Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 01.12.2009, Az.: 3 Sa 640/09 B

Auslegung einer Ruhegeldsatzung; Ruhegeldanpassung entsprechend den Vergütungsänderungen im öffentlichen Dienst

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
01.12.2009
Aktenzeichen
3 Sa 640/09 B
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2009, 37093
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:2009:1201.3SA640.09B.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
BAG - 14.02.2012 - AZ: 3 AZR 109/10

Amtlicher Leitsatz

Verweist eine Gesamtzusage wegen der Ruhegeldanpassung auf die tarifvertraglichen Änderungen der Bezüge nach dem BAT, gelten nach dessen Ablösung die Nachfolgeregelungen, hier die im Geltungsbereich des TV-L, und nicht lediglich die gesetzlichen Regelungen in § 16 BetrAVG.

In dem Rechtsstreit

Kläger, Berufungskläger und Berufungsbeklagter,

gegen

Beklagte, Berufungsbeklagte und Berufungsklägerin,

hat die 3. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen auf die mündliche Verhandlung vom 1. Dezember 2009 durch

den Vizepräsidenten des Landesarbeitsgerichts Vogelsang,

die ehrenamtliche Richterin Frau Malewski,

den ehrenamtlichen Richter Herrn Eggers

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lüneburg vom 06.04.2009 - 4 Ca 552/08 B - wird zurückgewiesen.

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil teilweise abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 504,48 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf einen Betrag von jeweils 43,01 € seit 01.02.2008, 01.03.2008, 01.04.2008, 01.05.2008, 01.06.2008 und 01.07.2008 sowie auf einen Betrag in Höhe von jeweils 41,07 € seit dem 01.08.2008, 01.09.2008, 01.10.2008, 01.11.2008, 01.12.2008 und 02.01.2009 zu zahlen.

Die erstinstanzlichen Kosten tragen die Beklagte zu 72 % und der Kläger zu 28 %.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Anpassung des dem Kläger gewährten Ruhegelds.

2

Der am 0.0.1942 geborene Kläger war in der Zeit vom 20.01.1975 bis zum 31.08.2006 bei der Beklagten zunächst als Referent der Rechtsabteilung und später als Bereichsleiter tätig. Der Dienstvertrag der Parteien aus dem Jahre 1976 enthält u. a. folgende Regelung:

3

"§ 2

4

Die Vergütung und der Erholungsurlaub werden in Anlehnung an den Bundes-Angestellten-Tarifvertrag (BAT) gewährt. Herr A. ist in die Vergütungsgruppe II b des BAT eingruppiert."

5

Bei der Beklagten bestand eine Ruhegeldsatzung vom 02.12.1976, deren § 3 wie folgt lautet:

6

"§ 3

7

Höhe der Ruhegeldleistungen

8

1) Als Ruhegeld wird monatlich der Betrag gewährt, um den die Summe der in Absatz 2 genannten Bezüge hinter der errechneten Gesamtversorgung zurückbleibt.

9

2) Bezüge im Sinne des Absatzes 1 sind:

10

Renten wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit oder das Altersruhegeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung.

11

Leistungen von Lebensversicherungsgesellschaftern, die durch Beitragszuschüsse des Arbeitgebers entstanden sind in dem Umfang, in dem sie bei der gesetzlichen Rentenversicherung entstanden wären.

12

3) Die Gesamtversorgung wird auf der Grundlage der gesamtversorgungsfähigen Zeit und des monatlichen Bruttogehaltes, das dem Versorgungsberechtigten bei Eintritt des Versorgungsfalles gewährt wurde, errechnet. Wenn ein Anspruch auf höheren Ortszuschlag für versorgungsberechtigte Kinder besteht, wird der höhere Ortszuschlag ungekürzt dem Ruhegehalt zugerechnet.

13

Die Gesamtversorgung beginnt nach Ablauf der Wartezeit mit 35 % vom Entgelt. Sie steigt in den folgenden 15 Dienstjahren der gesamtversorgungsfähigen Zeit um jährlich 2 % und in den folgenden weiteren Dienstjahren um jährlich 1 % bis zu höchsten 75 %.

14

Tritt der Versorgungsfall nach 25jähriger Dienstzeit bei der Kammer ein, so ist in jedem Fall der Höchstsatz von 75 % der Gesamtversorgungsbezüge erreicht.

15

4) ...

16

5) Das bei Eintritt des Versorgungsfalles errechnete Ruhegeld wird in der Versorgungszeit den tariflichen Änderungen der Bezüge nach dem Bundesangestelltentarif, unter Berücksichtigung der Bezüge nach § 3 Abs. 2, angepaßt.

17

Das letzte Monatsgehalt des Klägers betrug 5.162,00 €. Seit dem 01.09.2006 befindet er sich im Ruhestand und erhielt im Jahr 2008 eine monatliche gesetzliche Altersrente in Höhe von 1.558,54 € bis zum 30.06.2008 und in Höhe von 1.575,75 € ab dem 01.07.2008. Die Beklagte gewährt ihm seit dem Eintritt in den Ruhestand ein Ruhegeld, das vom 01.01. bis 30.06.2008 2.403,53 € und in der Zeit vom 01.07. bis 31.12.2008 2.386,32 € monatlich betrug.

18

Nach Einführung des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst (TVöD) sowie des TV-L und dem Außerkrafttreten des BAT streiten die Parteien über die Frage, ob und ggf. auf welche Weise die im Rahmen des TVöD bzw. TV-L vereinbarten Tariferhöhungen bei der Berechnung des Ruhegeldes zu berücksichtigen sind.

19

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, der neu eingeführte TVöD habe den BAT lediglich ersetzt und sei damit nunmehr gemäß § 3 Ziffer 5 der Ruhegeldsatzung maßgebliche Tarifnorm für die Ruhegeldanpassung. Nicht einschlägig seien dagegen die Regelungen aufgrund des TV-L. Die Beklagte habe sich nämlich nie an länderspezifische Regelungen angelehnt, so dass die Regelungen des TVöD vorrangig seien.

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Der Kläger hat beantragt:

21

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 1.904,16 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz für einen Betrag in Höhe von € 634,72 seit dem 01.05.2008 sowie in Höhe von jeweils € 158,68 seit dem 01.06.2008 und 01.07.2008, 01.08.2008, 01.09.2008, 01.10.2008, 01.11.2008, 01.12.2008 sowie 02.01.2009 zu zahlen.

22

Hilfsweise zum Antrag zu Ziffer 1.:

23

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 1.377,00 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz für einen Betrag in Höhe von € 114,75 seit dem 01.02.2008, 01.03.2008, 01.04.2008, 01.05.2008, 01.06.2008, 01.07.2008, 01.08.2008, 01.09.2008, 01.10.2008, 01.11.2008, 01.12.2008 sowie 02.01.2009 zu zahlen.

24

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, das bei Eintritt des Versorgungsfalles errechnete Ruhegeld zu Gunsten des Klägers in der Versorgungszeit den tariflichen Änderungen der Bezüge nach dem TVöD unter Berücksichtigung der Bezüge nach § 3 Abs. 2 der Ruhegeldsatzung vom 02.12.1976 jeweils zum Zeitpunkt der tariflichen Veränderung, und zwar in gleicher prozentualer Höhe wie die Tarifgehälter anzupassen.

25

Hilfsweise zum Antrag zu Ziffer 2:

26

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, das bei Eintritt des Versorgungsfalles errechnete Ruhegeld zu Gunsten des Klägers in der Versorgungszeit den tariflichen Änderungen der Bezüge nach dem TV-L unter Berücksichtigung der Bezüge nach § 3 Abs. 2 Ruhegeldsatzung vom 02.12.1976 jeweils zum Zeitpunkt der tariflichen Veränderung, und zwar in gleicher prozentualer Höhe wie die Tarifgehälter anzupassen.

27

Die Beklagte hat beantragt,

28

die Klage abzuweisen.

29

Sie hat die Ansicht vertreten, die Ruhegeldsatzung enthalte keine Regelung für den Fall, dass der BAT nicht fortgeführt werde. Ein Abstellen auf etwaige Nachfolgeregelungen scheide aus. Hierzu hätte es einer entsprechenden Klarstellung bedurft. Der gewollte Anpassungszweck werde auch durch eine regelmäßige Anpassung nach der gesetzlichen Regelungen in § 16 BetrAVG erfüllt. Im Übrigen seien die vereinbarten Tariferhöhungen aufgrund des TVöD nur deshalb zustande gekommen, weil an anderer Stelle Einsparungen erfolgt seien, so dass bei Fortführung des BAT mit deutlich geringeren oder gar keiner Erhöhung der Vergütungen zu rechnen gewesen wäre. Wenn man dennoch eine Geltung der Tarife für den öffentlichen Dienst in Betracht ziehe, komme nur eine Anwendung des TV-L in Betracht, weil es sich bei ihr (der Beklagten) um eine Körperschaft des öffentlichen Rechts handele, die der Rechtsaufsicht des Landes Niedersachsen unterliege.

30

Durch Urteil vom 30.03.2009 hat das Arbeitsgericht dem Zahlungsbegehren wegen eines Gesamtbetrages von 870,90 € brutto stattgegeben und dem Feststellungsbegehren nach Maßgabe des Hilfsantrages zu Ziffer 2. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits hat es dem Kläger zu 54 % und der Beklagten zu 46 % auferlegt und die Berufung zugelassen. Wegen der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 72 bis 81 d. A.) verwiesen.

31

Das Urteil ist dem Kläger am 08.04.2009 zugestellt worden. Er hat hiergegen am 04.05.2009 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 22.06.2009 am 22.06.2009 begründet. Die Zustellung des Urteils an die Beklagte ist am 07.04.2009 erfolgt. Diese hat am 05.05.2009 Berufung eingelegt und diese am 19.05.2009 begründet.

32

Der Kläger ist der Ansicht, der TV-L habe für den Bereich des Landes Niedersachsen die Regelungen des BAT ersetzt. Beide Tarifverträge hätten also nicht nebeneinander existiert, vielmehr handele es sich um eine Weiterentwicklung des BAT. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts sei die prozentuale Erhöhung auf das Tabellenentgelt und damit im Sinne der Ruhegeldsatzung auf die Gesamtversorgung zu gewähren und nicht lediglich auf den Differenzbetrag zwischen Gesamtversorgung und Bezügen nach § 3 Abs. 2 der Ruhegeldsatzung, also der gesetzlichen Altersrente. Etwas Abweichendes ergebe sich auch nicht aus der Verwendung des Begriffes Ruhegeld in § 3 Abs. 5 der Ruhegeldsatzung. Dies entspreche auch der Beklagten selbst vorgelegten "Berechnung der Zusatzversorgung" (Bl. 12 d. A.) sowie der Verdienstabrechnung (Bl. 131 d. A.). Die Beklagte habe den ehemaligen Mitarbeitern auch in der Vergangenheit stets Tariferhöhungen auf das Tabellenentgelt gewährt und sodann hiervon das Ruhegeld berechnet. Jedenfalls ergebe sich diese Auslegung der Ruhegeldsatzung aus einem Rückgriff auf die in § 305 c Abs. 2 BGB normierte Unklarheitenregelung.

33

Soweit das Arbeitsgericht im Hinblick auf die Tarifanpassungen auf den TV-L (und nicht auf den TVöD) abstellt, greift der Kläger das Urteil mit der Berufung nicht an.

34

Der Kläger beantragt:

35

Unter Abänderung des am 06.04.2009 verkündeten und am 08.04.2009 zugestellten Urteils des Arbeitsgerichts Lüneburg, Az. 4 Ca 552/08 B, wird die Beklagte verurteilt, an den Kläger weitere € 504,48 brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf einen Betrag von jeweils € 43,01 seit dem 01.02.2008, 01.03.2008, 01.04.2008, 01.05.2008, 01.06.2008 sowie 01.07. 2008 sowie auf einen Betrag in Höhe von jeweils € 41,07 seit dem 01.08.2008, 01.09.2008, 01.10.2008, 01.11.2008, 01.12.2008 und 02.01.2009 zu zahlen.

36

Die Beklagte beantragt,

37

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

38

Ferner beantragt sie,

39

das Urteil des Arbeitsgerichtes Lüneburg vom 06.04.2009, 4 Ca 552/08 B, abzuändern, soweit es der Klage stattgegeben hat, und die Klage abzuweisen.

40

Der Kläger beantragt,

41

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

42

Die Beklagte ist der Ansicht, eine Tarifsukzession könne nur dann eintreten, wenn entweder eine direkte Tarifbindung bestehe bzw. bestanden habe oder die betroffenen Parteien ausdrücklich vereinbart hätten, dass auch ersetzende Regelungen zum Tragen kommen sollten. Durch den Wegfall des BAT sei keine Regelungslücke entstanden, weil insoweit die gesetzliche Anpassungsregelung eingreife. Die geltend gemachte Forderung sei auch der Höhe nach unberechtigt. Die Leistungszulage sei nämlich nicht anzupassen. Diese werde vielmehr seit dem 01.01.1996 in unveränderter Höhe gewährt. Ferner sei nicht nachvollziehbar, warum die Regelung in § 3 des Tarifvertrages über Einmalzahlungen mit der Aufrundung auf volle 5,00 € anzuwenden sein solle.

43

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die in beiden Instanzen gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe

44

I. Die Berufungen beider Parteien sind statthaft, sie sind form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit insgesamt zulässig (§§ 66, 64 ArbGG, 519, 520 ZPO).

45

II. Die Berufung der Beklagten ist unbegründet. Der Berufung des Klägers war stattzugeben.

46

Die Klage ist im Hinblick auf das Zahlungsbegehren wegen eines Gesamtbetrages von 1.375,38 € und im Hinblick auf das Feststellungsbegehren wegen des Hilfsantrages begründet.

47

1. Die Beklagte ist gemäß § 3 Abs. 5 der Ruhegeldsatzung verpflichtet, an den Kläger als weiteres monatliches Ruhegeld für die Monate Januar bis Dezember 2008 einen Betrag in Höhe von 114,75 € zu zahlen. Wie das Arbeitsgericht zutreffend ausführt, handelt es sich bei der Ruhegeldsatzung um eine Gesamtzusage, die ein Vertragsangebot an die einzelnen Arbeitnehmer darstellt, das diese ausdrücklich oder konkludent annehmen können. Einer ausdrücklichen Annahmeerklärung bedurfte es gemäß § 151 BGB nicht, weil die Gesamtzusage dem Mitarbeiter lediglich Vorteile bringt. Im Hinblick auf die Auslegung der Gesamtzusage gelten daher die Regeln des Einzelarbeitsvertrages. Es ist darauf abzustellen, wie der Empfänger der Zusage diese Erklärung verstehen muss (§§ 133, 157 BGB).

48

a) Die Auslegung der Regelung in § 3 der Versorgungsordnung ergibt, dass zugunsten des Klägers eine Anpassung auf Basis der Regelungen des TV-L zu erfolgen hat. In diesem Punkt schließt sich das Berufungsgericht den in jeder Hinsicht zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts in der angefochtenen Entscheidung an und nimmt hierauf ausdrücklich Bezug. Lediglich ergänzend ist mit Blick auf die Ausführungen der Beklagten mit der Berufung auf Folgendes hinzuweisen: Eine ausdrückliche Regelung über das Ersetzen des BAT durch an seine Stelle tretende neue Tarifregelungen bedarf es nicht. Es kommt auch nicht darauf an, ob eine direkte Tarifbindung besteht oder bestanden hat. Entscheidend ist vielmehr, dass nach dem Inhalt der Ruhegeldsatzung die tariflichen Erhöhungen für den öffentlichen Dienst maßgeblich sein sollten. Eine solche Regelung kann ausdrücklich getroffen werden. Der entsprechende Regelungswille kann sich aber aus einer Auslegung der entsprechenden Willenserklärung ergeben. Voraussetzung ist auch nicht etwa, dass insgesamt die Regelungen des BAT oder der Nachfolgetarifverträge anwendbar sein sollen. Im vorliegenden Fall geht es allein um die Anpassung des Ruhegeldes, nicht um die Geltung der Tarifverträge für den öffentlichen Dienst insgesamt. Den Arbeitsvertragsparteien steht es frei, entweder die Geltung des Tarifwerks insgesamt zu vereinbaren oder aber nur die Geltung einzelner Bestimmungen. Ferner ergibt die Auslegung der Ruhegeldsatzung, dass ein Rückgriff auf § 16 BetrAVG gerade nicht in Betracht kommen kann. Durch die Festlegung in § 3 Abs. 5 der Ruhegeldsatzung sollte nämlich die gesetzliche Anpassungsregelung des § 16 BetrAVG durch eine völlig andersartige Bestimmung ersetzt werden. Der Kläger sollte letztlich auch bei der Altersversorgung eine Behandlung erfahren, wie sie in etwa der für Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes entspricht. Maßgeblich sollten nicht etwaige Erhöhungen der Lebenshaltungskosten sein, sondern die im Bereich des öffentlichen Dienstes eintretenden Vergütungsanpassungen. Dies mag sich - hierauf weist die Beklagte zu Recht hin - in einzelnen Fällen zugunsten, in allen anderen Fällen möglicherweise auch zuungunsten der Mitarbeiter auswirken. Dies ändert aber nichts daran, dass eine Regelung getroffen wurde, die ausdrücklich von dem gesetzlichen System der Ruhegeldanpassung abweichen sollte.

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b) Das Berufungsgericht schließt sich dagegen nicht der Rechtsauffassung des Arbeitsgerichts an, wonach die Erhöhung nach § 3 Abs. 5 der Ruhegeldsatzung nur hinsichtlich des errechneten Ruhegeldes (der errechneten Differenz nach § 3 Abs. 1 der Ruhegeldsatzung) erfolgen muss. Vielmehr ist eine Erhöhung des Gesamtversorgungsbetrages vorzunehmen.

50

Insoweit ist der Wortlaut der Ruhegeldsatzung allerdings missverständlich. Für die Auffassung des Arbeitsgerichts spricht die Verwendung des Wortes Ruhegeld in § 3 Abs. 5 der Ruhegeldsatzung. Dies deutet auf ein Anknüpfen an den in § 3 Abs. 1 verwendeten Begriff hin, der dort als Differenzbetrag zwischen Gesamtversorgung und den Bezügen nach Abs. 2 definiert wird. Bei einer Berechnung auf dieser Grundlage wären allerdings Änderungen der Bezüge nach § 3 Abs. 2 irrelevant. Rentenerhöhungen oder Rentenabschläge würden sich weder zugunsten noch zulasten des Klägers auswirken. Dass derartige Bezüge aber dennoch zu berücksichtigen sein sollen, ergibt sich aus der Formulierung des Halbsatzes in § 3 Abs. 5 "unter Berücksichtigung der Bezüge nach § 3 Abs. 2".

51

Hieraus schließt das Arbeitsgericht allerdings, dass zwar eine Erhöhung nach Maßgabe des berechneten Differenzbetrages (des so definierten Ruhegeldes) erfolgen soll, gleichzeitig aber eine flexible Berechnung Monat für Monat unter Berücksichtigung der Bezüge nach § 3 Abs. 2 zu erfolgen habe. Eine derartige Regelung widerspricht jedoch nach Ansicht des Berufungsgerichts dem Regelungszusammenhang in § 3 der Ruhegeldsatzung und dem mit dieser Regelung verfolgten Sinn und Zweck. Die vom Arbeitsgericht zugrundegelegte Berechnungsweise würde nämlich zwangsläufig dazu führen, dass bei eintretenden Tariferhöhungen und gleichzeitig im Laufe der Jahre eintretenden Erhöhungen bei der gesetzlichen Rente im Fall des Klägers nur eine deutlich verringerte Gesamtanpassung der Versorgungsbezüge erfolgen würde mit der Folge, dass sein Rentenniveau langfristig deutlich unter den vorgesehenen Betrag von 75 % absinken müsste. In diesem Fall würden sich Tariferhöhungen einerseits nur auf einen Bruchteil der Gesamtversorgung auswirken, und andererseits würde dieser Erhöhungsbetrag gleichzeitig zwangsläufig durch eintretende Rentenerhöhungen gemindert. Eine derartige Berechnungsweise widerspräche jedoch dem Zweck einer Gesamtversorgungszusage. Dies gilt erst recht mit Blick auf die Verhältnisse zur Zeit der Formulierung der Ruhegeldsatzung, nämlich im Jahr 1976. Damals ging man generell davon aus, dass es zukünftig weiter zu regelmäßigen Anpassungen auch der gesetzlichen Rente kommen würde. Verhältnisse wie die aktuellen, in denen häufig keinerlei Rentenanpassungen oder nur sehr geringe Rentenanpassungen vorgenommen werden, waren im Jahr 1976 nicht absehbar. Das heißt, bei Formulierung der Ruhegeldsatzung musste aus Sicht der Arbeitsvertragsparteien eine entsprechende Regelung in der vom Arbeitsgericht vorgenommenen Auslegung erst recht zu einem dauerhaften und nachhaltigen Abschmelzen des Versorgungsniveaus, bezogen auf den 75%igen Versorgungsgrad, führen.

52

Damit deutet der Halbsatz "unter Berücksichtigung der Bezüge nach § 3 Abs. 2" in § 3 Abs. 5 der Ruhegeldsatzung eher darauf hin, dass bei der Anpassung doch eine Gesamtberechnung erfolgen sollte, und zwar ausgehend von der Gesamtversorgung. Hierfür spricht auch die Verwendung des Begriffes Gesamtversorgung sowohl in § 3 Abs. 1 als auch in § 3 Abs. 3 und Abs. 5. Der Begriff Ruhegeld wird daher nicht im Sinne einer Definition nach Maßgabe des § 3 Abs. 1 verwendet, sondern bezieht sich tatsächlich auf die zu gewährende Gesamtversorgung. Auch die Beklagte hat offenbar den Begriff Ruhegeld nicht in dem nunmehr angewendeten technischen Sinne verstanden. Dies ergibt sich schon aus der "Berechnung der Zusatzversorgung" vom 26.09.2007, in der von einem "reduzierten Ruhegehaltssatz" von 75 % die Rede ist. Auch in der vom Kläger vorgelegten Verdienstabrechnung für September 2008 wird als "Ruhegehalt" der Betrag in Höhe von 75 % der Bezüge bezeichnet und hiervon dann ein Abzug in Höhe der gesetzlichen BfA-Rente vorgenommen.

53

Eines Rückgriffs auf die Unklarheitenregelung gemäß § 305 c Abs. 2 BGB bedurfte es daher nicht.

54

c) Entgegen der Ansicht der Beklagten ist bei der Anpassung ebenfalls die dem Kläger gewährte Leistungszulage zu berücksichtigen. Diese ist (auch) Bestandteil des für die Berechnung maßgeblichen letzten Bruttogehalts und ist damit gemäß § 3 Abs. 3 der Ruhegeldsatzung Teil der Berechnungsgrundlage.

55

d) Zutreffend hat das Arbeitsgericht bei seiner Berechnung ferner die Regelung in § 3 des Tarifvertrages über Einmalzahlungen für die Jahre 2006 und 2007 vom 08.06.2006 berücksichtigt, wo es heißt:

56

"Die Beträge der ab 1. November 2006 maßgebenden Entgelttabelle werden im Tarifgebiet West ab 1. Januar 2008 um 2,9 v. H. erhöht. Die Erhöhung gilt im Tarifgebiet Ost ab 1. Mai 2008. Die Beträge der Entgelttabelle werden dabei auf volle 5,00 € aufgerundet."

57

Der Zinsanspruch des Klägers ergibt sich aus den §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 1 und 2 Nr. 1 BGB.

58

2. Aus den unter I. 1. a) dargestellten Gründen hat das Arbeitsgericht dem Feststellungsbegehren des Klägers wegen des Hilfsantrages zu Recht entsprochen.

59

III. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92 Abs. 1 S. 1, 97 Abs. 1 ZPO.

60

Die Revision war gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen.

Vogelsang
Malewski
Eggers