Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 07.12.2009, Az.: 8 TaBV 3/09
Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei Änderung der betrieblichen Vergütungsordnung im Nachwirkungszeitraum eines Tarifvertrags
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 07.12.2009
- Aktenzeichen
- 8 TaBV 3/09
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2009, 37096
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:2009:1207.8TABV3.09.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- ArbG Wilhelmshaven - 28.10.2008 - AZ: 1 BV 11/08
Rechtsgrundlagen
- § 77 Abs. 3 BetrVG
- § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG
- § 99 Abs. 1 BetrVG
Redaktioneller Leitsatz
1. Die ursprünglich im Betrieb geltenden Grundsätze der tariflichen Vergütungsordnung bleiben auch nach dem Wegfall des Tarifvertrages das für den Betrieb maßgebliche Vergütungsschema, ohne dass es einer Transformation durch die Betriebsparteien oder die Arbeitsvertragsparteien bedarf.
2. Entscheidet sich der Arbeitgeber dafür, im Nachwirkungszeitraum des Tarifvertrages mit allen neu einzustellenden Arbeitnehmern frei verhandelte Vergütungsvereinbarungen abzuschließen und den Tarifvertrag nicht mehr anzuwenden, handelt es sich um eine kollektive Maßnahme und eine Änderung der betrieblichen Vergütungsordnung, die der Beteiligung des Betriebsrats gem. § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG bedarf.
Tenor:
1. Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts vom 28. Oktober 2008 - 1 BV 11/08 - abgeändert:
Der Beteiligten zu 2) wird aufgegeben, die Mitarbeiterin M. nach dem TV-Entgelt zum BMT-AW II einzugruppieren, die Zustimmung des Beteiligten zu 2) zur Eingruppierung einzuholen.
2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Die Beteiligten streiten über die Eingruppierung einer Arbeitnehmerin.
Die Beteiligte zu 2) betreibt in C-Stadt eine Wohn- und Pflegeeinrichtung. Der Beteiligte zu 1) ist der für sie zuständige Betriebsrat.
Mit Schreiben vom 12. Dezember 2007, das am 8. Januar 2008 zugegangen ist und wegen dessen äußerer Form auf die Anlage zur Antragsschrift (Bl. 3 d. A.) verwiesen wird, hörte die Beteiligte zu 2) den Beteiligten zu 1) zu der beabsichtigten Einstellung von Frau M. als examinierte Krankenschwester mit einer "Vergütung gem. freier Vereinbarung 2100 € brutto" an. Das Schreiben trägt die Überschrift: "Mitteilung an den Betriebsrat gemäß § 99 BetrVG". Das Wort "Eingruppierung" ist gestrichen und durch das Wort "Vergütung" ersetzt. Mit Frau M. war bereits zuvor ein bis zum 31. Dezember 2007 befristeter Arbeitsvertrag geschlossen worden. Sie war nach dem Vergütungssystem des TV-Entgelt zum BMT-AW II eingruppiert. Ab 1. Januar 2008 erhielt sie einen neuen Arbeitsvertrag mit geringerer Vergütung.
Mit Schreiben vom 8. Januar 2008 erteilte der Beteiligte zu 1) die Zustimmung zur Einstellung, verweigerte sie aber für die Eingruppierung mit der Begründung, es habe eine Eingruppierung nach dem TV-Entgelt zum BMT-AW II zu erfolgen.
Bei der Beteiligten zu 2) galten bis zum 30. Juni 2006 die Bestimmungen des BMT-AW II, dessen Eingruppierungstabellen im Wesentlichen dem Tarifwerk des BAT entsprechen. Am 11. September 2006 vereinbarten die Tarifvertragsparteien einen neuen Tarifvertrag. Er trat zum 1. Juli 2006 in Kraft. Er enthält in Abschnitt 3 Regelungen über Eingruppierungen und Entgelt. Die insoweit maßgeblichen §§ 12 und 13 tragen den Hinweis "(Derzeit nicht belegt)". Im Hinblick auf die Entgeltberechnung verweist § 15 des Manteltarifvertrages auf die Vereinbarungen nach § 34. Diese Bestimmung lautet:
"Vorrangig zu den Regelungen dieses Tarifvertrages gelten folgende Regelungen:
(3) Das vorliegende Tarifvertragswerk (einschließlich der in ihm in Bezug genommenen Regelungen) stellt eine abschließende Regelung der Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer und der sonstigen Beschäftigten im Sinne von § 1 dar und ersetzt ab dem 01.07.2006 ausnahmslos und abschließend alle bis dahin in der A. Gruppe geltenden oder angewandten tariflichen Regelungen, es sei denn, dieser Tarifvertrag verweist ausdrücklich auf den BMT-AW II. Soweit Dienst- oder Betriebsvereinbarungenüber in diesem Tarifvertrag geregelte Fragen abgeschlossen sind, werden diese durch diesen Tarifvertrag ersetzt. Gleiches gilt - soweit dies gesetzlich zulässig ist - für diesem Tarifvertragswerk widersprechende betriebliche Übungen.
Die Regelungen des
- Restrukturierungstarifvertrages A. Bezirksverband W.
- Überleitungstarifvertrag A. Bezirksverband W. und
- Tarifvertrag betriebsratsfähige Einheiten A. Bezirksverband W.
bleiben unberührt.
(4) Vergütungszahlungen:
(a) Für den Zeitraum 01.07.2006 bis 31.12.2006 werden auf der Basis der Regelungen der Eingruppierungen und der Vergütungs- und Lohntabellen des BMT-AW II die Gehalts- und Lohnzahlungen ausgeführt. Im Rahmen dieser Regelung wird der Arbeitnehmer auf der Basis der für ihn am 01.07.2006 geltenden Tarifbestimmungen der jeweils einschlägigen Eingruppierungs- und Vergütungstarifverträge für Angestellte und Arbeiter des BMT-AW II vergütet.
(b) Bis zum 31.12.2006 werden die Regelungen der Eingruppierungen und der Vergütungs- und Lohntabellen des BMT-AW II auf der Basis der für den Arbeitnehmer am 30.06.2006 geltenden Tarifbestimmungen unbeschadet der zum 01.07.2006 in Kraft tretenden Tarifverträge der Gesellschaften in analoger Weise angewendet.
(c) Sofern zu einem früheren Zeitpunkt als der 31.12.2006 die Vereinbarung zur Regelung der Eingruppierungen verabschiedet wird, erfolgt zum nächsten 1. des Folgemonats die Anwendung der neuen Tariftabellen. Die Anwendung des BMT-AW II entfällt ab diesem Zeitpunkt."
Eine Vereinbarung über neue Regelungen zum Entgelt und zur Eingruppierung gelang den Tarifvertragsparteien weder bis zum 31. Dezember 2006 noch zu einem späteren Zeitpunkt. Der Versuch der Betriebspartner, eine neue Vergütungsordnung zu vereinbaren, führte ebenfalls zu keinem Erfolg. Nach dem 31. Dezember 2006 wandte die Beteiligte zu 2) weiter die Entgeltregelungen nach dem TV-Entgelt zum BMT-AW II an. Im Vorgriff auf eine erwartete tarifliche Regelung hatte sie zunächst eine Vergütungstabelle erarbeitet, der jedoch alle Betriebsräte widersprachen. Zum 1. Juli 2007 entschied sie sich, mit neu einzustellenden Arbeitnehmern die Vergütung frei zu vereinbaren.
Zwischenzeitlich hat sie mit dem Gesamtbetriebsrat vereinbart, für zukünftige Eingruppierungen auf die erarbeitete Tabelle zurückzugreifen und Neueinstellungen nach dem Entgeltsystem des TVöD einzugruppieren. Diese Abrede empfahl der Gesamtbetriebsrat seinen örtlichen Betriebsräten. Er überließ es ihnen aber, sich gegebenenfalls der Abrede nicht anzuschließen. Der Beteiligte zu 1) verweigerte für Einstellungen, die vor dem 31. Juli 2008 erfolgt sind, eine Eingruppierung nach dem empfohlenen Entgeltsystem.
Er hat die Ansicht vertreten, die Beteiligte zu 2) sei gemäß §§ 101, 99 BetrVG verpflichtet, die Arbeitnehmerin M. nach dem für sie damals geltenden kollektiven Entgeltschema des BMT-AW II einzugruppieren. Das einseitige Abgehen von der insoweit bestehenden Vergütungsordnung verstoße gegen § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG.
Der Beteiligte zu 1) hat beantragt,
die Antragsgegnerin zu verurteilen, die Zustimmung des Betriebsrats zur Eingruppierung der Mitarbeiterin M. zu einer Eingruppierung entsprechend des Entgelttarifvertrages BMT-AW II einzuholen.
Die Beteiligte zu 2) hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Sie hat die Ansicht vertreten, nach Ablauf der Gütigkeit des BMT-AW II habe es keine abstrakten Vergütungskriterien mehr gegeben, die eine Verpflichtung zur Eingruppierung hätten begründen können.§ 15 des Manteltarifvertrages verweise lediglich auf dieÜbergangsvorschriften nach § 34. In seinem Absatz 1) hätten die Tarifvertragsparteien sich darauf geeinigt, ab 1. Juli 2006 alle bis dahin in der A.-Gruppe geltenden und angewandten tariflichen Regelungen durch den Manteltarifvertrag und die weiteren Tarifverträge zu ersetzen. Darüber hinaus bestehe für den Betriebsrat kein zwingendes Mitbestimmungsrecht. Diesem stehe vielmehr die Vorbehaltsregelung des § 77 Abs. 3 BetrVG entgegen. Der Gesetzgeber habe den Betriebsparteien gerade nicht die Möglichkeit eröffnet, "Ersatztarifverträge" auf betrieblicher Ebene abzuschließen.
Durch Beschluss vom 28. Oktober 2008 hat das Arbeitsgericht den Antrag des Beteiligten zu 1) zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, ein Mitbestimmungsrecht des Beteiligten zu 1) gemäß § 99 Abs. 2 BetrVG bestehe nicht, so dass die Festlegung der Vergütung für die Arbeitnehmerin M. seiner Zustimmung nicht bedürfe. Der Tarifvertrag BMT-AW II entfalte keine Wirkung mehr für die Beteiligte zu 2) und die bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer. Er sei durch den neuen Tarifvertrag abgelöst worden. Daran ändere sich nichts dadurch, dass die Tarifvertragsparteien bis heute keine neue Regelung zur Eingruppierung getroffen hätten. Für eine teleologische Auslegung bleibe kein Platz; der Wortlaut des Tarifvertrages sei eindeutig. Da zum Zeitpunkt der Einstellung der Arbeitnehmerin M. keinerlei Vergütungssystem bestanden habe, die Beteiligte zu 2) auch kein neues Vergütungssystem geschaffen habe, sei eine Vergütung "gemäß freier Vereinbarung" möglich.
Gegen diesen ihm am 17. November 2008 zugestellten Beschluss hat der Beteiligte zu 1) mit am 7. Januar 2009 beim Landesarbeitsgericht Niedersachsen eingegangenen Schriftsatz Beschwerde eingelegt und diese am 29. Januar 2009 begründet.
Er hält an seiner Auffassung fest, die Eingruppierungsregelungen des TV-Entgelt zum BMT-AW II seien für neu einzustellende Arbeitnehmer der Beteiligten zu 2) auch im Januar 2008 maßgeblich. Aus § 4 Abs. 5 BetrVG ergebe sich eine Fortwirkung der alten tarifvertraglichen Eingruppierungs-Vergütungstabellen nach BMT-AW II. Darüber hinaus bestehe nach § 99 TVG ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates bei der Vergütungseingruppierung. Schließlich folge aus dem Tarifvertrag und dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz, dass die Beteiligte zu 2) keine Individuallohnvereinbarung treffen dürfe, die zu einer niedrigeren Vergütung als die der Regelung des BMT-AW II führe.
Der Beteiligte zu 1) beantragt (nunmehr),
den Beschluss des Arbeitsgerichts Wilhelmshaven vom 29. Oktober 2008 - 1 BV 11/08 - abzuändern und der Beteiligten zu 2) aufzugeben, die Mitarbeiterin M. nach dem TV-Entgelt zum BMT-AW II einzugruppieren, die Zustimmung des Beteiligten zu 1) zur Eingruppierung einzuholen.
Die Beteiligte zu 2) beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie ist der Ansicht, ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates gemäß § 87 Abs. 1 BetrVG bestehe nicht, weil tarifliche Bestimmungen entgegenstünden. Der neue Tarifvertrag enthalte eine grundlegende Neuregelung bezüglich der Eingruppierung und des Entgelts. Damit hätten sich die Tarifvertragsparteien dahin geeinigt, dass der BMT-AW II mit seiner Vergütungsstruktur - jedenfalls nach demÜbergangszeitraum bis zum 31. Dezember 2006 - keine Anwendung mehr finde. Damit sei ein Zustand geschaffen, der es den Betriebsparteien nicht mehr gestatte, an der bisher im Betrieb geltenden tariflichen Ordnung festzuhalten. Der Gleichbehandlungsgrundsatz spiele keine Rolle. Individualrechtlich sei der Arbeitgeber jederzeit berechtigt, ab einem bestimmten Zeitpunkt neu eingestellte Arbeitnehmer niedriger zu entlohnen als die bisher eingestellten. Die Verletzung von Mitbestimmungsrechten beurteile sich nach dem Regelungsgehalt des Tarifvertrages. Zwar führe der Wegfall einer Tarifbindung nicht dazu, dass mit ihm zugleich die tarifliche Vergütungsordnung als das im Betrieb geltende kollektive, abstrakte Vergütungsschema ersatzlos entfalle. Der vorliegende Fall liege anders, weil die Tarifparteien am 11. September 2006 einen neuen Tarifvertrag abgeschlossen und die Struktur der Vergütung sowie der Eingruppierungsmerkmale grundlegend aufgegeben hätten.
Zur Ergänzung der Sachdarstellung wird auf die von den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
II. Die Beschwerde des Beteiligten zu 1) hat Erfolg.
1. Sie ist statthaft; auch ist sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 87, 89, 76 ArbGG) und mit dem zur Klarstellung neu formulierten Antrag zulässig.
2. Die Beschwerde ist auch begründet. Der Beteiligte zu 1) hat gegen die Beteiligte zu 2) einen Anspruch darauf, die Arbeitnehmerin M. nach dem TV-Entgelt zum BMT-AW II einzugruppieren und seine Zustimmung hierzu einzuholen. Der Anspruch ergibt sich aus §§ 99 Abs. 1 Satz 1, 101 BetrVG.
a) Das in § 99 BetrVG vorgeschriebene Beteiligungsverfahren ist erst dann abgeschlossen, wenn es zu einer Eingruppierung geführt hat, für die entweder eine vom Betriebsrat nach § 99 Abs. 1 BetrVG erteilte oder eine vom Gericht nach § 99 Abs. 4 BetrVG ersetzte Zustimmung vorliegt (BAG, Beschluss vom 3. Mai 1994 - 1 ABR 58/93 - AP Nr. 2 zu § 99 BetrVG 1972 Eingruppierung). Die Eingruppierung der Arbeitnehmerin M. ist nach dem Vergütungssystem des BMT-AW II als das zum Zeitpunkt ihrer Einstellung geltende Vergütungssystem vorzunehmen. Eine Beteiligung des Betriebsrates hierzu ist bisher nicht erfolgt.
b) Die Beteiligte zu 2) hat ihr Eingruppierungssystem auf Grund tarifvertraglicher Bindung in ihrem Betrieb bis zum 31. Dezember 2006 angewandt. Auch danach hat sie neu eingestellte Arbeitnehmer zumindest bis zum 30. Juni 2007 auf dieser Basis eingruppiert. Die Entscheidung, ab Juli 2007 neu eingestellte Arbeitnehmer nicht mehr nach diesem Entgeltsystem zu vergüten, sondern nach individuell ausgehandelten Vereinbarungen, ist unwirksam. Es fehlt an der Beteiligung des Betriebsrates.
aa) Gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG hat der Betriebsrat in Fragen der betrieblichen Lohngestaltung mitzubestimmen, insbesondere bei der Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und bei der Einführung und Anwendung neuer Entlohnungsmethoden. Zweck des Mitbestimmungsrechtes ist es, das betriebliche Lohngefüge angemessen und durchsichtig zu gestalten und die betriebliche Lohn- und Verteilungsgerechtigkeit zu wahren (vgl. BAG, Beschluss vom 28. Februar 2006 - 1 ABR 4/05 - AP Nr. 127 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung = EzA § 87 BetrVG 2001 Betriebliche Lohngestaltung Nr. 9). Mitbestimmungspflichtig ist ebenfalls die Änderung bestehender Entlohnungsgrundsätze durch den Arbeitgeber (BAG, Beschluss vom 3. Dezember 1991 - GS 1/90 - AP BetrVG 1972 § 87 Lohngestaltung Nr. 52 = DB 1991, 2593). Dabei kommt es für das Beteiligungsrecht des Betriebsrates nicht darauf an, auf welcher rechtlichen Grundlage die Anwendung der bisherigen Entlohnungsgrundsätze erfolgte, ob etwa auf der Basis bindender Tarifverträge, einer Betriebsvereinbarung, einzelvertraglicher Absprachen oder einer vom Arbeitgeber einseitig praktizierten Vergütungsordnung. In allen Fällen unterliegt ihreÄnderung der Mitbestimmung (st. Rspr., vgl. zuletzt BAG vom 28. Februar 2006 - 1 ABR 4/05 - aaO.; vom 2. März 2004 - 1 AZR 271/03 - BAGE 109, 369).
bb) Danach mangelt die Änderung der Entlohnungsgrundsätze ab Juli 2007 der Beteiligung des Betriebsrates. Auch nach dem 31. Dezember 2006 hat die Beteiligte zu 2) das in der Vergangenheit kraft tariflicher Bestimmung geltende Eingruppierungssystem angewendet. Dieses ist nicht durch die Entscheidung der Beteiligten zu 2) weggefallen, ab dem 1. Juli 2007 eingestellte Arbeitnehmer nach Maßgabe einer individuell vereinbarten Vergütungshöhe einzustellen. Diese Entscheidung der Beteiligten zu 2) ist nicht wirksam, denn sie hat das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG nicht genügend beachtet, welches unabhängig davon besteht, auf welcher rechtlichen Grundlage die Anwendung der bisherigen Entlohnungsgrundsätze beruhte. Eine einvernehmliche Abänderung erfolgte frühestens ab August 2008.
cc) Entgegen steht nicht die Auffassung der Beteiligten zu 2), die tarifliche Vergütungsordnung als das im Betrieb geltende kollektive, abstrakte Vergütungsschema nach dem BMT-AW II sei ersatzlos entfallen, weil einer weiteren Geltung tarifliche Bestimmungen entgegenstünden. Im Zeitpunkt der Einstellung der Arbeitnehmerin M. war der Tarifvertrag des BMT-AW II zwar nicht mehr in Kraft. Die Mitbestimmung des Betriebsrates nach § 87 Abs. 1 BetrVG wird aber durch den Tarifvorrang des § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG nur dann ausgeschlossen, wenn eine inhaltliche und abschließende tarifliche Regelung über den Mitbestimmungsgegenstand besteht. Dagegen entfaltet eine tarifliche Regelung, die nur im Sinne von § 77 Abs. 3 BetrVGüblich ist und für den Betrieb keine Bindungen erzeugt, gerade nicht den Schutz, der erforderlich wäre, um das Bedürfnis für einen Mitbestimmungsgegenstand gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG entfallen zu lassen (BAG, Beschluss vom 03. Dezember 1991 - GS 2/90 - BAGE 69, 134). An einer inhaltlichen und abschließenden tariflichen Regelung fehlt es. Die Tarifvertragsparteien haben sich nicht dahin festgelegt, dass der BMT-AW II und dessen Vergütungsstruktur keine Anwendung mehr finden sollten. Eine tarifliche Regelung zur Eingruppierung besteht gerade nicht. Diesen Teil haben die Tarifvertragsparteien durch das Nichtbelegen der § 12 und 13 des Tarifvertrages bewusst ausgespart. Sie sind nur davon ausgegangen, es werde bis zum 31. Dezember 2006 zu einer entsprechenden tariflichen Einigung kommen. Sie haben daher ausdrücklich eine Übergangsregelung nur bis zum 31. Dezember 2006 vorgesehen. Eine neue tarifliche Regelung, die die alte abgelöst hätte, bestand bei Einstellung der Arbeitnehmerin M. also nicht.
3. Gemäß § 92 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG war die Rechtsbeschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung einer Rechtsfrage, auf der die Entscheidung beruht, zuzulassen.
Wiedemann
Dohm