bleibe dennoch festzuhalten, dass die Gleichung der Beitragsbemessungsgrenze im Sinne des § 5 Abs. 3 POF gleich der Berechnungsmethode des § 159 SGB VI inhaltlich an die Spitze der Argumentation gestellt werde. Damit werde von einem Ergebnis ausgegangen, welches mit den Mitteln der Vertragsauslegung erst hätte hergeleitet werden müssen.

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Da es sich bei der POF um eine Gesamtzusage handele, seien für die Auslegung die zu §§ 133, 157 BGB entwickelten Grundsätze heranzuziehen. Der Wortlaut des § 5 Abs. 3 POF sei eindeutig. Eine irgendwie geartete Inbezugnahme des § 159 SGB VI sei dem gerade nicht zu entnehmen. Dieses Auslegungsergebnis sei auch folgerichtig. Wenn die Vertragsparteien einen gesetzlichen Terminus wie die Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Sozialversicherung verwendeten, dann handele es sich hierbei um eine außerhalb ihres Wirkungs- und Einflussbereiches festgesetzte, allgemeinverbindliche Größe. Dies sei auch sinnvoll und gewollt, damit von vornherein divergierende Auffassungen hinsichtlich der Höhe der Orientierungsparameter für eine Anhebung der Grenzwerte ausgeschlossen seien. Nach der Auslegung der POF durch das Arbeitsgericht A-Stadt bleibe insbesondere offen, wer für die Parteien verbindlich die dort genannten Berechnungsparameter, d. h. das Verhältnis der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer im vergangenen bzw. vorvergangenen Kalenderjahr feststelle. Der Urteilstenor sei damit nicht durchführbar.

22

Schließlich habe das Arbeitsgericht vollkommen außer Acht gelassen, dass die Beklagte infolge der außerordentlichen Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung für den Kläger im Zeitraum vom 01.01.2003 bis 30.06.2012 bis zur Vollendung seines 65. Lebensjahres insgesamt 5.557,00 € zusätzlichen Arbeitgeberbeitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung zu zahlen haben werde. Diesen erhöhten Beitragszahlungen stünden erhöhte Rentenanwartschaften des Klägers gegenüber. Durch die gestreckte Anpassung der Grenzwerte gemäß § 5 Abs. 3 POF habe die Beklagte den Angehörigen rentennaher Jahrgänge die Möglichkeit erleichtert, etwa mittels Eigenvorsorge die erhoffte Höhe der Altersversorgung sicherzustellen.

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Die Beklagte beantragt,

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das Urteil des Arbeitgerichts A-Stadt vom 14.08.2007 aufzuheben und die Klage kostenpflichtig abzuweisen.

25

Der Kläger beantragt unter teilweiser Klagerücknahme,

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die Berufung teilweise zurückzuweisen und festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die dem Kläger ab Eintritt des Versorgungsfalles gemäß der Pensionsordnung Obere Führungskräfte S. D. vom 01.01.2001 zu zahlende Firmenrente für den Fall, dass sie die Grenzwerte gemäß §§ 4, 5 der genannten Pensionsordnung anhand der Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze erhöht, so zu berechnen, dass die Erhöhung dem Verhältnis entspricht, in dem die Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer im vergangenen zu den entsprechenden Bruttolöhnen und -gehältern im vorvergangenen Kalenderjahr stehen, wobei von der so ermittelten Firmenrente jedoch der Betrag abzuziehen ist, um den sich die gesetzliche Rente des Klägers durch die Sprunganhebung der Beitragsbemessungsgrenze um 500,00€ zum 01.01.2003 erhöht.

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Das Arbeitsgericht sei zutreffend zu dem Schluss gekommen, dass § 5 POF keine vorausschauende Generalvollmacht für das Unternehmen darstellten sollte, im Falle von Gesetzesänderungen in entsprechender Weise verschlechternd in die Versorgungszusagen einzugreifen. Das Grundprinzip, nach dem die Entwicklung der Bruttoarbeitsentgelte für die Fortschreibung der Beitragsbemessungsgrenze entscheidend sei, sei in Deutschland seit dem 01.01.1924 unverändert gültig. Ein mit dieser Rechtslage vertrauter Dritter habe § 5 POF daher nur so verstehen können, dass die Vorschrift auf diese seit Jahrzehnten zur Anwendung kommende Berechnungsweise Bezug nehme. Ein anderer Erklärungswert als den vom Arbeitsgericht A-Stadt angenommenen könne schon § 5 POF objektiv nicht zukommen, weil die Regelung ihren unstrittigen Zweck ansonsten von vornherein niemals hätte erfüllen können. Wer eine gerade bei Gutverdienenden zu erwartende Versorgungslücke im Alter abfedern möchte, dürfe den Faktor Beitragsbemessungsgrenze als entscheidende "Stellschraube" nicht zum Nachteil derjenigen verwenden, die es abzusichern gelte. Durch die Berücksichtigung der sprunghaft gestiegenen Beitragsbemessungsgrenze bei der Anhebung der Grenzwerte sei aber das Versorgungsgefüge einseitig zum Vorteil der Beklagten aus dem Gleichgewicht gebracht worden.

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Ferner müsse die Beklagte sich bei der Ausübung ihres Wahlrechtes den grundsätzlichen billigem Ermessen nach § 315 Abs. 3 BGB messen lassen. Der Kläger profitiere nicht von der gestaffelt vorgenommenen Anhebung der Grenzwerte in den Jahren 2004 bis 2008. Die Erhöhung der Anwartschaften aus der gesetzlichen Rentenversicherung werde sich auf etwa 5,00 € im Monat belaufen. Dies stehe in keinem Verhältnis zum Verlust seiner Anwartschaften aus der Betriebsrente.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie die Protokollerklärungen der Parteien Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Berufung ist zulässig gemäß §§ 519, 520 ZPO, §§ 64, 66 ArbGG.

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Sie ist auch begründet. Die von der Beklagten getroffene Entscheidung über die Erhöhung der Grenzwerte nach § 5 Abs. 3 POF ist entgegen der Auffassung des Arbeitgerichts wirksam. Die Klage ist deshalb unbegründet.

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Eine Auslegung des § 5 Abs. 3 POF ergibt, dass auch die außerplanmäßige Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung zum 01.01.2003 bei der Bemessung der Höhe der zugesagten Altersversorgung zu berücksichtigen ist. Für die Methodik der Auslegung ergibt sich im konkreten Anwendungsfall kein entscheidender Unterschied daraus, ob die Zusage auf einer Betriebsvereinbarung oder einer einseitig vom Arbeitgeber aufgestellten Pensionsordnung beruht; auch das Bundesarbeitsgericht hat in den Urteilen vom 21.04.2009 - 3 AZR 695/08 und 3 AZR 471/07 - an dieser Stelle keinen entscheidenden Unterschied erkannt. Auszugehen ist für die Auslegung der Zusage zunächst von deren Wortlaut. § 5 Abs. 3 POF spricht insoweit von der Beitragsbemessungsgrenze in der Sozialversicherung. Angesichts des Regelungsgegenstandes ist dies einschränkend dahin zu verstehen und von den Parteien in der Vergangenheit auch so verstanden worden, dass die Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung maßgebend ist. Da in der gesamten Pensionsordnung auf konkrete gesetzliche Vorschriften der Rentenversicherung nicht Bezug genommen worden ist und die Beitragsbemessungsgrenze nach ihrer Definition einen bestimmten festgelegten Betrag des Entgeltes beschreibt, ist nach dem Wortlaut des § 5 Abs. 3 POF auch die außerplanmäßige Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze in voller Höhe zu berücksichtigen. Dies hat im Grundsatz auch das Arbeitsgericht angenommen.

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Anders als in den Entscheidungen vom 21.04.2009 vom Bundesarbeitsgericht angenommen, kann im vorliegenden Fall nicht festgestellt werden, dass die Versorgungsordnung durch die außerplanmäßige Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze um 500,00 € lückenhaft geworden ist und deshalb Bedarf zu einer ergänzenden Vertragsauslegung besteht. Das Bundesarbeitsgericht hat ausgeführt, eine planwidrige Unvollständigkeit liege dann vor, wenn der Vertrag eine Bestimmung vermissen lasse, die erforderlich sei, um den ihm zugrunde liegenden Regelungsplan der Parteien zu verwirklichen, mithin ohne Vervollständigung des Vertrages eine angemessene, interessengerechte Lösung nicht zu erzielen wäre (Urteil vom 21.04.2009 - 3 AZR 695/08). Der Sinn und Zweck einer "gespaltenen Rentenformel" bestehe darin, den im Einkommensbereich oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze bestehenden erhöhten Versorgungsbedarf mit einer dafür vorgesehenen höheren Leistung abzudecken.

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Zwar deutet die Begründung der Urteile des Dritten Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 21.04.2009 darauf hin, dass der Senat mit diesen Entscheidungen relativ grundsätzliche Aussagen zur Problematik der außerordentlichen Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze in Systemen mit gespaltener Rentenformel treffen wollte. Zieht man jedoch die tatsächlichen Lebenssachverhalte heran, so ergeben sich zwischen den Entscheidungen vom 21.04.2009 und dem zugrunde liegenden Sachverhalt maßgebliche Unterschiede. In beiden vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fällen überstieg das versorgungsfähige Bruttoeinkommen des Klägers die Beitragsbemessungsgrenze nur relativ geringfügig. Die außerplanmäßige Erhöhung der Grenzwerte um 500,00 € im Monat hatte deshalb zur Folge, dass Einbußen bei der zugesagten Versorgung im Umfang von ca. 25 % bzw. 40 % entstanden. Im vorliegenden Fall stellt sich die Situation hinsichtlich der rechnerischen und damit wirtschaftlichen Auswirkungen jedoch deutlich anders dar. Der Kläger bezieht ein Einkommen, das im Monat um mehrere Tausend EUR die Beitragsbemessungsgrenze übersteigt (anrechnungsfähiges Jahresgehalt 2003 laut Modellrechnung 93.238,00 €). Der Kläger hat nach der von ihm vorgelegten Modellrechnung mit Vollendung des 65. Lebensjahres Leistungen des Arbeitgebers von - je nach Berechnung - ca. 45.000,00 bis 48.000,00 € im Jahr zu erwarten. Gemessen daran ist die Auswirkung der einmaligen außerordentlichen Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze auf einen relativ geringen Betrag begrenzt. Das ergibt sich aus folgendem Rechenweg: Die Verschlechterung des Versorgungsanspruches ergibt sich daraus, dass der mit nur 0,2 % zu bewertende Einkommensanteil ansteigt und anteilig der mit höheren Prozentwerten bewertete Einkommensanteil sinkt. Die maximale Auswirkung, die sich insoweit ergeben kann, liegt in der Spanne zwischen den beiden Berechnungsfaktoren von 1,9 % und 0,2 % des pensionsfähigen Einkommens. Die rechnerische Differenz für den Versorgungsanspruch je Beschäftigungsjahr beträgt daher maximal 1,7 % von 500,00 €, dies sind 8,50 €. Nach der Versorgungsordnung sind maximal 25 versorgungsfähige Dienstjahre zu erreichen. Die maximale rechnerische Auswirkung beträgt daher 215,00 €. Dies entspricht gleichermaßen den Ergebnissen der Modellrechnung des Klägers als auch der Schätzung der Beklagten, wonach der Gesamtbetrag um weniger als 5 % sinken wird. Bei einer derartig begrenzten wirtschaftlichen Auswirkung kann aber rechtlich nicht die Wertung getroffen werden, dass der zugrunde liegende Regelungsplan der Parteien nicht mehr verwirklicht werden könne und damit eine planwidrige Unvollständigkeit vorliegt. Es braucht im vorliegenden Fall nicht abstrakt festgelegt zu werden, ab welcher Grenze eine Verfehlung des Regelungsplanes angenommen werden kann. Jedenfalls bei einer hier feststehenden maximalen Begrenzung von unter 5 % des Gesamtvolumens besteht zu einer ergänzenden Vertragsauslegung kein Anlass. Zwar haben die Parteien Einzelheiten über die Struktur der bestehenden Altersversorgungsregelungen in der Unternehmensgruppe nicht mitgeteilt. Offenbar bestehen je nach Einkommenshöhe differenzierte Regelungen. Im vorliegenden Fall gilt eine spezielle Versorgungsordnung für obere Führungskräfte, die nur einen relativ kleinen Kreis von Berechtigten betrifft. Es ist davon auszugehen, dass deren pensionsfähiges Einkommen generell die Beitragsbemessungsgrenze deutlich übersteigt.

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Die Beklagte hat das ihr zustehende Anpassungsrecht nach § 5 Abs. 3 POF auch nach billigem Ermessen gemäß § 315 BGB ausgeübt. In dem sie die außerordentliche Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze auf insgesamt 5 Jahre verteilt hat, hat sie die sich daraus ergebenden Verschlechterungen für die rentennahen Jahrgänge weiter abgemildert. Beim Kläger kommt die außerplanmäßige Erhöhung zwar in vollem Umfang zum Tragen. Dem steht jedoch gegenüber, dass der Kläger noch mehr als 5 aktive Dienstjahre vor Renteneintritt absolvieren wird und insofern an einer erheblichen Steigerung der Versorgung Anteil haben wird. So ergibt sich aus der Modellrechnung des Klägers, dass er ab dem Jahr 2003 bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres eine Steigerung des Pensionsanspruches um rd. 50 %, das sind rd. 15.000,00 € zu erwarten haben wird. Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung die reale Entwicklung in dieser Größenordnung bestätigt. Aus der vom Kläger selbst vorgelegten Schätzung ergibt sich, dass auch nach der neuen Berechnung infolge des erheblichen Gewichtes der anrechnungsfähigen Dienstjahre für jedes weitere Jahr sich eine erhebliche nominelle Erhöhung des Pensionsanspruchs um zumindest 1.500,00 € ergibt. Anders als in den vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fällen kommt daher ein realer wirtschaftlicher Verlust zu keinem darstellbaren Zeitpunkt zum Tragen. Vielmehr steigt die Höhe des Anspruchs auch in den Jahren nach 2003 kontinuierlich weiter an. Umgekehrt hat unstreitig die Beklagte zusätzliche Leistungen zur gesetzlichen Rentenversicherung des Klägers aufzuwenden. Auch wenn diese sich nur noch in geringem Umfang in einer Erhöhung des gesetzlichen Rentenanspruches des Klägers auswirken, ist im Rahmen der Ermessensausübung jedenfalls zu berücksichtigen, dass der Aufwand der Beklagten an dieser Stelle wächst.

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Aus diesen Erwägungen zur Entwicklung des Versorgungsanspruches ab dem Jahr 2003 folgt zugleich, dass ein vom Kläger geltend gemachter unzulässiger Eingriff in seine erworbenen Versorgungsanwartschaften nicht festzustellen ist.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

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Infolge der unterschiedlichen tatsächlichen Voraussetzungen weicht die vorliegende Entscheidung nicht von den Urteilen des Bundesarbeitsgerichts vom 21.04.2009 ab. Im Hinblick auf die größere Zahl der Betroffenen ist aber dennoch die Revision zugelassen.

Dr. Voigt
Niederheide
Hecker